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Vermittlung, Kommunikation, Kreativität Bei öffentlichen Aktionen mit

Im Dokument Mehr als nur ein Heftprojekt ... (Seite 85-89)

Tier-rechtshintergrund wird oft auf ritualisier-te, teilweise langweilige Aktionsformen (Demonstrationen oder Kundgebungen) zurückgegriffen, die wenig Außenwir-kung entfalten. Straßentheater oder kreative sind manchmal anzutreffen, könnten aber viel breiter und eigenständiger verwendet werden.

6 Zur Kritik an demokratischen Verhältnissen: Jörg Bergstedt (2006): Demokratie. Reiskirchen: SeitenHieb.

Das Problem typischer Demonstratio-nen: Zum einen sind sie selber zu sehr Teil des Normalen (siehe „An den ,Dis-kursen' rütteln“, Seite 85), zum anderen sind sie nicht kommunikativ angelegt, das heißt die Demonstrantinnen bilden einen Block und bleiben die meiste Zeit unter sich; Außenvermittlung oder Kom-munikation mit umstehenden Personen bilden die absolute Ausnahme oder be-schränken sich auf Flugblätter.So treffen sich auf (vergleichsweise schlecht besuchten) Veranstaltungen und Demonstrationen immer wieder nur jene, die eh schon aktiv sind. Dieser „in group“-Effekt ist kein Zufall; ein Grund dafür ist meines Erachtens die

Ausrichtung in einigen Teilen ,der' Tier-rechtsszene: Bei Aktivitäten in der Öf-fentlichkeit geht es vordergründig dar-um, sich der eigenen Identität zu verge-wissern − und nicht darum, andere Menschen zu erreichen. Ausdrücke des-sen sind zum Beispielè uniformierte Kleidung im autonomenè mindestens unsensible, teilweiseTierbefreier-,Spektrum', die nicht ge-rade einladend wirktnung von gemeinsamen Verhaltens-und Sprachcodes, die nur von Inside-rinnen verstanden werden und aus-schließend wirken,grenzverletzende Angriffe auf ein-zelne Passantinnen, die z.B. gerademit einem Döner oder einem Ham-burger durch die Innenstadt latschenund dafür von einem als„Mörderinnen“ angebrüllt werden.Das schafft ein „Wir“-Gefühl, das sich oder die Beto-7

über die Abgrenzung zu den ande-ren, „normalen“ Menschen definiert.

Anzumerken ist, dass es viele Tier-rechtlerinnen gibt, die solche Praxen bescheuert und politisch falsch finden (und so ausgerichteten Aktionen fern bleiben).

Zum einen gibt es grundsätzliche Kritik an Identität als herrschafts-förmigem . Andererseits8 schließen Orientierungen so-ziale Räume, die

„Offene Aktionsansätze und Neben der Bewusstmachung dieserfreiheit“, Seite 91).

Problematik ist es sofort möglich gegen-zusteuern, indem andere Rahmenbe-dingungen bei Aktionen geschaffen werden, damit diese nicht zu Aktivistinnen-Treffen verkommen.Möglich sind beispielsweise Aktionsta-ge, bei denen viele Kleingruppen sich

ei-7 Diese Kritik ist nicht als Aufforderung zu verstehen, dass alle sich bei offenen Aktionen angepasst kleiden sollen,um den Passantinnen zu gefallen. Es geht mehr darum, die Uniformierung (die sicher nicht Ausdruck vonselbstbestimmter Kleidungswahl ist!) aufzubrechen, denn eine bunte Demonstration unterschiedlichster Menschendürfte offener wirken.

8 Siehe dazu „Vegane Identitätspolitik“ (Seite 43).

9 Abgesehen davon ist die Zweiteilung in gute Tierrechtlerinnen und böse Fleischfresserinnen sehr binär undverdeckt, dass alle Menschen in unterschiedliche Herrschafts- und Ausbeutungsmechanismen eingebunden sind.Siehe dazu „Vegan − ökologisch − politisch“ (Seite 47).

gene Aktionen überlegen und umsetzen, die ein starkes, kommunikatives Element beinhalten (Straßen- oder verstecktes Theater, Gegendemos oder -Aktionen).

Auf diese Weise könnten Tierrechtsthe-men − schon bei gleicher Personenan-zahl − viel wirkungsvoller in die Öffent-lichkeit getragen werden, als das bei selbstbezüglichen Demonstrationen zu erwarten wäre. Das schließt Demonstra-tionen nicht aus, zumal deren

konkrete Form veränderbar ist und Mischungen möglich sind (z.B. ein kurzer Demon-strationszug, dann eine Phase für Kleingruppenaktio-nen und später noch einmal eine angemeldete Kundge-bungDie Wiederholung ange-10) staubter Aktionsmuster ist auch für die Durchführenden langweilig und kaum motivie-rend. Wenn Kreativität und Kommunikation viel mehr im

Mittelpunkt stehen würden, könnten Tierrechtsaktionen für alle interessanter werden − aber auch anstrengender.

Denn für viele mag es erst einmal mit Hemmungen besetzt sein, auf Menschen zuzugehen, sich dabei als konkrete Per-son zu ,stellen'. Ich kann mich nicht mehr hinter einem Transparent verschanzen, in der Demo untertauchen. Aktionsfor-men, die in vielen intensiven Gesprä-chen mit Passantinnen münden, können aber ungemein antreibende Wirkung entfalten. Sie schaffen Entfaltungsmög-lichkeiten für die einzelnen Aktivistin-nen. Das eigene Handeln zu erleben und dass es etwas auslöst, kann ein star-ker, persönlicher Antrieb für kreativen Widerstand werden.

Beispiele

è Kreativ-kommunikativ mit „Mars-TV“:Mars-TV ist eine Theaterspiel ab 3Personen, die als Marswesen verklei-det (dazu reichen auch einfachskurrile Verkleidungen) mit einem alsFernsehbildschirm gestaltetenTransparent wie in einer Talkshow fürMarsbewohnerinnen („Wir sind liveAbläufe von Herrschaft anzweifeln,weil es so etwas auf dem Mars nichtgibt. Das Selbstverständliche wirddann plötzlich zum Absurden.Mars-TV könnte beispielsweise in odervor Zoos, ,Zoogeschäften', ,Hunde-schulen' oder anderen Orten ange-wendet werden, wo Tierhaltung be-sonders auffällig wird.Mögliche Fragen gibt es viele, z.B.„Ist das nicht blöd, andere Lebewesenso eingesperrt zu sehen?“, „Du kaufstTiere? Heißt das, wir Marsianerinnenkönnten wen von Euch auch kaufenund mitnehmen?“ oder „Gibt es aufdiesem Planeten eigentlich viele Lebe-wesen, die sich andere durch Gitter-stäbe ansehen?“auf dem Mars zu sehen ...“) han-und die üblichendas Geschehendeln. Während-dessen springenWeise ständigsie von einerInterview-auf naivepartnerinüber Fragenzur ande-Marswesenren. DasBesonderedabei ist,dass die11

10 So angelegt war zum Beispiel der antirassistische Aktionstag in Gießen am 14. September 2003, allerdings wurdeauch hier der bewusst eingeplante und offensiv beworbene Freiraum für eigene Aktionen nicht genutzt(www.projektwerkstatt.de/14_9gi/14_9bericht.html).

11 Mehr zu Mars-TV auf www.projektwerkstatt.de/marstv

è Eine andere Möglichkeit wäre, inZoosdie sich aber auf die menschlichenTiere konzentrieren. Immer wiederbleibt die Besucherinnengruppe vorMenschengruppen stehen, währendein oder zwei Personen in sachlich-wissenschaftlichemTonfall über die selt-samen Verhaltenswei-sen von diesen Wesenreferieren und dabeidie Hintergründe vonTierhaltung aufdecken(Inszenierung mensch-licher Überlegenheit,Projektionsfläche fürMacht- und soziale Be-dürfnisse). Ähnlich wie Mars-TVwürde dabei das scheinbar Selbstver-ständliche so dargestellt, dass seineAbsurdität offen aufscheint. selber Führungen zu machen,12

è Straftaten ankündigen als Aktion:Denkbar ist, ähnlich wie die Kam-pagne Gendreck weg! zu öffentlichenFeldbefreiungenbestimmten Datum die Demontagealler Jägersitze in einem bestimmtenBereich offen anzukündigen durchFlugblätter, Internetseiten und Presse-mitteilungen. In diesem Fall kann dieAnkündigung selbst den Erregungs-korridor schaffen, um inhaltliche Ver-mittlung zu ermöglichen. Eine martia-lische Absicherung von Hochsitzendurch Polizei-Hundertschafen wärezudem auch eine interessante Symbo-lik, die wiederum genutzt werdenkönnte, um deutlich zu machen, wieAusbeutung oder Umweltzerstörungdurch sorganewerden ... und lustig wär's bestimmtauch ... aufruft, an einem13 gestützt14

Normalität durchbrechen

Normalität antastende Aktionsformen sind in Tierrechtszusammenhängen rar, obwohl zeitaufwendig vorbereitete De-monstrationen wenig Effekte zeigen(außer und ein Aufmerksam-der schleichen-den Ermüdungder Aktivistin-nen). Dabeisind es sind oftsehr einfache,mit denen wir-kungsvoll ander Norma-lität gerüttelt Mittel,

keitskorridor aufgemacht werden kann.

Entscheidend ist nicht hoher Mate-rialeinsatz, sondern Punkte zu finden, wo nicht damit gerechnet wird, auf Wi-derstand zu treffen und daher Verwir-rung und Neugier zu erwarten sind.

Beispiele

è Um è In Bücher und Magazine zu Tierhal-chen, könnten Aufkleber auf Fleisch-produkten angebracht werden, dieauf den ersten Blick den üblichen Zu-satzetiketten nachempfunden sind,zum Beispiel eine Kombination ausüberspitzt positivem Spruch und wei-terführender Internetseite („DiesesProdukt schafft jetzt noch mehr Spiel-plätze durch Regenwaldrodungen inBrasilien“, „Fleisch senkt die Überwal-dung in Entwicklungsländern“).tung oder Jagd könnten Lesezeicheneingelegt werden, die sich kritisch mitden Inhalten auseinandersetzen. direkt zu

errei-12 Es gibt sicher Varianten, umsonst einen zu Zoo besuchen − als Journalistinnen, Studiengruppe ...

13 Siehe www.gendreck-weg.de

14 Repressionsorgane ist ein Sammelbegriff, der Institutionen bezeichnet, die an systematischer, oft gewaltförmigerUnterdrückung mitwirken (unter anderem Polizei, Justiz, Gefängnisse, Geheim- und Sicherheitsdienste).

Verändertes Plakat einer Spendensammelorganisation

è Oder ein Korrekturschreiben des Ver-lags nachempfinden und darin unauf-fällig die kritischen Positionen einbau-en.

è Körperpflege- und ähnliche Produktekönnten mit unterschlagenen Infor-mationen erweitert werden, zumBeispiel einem Aufkleber wie „DiesesProdukt enthält 100% Tierversuche“.Sehr eindrucksvoll könnte auch sein,ein Etikett unter die Liste der Inhalts-stoffe zu setzen, auf dem die für dasProdukt gequälten und getötetennichtmenschlichen Tiere benannt wer-den.

è Auf Aquarien in ,Zoohandlungen'könnten Spruchblasen aufgeklebtwerden, die sich kritisch mit Tierhal-tung auseinander setzen („Wie könntihr Lebewesen einsperren und in eureWohnung stellen, ohne dabei ver-rückt zu werden?“, „Nur Menschensperren andere Tiere ein und kommensich dabei toll vor“ oder „Ich will nichteure Projektionsfläche sein − Schlussmit Tierhaltung!“).

Offene Aktionsansätze und

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