• Keine Ergebnisse gefunden

Komplexbildung zwischen RCM-α-Lactalbumin und Trigger-Faktor

3. Ergebnisse und Diskussion

3.1.1. Substratbindung und -freisetzung des Trigger-Faktors sind schnelle Reaktionen

3.1.1.1. Komplexbildung zwischen RCM-α-Lactalbumin und Trigger-Faktor

Die reduzierte und carboxymethylierte Form von α-Lactalbumin (RCM-La) ist in wässriger Lösung permanent entfaltet und wird daher häufig zur Untersuchung von Chaperonen verwendet. RCM-La bindet mit hoher Affinität an Trigger-Faktor und inhibiert kompetitiv dessen katalytische Funktion im RCM-T1-Rückfaltungstest (Abb. 3-1). Die Inhibitionskonstanten Ki liegen bei 50 nM für Trigger-Faktor aus Mycoplasma genitalium und 400 nM für Trigger-Faktor aus E. coli (Scholz et al. 1997b).

Im Rahmen meiner Diplomarbeit konnte ich zeigen, dass sich RCM-La zur Messung der Substratbindung und -freisetzung des Trigger-Faktors eignet. Bei Mischung äquimolarer Mengen von Trigger-Faktor und RCM-La erhöht sich die Tryptophanfluoreszenz der Lösung im Vergleich zur Summe der Fluoreszenzbeiträge der einzelnen Komponenten um etwa 10 %.

Diese Fluoreszenzänderung läuft innerhalb der Totzeit von Handmischungsexperimenten (ca.

3 s) vollständig ab, so dass die weiteren kinetischen Messungen in einem Stopped-Flow-Fluorimeter durchgeführt wurden. Der für Fluoreszenzmessungen verwendbare Konzentrationsbereich dieses Systems ist stark eingeschränkt, da bei Proteinkonzentrationen oberhalb 5 µM das Signal-zu-Rausch-Verhältnis aufgrund der relativ geringen Fluores-zenzänderung zu schlecht wird.

RCM-La enthält drei Tryptophane, Trigger-Faktor nur ein einziges (Trp151). Um festzustellen, ob die Fluoreszenzzunahme bei Komplexbildung von Fluoreszenzänderungen des Trigger-Faktors oder des Substrats herrührt, wurde eine tryptophanfreie Variante von Trigger-Faktor (TF W151F) hergestellt. Diese Variante gleicht dem Wildtyp in allen katalytischen Eigenschaften. W151F durch RCM-La. (A) Katalyse: Zeitlicher Verlauf der Rückfaltung von 0,1 µM RCM-T1 in Abwesenheit (unterste Kurve) und Gegenwart von 2, 6, 10 und 15 nM TF W151F (von unten nach oben). An die Fluoreszenzverläufe wurden monoexponentielle Kurven angeglichen (dünne Kurven).

(B) Abhängigkeit der apparenten Raten der Rückfaltung von RCM-T1 von der W151F-Trigger-Faktor-Konzentration. Aus der Steigung der Regressionsgeraden resultiert eine Spezifitätskonstante kcat/KM von 1,0106 M-1s-1 für die katalytische Effizienz des W151F-Trigger-Faktors. (C) Inhibition:

Zeitlicher Verlauf der Rückfaltung von 0,2 µM RCM-T1, katalysiert durch 30 nM TF W151F in Abwesenheit (oberste Kurve) und Gegenwart von 0,5, 1,5 und 3,0 µM RCM-La (von oben nach un-ten). An die Fluoreszenzverläufe wurden monoexponentielle Kurven angeglichen (dünne Kurven).

(D) Abhängigkeit der apparenten Raten der katalysierten Rückfaltung von T1 von der RCM-La-Konzentration. Der Angleich einer Bindungskurve an die Datenpunkte (durchgezogene Linie) ergibt einen apparenten Ki-Wert von 0,44 µM für die kompetitive Inhibition von TF W151F durch RCM-La. Die gestrichelte Linie zeigt die Rate der unkatalysierten Rückfaltung (0,00175 s-1).

RCM-T1 wurde jeweils bei 15°C in 100 mM Tris/HCl pH 8,0 60 min entfaltet. Die Rückfaltung wurde initiiert durch 100-fache Verdünnung auf 0,1 µM (A) bzw. 0,2 µM (C) RCM-T1 in 2,0 M NaCl, 100 mM Tris/HCl pH 8,0 bei 15°C und über die Fluoreszenzänderung bei 320 nm beobachtet.

Gegensatz zu diesem emittiert TF W151F allerdings keine Tryptophanfluoreszenz (Abb. 3-3, blaue Kurve), was Fluoreszenzmessungen auch bei hohen Überschüssen an Trigger-Faktor ohne deutliche Verschlechterung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses ermöglicht.

Bei der Mischung von 1 µM RCM-La mit 1 µM TF W151F zeigt sich ebenfalls eine schwache Zunahme der Tryptophanfluoreszenz im Vergleich zur Summe der Einzelspektren (Abb. 3-3), wobei das Differenzspektrum dem aus der Mischung mit Wildtyp-Trigger-Faktor gewonnenen Differenzspektrum (Daten nicht gezeigt) sehr ähnlich ist. Die Fluoreszenzzunah-me bei der Komplexbildung ist also tatsächlich auf Änderungen in der Umgebung der Trypto-phanreste des gebundenen RCM-La zurückzuführen.

Bereits im Rahmen meiner Diplomarbeit konnte ich qualitativ zeigen, dass man die Fluoreszenzänderung bei Bildung und Auflösung des Komplexes aus RCM-La und TF W151F im Stopped-Flow-Fluorimeter beobachten kann und dass diese Reaktion im Millisekunden-bereich abläuft.

Die Assoziationskinetiken von 1 µM RCM-La mit 0,2 bis 20 µM TF W151F sind in Abbildung 3-4 A gezeigt. Kontrollexperimente ergaben, dass sich weder bei der Mischung von RCM-La (Abb. 3-4 A, unterste Kurve) noch von TF W151F (Daten nicht gezeigt) mit Puffer die Fluoreszenz ändert. Die beobachtete Fluoreszenzzunahme bei der Mischung von RCM-La und TF W151F ist also tatsächlich auf die Wechselwirkung zwischen den beiden Protein-komponenten zurückzuführen. Die Bindung erfolgt sehr schnell, in Gegenwart von 10 µM TF W151F beispielsweise mit einer Halbwertszeit von 12 ms.

450 400

350 300

1600 1200 800 400 0

Emissionswellenlänge (nm)

rel. Fluoreszenz

Abb. 3-3: Änderung der Fluoreszenz von RCM-La durch Bindung an TF W151F. Pufferkorrigierte Fluoreszenzspektren von 1 µM RCM-La (─), 1 µM TF W151F (─) und von einer Mischung aus 1 µM RCM-La und 1 µM TF W151F (─). Aus den beiden Einzelspektren von RCM-La und TF W151F wurde das Summenspektrum errechnet (─), welches sich klar vom Spektrum der Mischung unterscheidet. Das Differenzspektrum zwischen beiden ist rot (─) eingezeichnet. Die Messungen erfolgten in 2,0 M NaCl, 100 mM Tris/HCl pH 8,0 bei 15°C in verspiegelten Halbmikro-Fluoreszenzrührküvetten nach Anregung bei 280 nm.

0,2 0, 0,2, 0,5, 1, 2, 5, 10 und 20 µM TF W151F. Die Assoziation wurde initiiert durch Stopped-Flow-Mischung gleicher Volumina an RCM-La- und TF W151F-Lösungen in 2,0 M NaCl, 100 mM Tris/HCl pH 8,0 bei 15°C. An die Fluoreszenzverläufe wurden doppelexponentielle Kurven angegli-chen. Um den geringen Fluoreszenzbeitrag von TF W151F zu korrigieren, wurden alle Kurven auf den gleichen Startwert normiert. (B) Abhängigkeit der Amplituden der schnellen () und der lang-samen () Phase der Assoziation von der Trigger-Faktor-Konzentration. Der Angleich einer Bin-dungskurve an die Datenpunkte (durchgezogene Linie) ergibt einen apparenten KD-Wert von 1,7 µM.

(C) Abhängigkeit der apparenten Raten der schnellen () und der langsamen () Phase der Assozia-tion von der Trigger-Faktor-KonzentraAssozia-tion. Die durchgezogene Linie entspricht einer Datenanalyse für einen Zweischritt-Bindungsmechanismus (Gleichung 3-2). Daraus ergibt sich ein apparenter KD -Wert von 1,85 µM. Datenpunkte im substöchiometrischen Bereich (0,1 - 1 µM TF W151F) wurden für die Analyse nicht berücksichtigt.

Die einzelnen Kurven in Abbildung 3-4 A können am besten als Summe von zwei Expo-nentialfunktionen angeglichen werden. Die Amplitude der schnelleren Phase, welche etwa 90 % der gesamten Fluoreszenzänderung ausmacht, nimmt - wie für eine Assoziationsreaktion zu erwarten - mit steigender Trigger-Faktor-Konzentration zu (Abb. 3-4 B). Der Angleich einer hyperbolischen Bindungskurve an diese Amplituden ergibt eine apparente Dissoziations-konstante KD(app) von 1,7 µM für den Komplex zwischen RCM-La und TF W151F.

Die ermittelte Rate für die schnelle Reaktionsphase nimmt ebenfalls nahezu hyperbolisch zu. Dies ist untypisch für eine „einfache“ Assoziationsreaktion und kann am besten durch ein zweistufiges Bindungsmodell beschrieben werden (Schema 3-1), bei dem der schnellen Bildung eines initialen Kollisionskomplexes eine strukturelle Umlagerung folgt, welche zur beobachteten Fluoreszenzänderung führt.

Schema 3-1: Zweistufiges Modell für die Komplexbildung von RCM-La und Trigger-Faktor.

LA bezeichnet die freie Form von RCM-La, TF die freie Form von Trigger-Faktor, LATF den initia-len Komplex aus beiden und LATF* den sekundären Komplex, dessen Bildung die beobachtete Fluo-reszenzänderung bewirkt.

Für die Dissoziationskonstanten dieses Modells gilt:

KD = koff / kon (3-1 a)

Kiso = k-2 / k+2 (3-1 b)

KD(app) = KD  Kiso = (koff  k-2) / (kon  k+2) (3-1 c) Erfolgt die Gleichgewichtseinstellung des ersten Schrittes schnell im Vergleich zum zweiten Schritt, so gilt für die apparenten Raten kapp der Gleichgewichtseinstellung (Bagshaw et al. 1974; John et al. 1990):

Ein Angleich einer hyperbolischen Kurve an die Messpunkte bei Überschuss an Trigger-Faktor nach Gleichung 3-2 ergibt für den ersten Bindungsschritt eine Dissoziationskonstante KD von 11,8 µM, sowie für den zweiten Schritt Ratenkonstanten von k+2 = 88 s-1 und k-2 = 13,8 s-1 und somit Kiso = 0,16. Daraus errechnet sich eine apparente Dissoziationskonstan-te KD(app) von 1,85 µM, welche sehr gut mit dem KD(app)-Wert von 1,7 µM aus der Amplitu-denanalyse (Abb. 3-4 B) übereinstimmt und zumindest in der gleichen Größenordnung liegt wie der Ki-Wert von 0,4 µM, der aus der Messung der Inhibition von Trigger-Faktor durch RCM-La im RCM-T1-Rückfaltungstest erhalten worden war (Scholz et al. 1997b). Eine mög-liche Erklärung für die Abweichung der Werte aus Bindungs- und Inhibitionsstudien ist, dass RCM-La mehrere potentielle Bindungsstellen für Trigger-Faktor besitzt (vgl. Abschnitt 3.1.2.).

Vermutlich führt die Bindung an jede beliebige dieser Stellen zu einer Inhibition des Trigger-Faktors, so dass bei den Inhibitionsmessungen die Affinität zur „stärksten“ Bindungsstelle ermittelt wird. Im Gegensatz dazu liefert möglicherweise nur die Bindung an eine bestimmte dieser Stellen ein Fluoreszenzsignal. Somit ließe sich bei den Stopped-Flow-Bindungsstudien nur der KD-Wert für diese ganz bestimmte Bindungsstelle (mit möglicherweise niedrigerer Affinität zum Trigger-Faktor) ermitteln.

Die Herkunft der langsamen Phase, welche nur ca. 10% der gesamten Fluoreszenzamplitu-de beisteuert, bleibt unklar. Möglicherweise stammt sie von einer Heterogenität im entfalteten Substratprotein - beispielsweise aufgrund einer unvollständigen Reduktion und Carboxy-methylierung der Cysteinreste - oder von alternativen Möglichkeiten zur Bindung an den Trigger-Faktor. Außerdem neigt der Trigger-Faktor zur Selbstassoziation (vgl. Abschnitt 3.1.4.) und spätere Ergebnisse anderer Gruppen deuten darauf hin, dass Trigger-Faktor nur als Monomer an Proteinsubstrate und auch an Ribosomen binden kann. Kaiser et al. konnten mit Hilfe des Försterresonanzenergietransfers (FRET) markierter Trigger-Faktor-Protomere zeigen, dass die Monomerisierung der TF-Dimere mit einer Halbwertszeit von ca. 1 Sekunde erfolgt (Kaiser et al. 2006). Dieses Zeitfenster entspricht in etwa dem der langsamen Phase der Assoziation zwischen RCM-La und TF. Es ist daher gut möglich, dass die schnelle Phase die Assoziation zwischen bereits im Reaktionsansatz vorliegenden Trigger-Faktor-Monomeren und RCM-La darstellt, während die langsame Phase durch diejenigen Trigger-Faktor-Monomere bewirkt wird, die erst langsam durch Dissoziation von Trigger-Faktor-Dimeren

„nachgeliefert“ werden.

3.1.1.2. Dissoziation des Komplexes zwischen RCM-α-Lactalbumin und Trigger-Faktor