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Quelleneditionen und zeitgenössische gedruckte Quellen

Im Dokument ━ Belastung und Bereicherung ━ (Seite 66-70)

Die von der Bundesregierung initiierte und zwischen 1952 und 1962 erschienene, bis heute im-mer wieder nachgedruckte, auch als Taschenbuchausgabe verbreitete mehrbändige „Dokumen-tation der Vertreibung der Deutschen aus Ostmitteleuropa“192, kurz „Ost-Dokumentation“, genannt, ist die umfangreichste Sammlung von Selbstzeugnissen (Zeitzeugenberichten) Betroffener

in dem sie über ihren Großvater, einen Flüchtling aus Schlesien, spricht und ihre eigene Haltung zur Aktualität des Themas als Nachgeborene formuliert. – Siehe auch in derselben Reihe die Schülerarbeit über das Flücht-lingslager (Prenzlau-)Birkenhain (Anm. 190).

188 Ragösen. Beiträge zur Geschichte. T. 2: 1945 bis 1991. Autorenkollektiv: Helmut Bessel u. a. Hrsg.: Gemeinde Ragösen. Red.: Helga Kästner. Ragösen 2002, bes. S. 19 f., 39, 41, 54 („Vom Schicksal der Flüchtlinge“).

189 100 Jahre Wilhelmshorst 1907–2007. Eine Waldsiedlung vor den Toren der Hauptstadt. Hrsg. im Namen der Freunde und Förderer der Wilhelmshorster Ortsgeschichte e. V. von Rainer Paetau. Wilhelmshorst 2007, S. 338–350.

190 Ansätze bieten für einzelne wenige Lager: Anne Hacker: Birkenhain als Flüchtlingslager. Die Baracke als eine Zwischenstation zum neuen Leben in der „Zwangsheimat“ Deutschland. In: Birkenhain. Ein historischer Ort.

Autoren: Judith Drescher u. a. Hrsg.: Uckermärkischer Geschichtsverein zu Prenzlau e. V. (Schülerarbeiten zur Regionalgeschichte, H. 3). Prenzlau 2007, S. 30–36.

191 Hirthe, Das Heimkehrerlager in Frankfurt-Gronenfelde (wie Anm. 163). – Hans-Georg Schneider: Zur Rolle und Bedeutung des Frankfurter Heimkehrerlagers Gronenfelde. In: Frankfurter Beiträge zur Geschichte 16 (1987), S. 5–9. – Joachim Schneider: Rückkehr nach Deutschland und doch nicht daheim. In: Historischer Verein zu Frankfurt (Oder) e. V. Mitteilungen 1993, H. 2, S. 2–3. – Karl-Konrad Tschäpe. Chronologie zu De-portation, Zwangsarbeit und Heimkehr in Frankfurt (Oder) 1938–1956 sowie zu deren Rezeprion bis 2018.

In: Frankfurter Jahrbuch 2018, S. 86–179.

192 Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ost-Mitteleuropa. Hrsg. vom Bundesministerium für

Ver-und muss trotz immer wieder vorgetragener konzeptioneller Ver-und politischer Kritikpunkte nach wie vor in die Behandlung des Themas einbezogen werden.193 Sie ist jedoch vornehmlich den unmittelbaren Vorgängen der Flucht und Vertreibung gewidmet, nur am Rande denen der – hier interessierenden – Aufnahme, geschweige denn Eingliederung, die in vielen (oft ohnehin gekürzten) Berichten am Ende immerhin knappe Erwähnung findet, übrigens in nicht weni-gen Fällen mit brandenburgischen Ziel- bzw. Ankunftsorten.194 Noch stärker auf die konkre-ten Vorgänge und Umstände bei Beginn der einzelnen Vertreibung konzentriert ist die neuere polnisch-deutsche Quellenedition, die anders als die „Ost-Dokumentation“ staatliche Akten aus polnischen Archiven präsentiert.195

Demgegenüber ist die von Manfred Wille in den Jahren 1996 bis 2003 herausgegebe-ne dreibändige Edition – begrenzt auf die SBZ/DDR – ganz den Vorgängen vom Zeitpunkt des Flucht-Endes bzw. von der Ankunft am neuen, ersten oder künftigen Aufenthaltsort an ge-widmet.196 Vergleichbares liegt bisher in diesem Umfang und dieser Tiefe für die westlichen Bundesländer nicht vor. Brandenburg wird von der Edition durchaus erfasst und ist mit diver-sen Dokumenten aus dem Brandenburgischen Landeshauptarchiv197 und dem Bundesarchiv vertreten, der Schwerpunkt liegt aber eher bei Mecklenburg und Thüringen sowie auch noch Sachsen-Anhalt und Sachsen, wohl weil für diese Länder in Willes Forschergruppe bereits fort-geschrittene oder fertiggestellte Monographien existierten.198 Während sodann schon seit 2005 sogar für ein einzelnes Land, Sachsen, eine nur diesem gewidmete Quellenedition vorliegt199, kann Brandenburg erst mit dem der vorliegenden Arbeit beigegebenen Teil 3 (Quellenediti-on) nachziehen, der jedoch, um allzu viele Doppelungen zu vermeiden, stärker auswählt; die

triebene. In Verb. mit Adolf Diestelkamp u. a. bearb. von Theodor Schieder. Bd. 1–5. Beih. 1–3. Reg. 1953–

1963 (zitiert: Dokumentation der Vertreibung I–V).

193 Mathias Beer: „Dokumentation der Vertreibung der Deutschen aus Ostmitteleuropa“. In: Lexikon der Vertrei-bungen (wie Anm. 59), S. 215–218.

194 Hilfreich ist hierfür das 1963 erschienene Ortsregister (50 S. Kleindruck).

195 „Unsere Heimat ist uns ein fremdes Land geworden …“ Die Deutschen östlich von Oder und Neiße 1945–

1950. Dokumente aus polnischen Archiven. Hrsg. von Włodzimierz Borodziej u. Hans Lemberg. Bd. 1–3.

Marburg 2000–2004 (Quellen zur Geschichte und Landeskunde Ostmitteleuropas, 4/I–III).

196 Die Vertriebenen in der SBZ/DDR. Dokumente. Hrsg. u. eingel. von Manfred Wille unter Mitarb. von Steffi Kaltenborn (T. 1: Steffi Kaltenborn, Gerald Christopeit. Manfred Jahn). Wiesbaden 1996–2003 (Studien der Forschungsstelle Ostmitteleuropa an der Universität Dortmund, Bd. 19,1–3): [T.] 1. Ankunft und Aufnahme 1945. 1996. – [T.] 2. Massentransfer, Wohnen, Arbeit 1946–1949. 1999. – [T.] 3. Parteien, Organisationen, Institutionen und die „Umsiedler“ 1945–1953. 2003. [Im Folgenden zitiert Wille I–III]. Nicht übersehen werden sollten die kurzen, aber instruktiven Einleitungskapitel, die jedem einzelnen Abschnitt und Unterab-schnitt der Edition beigefügt sind.

197 Die angegebenen Signaturen sind teilweise veraltet.

198 Siehe dazu oben im Kapitel I. 2 Forschungsstand.

199 „Umsiedler“ in Sachsen. Aufnahme und Integration von Flüchtlingen und Vertriebenen 1945–52. Eine Quel-lensammlung. [Bearb.:] Andreas Thüsing / Wolfgang Tischner. Unter Mitarb. von Notker Schrammek. Leip-zig/Berlin 2005. 520 S. (EKF-Wissenschaft, Abt. Zeitgeschichte, Bd. 2).

dreibändige Edition von Wille bleibt daneben weiter auch für Brandenburg grundlegend, nicht zuletzt durch Einbeziehung von die gesamte SBZ betreffenden Dokumenten.

Für die SBZ und damit auch für Brandenburg liegen jedoch noch einzelne andere the-matisch allgemeiner gehaltene Quelleneditionen vor, die hier am Rande zu erwähnen sind, da sie immerhin die Rahmenbedingungen der Nachkriegszeit allgemein beleuchten und zudem in der Lokalgeschichtsforschung noch viel zu wenig rezipiert worden sind. Die von der Staat-lichen Archivverwaltung der DDR noch 1989 herausgegebene, für Brandenburg von dem im Staatsarchiv Potsdam (jetzt wieder BLHA) tätigen Archivar Hans-Joachim Schreckenbach (geb. 1928 Dresden) betreute Sammlung der Berichte der Landes- und Provinzialverwaltun-gen aus den Jahren 1945 und 1946200 enthält sogar im „Sachweiser für die Dokumente“ etliche Fundstellen zum Begriff „Umsiedler“201, da u. a. – für Brandenburg – ein „Bericht der Provinzi-alverwaltung Mark Brandenburg über die Durchführung der Bodenreform“202 vom 20. März 1946 und ein „Tätigkeitsbericht des Amtes für Umsiedler der Provinzialverwaltung Mark Brandenburg für die Zeit vom 1. Oktober 1945 bis 30. September 1946“203 vom Oktober 1946 vollständig ab-gedruckt werden. Letzterer ist in der wissenschaftlichen Literatur immer wieder auszugsweise zitiert und verwendet worden, bedarf aber dringend der Ergänzung durch Zeitzeugenberichte.

1994 erschien in der Veröffentlichungsreihe des BLHA eine umfangreiche Edition von Proto-kollen des „Landesblockausschusses der antifaschistisch-demokratischen Parteien Brandenburgs“ für die Jahre 1945–1950. Unter den 34 wichtigsten behandelten Sachthemen findet sich immerhin die Bodenreform dreimal und die Oder-Neiße-Linie fünfmal204, doch kommt auch das Thema

„Flüchtlinge“ gesondert vor, etwa wenn der zuständige Abteilungsleiter der Provinzialregierung Rederecht erhalten hatte.205

Weit über den kirchlichen oder gar den nur katholischen Bereich hinaus von Belang ist für das Thema die oben schon kurz angesprochene umfangreiche und sehr detailfreudige Quel-lenedition, die Winfried Töpler 2008 der Aufnahme der Flüchtlinge in der Niederlausitz ge-widmet hat, die jedoch – nicht nur für nicht-katholische Lokalhistoriker in Brandenburg – an recht versteckter Stelle innerhalb eines Sammelbandes erschienen ist.206 Immerhin hatte Töpler, der ohnehin in der Niederlausitz vernetzt ist, schon 2005 in einem regionalgeschichtlichen

Pe-200 Berichte der Landes- und Provinzialverwaltungen zur antifaschistisch-demokratischen Umwälzung 1945/46.

Quellenedition. Hrsg.: Staatl. Archivverwaltung der DDR. Gesamtred.: Wolfgang Merker u. Hans-Joachim Schreckenbach. Bearb.: Gottfried Börnert u. a. Berlin 1989. 484 S. (Publikationen der Staatlichen Archivver-waltung der DDR).

201 Ebd., S. 451.

202 Ebd., Dokument Nr. 35 (S. 202–214).

203 Ebd., Dokument Nr. 70 (S. 403–407).

204 Protokolle des Landesblockausschusses der antifaschistisch-demokratischen Parteien Brandenburgs 1945–

1950. Eingel. u. bearb. von Fritz Reinert (Veröffentlichungen des Brandenburgischen Landeshauptarchivs, Bd. 30). Weimar 1994, S. LII f. – Ein Sachregister zu den über 400 Seiten umfassenden Protokolltexten fehlt.

205 Ebd., S. 104 f. (31.3.1947).

206 Töpler, Menschenwurm (wie Anm. 147).

riodikum eine Teiledition vorgelegt.207 Er hat nun nicht geruht und der Forschung (wie auch der örtlichen Erinnerungsarbeit) mit der Edition von Zeitzeugenberichten der Jahre 1945/46 aus der katholischen Gemeinde Guben einen weiteren sehr umfangreichen Quellenfundus zur Verfügung gestellt, der die Situation in der – im Juni 1945 – vielleicht am stärksten von allen brandenburgischen Orten betroffenen Grenzstadt in eindringlichen Schilderungen vor Augen führt.208 Alle diese Dokumentensammlungen (katholisch-)kirchlicher Provenienz beleuchten freilich in erster Linie auch „nur“ die Not der Anfangszeit und spiegeln Eingliederungsbemü-hungen nur teilweise bzw. oft vorübergehend.

Umfangreichere lokale und kleinregionale Quellensammlungen für das Kriegsende und die unmittelbare erste Nachkriegszeit liegen in Brandenburg ebenfalls bislang nur für die Nie-derlausitz vor: für die Grenzstädte Fürstenberg/Oder–Eisenhüttenstadt209 und Guben210. Beide enthalten diverse für die Situation der Flüchtlinge und Vertriebenen aussagefähige Dokumente, die beispielhaft für andere stehen können. Die Eisenhüttenstädter Sammlung geht sogar bis in kleinste Vorfälle und Angelegenheiten einzelner – stets namentlich genannter – Personen. We-gen der gerinWe-gen Auflage fast nur im Land rezipierbar sind die detailversessenenen Arbeiten von Stefan Lindemann (geb. 1973 Hennigsdorf) für Groß und Klein Behnitz (Westhavelland), in denen einzelne Quellen, z. B. zur Wohnraumbeschaffung und zur Bodenreform, erschlossen sowie in Regestenform mitgeteilt werden.211

Zeitgenössische und ausgewählte später gedruckte Statistiken bieten nur in einem sehr begrenzten Rahmen wichtige ergänzende Daten. Für Fragen der Langzeit-Eingliederung schei-den sie aus, da die gesonderte Erfassung der „Umsiedler“ in DDR-Statistiken ab 1950/51

un-207 Töpler [Hrsg.], Berichte der katholischen Geistlichkeit aus dem Jahr 1945 (wie Anm. 146).

208 Unsere Herzen bluten (wie Anm. 146).

209 „Die russische Kommandantur verlangt …“ Eine regionale Quellensammlung der ersten Nachkriegsjahre für Fürstenberg (Oder) und Umgebung 1945–1949. Hrsg.: Bürgervereinigung „Fürstenberg (Oder)“ e. V. Ver-antw.: Erich Opitz. Eisenhüttenstadt 2003. 192 S. Ein Teil dieser Quellen war bereits 1994 als Schülerarbeit am Gymnasium Neuzelle veröffentlicht worden: Chronik der ersten Jahre. Eine regionale Quellensammlung für Fürstenberg/Oder und Umgebung 1945–1949. Zsgest. von Bernd Bahro u. a. (Neuzelle 1994). 78 S.

210 (Mischung aus Darstellung und Quellenedition:) Guben 1945/1946 (wie Anm. 179).

211 Quellen zur Geschichte der Dörfer Groß und Klein Behnitz. Archivalische Quellen 1174/76–1989. Bearb.

von Stefan Lindemann (Beiträge zur Geschichte der Dörfer Groß und Klein Behnitz (Havelland), Nr. 21).

Potsdam 2006. CLXXXV, 1148 S. [S. LVI–LIX: Bodenreform]. – Erschließung der Einwohnermeldebücher Groß Behnitz (mit Ortsteil Quermathen) 1950–1983. Mit einer Liste der „Russland-Flüchtlinge“ 1945/46.

Bearb. von Stefan Lindemann unter Mitarb. von Nele Möbius. Potsdam 2015. 221 S. [S. 197–198: Liste der Flüchtlinge aus Russland (und Litauen) 1945/46]. – Erschließung des Gesamtkirchenbuches Klein Behnitz.

Taufen 1902–1949. Beerdigungen 1934–1975. Trauungen 1932–1976. Konfirmationen 1912–1927. Bearb.

von Stefan Lindemann. Brandenburg/H.–Potsdam 2004. 160 S. – Stefan Lindemann: Erschließung der Kir-chenbücher Groß und Klein Behnitz. Taufen Groß Behnitz 1937–1992. Taufen Klein Behnitz 1950–1992.

Konfirmationen Groß und Klein Behnitz 1927–2010. Beerdigungen Groß Behnitz 1952–2011. Beerdigungen Groß Behnitz 1976–2015. (Privatdruck) Vitte (Hiddensee)/Potsdam 2016. – Ders.: Erschließung des Ge-samtkirchenbuches Groß Behnitz (Teil 2). Taufen 1902–1936. Beerdigungen 1931–1951. Trauungen 1932–

1959. Konfirmationen 1912–1926. (Privatdruck) Potsdam 2016.

tersagt war und danach nur noch z. T. geheim erfolgte.212 Für die frühen Nachkriegsjahre liegen dagegen einzelne, teilweise brauchbare Daten aus der Bevölkerungszählung vom 29. Oktober 1946213 vor, die in manche lokale Darstellung und, meist nur knapp anreißend, bisweilen sogar etwas zu unkritisch, auch in die zeitgeschichtliche Literatur bereits Eingang gefunden haben, in landeskundlichen Nachschlagewerken aber nur selten zur Filterung der Gruppe der Flücht-linge und Vertriebenen genutzt worden sind.214 1946 hat man nach dem Wohnort im „Nor-maljahr“ 1939 gefragt. Für innerhalb des damaligen Deutschen Reiches liegende Gebiete sind die Zahlen in den publizierten Ergebnistabellen nach Provinzen gegliedert und somit für eine landsmannschaftliche Analyse recht differenziert aussagekräftig. Für die außerhalb des Reiches liegenden Wohnorte werden dagegen nur Staaten genannt, so dass zwar die drei baltischen als eine Gesamtgruppe für die Zeit vor der Eingliederung in die UdSSR noch gesondert erkennbar sind, aber beispielsweise keine Unterscheidung von Regionen innerhalb Polens (Posen/West-preußen, Zentralpolen) möglich ist.215 Die Zahlen bleiben jedoch eine sehr wertvolle, singuläre Quelle, sofern man sich bewusst bleibt, dass auch nach dem Tag ihrer Erhebung (29. Oktober 1946) noch Transporte ins Land kamen und v. a. zahllose Wohnsitzwechsel und Abwanderun-gen erfolgten, sie also nur bedingt längerfristig bleibende Zustände spiegeln.

Im Dokument ━ Belastung und Bereicherung ━ (Seite 66-70)