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Offene Aktionsansätze und Hierarchiefreiheit Trotz der (im relativen Vergleich zu

Im Dokument Mehr als nur ein Heftprojekt ... (Seite 89-93)

an-deren politischen Bewegungen) stärker aus Aktionspalette ist zu befürchten, dass sich nicht alle Men-schen dort wieder finden bzw. verwirkli-chen können. Das wird bereits dadurch verhindert, dass Demonstrationen als einheitliche Massenaufläufe organisiert sind und auch so beworben werden.

Nicht einmal der Aufruf, eigene Ideen einzubringen, findet sich in Einladungen zu solchen Demonstrationen, deren Struktur fast immer vorher festgelegt und mit und Privilegien überfrachtet ist. So gibt es oft nur

we-nige Rednerinnen, während die Funk-tion der Vielen auf das treue Mitlatschen beschränkt wird.Eine weitere Hürde für eine bunte Tier-rechtspraxis ist Mackerigkeit, die von ei-nigen an den Tag gelegt wird: Das An-schreien von Passantinnen oder Verkäu-ferinnen in Pelzläden ist nicht nur wenig aussagekräftig, sondern kann ein-schüchternde Wirkungen entfalten, die

nicht mit einem

An-spruch vereinbar sind. Zudem verstärkt mackeriges Verhalten auch -strukturen unter den Aktivistinnen, weil es unsichere Personen hemmen kann und ihnen den Raum nimmt, andere Ak-tionsmomente zu entwickeln.Direct Action setzt auf offene Aktions-strukturen, die eine hohe Gleichberech-tigung, Vielfalt und Handlungsfähigkeit vieler ermöglichen sollen. Dazu gehörenè , d.h. offene Einladungenè offene Aktionsplattformenè Trainings zu kreativem Widerstand imè Ansätze offener Organisierung: Offe-zu Vorbereitungstreffen, gut verfüg-bare Informationen (z.B. Stadtplänemit Aktionspunkten, die über Internetund Papiermedien gestreut werden),Räume mit offen nutzbarer Infrastruk-tur (z.B. Computer mit Pressevertei-lern) und Materialpool (Transparent-stoff, Megaphone, Trillerpfeifen, Ver-kleidungen und vieles mehr), damitMenschen schnell eigene Aktions-ideen umsetzen können,Vorfeld, damit das Know-how für di-rekte Aktionen und der Mut zur Um-setzung nicht auf ein paar Privile-gierte beschränkt ist,nes Mikrophon (statt privilegierte Re-den), Phasen für Kleingruppen-Aktio-nen, Wiki-Seiten (z.B. www.de.anarchopedia.org), die von allenMenschen verändert werden können,15, d.h.

15 Beschreibungen zu Offenen Aktionsplattformen unter www.projektwerkstatt.de/plattform

è die bewusste Reflexion von abzubauen. und der praktische Wille, diese

Die Mischung macht's

Militante Tierrechtsaktionen werden oft (wenn überhaupt) nur per Bekennerin-nenschreiben nach außen kommuni-ziert. Der erreichte Personenkreis ist da-durch sehr begrenzt, obwohl es viel mehr Möglichkeiten der inhaltlichen Ver-mittlung geben könnte, wenn verschie-dene Aktionsformen miteinander kombi-niert würden. Diese Kritik ist aber sehr grundsätzlich zu verstehen: Jede Aktion für sich genommen hat immer eine be-schränkte Wirkung. Daher macht es Sinn, unterschiedlichste Aktionen aufein-ander zu beziehen, langsam zu stei-gern, Höhepunkte zu setzen oder Über-raschungsmomente einzubauen. Zudem können Aktionsformen auch

zeitlich nah oder sogar unmit-telbar kombiniert werden, um den kommunikativen Effekt zu verstärken.

Beispiele

è Wenn die Route einer ange-è Wer nicht nur Fleischprodukte mit kri-meldeten Tierrechtsdemon-stration oder interessantePunkte auf dieser in den Näch-ten davor schon mit Graffiti,Straßenkunst oder Plakatverän-derungen umgestaltet wurde, istein direkter Bezug von der Ver-sammlung aus (z.B. durch Rede-beiträge) möglichtischen Überklebern bestückt, son-dern auch noch ein verstecktes Thea-ter an der Ladenkasse inszeniert, ver-hält sich frech und erhöht die Chan-cen auf eine intensive Kommunikationüber politische Positionen.

Subversion

Der überwiegende Teil tierrecht-lerischer Aktionen ist sehr linear ange-legt. Es gibt klar identifizierbare Akti-onsmuster und wenig überraschende Momente. Eine ordentliche Portion könnte das ändern: Die Ausstat-tung von Staat, Konzernen, Marktinstitu-tionen und großen OrganisaMarktinstitu-tionen mit Macht, Steuerung von Dis-kursen und öffentlicher Wahrnehmung sowie der Einflussnahme auf Medien ist fast unendlich. Es besteht keine Chance, hier ähnliche „Power“ aufzubauen und die Herrschaftssysteme mit gleichen Me-thoden zu besiegen. Im Einzelfall kön-nen Überraschungsmomente gelingen, wobei Überraschung schon selbst ein Mittel der Kreativität ist und damit eine auf gleiche Mittel setzende Strategie überwindet. meint, die Kraftdes Gegenübers nicht zu bekämpfen,sondern so umzulenken, zu verän-dern und zu verdrehen, dass sienen!). Zum einen könnenfür die eigenen Ideenbei politischen Aktio-manchen Selbstver-teidigungs-Technikenoder zumindestEntsprechung zugegen das Ge-sozusagen diegenüber ge-( istwendet wer-den kann

die Handlungen der Machtsysteme ver-dreht werden, zum anderen können die Apparate und Handelnden selbst so um-gelenkt werden, dass sie gegen sich zu arbeiten beginnen. Der Aufwand ist meist niedrig und die Wirkung hoch, wenn angewendet wird ...

Noch unverändertes Plakat der Milchindustrie ...

zu einem Pilze-Sammel-Nachmittag oder einem großen Versteckspiel für Kinder und Familien einlädt, ist wahr-scheinlich eine Absage nötig. Diese könnte auch mit einem Fake verkün-det werden ...

è Jäger könnten selber zum ,Tier' ge-(„Bei dem gemeinen Jäger handelt essich meist um männliche Einzelgän-ger, denen es Freude bereitet, andereTiere zu erlegen. Sie wenden vielMühe auf, um einen hohen Bestandan erlegbaren Tieren zu erreichen...“) macht werden, indem imWald offiziell wirkende Ta-feln angebracht werden,von Jagd thematisierendie biologische undsoziale Merkmaledibeschreiben, dabeidie Machart vonInformationstafelnin Zoos kopierenund den Unsinneser

è Verstecktes Theater: Die Methode desversteckten Theaters besteht darin, inder Öffentlichkeit eine Theaterszenezu spielen, die nicht als solche zu er-kennen ist, als ,echt' erscheint undUmstehende zum Eingreifen bewegt.Beispiel: Du stehst an der Kasse undfragst die Verkaufsperson unsicher,ob die von dir ausgesuchte Cremeohne Tierversuche hergestellt wurde,du hättest so Gerüchte gehört. Einescheinbar unbeteiligte Person in derSchlange, die auch zur Aktions-gruppe gehört, mischt sich laut einund pöbelt „Das ist doch nicht sowichtig. Wenn wir auf alles achten,was in so Produkten drin ist, wird dieSchlange nur länger. Dann kann manja gar nichts mehr kaufen“; weiterePersonen können sich mit anderenRollen einmischen ... mit dem Ziel,eine Debatte um Tierversuche unterden Umstehenden auszulösen ...

Beispiele

è Plakate verändern: Zirkus-Plakateè Jagd per gefälschtemè Ausfallgründe produzieren: Wenn vor(natürlich nur, wenn nichtmenschlicheTiere dabei sind!) abzureißen ist eineVariante, die nur wenig Inhalte ver-mittelt. Interessanter könnte schonsein, diese Werbeflächen so zu verän-dern, dass sie die Kritik anTierhaltung befördern.Zum Beispiel mit einfachherstellbaren Überkle-bern wie „Unsere Tiereleiden gerne für Ihr Ver-gnügen“ oder „Fällt auswegen Dauer-Depressionbei vielen Tieren“. Auchder Spruch „Jetzt genau soschön ohne Tiere“ (mit Er-klärung) könnte unangenehmeWirkungen für die Zirkusbetreiberin-nen haben ...Schreiben ,legalisieren': In den Dör-fern um ein ,Jagdrevier' teilt der zu-ständige Jäger über eine Postwurf-sendung mit, dass er seine Positionaufgibt und eine Nachfolge nicht vor-gesehen sei, weil inzwischen der gesichert sei. Die Bürgerinnen werdenausdrücklich aufgefordert, beim Ab-bau der Jägersitze mitzuhelfen; dasHolz könne im Winter zum Heizenverwendet werden. Neben dem kom-munizierten Eingeständnis, das Jagdnicht begründbar ist, kön-nen mit diesem Fake strafbare Hand-lungen legalisiert werden. Denn wenndu nun beim munteren Sägen er-wischt werden solltest, hast du ebeneinfach nur dem Papier geglaubt undetwas Gutes tun wollen ...einer Treibjagd mit festgelegtem Ter-min überall in der Umgebung Schrei-ben oder Plakate auftauchen, mitdenen ein vertrauenswürdiger Verein(kann auch erfunden sein!) zufälligzum selben Zeitpunkt am gleichen Ort Nutzen von Jagd nicht mehr

è Überidentifikation für Tierdressur:Auch hier gilt „Die Mischung macht's“:Statt offener Kritik wäre es interes-sant, eine Jubeldemonstrationen voreinem Zirkus mit ,Tieren' durchzufüh-ren. Das heißt selber als Fanclub vonTierdressur und -haltung auftreten −mit völlig übertriebenen Inhalten.Dazu passen könnten Schilder mitschrägen Parolen („Tiere sind gernegefangen“, „Professionelle Zirkus-Tiere lassen sich ihr Leid nicht anmer-ken“), ähnlich zugespitzte, aberbierernst vorgetragene Reden undlustiges Zubehör. Wichtig ist ein pro-fessionell-ernsthaftes Auftreten, damitnie ganz klar ist, was hier passiert;Überidentifikation ist keine Satire, dienachher aufgeklärt wird. Sie über-nimmt die Positionen der Gegenseite,um sie gegen diese zu wenden unddarüber inhaltlich zu vermitteln.

Wenn parallel zur Jubeldemonstration eine andere Gruppe mit kritischen Flug-blättern auftaucht, dürfte diese von der Aufmerksamkeit durch die skurrile Insze-nierung . Wer gezielt mit die-sen unterschiedlichen Aktionselementen spielt (ohne dass dieses Zusammenwir-ken erZusammenwir-kennbar ist!), kann deutlich mehr Aufmerksamkeit erzeugen. Zum Beispiel könnten die beiden Gruppen sich ge-genseitig anpöbeln, das Verbot der je-weils anderen fordern usw. Damit wird zugleich die Situation für Zirkus oder Po-lizei chaotisiert, die es schwer haben werden, wenn sie die Zusammenhänge nicht blicken. Und das ist regelmäßig so, weil

Den-ken nicht weit verbrei-tet ist ...

Alltag

Politische Aktion und Alltag sind fast immer abgetrennt voneinander. Wider-stand ist ein Ausnahmeereignis, wäh-rend Herrschaftsverhältnisse immer fort wirken. Das muss aber nicht so bleiben:

Viele der hier vorgestellten Aktionsme-thoden lassen sich, wenn sie einmal ein-geübt wurden, auch ohne riesige Vorbe-reitung im Alltag anwenden. Es ist sinn-voll, kreative Widerständigkeit nicht nur auf herausgehobene Ereignisse zu be-schränken − gerade auch, weil Tieraus-beutung so allgegenwärtig ist. Na, dann mal los ...

Lesetipps

è Autonome A.F.R.I.K.A. Gruppeè Direct-Action-Reader (2009): Die um-è Direct-Action-CD: Die Sammlung vonè Dirk Tägschen (2004): Die Mischungè Komm Unikat Ion (2004): Subversiveè Marc Amman (2005): Go.Stop.Act.(2001): Handbuch der Kommunikati-onsguerilla. Berlin, Hamburg: Asso-ziation Afassende Sammlung mit Aktionstipps,Beisielen und kreativen Anregungen.Reiskirchen: SeitenHiebTexten, Kopiervorlagen und Aktions-material. Reiskirchen: SeitenHiebmacht's. Saasen: ProjektwerkstattKommunikation. Saasen: Projektwerk-stattGrafenau: Trotzdem

Die Besonderheiten

Nutzung aller Werkstätten Direct-Action-Plattformen Open-Space-Ausstattung ReferentInnenangebote Preise nach Selbsteinschätzung Bahnanschluss und gute Trampverbindungen

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