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Die Einwirkung von Natriumhypochlorit kann je nach Konzentration zu schweren Ver-ätzungen oder zu Entzündungen der Haut, Augen und Atmungsorgane führen. Die Wir-kung von Natriumhypochlorit-Lösung beruht einerseits auf seiner stark alkalischen Re-aktion und andererseits auf dem stark oxidierenden Charakter der zugrundeliegenden unterchlorigen Säure und ihren Reaktionsprodukten bei Kontakt mit organischem Mate-rial. Die kombinierte Wirkung gleicht insgesamt einer Laugenvergiftung mit starkem Gewebeangriff, wobei Blasenbildung auf der Haut und eine stark methämoglobinbil-dende Wirkung möglich ist.

5.1. Akute Toxizität

Die Ergebnisse von Unfallgutachten zur Wirkung von HOCl-Lösungen aus euro-päischen Giftkontroll- und Überwachungs-Zentren haben gezeigt, dass die akute Auf-nahme von HOCl durch Unfall zum größten Teil nur zu geringeren, vorübergehenden Gesundheitsschäden ohne einen bleibenden Schädigungseffekt führt (Racioppi et al., 1994). Die häufigste Form der Aufnahme ist Verschlucken, gefolgt von Einatmen von Gasen, die durch Vermischen von NaOCl mit Ammoniak oder Säuren entstehen kön-nen.

5.1.1. Hautirritationen

Das Hautirritations-Potential von NaOCl-Lösungen ist begründet durch die Präsenz der folgenden reaktiven Spezies: Hypochlorit-Ionen (OCl-), Hypochlorsäure (HOCl) und Natriumhydroxid (NaOH). Dabei scheint HOCl die vorrangige Ursache der Irritations-effekte zu sein, da steigende Hautirritationen beobachtet wurden, wenn das Gleichge-wicht in Richtung der HOCl durch Verringerung der Basizität der Lösung verschoben wird (Hostynek et al., 1990).

Hautirritationsdaten an Kaninchen und Meerschweinchen zeigten, dass unverdünnte Lö-sungen (ca. 5,5% NaOCl) ein moderates Hautirritationspotential haben und verdünnte Lösungen (1:10, w/v, mit Wasser, ca. 0,6% NaOCl) sehr gering oder gar nicht die Haut irritieren (Nixon et al., 1975,1990).

Irritationstests an menschlicher Haut wurden unter übertriebenen (begrenzter Fleck) und unter realistischen (offene Auftragung/Anwendung) Expositions-Bedingungen durchge-führt. Unverdünnte Lauge (5,25% NaOCl, pH 10,7) schädigte die intakte menschliche Haut unter „begrenzten Fleck“ Bedingungen nach 4-stündiger Anwendung/Einwirkung beträchtlich (Nixon et al., 1975). Im Gegensatz dazu erzeugten offene Anwendungen von 0,25 – 4 % NaOCl keine Hautreaktionen (Eun et al., 1984). Schwache bis mäßige Irritationen wurden bei 15 von 69 Dermatitis-Patienten beobachtet, die bei „begrenzten Fleck“ Bedingungen (48 Stunden bedeckter Kontakt mit 2%-iger NaOCl-Lösung) ge-testet wurden. Dagegen löste 1% NaOCl an der gleichen Versuchsgruppe unter densel-ben Bedingungen keine Irritationen aus (Habets et al., 1986).

5.1.2. Hautsensibilisierung

NaOCl verursacht im allgemeinen keine Kontaktsensibilisierungen abgesehen von sel-tenen Berichten über allergische Kontaktsensibilisierungen (Habets et al., 1986; Hosty-nek et al., 1989; Osmundsen, 1978). Die allergischen Reaktionen traten allerdings hauptsächlich nur bei mehrfach-sensibilisierten Individuen auf (Habets et al., 1986). Be-trachtet man die weitverbreitete Anwendung von NaOCl, so kann die Wahrscheinlich-keit einer allergischen Kontaktsensibilisierung nahezu vernachlässigt werden. In der Vergangenheit wurde Hautsensibilisierung von NaOCl-Lösungen durch Chrom-Salze ausgelöst, die dem Produkt als Färbemittel zugesetzt wurden. Diese

Chrom-Salz-Zusätze sind jedoch schon vor mehr als 20 Jahren von der Industrie freiwillig aus den NaOCl-Lösungen entfernt worden (Lachapelle et al., 1980).

5.1.3. Orale Toxizität

Nicht-humane orale Toxizitätsprüfungen zeigten, dass kommerziell erhältliche HOCl-Lösungen einen geringen Toxizitätsgrad verglichen mit anderen als allgemein sicher eingestuften Haushaltsprodukten haben (LD50-Werte größer als 2000 mg/kg Körperge-wicht). In humanen (bezogen auf Erwachsene) Toxizitätsdaten wurde von einer letalen Dosis von 200 ml Lösung mit 3-6% beim Umsatz verfügbares Chlor (verf. Cl2) berich-tet. Suizid-Versuche von Erwachsenen können zum Tod führen, wenn mindestens 250-500 ml konzentrierte (12,5%) NaOCl-Lösung aufgenommen wird. Wenn allerdings die versehentliche Aufnahme von großen Mengen NaOCl zu dessen Aspiration in die Lun-ge führt, kommt es vermehrt zu Todesfällen. In diesen unabsichtlichen und in anderen beabsichtigten (suizidalen) Aufnahmefällen führte die HOCl-Lösung zu aspiratorischer Pneumonitis.

Außerdem wurde festgestellt, dass NaOCl-Lösung einen starken und immediaten Brech-reflex auslöst. Landau und Saunders (1964) beobachteten bei Hunden einen BrechBrech-reflex nach Aufnahme von 5 ml 5,25%-iger NaOCl. Demnach ist der Brechreflex bei Hunden nach Aufnahme von NaOCl fünfmal stärker als wenn durch Aufnahme von Ipecac-Sirup (Emetikum) ein gewollter Brechreiz erzeugt wird. Der starke Brechreflex redu-ziert sehr wahrscheinlich das Risiko von negativen Folgeeffekten, die durch eine syste-mische Aufnahme der Inhaltsstoffe von NaOCl-Produkten erzeugt werden könnten.

Weiterhin macht der auffällige Geruch und Geschmack die unbeabsichtigte Aufnahme großer Mengen an NaOCl-Lösungen praktisch unmöglich.

Eventuell resultierende klinische Konsequenzen und Symptome, wie beispielsweise ei-ne Magenverengung, konnten in praktisch allen Fällen entweder durch eiei-ne prophylakti-sche mediziniprophylakti-sche Behandlung oder eine angepasste Diät in kurzer Zeit behoben wer-den. Insgesamt kann man sagen, dass keine großen oder permanenten Schäden des Gastrointestinaltraktes nach unbeabsichtigter Aufnahme von NaOCl-Lösung entstehen, wobei die Genesung schnell und ohne bleibende Schäden erfolgt.

5.1.4. Augenirritationen

An Kaninchen führte der Standard-Draize-Test (Draize et al., 1944) zu keinen Augenir-ritationen, wenn eine 0,005 oder 0,05%ige NaOCl-Lösung in die Augen eingetropft wurde. Bei 0,5%iger NaOCl wurde nach 2 bzw. 6 Stunden eine geschwollene und blut-unterlaufene Bindehaut beobachtet. Die Tiere erholten sich von den Symptomen inner-halb von 4 Stunden. Außerdem wurde beobachtet, dass der irritierende Effekt mild und vorübergehend ist, falls nach dem Eintropfen der NaOCl-Lösung die Augen sofort mit Wasser gespült wurden. Wenn im Gegensatz dazu die Augen nicht gespült wurden, wa-ren die Effekte stärker und die Erholung verlangsamt (BIBRA, 1990).

Weiterhin wurde zur Untersuchung des Einflusses von NaOCl auf Hornhaut und Binde-haut die sogenannte „low volume“ Methode angewandt. Bei dieser Methode wird ein geringeres Volumen des Testproduktes (0,01 bis 0,1 ml) verwendet und nach der Be-träufelung werden die Augen des Versuchstieres nicht geschlossen. Damit werden die für den Menschen relevanten Expositionsbedingungen besser wiedergegeben (Griffith et al., 1980; ASTM Standard Method E 1055-1085, 1985). Dies zeigte eine bessere Über-einstimmung des „low volume“ Testes im Vergleich zum Draize-Test mit humanen Au-genirritationsdaten (Freeberg et al., 1984,1986 a, b). Mithilfe des „low volume“ Testes wurde 5%ige NaOCl-Lösung als „mittelmäßig irritierend“ eingestuft (Griffith et al., 1980).

Von Augenverletzungen am Menschen mit 5%iger NaOCl wurde nur sehr selten berich-tet: Offenbar wird ein leichter brennender Schmerz hervorgerufen, der aber nur von ei-nem oberflächlichen Angriff der Hornhaut herrührt. Diese Symptome gingen innerhalb von ein bis zwei Tagen komplett zurück (Griffith et al., 1980). Sofortiges Spülen der Augen mit Wasser erleichterte die vollständige Erholung (BIBRA, 1990). Demzufolge wird erwartet, dass unter typischen Nutzungsbedingungen und unabsichtlichem Besprit-zen der Augen mit NaOCl, ein leichtes vorübergehendes Unbehagen hervorgerufen wird, das nach kurzer Zeit oder nach ausgiebigem Spülen mit Wasser vergeht.

5.1.5. Inhalationen

Vergiftungen durch direktes Einatmen von NaOCl-Laugendämpfen sind nicht bekannt, weil unter normalen Benutzungsbedingungen keine gefährlichen Gase (z.B. Chlorgase)

in ausreichendem Maße freigesetzt werden. Für den Produktionsbereich von NaOCl-Lösung gibt es jedoch eine „Sicherheitsgrenze“ von 0,5 ppm Chlorgas in der Luft bei 8 Stunden kontinuierlicher Exposition ohne spezielle Schutzausrüstung.

Allerdings entstehen Vergiftungen durch Einatmen infolge irrtümlichen Mischens von NaOCl mit Ammoniak oder Säuren. Beim Mischen von NaOCl mit Ammoniak entste-hen Chloramin-Verbindungen (hauptsächlich Monochloramin), welche einen schädli-chen Einfluss auf die Lunge haben können. Dadurch kann es zu ernsthafter toxischer Pneumonitis kommen (Ellenhorn et al., 1988).

Das Mischen von NaOCl mit Säuren (z.B. bei der Toilettenreinigung) kann die Freiset-zung von Chlorgas infolge einer pH-Wert-Verschiebung (pH > 3) bewirken. Aber nur in seltenen Fällen reicht die Menge des freigesetzten Cl2 aus, um gesundheitliche Schäden herbeizuführen (Reisz et al., 1986). Der Mechanismus der Toxizität ist bisher nicht im Detail verstanden. Gasinhalationen nach dem Mischen von NaOCl mit anderen Produk-ten repräsentieren nach der oralen Aufnahme die zweitwichtigste Möglichkeit von toxi-kologisch relevanten Unfällen mit NaOCl. Weibliche Personen sind bei weitem (mit ei-nem Gesamtanteil von 82,1%) die vorherrschend betroffenen Patienten (Racioppi et al., 1994). Dies lässt sich darauf zurückführen, dass Frauen traditionell häufiger als Männer Reinigungsarbeiten ausführen. Nachdem 1985 von drei tödlichen Unfällen infolge irr-tümlichen Mischens von konzentrierter NaOCl (8-10% verf. Cl2) mit Säuren in den Niederlanden und in Deutschland berichtet wurde, wurde dem Produkt in diesen Län-dern ein Puffersystem zugefügt um pH-Verschiebungen zu verhinLän-dern.

5.2. Ökotoxizität

NaOCl wird als toxisch für Wasserorganismen mit einer LD50 (96 Stunden Kontaktzeit) für die amerikanische Elritze ab 5,9 mg/l und die Garnele ab 52 mg/l beschrieben. Au-ßerdem besteht aufgrund einer pH-Verschiebung des Wassers durch NaOCl eine Schad-wirkung auf Fische, Plankton und festsitzende Organismen wie z.B. Muscheln.

Weiterhin kommt es durch die Bildung von Chlor zu einer Schädigung von Wasseror-ganismen, wobei eine Chlorkonzentration ab 0,05 mg/l für Fische eine tödliche Wir-kung haben kann (Sicherheitsdatenblatt Akzo Nobel Base Chemicals GmbH).

5.3. Gentoxizität

NaOCl ist, wie alle Hypochlorit-Salze, nicht klassifizierbar hinsichtlich ihrer Karzino-genität am Menschen (Gruppe 3), da unzulängliche Daten über die Toxizität an Tieren und keine verfügbaren Daten am Menschen vorliegen (IARC, 1991). Werden chlorierte organische Verbindungen in unbehandeltem Wasser gelöst, können Organohalogene entstehen, die an der Salmonella typhimurium mutagen wirken (Meier et al., 1988).

Curieux et al. prüften 1993 die Gentoxizität von NaOCl mit drei Assays (SOS Chrom-test, Ames Fluktuationstest und Mikrokerntest). Im SOS Chromtest fand man, dass Natriumhypochlorit keine primären DNA-Schäden an Escherichia coli erzeugt. Keine mutagene Aktivität zeigt NaOCl ebenfalls mit dem Ames Fluktuationstest mit Salmonella typhimurium TA100, TA102 oder TA 98. Der Mikrokern-Assay stellte einen klastogenen Effekt an peripheren Bluterythrozyten der Pleurodeles waltl Larve fest, wobei der Mikrokerntest der empfindlichste Test auf NaOCl mit indirekter gentoxischer Aktivität ist.