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Verteilung der Einheitentypen auf die drei Teilkorpora

Im Dokument 3.3 Segmentierung gesprochener Sprache (Seite 107-116)

3.3 Segmentierung gesprochener Sprache

3.3.4 Verteilung der Einheitentypen auf die drei Teilkorpora

Tab. 7: fortgesetzt

Zeile Spre-cher

Intonationsphrase Einheiten-typ

Beschreibung

106/

107

Fel (-) kimmp drauf on WO- KomS;

Nebensatz:

KomS

106 Mar (-) OLter; NZ Nähezeichen in Form einer expedi-tiven Prozedur: Mar lenkt die Aufmerksamkeit seiner Ge-sprächspartner auf eine Abbildung in der Zeitung

108 Mar (---) maansch is des bild ECHT;

KomS-dial, KS

Zunächst KomS-dial, da Verbum cogitandi ohne Subjektspronomen realisiert ist, dann abhängiger Hauptsatz in Form eines KS

109 Fel (---) jo:- NZ Responsiv

110 Fel es is ECHT- KS

109 Flo (---) na; NZ Responsiv

110 Flo FIX nit. KomS Flo antwortet auf Mars Frage aus Z.

108 in Form einer kompakten Struk-tur (Konstruktionsübernahme).

((…)) weiterer Gesprächsverlauf

3.3.4 Verteilung der Einheitentypen auf die drei Teilkorpora

Nachdem das Vorgehen bei der Segmentierung und Kategorisierung der in den Gesprächen realisierten Intonationsphrasen beschrieben und seine praktische Umsetzung anhand eines Anwendungsbeispiels veranschaulicht wurde, sollen im folgenden Abschnitt nun die Ergebnisse zur Auswertung der quantitativen Verteilung der oben beschriebenen Einheitentypen in den zugrundeliegenden Gesprächskorpora (vgl. Kapitel 2.2.) erläutert werden. Untenstehende Tabelle mit den absoluten und relativen Häufigkeiten sowie eine vergleichende Grafik fassen die quantitative Verteilung der Einheitentypen im Korpus der jugendli-chen innen (Korpus JD), der erwachsenen Dialektsprecher/-innen (Korpus ED) sowie der erwachsenen Standardsprecher/-Dialektsprecher/-innen (Korpus GF) zusammen.

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Tab. 8: Absolute und relative Häufigkeiten der Einheitentypen in Korpus JD, ED und GF

Korpus JD - absolut (hi)

Korpus JD - relativ (f%i)

Korpus ED - absolut (hi)

Korpus ED - relativ (f%i)

Korpus GF - absolut (hi)

Korpus GF - relativ (f%i)

KS 4628 34,09% 4172 27,06% 4424 52,36%

MS 1098 8,09% 1559 10,11% 742 8,78%

KomS 4361 32,12% 3482 22,58% 1557 18,43%

AK 787 5,80% 1291 8,37% 457 5,41%

NZ 2702 19,90% 4916 31,88% 1269 15,02%

ges. 13576 100% 15420 100% 8449 100%

Abb. 13: Verteilung der Einheitentypen auf die Korpora JD, ED und GF

Alle Äußerungen der drei Teilkorpora GF (Umfang: 89028 Token), ED (Umfang:

88486 Token) und JD (Umfang: 89423 Token) wurden zunächst transkribiert, in Turns und weiter in Intonationsphrasen unterteilt und den oben beschriebenen Einheitentypen folgend (KS, MS, KomS, AK und NZ) annotiert.

0% 20% 40% 60% 80% 100%

GF ED JD

GF ED JD

KS 52,36% 27,06% 34,09%

MS 8,78% 10,11% 8,09%

KomS 18,43% 22,58% 32,12%

AK 5,41% 8,37% 5,80%

NZ 15,02% 31,88% 19,90%

Verteilung der Einheitentypen

Abbildung 13 veranschaulicht jeweils die Verteilung der fünf Einheitenty-pen (relative Häufigkeiten) in den drei Teilkorpora. Der Vergleich der Vorkom-mensfrequenzen der Einheitentypen208 zeigt, dass in den beiden regionalsprach-lich geprägten Korpora (JD und ED) deutregionalsprach-lich weniger kanonische Sätze geschriebener Sprache (KS) vorkommen als im Korpus GF (Gespräche im Fern-sehen) mit standardnahen Gesprächen; dafür treten in den privat-informellen Freizeitgesprächen deutlich mehr Nähezeichen (Diskursmarker, Operatoren, Sprecher- und Hörersignale etc.), aber auch mehr Anakoluthe als in den offizi-ell-formelleren Fernsehdiskussionen auf. Im Vergleich der beiden Osttiroler Teilkorpora JD und ED sticht v.a. das deutlich häufigere Vorkommen von kom-pakten Strukturen (KomS) in den Gesprächen der Osttiroler Jugendlichen hervor (JD: 32,12% vs. ED: 22,58%). Dies kann als Hinweis darauf gedeutet werden, dass die in der Fachliteratur immer wieder vermutete besonders häufige Ver-wendung elliptischer Strukturen im Sprachgebrauch Jugendlicher auch bei den Osttiroler Sprecher/-innen belegt ist. Gleichzeitig ist aber auch der Einheitentyp KS bei den jugendlichen häufiger (34,09%) belegt als bei den erwachsenen Osttiroler/-innen (27,06%), was den quantitativen Befund in Bezug auf den Einheitentyp KomS wieder relativiert. Wie diese Frequenzunterschiede im Detail interpretiert werden können, wird daher in Kapitel 4.4. näher zu beleuchten sein.

In Bezug auf die Einheitentypen der Anakoluthe (AK) und der Nähezeichen (NZ) ist das häufigste Vorkommen jeweils in Teilkorpus ED belegt: 8,37 % der Intonationsphrasen sind in den Gesprächen der erwachsenen Osttiroler/-innen als AK und 31,88% als NZ realisiert. Dies deckt sich mit dem bereits beim Tran-skribieren der Gespräche entstandenen Eindruck, dass die erwachsenen Spre-cher/-innen in den meisten Gruppen deutlich stärker ins Gespräch involviert waren, häufiger Einwürfe eingebracht und selbstinitiativ das Rederecht über-nommen haben, aber auch durch hörerseitige Rezeptionssignale ihre Aufmerk-samkeit gegenüber dem/der gerade Sprechenden stärker zum Ausdruck ge-bracht haben als dies in den Gesprächen der Jugendlichen der Fall ist.

Nachfolgende Tabelle 9 zeigt die Verteilungen der Einheitentypen in den ein-zelnen Gesprächen. Hier wird ersichtlich, dass das Vorkommen von Anakolut-hen und NähezeicAnakolut-hen in allen FreundesgespräcAnakolut-hen aus Korpus ED relativ gleichmäßig hoch belegt ist (AK: zwischen 7,07% und 10,64%; NZ: zwischen 27,67% und 35,07%). Das relative Vorkommen der Nähezeichen ist besonders häufig belegt in Gruppengesprächen mit drei oder mehr als drei Personen (ED 4:

|| 208 Die beobachteten Verteilungen des Vorkommens der Einheitentypen in den Teilkorpora

JD, ED und GF sind hochsignifikant: χ2=2373,985 (df=8).

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35,07% und ED 6: 33,01%), doch auch in kleineren Gruppen, z.B. in ED 1 mit nur zwei Sprecherinnen, sind relativ zur Gesamt-Tokenanzahl des Gesprächs zahl-reiche Nähezeichen belegt (31,63%). Ob das niedrigste Vorkommen der Nähe-zeichen in der einzigen reinen Männergruppe (ED 2: 27,67%) eventuell auf genderlektale Unterschiede gründet, muss anderen Untersuchungen vorbehal-ten bleiben. Da sich dieser Befund aber in den Gesprächen der jugendlichen Osttiroler/-innen nicht wiederholt (der niedrigste relative NZ-Wert ist hier in einer Mädchengruppe aus Lienz angezeigt – JD 13: 16,23%), ist dieser Argumen-tationsweg wohl vorerst als nicht sehr vielsprechend einzustufen.

In Teilkorpus GF („Gespräche im Fernsehen“) mit standardnahen Gesprä-chen hebt sich in der Verteilung der Einheitentypen v.a. das Gespräch GF 047B von den anderen ab. Es zeigt in drei Kategorien, die Nähesprachlichkeit kenn-zeichnen – KomS, AK und NZ –,209 den jeweiligen Höchstwert im Vergleich zu den anderen Gesprächen des Teilkorpus GF an: Die Sprecher/-innen in GF 047B realisieren 24,84% aller Intonationsphrasen als kompakte Strukturen, 7,57% als Anakoluthe und 24,51% als Nähezeichen, während nur 36,84% als kanonisch geschriebensprachliche Sätze belegt sind. Im Vergleich mit dem Höchstwert in dieser Kategorie (68,61% in Gespräch GF 254A) deuten sich hier große Unter-schiede innerhalb des Teilkorpus GF an, die wohl in der unterschiedlichen Kon-zeption und thematischen Ausrichtung der Gespräche begründet sind: Beim Gespräch GF 047B handelt es sich um einen Ausschnitt aus der Sendung „Dall-As“ mit Moderator Karl Dall, einer Comedy-Talkshow mit prominenten Gästen (in dieser Aufnahme etwa u.a. mit Schlagersängerin Heidi Brühl), die in locke-rem Plauderton ohne konkrete (bzw. zumindest für die Fernsehzuseher/-innen nicht erkennbare) thematische Fokussierung gehalten ist. Die Aufnahme GF 254A ist dagegen eine vom deutschen Journalisten Wolfgang Herles mode-rierte Talkshow, in der sich der Kirchenkritiker Eugen Drewermann und der damalige (1995) Stuttgarter Bischof Walter Kasper unter Einbezug einiger Dis-kussionsbeiträge aus dem Publikum in einem Streitgespräch austauschen. Die-ses Gespräch ist viel stärker durch den Moderator vorstrukturiert als die Talk-Runde mit Karl Dall, etwa auch hinsichtlich der Rederechtszuteilung durch den Gesprächsleiter. Dass daraus – und aus der rhetorischen Vorbildung der Ge-sprächs-teilnehmer/-innen – eine stärkere distanzsprachliche Prägung und eine geringere Anzahl an Anakoluthen und Nähezeichen in GF 254A resultiert, liegt

|| 209 Vgl. dazu Tabelle 10 in Hennig (2006: 280), die die Verortung von Ellipsen (hier:

kompak-ten Strukturen) und Anakoluthen im Nähe-Distanzmodell verdeutlicht, bzw. die Festlegung von Nähezeichen als „Oberbegriff für alle durch die Parameter des Nähesprechens bedingte[n]

rein nähesprachliche[n] Sprachzeichen“ (Hennig 2006: 290).

auf der Hand. Hier zeigt sich wieder die Problematik, die in der Heterogenität der zum Teilkorpus GF zusammengefassten Gespräche liegt.210 Nichtsdestotrotz weist das sehr nähesprachlich gestaltete Gespräch GF 047B in den drei Katego-rien KomS, AK und NZ noch deutlich niedrigere Werte auf als die Gespräche mit den jeweils höchsten Werten in den Teilkorpora ED und JD, was wiederum un-terstreicht, dass dialektal begründete kompakte Strukturen wie z.B. das oben bereits beschriebene Nicht-Realisieren des Personalpronomens in der 2.Pers.Sg.

eine Verschiebung von satzförmigen zu nicht-satzförmigen Strukturen bewir-ken, wodurch deutliche Unterschiede in der Verteilung der Einheitentypen in den dialektalen Teilkorpora JD und ED im Vergleich zum standardnahen Teil-korpus GF sichtbar werden.

Tab. 9: Verteilung der Einheitentypen in den einzelnen Gesprächen211

KS - relativ

MS - relativ

KomS - relativ

AK - relativ

NZ - relativ

gesamt - relativ ED1_nussdorffem 29,79% 9,64% 21,86% 7,07% 31,63% 100%

ED2_dölsachmask 24,89% 9,44% 27,37% 10,64% 27,67% 100%

ED3_gaimbergfem 24,21% 11,11% 24,01% 8,81% 31,86% 100%

ED4_matreigem 23,87% 11,27% 20,83% 8,96% 35,07% 100%

ED5_silliangem 31,95% 7,75% 23,64% 7,26% 29,40% 100%

ED6_stveitfem 30,20% 9,87% 19,54% 7,38% 33,01% 100%

ED_Teilkorpus 27,06% 10,11% 22,58% 8,37% 31,88% 100%

JD1_privlienz 26,07% 5,26% 35,59% 7,02% 26,07% 100%

JD2_borgfem 32,05% 9,18% 30,97% 8,18% 19,62% 100%

JD3_borgmask 30,36% 8,13% 33,91% 6,39% 21,21% 100%

JD4_sillianfem 28,43% 6,78% 33,77% 5,19% 25,83% 100%

JD6_sillianmask 31,16% 6,99% 40,43% 5,17% 16,26% 100%

JD7_stjakobmask 34,05% 8,56% 33,28% 6,83% 17,29% 100%

JD8_stjakobfem 42,22% 7,24% 26,19% 6,86% 17,49% 100%

JD13_lienzfem 38,16% 6,69% 34,73% 4,18% 16,23% 100%

|| 210 Zur näheren Beschreibung und Problematisierung von Korpus GF als Vergleichskorpus

vgl. auch Kapitel 2.2.4. der vorliegenden Arbeit.

211 Der niedrigste Wert je Einheitentyp innerhalb eines Teilkorpus wird jeweils in hellgrau, der höchste Wert in dunkelgrau hinterlegt.

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Die quantitative Beschreibung abschließend soll im Folgenden die festgestellte Verteilung der Einheitentypen in den Teilkorpora JD, ED und GF mit Mathilde Hennigs (2006) Analyse eines im institutionellen Rahmen entstandenen Ge-sprächs verglichen werden. Bei dem von Hennig ausgewählten Beispiel handelt es sich um ein Beratungsgespräch im Arbeitsamt (Umfang: 244 Token), an dem ein Sprecher und eine Sprecherin beteiligt sind. Das Gespräch stammt aus einer von Ehlich/Redder (1994) veröffentlichten Sammlung von Transkripten. Hennig hält selbst fest, dass im Rahmen dieser institutionellen Kommuni-kationssituation einige Distanzmerkmale festzustellen sind. „Die Partner sind einander nicht (bzw. kaum) vertraut, das Thema ist fixiert und es handelt sich um ein nicht-expressiv/affektives Gespräch“ (Hennig 2006: 215), wobei sie v.a.

den niedrigen Vertrautheitsgrad der Kommunikationspartner und die fehlende Expressivität in der Kommunikationssituation als ausschlaggebend dafür

führt, dass der Text nicht als prototypisch nähesprachlich gelten kann. Da sich die Einteilung der Intonationsphrasen in satzförmige (KS und MS) und nicht-satzförmige (Ellipse bzw. KomS, Anakoluth und Nähezeichen) Einheiten als Überkategorien aber mit Hennigs Einteilung deckt und sich die hier durchge-führte Untersuchung nur in der Subtypisierung bzw. weiteren Ausdifferenzie-rung teilweise von Hennigs Einteilung unterscheidet, liegt ein Vergleich der Ergebnisse nahe.212

Die folgende Aufstellung (Tabelle 10) veranschaulicht die bei Hennig (2006) belegten absoluten und relativen Häufigkeiten der Einheitentypen. Zur besseren Vergleichbarkeit werden die Ergebnisse aus Teilkorpus JD, ED und GF – ein-schließlich einer Zusammenfassung der Kategorien KS und MS zur in Hennig vorgenommenen übergreifenden Kategorie Satz – nachfolgend angeführt:

Tab. 10: Verteilung der Grundeinheitentypen im Vergleich zu Hennig (2006: 272)

Satz (KS/MS)

Ellipse (KomS) Anakoluth Nähezeichen Gesamt

Hennig 103 42,21% 47 19,26% 9 3,69% 85 34,84% 244 100%

GF 5166 61,14% 1557 18,43% 457 5,41% 1269 15,02% 8449 100%

ED 5731 37,17% 3482 22,58% 1291 8,37% 4916 31,88% 15420 100%

JD 5726 42,18% 4361 32,12% 787 5,80% 2702 19,90% 13576 100%

In Hennigs Beispielgespräch kommen als häufigste Einheitentypen Sätze (KS und MS; 42,21%) und Nähezeichen (34,84%) vor. Die Autorin stellt eine relativ geringe Anzahl an Anakoluthen (3,69%) fest, räumt aber gleichzeitig ein, dass

die geringe Datenmenge keine verallgemeinernden Schlussfolgerungen zulässt, vielmehr ist damit zu rechnen, dass informellere Diskursformen bzw. nähesprachlichere Diskurse über eine höhere Anzahl an Anakoluthen verfügen. (Hennig 2006: 273)

Diese Vermutung bestätigt sich im Vergleich mit den beiden dialektal geprägten informellen Korpora ED und JD: So sind bei den jugendlichen Osttiroler/-innen Anakoluthe mit 5,80% schon deutlich häufiger, und in Teilkorpus ED

Anako-||

212 An dieser Stelle muss noch einmal explizit auf den sehr geringen Umfang des von Hennig analysierten Beispieltextes von 244 Token hingewiesen werden. Die Autorin verweist selbst ausdrücklich darauf, dass sie das Gespräch nur exemplarisch ausgewertet habe und dass folglich aus ihrer Darstellung „allenfalls Tendenzen abgelesen werden [können]“. (Hennig 2006: 272).

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luthformen in ihrer relativen Häufigkeit sogar mehr als doppelt so oft belegt wie in Hennigs Beispieltext. Darüber hinaus wird ein weiterer interessanter Befund anhand der vergleichenden Aufstellung offensichtlich: Sowohl in Hennigs insti-tutionell geprägtem Beratungsgespräch als auch in den mehr oder weniger stark regulierten und dadurch formellen „Gesprächen im Fernsehen“ (Teilkorpus GF) wie auch in der informellen Freizeitkommunikation unter Freund/-innen in den Teilkorpora ED und JD sind satzförmige Konstruktionen (KS und MS) unter den Grundeinheitentypen am häufigsten belegt. Der u.a. von Selting (1995) und Hennig (2006) vorgebrachte Appell, die Kategorie Satz nicht gänzlich aus der grammatischen Analyse gesprochener Sprache zu verbannen, wird also durch die belegten Daten empirisch gestützt.

3.3.5 Fazit

Insgesamt muss festgehalten werden, dass die in den Kapiteln 3.3.1 und 3.3.2 vorgestellten Kriterien zur Segmentierung und Kategorisierung und ihre An-wendung auf authentische mündliche Kommunikation, wie in Kapitel 3.3.3 dargestellt, methodisch umsetzbar sind, wenngleich in der genaueren Differen-zierung und Abgrenzung der Einheitentypen untereinander die in den Teilkor-pora JD und ED vorfindlichen dialektalen Spezifika berücksichtigt und die Fest-legung der Grundeinheitentypen dementsprechend induktiv angepasst werden mussten. Diese Ausdifferenzierung wird in den empirischen Analysen in Kapitel 4 immer wieder aufgenommen und vertieft, beispielsweise in der Unterschei-dung verschiedener Typen von weil-Konstruktionen (als satzförmige Einheiten, als kompakte Strukturen oder als Diskursmarker, vgl. Kapitel 4.2.1.), in der Fest-legung von Relativsatzkonstruktionen als prosodisch selbständige oder unselb-ständige Einheiten (vgl. Kapitel 4.2.2.) oder in der in Bezug auf Jugendkommu-nikation häufig diskutierten Frage, in welcher Form kompakte Strukturen im Sprachgebrauch Jugendlicher vorkommen und ob sie – mit Fokus auf ausge-wählte Analysebereiche – tatsächlich signifikant häufiger belegt sind als in den Gesprächen Erwachsener (vgl. Kapitel 4.4.).

An dieser Stelle sollen auch Nachteile der methodischen Vorgehensweise bei der Segmentierung der Gespräche kritisch beleuchtet werden. Weiter oben (vgl. Kap. 3.3.2.3.) wurde bereits die Problematik in der Ellipsenforschung, nicht-satzförmige Äußerungen in gesprochener Sprache zu definieren, ange-sprochen. Für die hier vorgenommene Segmentierung der vorliegenden Freun-desgespräche und das angestrebte quantifizierende Vorgehen ist es unumgäng-lich den strukturalistisch orientierten Ellipsenbegriff (und damit implizit auch

das Vorhanden- bzw. Nicht-Vorhanden-Sein eines finiten Verbs, seine Ver-bvalenz sowie weitere Projektionspotenzen als zugrundeliegende Kriterien) aufzugreifen. Damit geht eine recht breite Definition der Ellipse (bzw. hier:

kompakter Strukturen) einher, die als grobes Raster die Vielfalt des Phänomens nicht im Detail abzubilden vermag. Schließlich werden in der mündlichen In-teraktion neben kontextkontrollierten und kontextabhängigen Ellipsen u.a.

auch kookkurierende Äußerungen oder etwa projizierende Äußerungen wie z.B.

kataphorische Bewertungen (vgl. Imo 2016: 222223) von den Sprecher/-innen in unterschiedlichen funktionalen Kontexten eingesetzt. Beispielhaft sei hier mit Imo eine Äußerung wie die folgende zitiert: „Voll kacke. Ich muss gleich auch wieder fleißig sein“ (Imo 2016: 222) Imo weist zurecht darauf hin, dass es für die hier vorgenommene Bewertung voll kacke zu kurz greift, diese lediglich als Prä-dikativkonstruktion (nach dem Muster das ist voll kacke), die sich anaphorisch auf zuvor Geäußertes rückbezieht, zu rekonstruieren. Vielmehr spielen derlei Bewertungsäußerungen in der Interaktion eine gesprächssteuernde Rolle und operieren nicht ana-, sondern kataphorisch. Mit Blick auf die hier vorgenom-mene Segmentierung muss also kritisch angemerkt werden, dass sehr unter-schiedliche Äußerungen unter den Grundeinheiten – also etwa auch unter KomS (kompakte Strukturen) – versammelt sind. Dies gilt es u.a. auch bei der oben vorgestellten Verteilung der Einheitentypen (vgl. Kapitel 3.3.4.) in den drei Teilkorporoa ED; JD und GF einschränkend zu berücksichtigen.

In Bezug auf das Setting der Gesprächsaufnahmen ist darüber hinaus daran zu erinnern, dass die Segmentierung und Kategorisierung der Äußerungen le-diglich auf Basis von Audioaufnahmen passiert. Das Zusammenspiel sprachli-cher Ausdrucksformen mit nonverbalen Ausdrucksmitteln zu untersuchen ist auf Grundlage der in der vorliegenden Untersuchung verwendeten Audiospuren schlicht nicht möglich. Ein Pretest mit Audio- und Videoaufnahmen im Vorfeld der Untersuchung zeigte, dass die Installation einer Videokamera das Gefühl des Beobachtet-Seins bei den Proband/-innen erhöht und die Natürlichkeit der Gespräche damit stark beeinträchtigt hätte, weshalb die Wahl auf den Audiore-korder fiel.

Bevor in den nächsten Kapiteln verschiedene syntaktische Phänomenberei-che im Vergleich der jugendliPhänomenberei-chen mit den erwachsenen Proband/-innen fokus-siert werden, soll – die theoretischen und methodischen Überlegungen ab-schließend – noch einmal betont werden, dass es sich bei den für das quantifizierende Vorgehen festgelegten Annotationskategorien (KS, MS, KomS, AK und NZ) um ein operationales Set handelt. Dieses Analysewerkzeug dient dazu, die quantitativ orientierten Fragestellungen nach Vorkommen und Fre-quenz einzelner syntaktischer Phänomene zu bewältigen. Vertiefende

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ten zu deren Funktion(en) in der Interaktion der Gesprächspartner/-innen ver-mag dieses operationale Set nicht zu liefern. Da der Schwerpunkt der Untersu-chung auf der Frage liegt, ob und inwiefern Unterschiede zwischen den erwach-senen und den jugendlichen Proband/-innen aus Osttirol im syntaktischen Bereich zu finden sind und diese Frage zunächst über die Häufigkeit einzelner Äußerungstypen zu beantworten ist, können die weiterführenden Überlegun-gen die funktionale Analyse betreffend nicht den Detailgrad erreichen, den sie mit Sicherheit verdienen würden. In einzelnen Unterkapiteln wird zwar Näheres zum sprachlichen Kontext und zu funktionalen Aspekten die verschiedenen syntaktischen Phänomenbereiche betreffend erläutert. Die einzelnen Sprach-strukturen in ihrem kommunikativen Kontext in vertiefender Weise zu beleuch-ten und die Redebeiträge im Sinne einer interaktional- bzw. konversationslingu-istischen Analyse sequentiell im Detail zu interpretieren, muss jedoch weiterführenden Studien vorbehalten bleiben.

Im Dokument 3.3 Segmentierung gesprochener Sprache (Seite 107-116)