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Verhältnis zum Feminismus

Im Dokument MASTERARBEIT / MASTER S THESIS (Seite 25-29)

1. Theoretischer Hintergrund

1.3 Frauen bei den Identitären

1.3.2 Verhältnis zum Feminismus

Das Verhältnis zum Feminismus ist bei den Identitären einerseits von einer extremen Ableh-nung all dessen gekennzeichnet, was mit diesem verbunden wird. Er gilt als Produkt der „ver-teufelten Moderne“ und „gleichmacherischen Linken“, der vorgeworfen wird, die Menschen zu „vereinheitlichen“, sodass es in Zukunft keine ‚richtigen Männer und Frauen‘ mehr gebe und somit jegliche Vielfalt aufgehoben sei (Goetz, 2017a, S. 260).

Zwar seien Männer und Frauen gleichwertig, aufgrund ihrer ‚natürlichen (Charakter-) Eigen-schaften‘ müsse jedoch anerkannt werden, dass sie nicht gleichbehandelt werden könnten (Goetz, 2017a). Diese Annahme steht der universalistischen Idee entgegen, die das Recht ein-fordert, verschieden sein zu können, und trotzdem gleich behandelt zu werden (Winkler, 2017).

Zugleich ist man aber auf der ‚Suche‘ nach einem eigenen ‚völkischen Feminismus‘. Hier wer-den die Iwer-dentitären bei der antisemitischen und völkischen Schriftstellerin Mathilde Luwer-dendorff fündig (Goetz, 2017a). Sie habe „einen alternativen Feminismus seiner Zeit“ entwickelt, der sich gegen den gängigen linken und als falsch ausgemachten Feminismus richte (Dassen, zitiert nach Goetz, 2017a, S.268).

Letzterer würde den Frauen durch sein unterdrückerisches Potenzial schaden, da sie ihre ‚ei-gene Natur‘ ablehnen müssten. Es müsse darum gehen, sich auf die der Frau ‚natürlich‘ mitge-gebenen Qualitäten und Eigenschaften zu besinnen. Frauen seien im Vergleich zu Männern besonders altruistisch und würden über eine erhöhte Emotionalität verfügen, welche sie „sinn-voll in die Gesellschaft einbringen könnten“ (Podcastfolge der Identitären8, zitiert nach Goetz, 2017a, S. 268). Zudem hätten Frauen eine besondere Beziehung zur Natur, die sie „näher am Werden dran“ (Goetz, 2017a, S.269) sein lassen. Deutlich wird, dass sich der völkische Femi-nismus auf eine biologistische Argumentationsweise beschränkt und die Frau auf ihre ver-meintlich ‚weiblichen Verhaltensweisen und Qualitäten‘ reduziert. Zugleich birgt er damit aber auch die Möglichkeit, sich auf die zugeschriebenen ‚Qualitäten‘ zurückzuziehen und Sicherheit in der eindeutigen Rollenzuschreibung zu finden.

Des Weiteren wird versucht, Antifeminismus als den ‚wahren Feminismus‘ zu deklarieren (Goetz, 2017a), wie bei der jüngsten Aktion ‚identitärer‘ Frauen. Die Aktion #120db soll an

8 Gespräch von Walter Spatz und Timo Beil der ‚Identitären‘ Brandenburg. Aufgezeichnet in ihrem Podcast

alle Frauen erinnern, die Opfer von ‚importierter Gewalt‘ geworden sind (Dörr, 2018). Sie fordert die Frauen auf, von ihren Erfahrungen zu erzählen und ist damit die rassistisch gewen-dete Antwort auf die #metoo Debatte9 (Dörr, 2018). Der Hashtag bezieht sich auf die Laut-stärke eines „handelsüblichen Taschenalarms, den heute viele Frauen bei sich tragen“ würden ([Kampagnenseite „120dezibel- Der wahre Aufschrei“], o.D.). Die Identitären werfen der libe-ralen Gesellschaft vor, nicht mehr in der Lage zu sein, die ‚eigenen Frauen‘ gegen die ‚impor-tierte‘ und somit als ‚fremd‘ ausgemachte Gewalt von Männern zu verteidigen. Es sei die

‚flüchtlingsfreundliche Politik‘ der Liberalen (Feministi_innen eingeschlossen) dem die Frauen heutzutage zum ‚Opfern‘ fallen würden (Goetz, 2017a).

Zudem wird Feminist_innen vorgeworfen sich nicht mehr um die eigentlichen Probleme der Frauen zu kümmern, sondern sich in „Männerhass, Sprachkontrolle und Umdefinitionen“

(Identitären, zitiert nach Goetz, 2017a, S.269) zu verlieren. Für die Identitären bedeutet Femi-nismus demnach Männerhass und Sprachkontrolle. Sie beziehen sich damit auf linke feminis-tische Diskurse (‚Sprachdefinition‘), benennen diese um und werten sie ab (‚Sprachkontrolle‘).

Laut Goetz inszenieren sich die ‚identitären‘ Frauen auf der einen Seite als Frauenrechtler_in-nen, um im nächsten Schritt gegen alles anzugehen, wofür in ihrem Weltbild der Feminismus steht (Lauer, 2018). Die Rechtsextremismusexpert_innen Bailer-Galanda und Glösel (2017) beschreiben das Verhältnis der Identitären zum Feminismus wie folgt (Bailer-Galanda &

Gösel, 2017, Gute Männer-böse Männer, gute Frauen-böse Frauen, §2):

Der Feminismus ist ein Gegner, weil er den weiblichen Körper „falsch“ politi-siert. Dem Feminismus geht es um individuelle Rechte von Frauen, um den Kampf gegen Diskriminierung, er prangert Ungerechtigkeit an (sic!) ohne dass es dabei um die „Nation“ als zentrale Kategorie geht. Feministinnen geht es um alle Frauen, unabhängig ihrer Herkunft, ihrer Religion oder Klasse und adres-siert (sic!) alle Männer – ebenso unabhängig von Herkunft, Religion und Klasse als (potenziell) privilegiert und – in Fragen von Gewalt – als (potenzielle) Täter.

Doch für die IB, wie für alle Rechtsextreme, steht die Nation, steht das Volk im Zentrum jeder Analyse.

9 Der #metoo- Hashtag wurde im Oktober 2017 im Kontext des Weinstein-Skandals bekannt. Ursprünglich geht der Hashtag auf die Aktivistin Tarana Burke zurück, später übernahm die Schauspielerin Alyssa Milano diesen und ermutigte betroffene Frauen, den Tweet zu verwenden als Zeichen erlebter sexueller Übergriffe und sexisti-scher Belästigungen. Seither wurde der Tag millionenfach geteilt. Zudem hat er in verschiedenen Ländern (USA, Deutschland etc.) eine breite Debatte in der politischen Landschaft ausgelöst (Ott, 2017).

Frauenfeindlichkeit wird also nicht als gesellschaftlich-strukturelles Problem anerkannt und thematisiert, sondern durch rassistische und sexistische Argumentationsmuster auf die ‚Ande-ren‘ projiziert. Diese ‚Ande‚Ande-ren‘ sind bei den Identitären insbesondere Linke, Feminist_innen und Migrant_innen (Goetz, 2017a). Die Reduzierung und Verschiebung des Problems auf ein-zelne Personengruppen ermöglicht es, dieses von sich fern zu halten. Die sexistischen Bemer-kungen des österreichischen Identitären-Kaders (Sellner, Kerbel und Lenart) auf Twitter und Facebook lösten keinerlei interne Auseinandersetzung aus. Unter dem Hashtag #fr4auenhou-seg4ng hatten sie sich abfällig über das Grazer Frauenhaus und seine Bewohnerinnen geäußert:

„Frauenhaus. Bester Aufrissplatz. Irgendeine ist immer da“ (Bonvalote, 2016, §1; Goetz, 2017a). Statt einer selbstkritischen Betrachtung, wird Gewalt in den eigenen Reihen aber auch innerhalb der Mehrheitsgesellschaft verharmlost, lächerlich gemacht oder gänzlich negiert (Goetz, 2017a). Wie bereits beschrieben (Kapitel 1.1) erklärt Dworkins (zitiert nach Borchert, 2018) die Negation einer sexistischen Mehrheitsgesellschaft und im Anschluss daran die Ab-wertung feministisch aktiver Frauen wie folgt: Die reale Bedrohung sexueller Gewalt durch die Mehrheitsgesellschaft muss aufgrund ihrer Ausmaße abgewehrt und auf die Anderen pro-jiziert werden, um sich mit den ‚Mächtigen‘ (Männern) zu verbinden. Feminist_innen erinnern Frauen daran, einen anderen Weg im Umgang mit der geteilten Erfahrung von Gewalt zu ge-hen. Sie negieren diese nicht, sondern versuchen, die Verhältnisse, die dazu führen, zu verste-hen, zu verändern und im Anschluss zu zerstören. Rechte Frauen sehen diese Möglichkeit nicht und suchen sich im Sinne des Selbstschutzes andere Wege, um Sicherheit (an der Seite vom Mann) in der sexistischen Gesellschaft zu finden.

Dass der Abarbeitung am Feminismus so viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, kann einerseits auf den Hauptfeind (‚Liberalismus‘) der ‚identitären‘ Ideologie zurückgeführt werden (DÖW, 2018, §2). Feminismus und fluide Geschlechterkonzepte sind demnach eine Ausformung des

„zersetzenden“ Liberalismus (DÖW, 2018, §2). Bailer-Galanda & Glösel (2017, „Was wollen die Frauen bei den Identitären überhaupt?“, §3) beschreiben den Kampf gegen den Liberalis-mus wie folgt:

Die Frauen gehen genau gegen diese Feindbilder auf die Straße. In ihrer Logik kämpfen sie gegen Unterdrückung – es ist eine Unterdrückung, die von Eliten, von Liberalen, von Linken, von Feministinnen ausgeht. Für die Frauen in der IB ist es Emanzipation, in einer rechtsextremen Jugendgruppe aktiv zu sein: Sie

befreien sich nicht vom Patriarchat, sie „befreien“ sich von einer liberalen Ge-sellschaft. Es ist die Emanzipation von der Emanzipation. Das ist der größt-mögliche Widerstand, den sie in ihrer Deutung leisten können.

Andererseits gibt es in den letzten Jahren auch in der Lebenswelt der jungen Frauen voraus-sichtlich mehr Berührungspunkte mit (pop-)feministischen Anliegen. Zum einen aufgrund der zunehmenden Thematisierung geschlechterpolitischer Anliegen im öffentlichen politischen Diskurs und zum anderen durch die zunehmende Reflexion hinsichtlich Gleichberechtigungs-bestrebungen an den Universitäten.

Auf Grund ihrer Analyse der geschlechterpolitischen Äußerungen schlägt Goetz vor, bei den Identitären von einem „Neo-Antifeminismus“ zu sprechen (Goetz, 2017a, S. 271). Goetz (2017a) erkennt eine ähnliche Modernisierungstendenz wie in dem von den Identitären ver-wendeten Theoriekonzept des Ethnopluralismus (Neorassismus) (Kapitel 1.2). Die Parallele bestehe in der Annahme der Verschiedenartigkeit der ‚Völker‘ und der Verschiedenartigkeit der (‚zwei‘) Geschlechter, die eine unterschiedliche Behandlung sowohl der ‚Völker‘ als auch der Geschlechter verlange (Goetz, 2017a). Nach Aftenberger (2007) steht Verschiedenartigkeit

„für eine erneute Biologisierung sozialer Verhältnisse und Aufgabenteilungen“ (S.71), die un-ter dem Vorwand der ‚wirklichen‘ Gleichwertigkeit aufrechtzuerhalten versucht wird. Auch Goetz (2017a) sieht die These bestätigt, dass bei den Identitären ein biologisch argumentierter Sexismus sowie ein ausgeprägter Antifeminismus vorherrscht. Gleichberechtigung soll durch die Aufrechterhaltung des Geschlechterdualismus erreicht werden. Als neues Phänomen zeigt sich jedoch, dass die „geschlechterpolitischen Diskurse ebenso wie die damit verbundenen Ar-gumentationsmuster“ komplexer und differenzierter geworden sind (Goetz, 2017a, S. 254). Die meisten Äußerungen sind nicht von einem offensichtlichen Sexismus geprägt, sondern in die biologistischen Argumentationsmuster eingebettet (Goetz, 2017a). Zudem wird durch die Ver-bindung von sexistischen und antimodernen Argumentationsmustern eine neue Form der Kom-plexität erreicht (Identitären, zitiert nach Goetz, 2017a, S. 272):

Lebensschutz ist Heimatschutz! [...] Daher soll Abtreibung nunmehr zum Men-schenrecht und das Individuum von seiner Verantwortung befreit werden. Kin-der werden somit zum Wegwerfprodukt zur austauschbaren Ware degradiert - wie alte Handys und leere Kaffeebecher. Wenn man sich vor Augen führt, dass im Jahr knapp 100.000 Kinder abgetrieben werden (medizinische Gründe sind

marginal vertreten), dann haben wir in den letzten 40 Jahren über 4.000.000 Kinder getötet. Der demographische Wandel und die Überfremdung sind daher hausgemachtes Übel einer lendenlahmen und dekadenten Gesellschaft.

Für rechte Gruppierungen unüblich erscheint zudem der konkrete Bezug zu feministischen Theorien und Phänomenen. Martin Sellner bezieht sich beispielsweise in seinen Video-Blogs positiv auf differenzfeministische Strömungen, da diese im Vergleich zum restlichen ‚Gender-wahn‘ wenigstens an der Unterschiedlichkeit der Geschlechter festhalten (Sellner, 2014).

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