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3.1 Etablierung von In vitro-Kultursystemen für kolorektale Tumore

3.1.3 Genexpressionsanalysen von Kurzzeit-Kultur primärer Zellen

3.1.3.2 Vergleich der primären Zellen und Gewebeschnitte in

beiden Kurzzeit-kultivierten In vitro-Systemen zuzuordnen. Die HT29 blieben auch dann eine eigene Gruppe, wenn die Patienten einzeln und nicht nach Mittelwert-berechnung zu einer entsprechenden Clusteranalyse verwendet wurden.

Es konnte festgehalten werden:

 Die HT29 wiesen als seit langem etablierte Zelllinie spezifische Genexpressions-muster auf, die sich von den sieben individuellen Kurzzeit-Kulturen deutlich unterschieden.

 Die einzelnen Patiententumore demonstrierten sehr individuelle Muster.

 Die primären Zellen entfernten sich durch die Kultivierung von dem Zustand des Ursprungsgewebes individuell unterschiedlich und waren in ihrer Genexpression weniger stabil als die Gewebeschnitte.

3.1.3.2 Vergleich der primären Zellen und Gewebeschnitte in Abhängigkeit

Wie schon bei den OP-Werten zu sehen, bestanden auch bei den weiteren Proben Unterschiede zwischen den einzelnen Patienten. Die Individualität der Genexpres-sionsmuster der einzelnen Patienten machte es notwendig, Analysen nicht nur innerhalb von Patientengruppen sondern auch für jeden Patienten separat durch-zuführen. Bei Analysen, die auf Gruppen basierten, wurden daher die individuellen Ergebnisse eines jeden Patienten grundsätzlich auf Abweichungen kontrolliert. Es wurden jedoch keine Abweichungen festgestellt, die auf Gruppen basierende Aussagen oder mögliche Interpretationen beeinflussten. Daher wurde im Folgenden auf die Nennung Patienten-individueller Ergebnisse verzichtet und die Daten von Gruppenanalysen verwendet.

Um nun die Effekte der Aufarbeitung von primären Zellen und Gewebeschnitten mit in die Analysen einzubeziehen, wurden die Ursprungsgewebe (OP-Werte) als Referenz genommen. Die Messergebnisse nach Aufarbeitung (= 0h), 24h- und 72h-Kultur wurden auf die entsprechenden OP-Werte der Patienten bezogen und Zweier-vergleiche berechnet (unpaariger t-Test, Benjamini-Hochberg-Korrektur [109]). Als signifikante Änderung galten wiederum alle Werte≥3-fach und p≤0,05.

Ausgehend von 9837 in allen Patientenproben durchgehend detektierbaren Genen konnten in den primären Zellen 327 und in den Gewebeschnitten 74 signifikant veränderte Gene identifiziert werden. Die Zahl der veränderten Gene war bei beiden In vitro-Kulturen durch die Aufarbeitung sehr gering, stieg aber mit zunehmender Kulturdauer. Es traten demnach Genexpressionsveränderungen auf, die über die Zeit verfolgbar waren.

Welche Relevanz diese Änderungen für die Qualität der beiden In vitro-Kultur-systeme besaßen, um welche Änderungen es sich im Einzelnen handelte und welche relevanten Gengruppen daran beteiligt waren, wurde im nächsten Schritt durch Untersuchungen zur Gen-Ontologie geklärt. Die jeweils als signifikant verändert identifizierten Gene wurden hierfür mittels „OntoExpress“-Software analysiert. Diese ordnet die einzelnen Daten aufgrund ihrer KEGG-Einteilung (Kyoto Encyclopedia of Genes and Genomes[110]) Gruppen der „biologischen Prozesse“, der

„zellulären Komponenten“ und der „molekularen Funktionen“ zu. Hierbei wurden nur diejenigen Ontologie-Gruppen verwendet, die mit p≤0,05 signifikant zugeordnet wurden. In welche „biologischen Prozesse“ diese Gene eingruppiert werden konnten, zeigt die Abb. 21.

Abb. 21: Einordnung der signifikant veränderten Gene in Gengruppen (Gen-Ontologie-Analyse) Die 327 in primären Zellen und 74 in Gewebeschnitten signifikant veränderten Gene wurden mit der Software Onto-Express hinsichtlich ihrer Verteilung und Zugehörigkeit (p 0,05) zu Gengruppen des

„biologischen Prozesses“ analysiert. Die Daten der primären Zellen (oben) und die der Gewebe-schnitte (unten) wurden getrennt untersucht. Die linken Diagramme geben jeweils das tatsächliche Verhältnis von unveränderten und veränderten Genen innerhalb der Gesamtheit der 9837 detektierten Gene an. Die rechten Diagramme präsentieren den jeweiligen Ausschnitt der veränderten Gene im Detail. Sie zeigen die identifizierten Gengruppen und ihre prozentualen Anteile an der Gesamtheit der jeweils signifikant veränderten Gene.

In beiden In vitro-Kultursystemen konnten beteiligte Gengruppen identifiziert werden, die eine hohe Relevanz für Kultur- und Verhaltenscharakteristika solcher Kulturen besitzen. Die Prozentangaben stellten die Anteile an den jeweils veränderten Genen dar. Expressionsveränderungen an solchen Gengruppen könnten die Verwendbar-keit der In vitro-Kulturen einschränken. Da aber von einer Grundgesamtheit von 9837 detektierbaren Genen ausgegangen werden musste, stellten die 327 in primären Zellen signifikant veränderten Gene nur einen Anteil von 3,33% dar, die 74 Gene in

Gewebeschnitte primäre Zellen

Gewebeschnitten sogar nur 0,75%. Dadurch erreichten die diesen verschiedenen

„biologischen Prozessen“ zugeordneten Gene tatsächlich nur Anteile zwischen <1%

und <0,2% aller detektierten Gene.

Um zu klären, um welche Gene es sich handelte, wurden die Listen der signifikant veränderten Gene im Detail analysiert. Hierbei wurden wiederum die Listen der einzelnen Patienten kontrolliert, um einmalige Genexpressionsänderungen zu berücksichtigen. Tab. 14 zeigt eine nach Abschluss der Untersuchungen getroffene Auswahl an Genen, die sich in primären Zellen und / oder Gewebeschnitten in ihrer Expression änderten oder unverändert blieben.

Tab. 14: Beispielgene und ihre Genexpressionsänderungen zum Ursprungsgewebe (OP-Werte) Aufgelistet sind ausgewählte Gene und ihre Genexpressionsveränderungen zum Ursprungsgewebe.

Angegeben sind die Tendenzen der Veränderungen. Abgebildet sind die Kurzzeit-Kulturen von primären Zellen und Gewebeschnitten (Microarray, Affymetrix; mittlere Spalten) sowie die Änderungen der entsprechenden Gene in den Langzeit-kultivierten primären Zellen A413 (DualChip, Eppendorf;

rechte Spalte). Gene mit „-“ sind nicht bestimmt worden.

Kurzzeit-Kultur Langzeit-Kultur

Gen

(Kürzel) primäre Zellen Gewebeschnitte primäre Zellen

AKT unverändert = unverändert =

-FOS unverändert = unverändert = erhöht

CTNNB1 unverändert = unverändert = erniedrigt

FAS unverändert = unverändert =

-CEACAM5 unverändert = unverändert = erniedrigt

ERBB2 unverändert = unverändert = erniedrigt

EGFR unverändert = unverändert = erhöht

MAPK1 unverändert = unverändert =

-GSK3B unverändert = unverändert =

-HIF1A unverändert = unverändert = erhöht

CDKN1A unverändert = unverändert = unverändert =

CDKN1B unverändert = unverändert =

-TP53 unverändert = unverändert = unverändert =

STMN1 unverändert = unverändert = erniedrigt

VEGFA unverändert = unverändert = erhöht

FLT4 unverändert = unverändert = erhöht

ANXA1 unverändert = erhöht

-HSPA1A / B unverändert = erhöht

-IL8 erhöht erhöht

-IL18 erhöht unverändert =

-PLAUR erhöht unverändert = erhöht

Sowohl in primären Zellen als auch in Gewebeschnitten stieg die Expression des Interleukin 8 (IL8), ein Faktor in Chemotaxis und Entzündungsreaktion [111]. In den primären Zellen stieg zudem Interleukin 18 (IL18) [112] sowie der uPA-Rezeptor (PLAUR) [101, 102]. In Gewebeschnitten blieben diese Gene unverändert, im Gegen-satz zur gestiegenen Expression von Annexin A1 (ANXA1) [113] und HSPA1A/B [114]

(heat shock 70kDa protein 1A / B). Neben diesen wenigen signifikant veränderten Genen waren diverse Tumor-relevante Gene in ihrer Expression unbeeinflusst.

Einige dieser Gene, FOS, CEACAM5, EGFR, HIF1A, TP53, CDKN1A und VEGFA, veränderten sich in ihrer Expression in der Langzeit-Kultur der primären Zellen A413 deutlich, wohingegen sie in beiden Kurzzeit-Kulturen stabil blieben. Des Weiteren wurden Signaltransduktionskinasen wie AKT (Akt), MAPK1 (ERK 1/2) und GSK3B (GSK-3) kontrolliert, da in Medikamententests verwendbare In vitro-Kulturen in Signalwegen zur Steuerung von Proliferation, Apoptose und Überleben ebenfalls stabil sein müssen. Eine Fortsetzung entsprechender Veränderungen auf Protein-Ebene könnte die Reaktionsfähigkeit auf Medikamente und die physiologischen Charakteristika verändern [64, 115]. Die Signaltransduktionskinasen blieben jedoch in beiden Kultursystemen in ihrer Genexpression stabil.

Zusammenfassend verdeutlichten diese Vergleichsergebnisse:

 In Kurzzeit-Kulturen primärer Zellen und von Gewebeschnitten traten deutlich weniger Genexpressionsänderungen auf als in den Langzeit-Kulturen primärer Zellen.

 Die auftretenden Änderungen im Vergleich zum Originalgewebe waren sehr gering und wurden vernachlässigt, da diverse Tumor-relevante Gene (s.o.) und Gene von Signaltransduktionsproteinen stabile Expressionsmuster aufwiesen.

Beide In vitro-Systeme wurden daher als geeignet eingestuft, um als Grundlage für Medikamententests eingesetzt zu werden.

3.2 Etablierung und Evaluierung einer multi-funktionellen