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Verlangsamung der Rückfaltung von RCM-T1

3. Ergebnisse und Diskussion

3.1.6. Trigger-Faktor verlangsamt konformationelle Faltungsschritte

3.1.6.2. Verlangsamung der Rückfaltung von RCM-T1

Ebenso wie im Falle von RCM-La verzögert Trigger-Faktor auch bei RCM-T1 den kon-formationellen Faltungsschritt (vgl. Abschnitt 3.1.5.). Entfaltete RCM-T1 liegt nach Erreichen des Gleichgewichtszustandes zu etwa 85 % in der US-Form vor, d.h. mit der nicht-nativen trans-Konformation an Pro39, und nur zu 15 % in der UF-Form mit korrektem cis-Pro39 (Mücke & Schmid 1994b). Die UF-Moleküle falten (bei 2 M NaCl und 15°C) sehr schnell im Bereich von einer Sekunde zurück, während die US-Moleküle dafür mehrere Minuten benöti-gen, da ihre Faltung durch die trans→cis-Isomerisierung der Tyr38-Pro39-Peptidbindung limitiert ist. Der Effekt von Trigger-Faktor auf die schnelle Phase der Rückfaltung dieser 15%

UF-Moleküle ist sehr schwer zu beobachten, da die gesamte Reaktion stark von der langsamen Faltung der 85 % US-Moleküle dominiert wird. Man kann jedoch vorübergehend einen hohen Anteil an UF-Spezies erzeugen, wenn man nur einen kurzen Entfaltungspuls auf die native RCM-T1 anwendet. Dieser Puls muss gerade lang genug sein, um den konformationellen Entfaltungsschritt N→UF nahezu vollständig ablaufen zu lassen. Andererseits muss er aber auch so kurz sein, dass die nachfolgende cis→trans Isomerisierung an Pro39 kaum stattfindet, welche sonst den Großteil von UF langsam in US überführt (Schema 3-4).

U

F

N U

S

Entfaltung Pro39 Isomerisierung schnell langsam

U

F

N U

S

Entfaltung Pro39 Isomerisierung schnell langsam

Schema 3-4: Kinetisches Modell für die Entfaltung von RCM-T1. N bezeichnet die gefaltete Form, UF die schnell rückfaltende und US die langsam rückfaltende denaturierte Form von RCM-T1.

Anschließend muss sofort die Rückfaltung induziert werden, weshalb man hier auch von

„Doppelsprungexperimenten“ spricht. Im vorliegenden Fall wurde die Entfaltung durch Ver-dünnung der RCM-T1-Lösung von 1,8 auf 0,16 M NaCl initiiert (vgl. Abb. 3-12). Unter diesen Bedingungen besitzt die N→UF Reaktion eine Zeitkonstante von 9 s, während der nachfolgen-de Isomerisierungsschritt mit einer Zeitkonstante von 90 s abläuft (Mücke & Schmid 1994a).

Nach 10 s Entfaltung liegen somit ca. 58 % aller Moleküle im UF-Zustand, 38% nach wie vor im gefalteten N-Zustand und nur 4 % bereits im langsam faltenden US-Zustand vor. Diese Mi-schung wird dann unverzüglich zur Messung der Rückfaltung in 2,0 M NaCl bei 15°C einge-setzt. Die Rückfaltung der hauptsächlich erzeugten UF-Moleküle läuft innerhalb von ca. 5 s ab und ist daher in einem Handmischexperiment kaum aufzulösen (Abb. 3-15 A, oberste Kurve).

Nur noch das Ende dieser schnellen Phase ist zu erkennen. Die ca. 4 % US-Moleküle reagieren langsam und bewirken eine langsame Faltungsphase mit sehr kleiner Amplitude.

Die Zugabe von Trigger-Faktor in steigenden Konzentrationen ändert die Faltungskineti-ken drastisch. Die nicht sichtbare schnelle Faltungsphase verliert deutlich Amplitudenanteile

an die langsame Phase (Abb. 3-15 A). Gleichzeitig steigt die Rate der langsamen Phase von 0,008 s-1 zehnfach auf einen Wert von 0,08 s-1 an, solange sich die Trigger-Faktor-Konzentra-tion im katalytischen Bereich bewegt. Sobald jedoch die Trigger-Faktor-KonzentraTrigger-Faktor-Konzentra-tion über die eingesetzte Substratkonzentration (1 µM) hinaus erhöht wird, sinkt die Rate der langsamen Rückfaltungsphase wieder (Abb. 3-15 B).

Dieser auf den ersten Blick sehr komplexe Einfluss von Trigger-Faktor auf die Rückfal-tung von RCM-T1 ist - wie schon im vorangegangenen Kapitel zur Trigger-Faktor-induzierten Entfaltung beschrieben - auf die duale Funktionsweise des Trigger-Faktors zurückzuführen: Er

60 40

20

0 300 600 900

26 24 22 20 18 16

Zeit (s)

rel. Fluoreszenz

5 4

3 2

1 0

0,08 0,06 0,04 0,02 0

[TF W151F] (µM) apparente Rate (s-1 )

A

B

Abb. 3-15: Durch Trigger-Faktor verlangsamte Rückfaltung von RCM-T1 mit „korrekten“

Prolylbindungen. (A) Zeitlicher Verlauf der Rückfaltung von 1,0 µM RCM-T1 in Gegenwart von 0, 0,05, 0,2 und 4,0 µM TF W151F (von oben nach unten). Die Kurven sind auf identische Endwerte normiert. Gefaltete RCM-T1 in 1,8 M NaCl, 0,1 M Tris/HCl pH 8,0 wurde 10 s bei 15°C in 0,16 M NaCl, 100 mM Tris/HCl pH 8,0 entfaltet. Die Rückfaltung wurde initiiert durch 10-fache Verdünnung auf 1,0 µM RCM-T1 in 2,0 M NaCl, 0,1 M Tris/HCl pH 8,0 bei 15°C und über die Fluoreszenzänderung bei 320 nm beobachtet. An die langsame Phase der Faltung wurden jeweils monoexponentielle Funktio-nen angeglichen. (B) Abhängigkeit der apparenten Raten der langsamen Phase der Rückfaltung von der Trigger-Faktor-Konzentration.

ist einerseits ein katalysierendes Enzym, andererseits aber auch ein proteinbindendes Chape-ron. In Abwesenheit von Trigger-Faktor ist die UF → US Isomerisierung an Pro39 viel lang-samer als die Rückfaltung UF → N. Deshalb falten die während des zehnsekündigen Entfal-tungspulses gebildeten UF-Moleküle rasch zum nativähnlichen Zustand zurück (Schema 3-5).

Bei Zugabe geringer Konzentrationen an Trigger-Faktor wirkt dieser hauptsächlich als Prolylisomerase und beschleunigt die bisher langsame Isomerisierungsreaktion im entfalteten Protein, so dass diese Isomerisierung in kinetische Konkurrenz zur Rückfaltungsreaktion UF → N tritt. Mit steigender Trigger-Faktor-Konzentration wird der Anteil der UF-Moleküle, die zu US isomerisieren, immer größer. Somit steigt die Amplitude der langsamen Phase auf Kosten der schnellen Phase an. Da Trigger-Faktor die Isomerisierung in beide Richtungen katalysiert, steigt mit zunehmender Enzymkonzentration auch die Geschwindigkeit der langsamen Phase. Wird Trigger-Faktor schließlich in stöchiometrischen Mengen zugesetzt, binden immer mehr der UF- und US-Moleküle an dieses Chaperon und die Konzentration an faltungsfähiger freier Spezies UF nimmt so stark ab, dass die Rückfaltung dadurch verlangsamt wird – wie auch im Fall des apo-α-Lactalbumin.

U

F langsam rückfaltende denaturierte Form von RCM-T1, TF den freien Trigger-Faktor und UFTF bzw.

USTF die Komplexe zwischen TF und der jeweiligen entfalteten RCM-T1-Spezies.

Wie erwartet nimmt Trigger-Faktor also tatsächlich durch Bindung des entfalteten Zu-stands Einfluss auf die Geschwindigkeit konformationeller Faltungsschritte. Eine vollständige Blockierung der Faltung findet aber aufgrund der sehr dynamischen Substratbindung (vgl.

Abschnitt 3.1.1.) nicht statt. Die hier gezeigte drastische Verzögerung der Rückfaltung von RCM-T1 ist hauptsächlich auf den Umstand zurückzuführen, dass durch die katalytische Wirkung des Trigger-Faktors die langsam rückfaltende Spezies U39trans schneller gebildet wird.

Da in entfalteten Proteinen das cis trans Gleichgewicht von Prolylbindungen deutlich auf der Seite der trans-Konformation liegt und dieses Gleichgewicht auch durch die Prolyliso-merase nicht verschoben werden sollte, läuft die katalysierte Isomerisierung in cis→trans Richtung deutlich schneller ab als umgekehrt. Problematisch bei der Faltung sind somit poten-tiell Proteine, die in ihrer nativen Struktur cis-Prolylbindungen besitzen - wie RCM-T1. Dass

der Trigger-Faktor wie im vorliegenden Experiment eine große Population entfalteter Proteine bereits in der korrekten cis-Form vorfindet, die er in die langsam rückfaltende trans-Form überführen könnte, wird in der natürlichen zellulären Umgebung kaum vorkommen. Dort wechselwirkt Trigger-Faktor als ribosomenassoziiertes Chaperon hauptsächlich mit naszieren-den Ketten. In diesen sollten ohnehin alle Peptidbindungen trans-Konformation besitzen.

Mittlerweile konnten Agashe et al. (2004) zeigen, dass Trigger-Faktor die Faltungsaus-beute von neu synthetisierter β-Galactosidase und Glühwürmchen-Luziferase in vitro und in vivo erhöht, dies aber ebenfalls auf Kosten einer deutlich langsameren Faltungsgeschwindig-keit. Vermutlich besitzen diese großen ungefalteten Modellproteine zahlreiche Bindungsstellen für Chaperone wie Trigger-Faktor. Somit dürften auch mehrere Trigger-Faktor-Proteine gleichzeitig an eine so große Strukturdomäne binden. Die schnelle Faltung dieser Domänen würde voraussetzen, dass alle dort gebundenen Chaperonproteine diese koordiniert loslassen.

Dafür gibt es bisher keinen experimentellen Hinweis. Somit scheint es wahrscheinlich, dass besonders große neu synthetisierte Proteine durch Bindung von Trigger-Faktor in ihrem ent-falteten Zustand stabilisiert werden und sich ihre Faltung dadurch verlangsamt. Diese Ver-schiebung des Faltungsmechanismus von einem ko- zu einem posttranslationalen Faltungsweg könnte ein Grund für die häufigen Probleme bei der rekombinanten Expression großer eukary-ontischer Proteine in Bakterienzellen sein: Während diese Proteine bei der relativ langsamen Synthese an eukaryontischen Ribosomen kotranslational falten können, verhindert das bakteri-elle Trigger-Faktor-Chaperonsystem durch seine wiederholte schnbakteri-elle Bindung im Millisekun-denbereich (vgl. 3.1.1.) deren effiziente Faltung in bakteriellen Zellen.