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Schlussfolgerungen

Im Dokument MASTERARBEIT / MASTER S THESIS (Seite 57-61)

Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit aktuellen Widersprüchen und Problematiken in der

‚weiblichen‘ Subjektivierung junger Frauen und den Bearbeitungsmöglichkeiten dieser Kon-flikte durch die Teilnahme an einer rechtsextremen Gruppierung (der Identitären ‚Bewegung‘).

Im Rahmen einer Einzelfallanalyse wird mittels der psychoanalytisch-tiefenhermeneutischen Methode eine Gruppensitzung ausgewertet, bei der sich eine tiefenhermeneutisch geschulte Gruppe mit dem Transkript eines Videos auseinandersetzt, mit dessen Hilfe mögliche Kon-fliktlagen ‚weiblicher‘ Subjektivierung evoziert werden sollen.

Als Material dient ein über YouTube veröffentlichtes Interview zwischen dem Chefideologen der Identitären ‚Bewegung‘ im deutschsprachigen Raum und einer jungen Aktivistin (Sellner, 2017). Inhalt des Interviews ist die Motivation der jungen Frau, Teil der ‚Bewegung’ zu sein.

Aufgrund des prozesshaften Interviewcharakters werden auch subjektive und biografische Hin-tergründe ihrer Person deutlich, die in der Auswertung erfasst wurden.

Als Problem ‚weiblicher‘ Subjektivierung hat sich im vorliegenden Fall vor allem die Ambi-valenz zwischen dem Ausagieren von Aggressionen und der gleichzeitigen Anpassung gezeigt.

Durch die Teilnahme in der rechten Gruppierung der Identitären erschafft die junge Frau sich eine Rolle, die es ihr ermöglicht, ihren inneren Konflikt sowohl aufrecht- als auch auszuhalten.

So kann sie ihre eigenen destruktiven und fixierten Aggressionen (bspw. auf Feminist_innen) offen ausleben, was für Frauen normalerweise gesellschaftlich nicht vorgesehen ist. Die Ge-meinschaft und positive Bestärkung der Gruppe gibt ihr zudem die nötige Sicherheit und int-rapsychische Stabilität, um in den Konflikt mit den anderen gehen zu können. Dadurch ver-bleibt sie jedoch unterbewusst in ihrem Dilemma der Abhängigkeit und Angepasstheit. Dieses Verhalten benennt sie im Interview selbst als ihr Unglück in ihrem Leben. Somit kann die Teilnahme der jungen Frau an der rechtsextremen Gruppierung, die ihr ermöglicht ihre sowohl individuellen, als auch gesellschaftlich provozierten Konflikte auszuleben, nach Freud (1921) als Schiefheilung einer depressiven Symptomatik verstanden werden. Lohl (2017) geht davon aus, dass klinische Depressionen nicht durch die „psychische Partizipation“ an einer rechten Gruppierung geheilt werden, sondern lediglich Aspekte einer gesellschaftlich bedingten De-pression bearbeitet und temporär depressive Symptome aufgefangen und vermieden werden können (S.20). Der postulierte Zusammenhang zeigt sich in ähnlicher Form in einer Studie von Ackermann und Jahoda (1950), die empirisch das Verhältnis von Depression und Antisemitis-mus erforscht. Dabei zeigte sich eine Bandbreite an Korrelationen mit verschiedenen psycho-pathologischen Symptomen, jedoch nicht mit Depressionen. Die Autor_innen der Studie er-klären sich dieses Phänomen indem, die in der Depression erlebten aggressiven und zerstöre-rischen Impulse nicht gegen das Selbst gerichtet, sondern im Antisemitismus nach außen, ge-gen Juden und Jüdinnen gewendet werden (Lohl, 2017).

Rechtes Denken ermöglicht zudem, sich einer höheren Ordnung ‚hinzugeben‘ und damit der

„Bejahung des Schicksalhaften, Mythischen und Irrationalen“ (Winkler, 2017, S.56) unterzu-ordnen. Dies schafft Abhilfe, sich mit den Widersprüchen einer modernen und kapitalistischen Gesellschaft auseinandersetzten zu müssen. Für Frauen zeigt sich zudem eine Attraktivität der

Teilnahme an rechten Gruppierungen durch die Vielfalt an Frauenbildern und der Flexibilität des Rechtsextremismus (Goetz, 2017). So können propagierte Weiblichkeitskonstruktionen für die einzelne Frau als Orientierung im alltäglichen Leben dienen, müssen dies aber keineswegs (Birsl, 2011). Dadurch kann es zu Differenzen zwischen den ideologisch propagierten Ge-schlechterpositionen und der konkreten Lebenspraxis der rechtsextremen Frau kommen, die es ihr ermöglicht, am Rechtsextremismus teilzuhaben, ohne den Konventionen, die er ihr aufer-legt, gänzlich zu unterliegen (Birsl, 2011).Das besondere an der Identitären ‚Bewegung‘ ist, dass sie autoritäre und rechtsextremistische Einstellungen in einem neuen Gewand präsentiert, mit dem sich insbesondere ein junges und studentisches Milieu identifizieren kann.

Die Ergebnisse dieser Einzelfallanalyse machen deutlich, dass weitere Studien hilfreich wären, um das Spektrum ‚weiblicher‘ Problematiken in der Subjektivierung zu vervollständigen. Da-bei sollten auch weitere Milieus und Klassenlagen erhoben werden, um einen spezifischeren Blick für die jeweiligen Konfliktlagen und Herausforderungen der ‚weiblichen‘ Subjektwer-dung zu erhalten. Im Rahmen psychoanalytischer Forschung wäre es zudem sinnvoll, biogra-fische Informationen und Entwicklungen der Person mitzuerheben, um den Hintergrund des inneren Erlebens durch die intrapsychischen Repräsentationen (Objekte) der Personen (siehe oben), zu erhalten.

Die Problematik der Ambivalenz zwischen Anpassung und Aggression kann jedoch verallge-meinernd aufgrund der vorliegenden Theorien als Schwierigkeit in der ‚weiblichen‘ Subjekti-vierung dargestellt werden, da der Ablösungsprozess des Mädchens von seiner Mutter, auf-grund der empfundenen Ähnlichkeit und der damit fluiden Grenzen zwischen dem eigenen Ich und dem der Mutter, erschwert ist (Möller, 2005). Um sich von anderen abgrenzen zu können, braucht es Formen erlaubter Aggression und verweist im psychoanalytischen Verständnis auf die Notwendigkeit, sich aktiv auf etwas zuzubewegen, um dadurch die eigenen Interessen, Wünsche und Bestrebungen des Selbst zu entwickeln. Damit diese Entwicklung stattfinden kann, muss sich das Mädchen in der ödipalen Phase dem Vater zuwenden, da dieser symbolisch als Repräsentant der Außenwelt, und damit auch des Berufslebens zu sehen ist (Möller, 2005).

Das Mädchen erlebt bereits durch ihre eigene vergeschlechtlichte Sozialisierung, sowie durch die Anforderungen und Möglichkeiten der Mutter in einer patriarchal strukturierten Gesell-schaft, die existierenden Unterschiede zwischen den Geschlechtern. So sind Frauen beispiels-weise auch neben der Lohnarbeit weiterhin maßgeblich für Reproduktionsarbeiten zuständig (Wissenschaftszentrum für Berlin für Sozialforschung, 2013). Die inneren Repräsentanzen und

treffen somit häufig auf äußere Bedingungen, die diese bestätigen und aufrechterhalten (Rohde-Dachser & Menge-Herrmann,1995). So stellt es ein bedeutsames Ziel dar, ein Zusam-menspiel von materiellen und gesellschaftlichen Veränderungen zu entwickeln, um Mädchen und Frauen jegliche Ausdrucksformen und Lebensweisen zu ermöglichen und dabei gleichzei-tig aus psychologischer Sicht einen Aggressionsbegriff zu etablieren, wie Möller (2005) pos-tuliert, der „den Drang nach Erkenntnis beinhaltet“ (S.336). Dieser definiert Aggressionen als wesentlichen Antrieb von Menschen, der insbesondere Frauen die Möglichkeit gibt, die eige-nen Aggressioeige-nen bewusst wahrnehmen und diese konstruktiv nutzen zu köneige-nen.

Im Dokument MASTERARBEIT / MASTER S THESIS (Seite 57-61)