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Anwendungen und Wirkungsweise von Natriumhypochlorit

Da NaOCl viele Vorteile bietet, wird es im Haushalt und im Gewerbe bei vielfältigen Anwendungen als Desinfektionsmittel eingesetzt. Diese Vorteile sind im einzelnen:

- es ist wasserlöslich sowie in Wasser aktiv und ermöglicht deshalb eine große Palette von Anwendungsmöglichkeiten,

- es hat ein breites Aktivitätsspektrum, d.h. es ist effektiv gegen Bakterien (Gram posi-tiv und Gram negaposi-tiv), Sporen, Pilze und Viren (Bloomfield, 1978; Raitano, 1990), - es ist bereits in geringen Konzentrationen aktiv und erlaubt deshalb einen Einsatz in

sehr geringen Dosen,

- es sind im Gegensatz zu den meisten Antibiotika keine mikrobiellen Resistenzphä-nomene gegenüber NaOCl bekannt,

- es ist nicht giftig für den menschlichen Organismus wenn es der Anweisung entspre-chend angewandt wird; selbst im Falle von Fehlanwendungen hat es nur eine geringe Toxizität und ein geringes Reiz- und Entzündungspotential,

- es ist leicht handhabbar, farblos, färbt nicht, ist nicht entzündlich und überall erhält-lich,

- es ist relativ stabil für Lagerung und Transport,

- es ist sehr preiswert im Vergleich mit Alternativen, die möglicherweise weniger effektiv wären.

Wegen der genannten Vorteile, finden HOCl-Produkte Anwendung bei der Reinhaltung von Schwimmbecken, als Desinfektionsmittel für die städtische Wasserversorgung (Trinkwasserproduktion) und Abwasseraufbereitung sowie in der Lebensmittelherstel-lung. In unbehandeltem Rohwasser wird durch HOCl-Behandlung der Gehalt an ge-samtorganischen Kohlenstoff (total organic carbon = TOC) gesenkt, Mikroorganismen werden im Trinkwasser abgetötet und ihre Neubildung im Wasserverteilungssystem verhindert (Curieux et al., 1993). Der Mechanismus der antimikrobiellen Aktivität ist bisher noch nicht vollständig geklärt. Die postulierte Wirkungsweise von HOCl als Des-infektionsmittel beruht auf der Inhibierung von enzymatischen Schlüsselreaktionen in der Zelle sowie auf Proteindenaturierung. Zur Erhöhung der antimikrobiellen Aktivität von HOCl muss der pH-Wert und die organische Belastung verringert, sowie die Kon-zentration und die Temperatur erhöht werden. Insbesondere die Anwesenheit von orga-nischem Material, wie Serum, Plasma und Biofilme in z.B. Rohrleitungen reduzieren die Effizienz der Desinfektion mit HOCl. Bei der Verwendung müssen die zudosierten Mengen an NaOCl ausreichen, um den anwesenden Ammoniak (bzw. die Amine) über die Stufe des Monochloramins hinaus zu chlorieren. Erst dann ist eine ausreichende Desinfektion gewährleistet.

In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert, dass der typische „Chlorgeruch“ von ent-keimten Wasser nicht vom gelösten Chlor stammt. Er entsteht vielmehr durch die beim Einwirken von HOCl auf vorhandene Bakterien entstehenden Chloramine (Greenwood und Earnshaw, 1988). Die früher übliche Verwendung zur Behandlung von Wunden und Brandwunden ist aufgrund von auftretenden Entzündungen nicht mehr gebräuchlich (Rutala et al., 1997). Spezielle Anwendungsgebiete werden in den folgenden drei Ab-schnitten ausführlicher beschrieben.

6.1. Im Gesundheitswesen

In Krankenhäusern kommt HOCl weitverbreitet zum Einsatz, wie z.B. zur Chlorierung von Wasserverteilungssystemen, zur Hämodialyse, Reinigung von Oberflächen, Wä-schedesinfektion, Dekontamination von verschüttetem infektiösem Material (Blut,

ande-re Körperflüssigkeiten, mikrobiologisches Material), Desinfektion von Patientenausrüs-tung (z.B. dentale Einsätze, Prothesen), Dekontamination von medizinischem Abfall vor der Entsorgung sowie zur Bereitstellung von desinfiziertem Trinkwasser (Rutala et al., 1997). In früheren Zeiten wurde zur effizienten Wäschedesinfektion Wäsche bei Tem-peraturen größer als 71,1°C für mindestens 25 min gewaschen. Allerdings ist dies sehr kostspielig und 1984 wurde festgestellt, dass bei Waschtemperaturen zwischen 22 und 50°C durch Zugabe von NaOCl die Effizienz der erzielten Wäschedesinfektion der des Hochtemperaturwaschens entspricht (Blaser et al., 1984). Zur Behandlung von medizi-nischem Abfall gibt es bisher noch kein einheitliches Standardverfahren. Zumindest ein Verfahren beruht auf mechanischer Zerkleinerung und anschließender chemischer Des-infektion mit NaOCl (Rutala et al., 1997). Weiterhin wurde NaOCl zur chemischen Zer-setzung von kontaminierten Chemotherapie-Abfällen getestet. Die 9 gentoxischen Ver-bindungen (Anthracycline) konnten nach 1 h NaOCl- (5,25%) Behandlung nachweislich in nichtmutagene Komponenten umgewandelt werden (Castegnaro et al., 1997).

In der Zahnmedizin wird NaOCl außerdem während der chemomechanischen Aufberei-tung von Wurzelkanälen zum Spülen eingesetzt. Dabei werden seine gewebeauflösen-den (Chlorierung organischer bzw. metallischer Verbindungen) und desinfizierengewebeauflösen-den Eigenschaften genutzt. Die Wirksamkeit dieses Medikaments ist weitgehend geklärt (Oncag et al., 2003). Dennoch ist die anzuwendende Konzentration umstritten (Dam-maschke, 1999). Aufgrund der sogenannten „Chlorzehrung“ durch Blut, Eiter oder Ge-webereste kann u.U. die Desinfektion ungenügend sein (Dammaschke, 1999). Da es sich beim Wurzelkanal um einen abgeschlossenen Raum handelt, der nur minimalen Kontakt zwischen NaOCl und vitalen Zellen erlaubt, bestehen keine größeren Toxizi-tätsbedenken. Eine sachgemäße Anwendung bezüglich Mundschleimhaut-, Haut- und vor allem Augenkontakt insbesondere durch Anwendung eines „Kofferdams“ (Spann-gummi zur Abschirmung des zu behandelnden Zahns vom restlichen Mundraum) sollte ausreichend Schutz bieten (Dammaschke, 1999).

6.2. In der Industrie

In der Industrie wird NaOCl zum Bleichen von organischen Materialien (z.B. Papier, Seife, Stroh- und Korbwaren usw.) eingesetzt (Dammaschke, 1999). Mit der Bleiche werden mehrere Ziele verfolgt: a) Entfärben durch Oxidation des Grundfarbstoffes

b) Entfernen von pflanzlichen Verunreinigungen, z.B. Blattresten u.ä. aus der Ernte c) Entfernen von Fetten und d) Erhöhung und Nivellierung der Saugfähigkeit für nach-folgende Prozesse. Der Bleichprozess muss dabei unter kontrollierten Bedingungen (pH-Wert, Konzentration, Bleichstabilisatoren usw.) ablaufen, damit das Molekularge-wicht von z.B. Cellulose nicht verringert wird, da dies zur verminderten Reißfestigkeit des Materials führen würde.

NaOCl bietet in industriellen Anlagen eine sichere und leicht zu praktizierende Anwen-dung. Insbesondere die Vorort-Produktion von NaOCl durch Elektrolyse einer NaCl-Lösung ist sehr vorteilhaft. Das effektive und preiswerte Biozid NaOCl wurde getestet, um Oberflächen von Anlagen der Lebensmittel-, Getränke- und Milchproduktionsin-dustrie zu reinigen: 99% der adhärenten Bakterien (Escherichia Coli, Staphylokokken und Salmonellen) konnten dabei erfolgreich abgetötet werden. Im Gegensatz dazu hin-terlassen normale Prozeduren zur Reinigung der Anlagen festsitzende Biofilme, welche überlebende Bakterien enthalten können (Qin et al., 2002).

Weiterhin wurde die Elektrolyse einer 0,1%-igen NaCl-Lösung als effektive, energie-arme Methode zur Mycotoxin-Dekontamination von Lebens- und Futtermitteln getestet.

Vielversprechende Ergebnisse (Suzuki et al., 2002) zeigten, dass HOCl auf diese Weise das Pilzwachstum komplett verhinderte und außerdem die Mutagenität von Aflatoxin B1

(AFB1) durch deren Zersetzung stark reduzierte. Die Zersetzung von AFB1 erfolgte bei pH 3 und nicht bei pH 11, was bedeutet, dass HOCl und nicht ClO- die aktive Komponente bei der Zersetzung von AFB1 ist.

Ein weiteres potentielles Einsatzgebiet der oxidierenden Eigenschaften von HOCl teste-ten Alfafara et al., 2004 zur Reduktion des hohen Ammoniak-Gehaltes (NH3) von stark salzhaltigen Abwässern, die in Jodgewinnungsanlagen entstehen. Da in diesen Abwäs-sern Ammoniak durch biologische Prozesse zu Nitrat bzw. Nitrit oxidiert wird, muss entsprechend der Umweltrichtlinien das Abwasser vor der Freisetzung behandelt wer-den. Eine elektrochemische Generierung von HOCl in diesem Abwasser benötigt nur eine geringe Spannung (geringe Energiekosten), wegen seiner eigenen hohen elektri-schen Leitfähigkeit. So werden die Oxidantien in diesem elektrolytielektri-schen Ammoniak-Entfernungssystem im kontinuierlichen Betrieb in situ generiert und das Endprodukt des Prozesses wird als Stickstoffgas freigesetzt.

6.3. Produktbeschreibungen von im Haushalt genutzten Hypochlorit

Kommerzielle HOCl-Produkte für den Haushalt sind typischerweise alkalische (pH 12 bis 13), wässrige, klare, gelbliche Lösungen mit einem charakteristischen Geruch. Sie enthalten 3 bis 10% verf. Cl2 (oder 3,15 bis 10,5% NaOCl), 0,5 bis 1,5% NaOH als Sta-bilisator und oftmals kleine Mengen Tensid, Parfüm und Mittel zur Unterdrückung der Schaumbildung. Basierend auf dem unterschiedlichen NaOCl-Gehalt, den Zusatzstoffen und der Marktposition können drei Produktkategorien unterschieden werden (Rovito et al., 1989):

- Waschmittel-Bleiche mit oder ohne Parfüm: enthalten typischerweise 4 bis 6% verf.

Cl2 und bis zu 0,5% NaOH (als Stabilisator). Die Hauptanwendung dieser Produkte ist als Wäsche-Bleichmittel aber auch für Desinfektion und Reinigung im Haushalt.

- Oberflächenreiniger mit Tensiden: enthalten typischerweise 1 bis 4% verf. Cl2, bis zu 1% NaOH und 1 bis 3% Tenside. Die NaOH-Konzentration ist höher als für

„normale“ Bleichmittel, um zu vermeiden, dass die Tenside durch die Reaktion mit NaOCl zersetzt werden. Diese Produkte werden hauptsächlich im Haushalt zum Des-infizieren und Reinigen und manchmal auch zum Wäschebleichen benutzt.

- Toiletten-Reiniger mit Parfüm und Tensiden: enthalten bis zu 10% verf. Cl2, bis zu 1,5% NaOH und 1 bis 5% Tenside. Diese Produkte haben normalerweise eine höhere Viskosität als „normale“ Bleichmittel. Das bewirkt, dass das Produkt an der behan-delten Oberfläche (besonders Toilettenschüsseln) „haftet“ und so durch den verlän-gerten Kontakt eine effektivere Desinfektion bewirkt. Der relativ hohe Gehalt an NaOH sichert die Produktstabilität und erhält die Viskosität der Lösung. Diese Pro-dukte werden zur Toilettenreinigung und als Haushaltsreiniger genutzt.

6.4. Klassifizierung und Kennzeichnung von NaOCl-haltigen Produkten In der Europäischen Union (EU) existieren vier Richtlinien, welche die Klassifikation, Kennzeichnung und Verpackung von Natriumhypochlorit betreffen:

- Gefährliche Substanzen Richtlinie 67/548/EEC (DSD) - Gefährliche Zubereitungen Richtlinie 88/379/EEC (DPD)

- Richtlinie 89/178/EEC (betrifft Produkte mit mehr als 1% verf. Cl2)

- Richtlinie 90/35/EEC über Kindersicherungsverschlüsse, Blindenwarnsignal

Entsprechend der genannten Richtlinien müssen NaOCl-Produkte gemäß Tab. 1 ge-kennzeichnet und verpackt werden. Die meisten HOCl-Produkte werden in Plastik-Flaschen (nach internationalem Standard ISO 8317 und EN 272) verkauft, die wenn mehr als 10% verf. Cl2 enthalten sind, als „ätzend“ eingestuft und mit einem Kindersi-cherheits-Verschluss und Blindenwarnsignal ausgestattet sind. Da NaOCl-Produkte meistens im Bereich von 3 bis 7% verf. Cl2 liegen, werden sie entweder als „reizend“

(5 - 10% verf. Cl2) oder ungefährlich (<5% verf. Cl2) eingestuft. Dennoch werden die zuletzt genannten Produkte oftmals freiwillig vom Hersteller mit Warnhinweisen ge-kennzeichnet.

NaOCl-Gehalt (verf. Cl2) Symbol R-Sätze S-Sätze Kindersicherung

<1% nein nein nein nein

1-5% nein nein 50 nein

5-10% Xi 31-36/38 2-25-46-50 nein

>10% C 31-34 2-28-46-50 ja

Tab. 1: Offizielle NaOCl EU-Klassifizierung (Xi = reizend; C = ätzend; R31 = Kontakt mit Säure setzt giftige Gase frei; R34 = verursacht Verätzungen; R36/38 = reizt Augen und Haut; S2 = nicht in Reichwei-te von Kindern aufbewahren; S25 = Augenkontakt vermeiden; S28 = nach Hautkontakt sofort mit reich-lich Wasser spülen; S46 = Bei Verschlucken sofort ärztreich-lichen Rat einholen und Verpackung oder Etikett vorzeigen; S50 = nicht mit anderen Produkten mischen, kann gefährliche Gase (Chlor) entwickeln).