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3ur Leidensgeschichte der lutherischen Slovnken

Im Dokument Dorpater Zeitschrift (Seite 126-163)

Von

Lio. t k . I . U, Dolbi«.

S o l l die Kirche ihre Aufgabe, Streiter!» des Herrn zu sein, nsüllen, so müssen ihre Glieder stet? vor Auge« haben, an welchen Orten je-desmnl besonders der Kampf zu führen ist. Einen solche» Kampfplatz den theuren Glaubensbrüdcrn in Rußland zu zeigen und zur M i t -stnilcrschaft einzuladen, dazn möge der folgende Bericht über die evan-gelisch-lutherische Kirche unter meinem slouakischcn Volke etwas beitragen.

Bereite seit einer Reihe von Jahren hat man im A.islandc über mcu Vaterland U n g a r » nicht viel Liebliches zu hören dekom-men. Und es ist auch nicht zu leugnen, daß sich in der neueren Zeit kaum in irgend einem anderen Lande Europas solch ein wüstes Treib«,»

kund gegeben hat, als eben in Ungarn, Doch darf man dies nicht auf da« ganze Land beziehen. Bekann!ich bildet Ungarn durchaus nicht ein e i n h e i t l i c h e s Volk, es e M i r t auch keine eigentliche u n g a -rifchc Nation und eine ungarische Sprache; vielmehr sind die Bc-wohner Ungarns, etwas über 9 Millionen an der Zahl ein Gemisch lwn vielen Völkern, welche in Sprache, Sitten, Gebräuchen, Cultur und Rcligionsbekenntniß sehr verschieden von einander sind. Zuerst sind es M a g y a r e n , etwas über 4 Millionen, ein aus Asien ein-gewandertes Volk, mongolischen Ursprungs; dann 5 slavische Stämme

Zur Leidensgeschichte der luth, Slovaken. 1 1 9 der indoeuropäischen (indogermanischen) Völkcrfamilic angehörend, und zwar: 1) S l o u a k e » gegen 3 Millionen, 2) K I c i n r u s s c n über 700.000, 3) S e r b e n 600,000, 4) K r o a t e n 140.00U »nd 5) B i n d e n oder W e n d e n über 57,000; ferner gibt es in Ungarn nahe an einc M i l l i o n D e u t s c h e , gegen 130,000 R u m ä n e n oder W a l a c h e n , 12,000 A r m e n i e r »nd über 300,000 J u d e n , Die Magyaren wohnen hauptsächlich in Nicdcningarn, die Slovakcn da-gegen in Obcruugarn nordwestlich in den Karpathengegcndcn, und zwar von Preßburg an bis weit nach Kaschau hin, also an der mäh-uschen, schlesischcn und galizischen Grenze, Dieb ist die sogenannte Slovakci hauptsächlich aus 14 Koniitate» bestehend, wo die Slcwaken gedrängt und dicht wohnen. Außerdem gibt es noch einige bedeutende zerstreute slon. Colonirn in Niedcruugam und im Tcmcschcr Bannt.

Die deutschen Brüder wohne» mclir zerstreut im Lande, bilden aber ben grüßten Tlici! der Beuölserung in den ungarischen Hauptstädten, Pesth, Ofen, Prehlnirg, Kaschau u, s, w.

Hinsichtlich des R e l i g i o n s b e k e n n t n i s s e s sind gegenwärtig m Ungar» l>einn!,c 5 Millionen Römisch-Katholische, über 1>/2 M i l

>>«nen Refoimirte, 830,000 Evangelisch-Lutherische, «83,000 »nirle Griechen und über 1 M i l l i o n Orthodoxe. Die icformirte Kirche bc-s^eht fast ausschließlich aus Magyaren, die Iitthcrische dagegen aus 500.000 Slonalcn, u n g e f ä h r dann über 200,000 Deutschen, und e'wa 170.000 Magyaren.

Die Slonaken bilden also den eigentlichen Kern ker lutherischen Kirche Ungarns.

Cs sei beiläufig erwähnt, daß die fast alle Länder Europas durchziehenden D r a h t b i n d er, oder MäusefaNenhändlir wie man sic kurzweg in Deutschland nennt, nicht die einzigen Repräsentanten bcr Slovaken sindz sie bilden vielmehr nur riurn ganz unbedeutendcu,

"nd zwar den ungebildetsten Theil des Volkes und sind kat! olisch,

^ s sind nur etwa 6 Gemeinden in der unfruchtbarsten Gegend Un-garns unmittelbar an der Grenze Galizicns, von wo die slowakischen Drahtbinder ausziehen, um durch einen kärglichen Verdienst ihr Leben

1 2 l ) i,i«. lb, I . R, B o l b i s ,

und das Dasein ihrer Familien zu fristen. Dal' Hauptgeschäft der Slovaken ist der Lnndba», außerdem g bt es sehr viele Handwerker

»nd auch Künstler, Ein inniges tiefes Gemüth, Treue, Ausdauer, Tapfeikcit, Genügsamkeit, außerordentlich großer Fleiß, Geduld und cinc nicht hoch genug anzuschlagende Anhänglichkeit an den Landes Herrn ist allen Slovaken eigen, Musik und recht viel Gesang, froh-liche Geselligkeit »nd Gastfreundschaft sind bei ihnen zu Hause, Vci diese» geistigen Anlagen hält das slovakischc Volk an der Kirche »n-cischiitterlich fest und steht für dir Sectirerci gänzlich «erschlossen da, Es gibt kam» ein anderes Volk, welches für dm evangelische»

Glauben so viel crduldet hätte, als das slovakische. Ein uamhaficr M a u » in Deutschland, der fleißig die Geschichte der lutherischen Kirche Ungm'ns durchstüdirt hatte, schrieb kürzlich mit großer Theilnahme an oem Mißgeschick der Slovakeu in einer theologischen Zeitschrift unter Audcrem Folgcudcsl „Soweit das Märtyrerthum in einer Volkskiichc rein sein kann, ist es bei den Slovaken rein gewesen, »nd wir freuen

»ns dieser Passionsblume, die unter Dornen verdeckt, Gott zum Pmsc geblüht hat,"

Das MärtyrerthiM! der lutherischen Slovaken ist von zwei Seite» her verursacht worden- Einmal in den früheren Zeiten von den J e s u i t e n , »nd das Andercmal von de» protestantischen M a gyaren und Magyaronen, den magyarischen Zlavcn und Deutsche»

a»s der Neuzeit, besonders seit 1844, Beides will ich in kurzen ge schichtlichcn Zügen kennzeichnen.

Die dcutschc Reformation fand in Nngani zuerst unter den Slowaken einen raschen Eingang, Die Slowaken, als Stammeevel' wandte der Böhmen, waren vor L u t h e r ' s Auftreten größtcntheils H,issiten, Während nämlich die böhmischen Hussiten mit ihren Kriegen beschäftigt waren, hatte sich H u s ' c n s Lehre unter den Slo-lniken in aller Stille verbreitet. Als nun L u t h e r auftrat, sehten sie sich sogleich mit ihm in Verbindung. Dies war den römischen B i -schüfen Uugarns höchst »»angenehm, »nd so ließ denn auf ihren Bc-trieb J o h a n n von Z Ä p o l y a , der an des rechtmäßige» Königs

Zur Leidensgeschichte bei luth, Tlovalen. I2l F e r d i n a n d I . Statt sich zum König hatte wählen lassen, bereits m> I . 1527 einen slowakischen Pfarrer und einen Lehrer, die beide mit aller Entschiedenheit öffentlich im L u t h e r s Sinne lehrten, leben-dig verbrenne», um so die übrigen Anhänger L n t h c i s abzilschrccfen Aber vergebens! denn in ganz kürzer Zeit verbreitete sich die Rcfor-mation auch »nter anderen Völkern Ungarns, so daß im I . 1557 bereits über 2 drittel von Ungarns Bewohnern evangelisch waren »nd nur noch 3 von den Großen des Landes, den sogenannten Magnaten, bei der römisch katholischen Kirche blieben. Allein, es zeigte sich nur zu bald, daß es den Magyaren um die durch L u t h e r gereinigte evangelische Lehre »ich! ernstlich zu tliun war, denn schon im I , 1563 erklärte sie sich auf der Synode zu T a r h a i für Zwingli und Calvin »nd nur ein flciuev unbedeutender Theil derselben blieb noch evangelisch lutherisch, während die Slovakcn insgesammt und von den Deutsch,« der weit glößerc Thcil an der evangelisch lutherischen Kirche festhielten.

Die von unreinen Elementen gereinigte lutherische Kirche Un-garns zählte noch immer gut 3 Millionen Bekcnncr, blieb aber von zwei mächtigen Feinde» den Jesuiten und den reformi-ten Magyaren

»nningt. Unter den Letzteren wollten die politischen und kirchlichen Wühlereien nie aufhören, ja die magyarischen Helden verbanden sich sogar mit den Türken gegen die nach historischem Rechte herrschenden Könige aus den» Hause Habsburg, während die lauernden Jesuiten schlau genug waren, der österreichischen Regierung glaubhaft zu ma-H m , daß der Protestantismus und die Revolution ma-Hand in ma-Hand gehe. Daher die schrecklichen Verfolgungen, welchen die lutherische Kirche Ungarns seitens der Jesuiten von Ende 16, bis Ende 18, Jahr-hnnderts, also volle 200 Jahre hindurch, ausgesetzt war.

Die verhängnißvollstc Zeit für die 2'/2 Millionen lutherischen Slovaken bildet die Regierung L e o p o l d ' s I . ( 1 6 5 7 - 1 7 0 5 ) . I n sk'Ne Zeit fällt die grausame z e h n j ä h r i g e Verfolgung vom Jahre

^670 bis 1680, welche durch eine Vrrschwöruug einiger katholischer und rcfonnirter magyarischen Magnaten he, vorgerufen war. König

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I.i°, tl>, I . R Vorbis.

L e o p o l d I . beschloß den Protestantismus in Ungarn mit Gewalt auszurotten. Und dies ist ihm mit der lutherischen Kirche beinahe vollständig gelungen, denn am Ende seiner Regierung waren von ihr nnr noch einige wenige Trümmer übrig. Anders stand es mit den rcformirten Magyaren, die sich während dieser fürchterlichen Religions-Verfolgung ungestört unter der türkische» Oberherrschaft befanden.

Nicht die revoltircndcn Magyaren also, sondern das ruhige, dem kö-niglichcn Hause stels treu ergebene »»glückliche Volk der lutherischen Slovafen mußte ganz besondere da? Bad ausbaden. Allein während der zehnjährigen Verfolgung (1670—80) wurden ihnen gegen 800 Kir-chcn, sämmtliche Lehianstaltcn und dazu gehörige Einkünfte mit Ge<

walt von den Jesuiten weggenommen, auf Einmal gegen 300 ihrer tüchtigste» Geistlichen und Lehrer vcrurlhrilt, von denen der bci weitem größere Theil in dem elendesten Zustande in Gefängnissen den Tod fand, der andere Theil aber in Ketten geschmiedet, durch die Soldaten nach Neapel geschleppt und dort für eine kleine Geldsumme auf die Galeeren verkauft wurde. Ihre übrigen Pfarrer und Lehrer wurden all' ihres Eigenthums beraubt und dann verjagt, Einige an die Wand oder auf die Erde, mit Banden nnd Eisen beschwert, in der Gestalt eines Kreuzes angenagelt, Einige verbrannt, Andere aber wie türkische Gefangene mißhandelt. Todte durften blos nach Erlegung hoher Geld-taxen auf de» Friedhöfen bestattet werden. Sowohl Edelleute als Bürger und Bauern wurde» unter verschiedenen hervorgesuchten Bc-schuldigungcn eingezogen und gefangengenommen, zum römisch katho»

lischen Gottesdienste in Ketten geführt, Einigen steckte man die ge>

weihte Hostie gewaltsam in den M u n d , Mehrere vertrieb man wider-rechtlich aus ihren Besitzungen, indem man ihnen außer einem Stab nichts mitgab. Auf diese Art wurden gauzc Ortschaften ausgeplün-dcrt. A n vielen Orten ließen die aus selbstsüchtigen Interessen, »m bedeutende Staatsämter zu erreichen, katholisch gewordenen Magnaten, ihre Unterchaucn zur römischen Messe mit blanken Säbeln treiben.

Es waren dies Tage voll Jammer und Elend, wie die Kirche Christi sie nur in den heidnischen Verfolgungen erlebt hat.

Zur Leidensgeschichte der luth, Klovalen.

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A n die zehnjährige Verfolgung schließt sich das grauenhafte Blutgericht des unmenschlichen Italieners General A n t o n C a r a f f a zu Cperies im I . 1687. Er ließ 9 treue evangelisch'lutherische Be-kenner aus dem vornehmeren Stande zuerst foltern, dann ihnen die rechte Hand und zuletzt den Kopf abhauen, ihre Körper vertheilen und auf die Straßen werfen. Sehr rührend ist es, mit welchem evange-lischen Glaubensmuthe besonders zwei dieser Märtyrer, die 2 slova-tischen Gutsbesitzer v o n Kcczer aus einer alten Adelsfamilie, Vater und Soh», den grausamen 'Tod erduldet habcn.

So ichrcil't z, V , ein Augenzeuge über den Sohn Folgendes, Der 30jährige Gabriel v o n Keczcr nahm noch an seinem Todes»

tage das heilige Abendmahl andächtig auo der Hand des slovakischen Predigers zu Eperics, I o h , A n d i i t u s , und betrat, so gestärkt, in Begleitung der Soldaten und des Predigers, den Hinrichtnngsplah, Da kommi ihm s»ine lraucrndc Schwester entgegen und spricht: „ B r u -der, D u letzter und liebster Theil unserer Seele, wie können wir, wenn wir auch Dich verlieren, sicher sein? D u soüttst, i achdem uns das schmähliche Schwert den Vater entriß, unser Vater sein". Er antwortete ihr: „ G o t t lebt in unseren Vätern, hast D u diesen, so darfst D u nichts befürchten. I h m hinterlasse ich Euch, stille Deine Thränen, verzögere die Freuden nickt, welchen ich entgegen eile. Nichts mvarte ich sehnlicher, als daß die Stunde erscheine, die mich mit meinem und Eure»! Christus vereinige". S o schkd er von seiner Schwester, Auch ii» Hofe vor dem Rathhaus, wo er sein Todes-urtheil vernehmen sollte, hatte er seine Gedanken nur auf das Jenseits gerichtet. I n der letzten Stunde seines irdischen Lebens sagte er zu dem Geistlichen, der ihn bisher begleitet hatte: „Ehrwürdiger Vater!

>ch rechne diesen Tag für Gewinn. Den Heiland, welche» ich von ganzer Seele liebe und ehre, hoffe ich z» sehen, wie Er ist. Eins beunruhigt mich, die Furcht vor der Folter", Der Geistliche erwiderte

>h»>: „Eitel ist diese Furcht, mein Herr, vor der Folter sind Sie sicher, aber näher dem Lebensziele lassen Sie uns die sorge für das Zukünftige nicht vernachlässigen". Seine Sinne wandten sich wieder

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l.i°, tl>. I . R. Borbis,

dem Gebet zu. „ O wenn ich — sagte er — mit Erlaubniß dieser Soldaten, in den Hof der Weinschenke (bei welcher er stand) hinein-gehen, dort auf den Knieen mein kurzes Gebet «errichten und meine Seele dem Erlöser empfehlen dürfte". M a n verweigerte dem Flehenden diese Gunst nicht. Auf die Kniee gesunken, bittet er mit I n -brunst die Strafe des anderen Todes von ihm abzuwenden, seine des Lebens müde Seele empfiehlt er dem Vater, als dem Schöpfer der Geister, Christo dem Heiland »nd dem heiligen Geiste als dem Er quicker der Ermatteten. M a n erinnert ihn, die letzte Stuudc sei da, und die mit ihm Vcrurtheilten seien erschienen. Schnell steht « auf, 5)hne in seinem Gesicht irgend ein Zeichen der Trauer zu r>cr-rathen, vernimmt cr furchtlos das von dem Tribunal herab gespro-chenc Todesiirthcil. Dann fängt cr an dm Heiland mit dem bekann-ten Liede: „Herr Jesu Christ, meines Lebens Licht" — das in einer trefflichen slavischen Uebersetzung schon damals czistirte, zu preisen.

Alle von dem gleichen Schicksal Getroffenen stimmen mit ein, unter dem licblic! eu Gesang der Brüder hauchen sie ihr Leben ans, bis mit dem Letzten auch das Lied verklang.

I n ^kncr schrecklichen Vcrfolgungszeit unter L e o p o l d I . em pfing die lutherische Kirche unter den Slovaken ihre Bluttaufc, deren Segen sich bis auf die Gegenwart erstreckt. Es lebt noch unter ihnen das Gedächtniß der Zeile» lebendig fort, in denen ihre glaubcnstrcucn Väter und Mütter 10 20 Meilen weit pilgerten um in den ent-legenstcn Wäldern, in den tiefen Thälern und verfallenen Burgen des Karpathengebirges dein evangelischen Gottesdienste ungestört beiwohnen zu können. Besonders sind es die alten frommen Mütter, die ihren Kindern und Enkeln unter großer Rührung erzählen, was Alles die Altvätcr »m des theuren evangelischen Glaubens willen gelitten haben, sie nennen ihnen die Namen der Verfolgten und besonders oft erwäh-ncn sie die Namen der auch in der größten Lebensgefahr standhafte»

Pastoren und Lchrer mit der innigsten Pietät, sie beschreiben deren Leiden »nd Zeugenmuth, zeige» den Kindern die Schlüpfwege und Verstecke. Der Segen der Väter baut den Kindern Häuser, — das

Zur Leidensgeschichte der luth. Slovaeen. 1<l5 Gedächtniß an ihre Glaiibenstrcilc erhält auch jetzt unter dem slova-tischen Volke den evangelischen Glauben aufrecht trotz der gottlosen Strömung, von der seit der Regiernug J o s e p h ' s I I . die auf die neueste Zeit der Adel und Icider auch die Geistlichen und Lehrer Un-garns, mit nur sehr wenigen Ausnahmen, immer mehr fortgerissen werden.

Dank dem Tolcranzediktc Joseph'? I I . vom Jahre 1781 hör-ten endlich die jesuitischen Verfolgungen auf, die cvaug, Kirche Un-garns ward von seinem Nachfolger und Bruder, dem wahrhaft edlen König Leopold I I , im Jahre 1791 staatsrechtlich anerkannt und konnte sich ruhig fortentwickeln. Es entstehen alsbald besonders unter den Slovaekm viele neue Genn'indc», die Kirchen und Schulen werden

>»it der größten Opferlvilligteit wieder gebaut und in kurzer Zeit erwächst die lutherische Kirche in Ungarn von 205 auf 552 Kirch»

gemeinden, von denen die weit größere Hälflc rein slovakisch ist.

Allein es erhebt sich sogleich gegen sie ein neuer, und zwar „och viel Nefährlichcrer Feind als die Jesuiten es waren, nämlich der m a g y a . lösche N a t i o n a l i t ä t s s c h w i n d e l , welcher seine Pfleger außer den niagyarischen Protestanten auch an der von seichtester Aufklärung an-gefressenen Intelligenz Ungarns fand.

Damit komme ich nun zur Darstellung der Leiden, welche der M a g y a r i s m u s den Slouaken bereitete.

D a ich wohl voraussetzen darf, daß die »eueren kirchlichen und politischen Wühlereien der Magyaren den verehrten Lesern schon an-derweitig bekannt geworden sind, werde ich mich begnügen einige charakteristische Züge anzuführen.

Ein großes Unglück war es für unsere Kirche, daß sie keine einheitliche Verfassung hatte. War eine solche im 16,, 17. und 18.

Jahrhundert wegen jesuitischer Verfolgungen und wegen der türkischen Kriege nicht ausführbar, so konnte sie jetzt Wege» der Unkirchlichteit und Herrschsucht des ungarischen Adels nicht durchgesetzt werden.

Die lutherische Kirche unter den Slovaten bildete allerdings v°M Jahre 1610 bis 1732 ein abgegrenztes Ganzes und bestand aus

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I>!o, t1>, I . R. Norbis,

3 Superintendenzdistriktcn. Ihre Kirchenverfassung war eine prcs-bytcrial-synodale vermischt mit der consistonalen. U,n dicsc Orga-nisation haben sich besoich^rs die mächtige» glaubenstreucn slouakischcn Grafen T h u r z o ' s verdient gemacht. M i t welch' großer Treue und ZLäruie diese berühmte Familie nn dem evangelisch - lutherischen Bc-kenntnissc mitten in dem Abfall der anderen ungarischen Magnaten zur römischen Kirche festhielt, beweist cinc noch bis auf unsere Tage aufbewahrte Urkunde aus dem 17. Jahrhundert, nach welcher der rühmlichst bekannte Palatin, der Rcichsvcrweser Ungarns, Graf Georg T h u r z o seine zahlreichen Güter nur unter der Bedingung an seine 6 Kinder vermachte, daß sie dem lutherischen Bekenntniß für im-mer standhaft verblieben. Die Grafen T h u r z o und andere fromme Adelige ließen das Kirchenrrgimcnt ausschließlich in dm Händen der Geistlichen, So blieb es auch dann noch, als die Trümmer der einst so blühenden, dann nbcr von den mächtigen Irsuiten zerstörten luthc-lischcn Volksküche der Slovakcn mit den wenigen deutschen und

ma-gyarischcn Gemeinden seit 1732 vereinigt wurden.

Anders sollte es seit Ende des vorigen Jahrhunderts werden.

Als auf der Gencralsynode zu Pesth im Jahre 1791 von den dort versammelten Adeligen und Geistlichen eine neue Kirchenordnung für die gcsammte lutherische Kirche Ungarns ausgearbeitet wurde, bean-spruchten die Adeligen die Oberhand im Kirchenrcgiment. Da sie flüher die Kirche gegen die gcwaltlhätigen Angriffe der Jesuiten nach Außen geschützt hatten, glaubten sie sich vollkommen im Recht, wenn sie in den gesammtcn kirchlichen Organismus herrschend eingriffen und sich zu Vorsitzern aller Convcnte in Gemeinden, Senioraten und Süperintendentürcn, ja sogar zu unmittelbaren Vorgesetzten der Geist-lichen, selbst der Superintendenten aufwarfen. An die Spitze dieses Kicchenregimentes stellten sie unter dein Namen eines Generalinspcctors einen evangelischen Magnaten.

Die glaubenstrenen Adeligen und Geistlichen waren auf der Synode in der Minorität und so konnten sie mit ihrer Ansicht nicht durchdringen.

Zur Leidensgeschichte der luth. Slovaken. 1 2 7 Die f. k. Regierung hat die gefährlichen Synodalbcschlüsse nicht bestätigt, und die Zerfahrenheit in unserem kirchlichen

Organis-»üis ist allmälig immer größer geworden, bis unsere Selbstvenval»

tung, die Autonomie unserer Kirche zuletzt zu der verderblichsten Will-kurherrschaft ausartete. Die alten bekenntnißtreucn Adeligen, Geist-lichen und Lehrer, die sich ihres slavischen Volkes treu angenommen, n>it ihm gesungen und gebetet haben, sterben aus und an ihre Stelle treten lauter Verächter, Veriäthcr und Verfolger der armen luthcri-schen Slovaken, Den jungen Herren gefällt das ungcbändigte Ma>

Üharenthilm besser, und das bisherige Ungarn wollen sie zu einem selbständigen mächtigen M a g y a r e u r c i c h c machen. Darin sind

>l>nen aber die friedlichen, gotteefürchtigen und der von Gott gesetzten Obrigkeit gehorsamen Slovaken im Wege, Deshalb müssen sie vor Allein mllgylllisirt werden. Die bereits auf der Gencralsynodc vom 3ahre 1791 angeregte Unio» zwischen der lutherischen und reformir-len Kirche Ungarns sollte ihnen dazu dienen. Unsere Kirche sollte Nlcht mehr der Leib Christi, die Gemeinde der Gläubigen sein, son-ber» zum Tummelplatz für die magyarisch revolutionären Bestrebun-gen werden.

Die Worte, mit denen der erste Vertreter der lutherische» Kirche Ungarns, der Generalinspeetor Graf K a r l Z a y die neumodische Union bereits im Jahre 1840 öffentlich ankündigte: „Seien wir we-ber Lutheraner, noch Reformirte, weder Griechische noch Römische Katholiken, weder Christen noch Juden, seien wir aber A l l e n u r M a g y a r e n ! " — sind ja auch ins Ausland gedrungen und haben überall gerechte Entrüstung erregt.

Diese gottlose Union scheiterte damals an dem starken Glauben

^ s slooatischen Volkes. Selbst die 24, 40. 50 und 64 Stockschläge.

°'e man unglücklichen lutherischen Slovaken auszutheilen anfing und 'n Folge deren auch mehrere Todesfälle vorgekommen sind, wollten Nichts helfen. Denn es sind da noch einige treue Vertheidiger ihrer Mitgegebenen Rechte, es sind noch einige wenige glaubenstreüe slova-k W Adelige. Pfarrer und Lehrer, an deren Spiße der gewiß auch

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I.i«, tl> I. R. Vorbis,

in Rußland Manchen bekannte, damals jugendliche D r , Th. Hurban.

Daher sollen die nöthigen Werkzeuge für die magyarische Union zunächst auf nnscicn Lehwustaltcn azogen werden und auch der Ver-kehr mit den deutschen Universitäten soll aufhören. Den bisher übli-chen Besuch derselben seitens der ungarisübli-chen Candidatcn der Theolo-gic hätte die ueucrcirte m a g y a r i s c h u n i r t c theologische Fakultät in Pesth zu ersetzen.

Und in der I h a t , dem Grafen Z a y ist es in der schrecklichen Zerfahrenheit unserer Kirche sehr leicht geworden, uuscsc süuimllichm

Und in der I h a t , dem Grafen Z a y ist es in der schrecklichen Zerfahrenheit unserer Kirche sehr leicht geworden, uuscsc süuimllichm

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