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Die Revalsche Stadt-Prediger-Synode im Jahre 1865

Im Dokument Dorpater Zeitschrift (Seite 110-122)

ic Synode begann in diesem Jahre am 14. November, Duin.

X X I V p, ti-iu. — Zur Eröffnung dersrlbcu versauimclten sich die Synodalen, Nachmittags 4 Uhr i» der S t Nicolai Kirche, Nachdcni das Licd Nr, 337 sEns feste Bmg) gesungen, hielt Herr Pastor

^liüo. N e u m a n n die Syuodalprct'igt über Apost. Gesch, 4, 24 - 3 1 . Am Montag, den 15. November, 10 Uhr Vormittag vnsam-mclten sich die Synodalen in der Wohnung des Herr Superinten-denten zur

E r s t e n S i t z u n g .

Anwesend waren: der Präses der Synode, Superintendent und Oberpastor zu S t Olai, D r . G i r g e n s o h n ; Consistorial Assessor und Oberpastor z» S t , Nicolai Nipkcz Pastor äiac. H u h u und Pastor äillc N e u u i a n n ; erster Pastor an der Kirche zum heiligen Geiste L u t h e r ; Pastor an der schwedischen S t , Michaelis - Kirche M o z e l l i , und zweiter Pastor an der Kirche zum heiligen Geiste W. Frcse,

AIs Gäste warm anwesend: Se, Hochwürdcn, der Herr Gene-ral-Supcrintendcnt W. Schultz; Herr Pastor L u t h e r zu S t , Iür-gens; Pastor emorit. W e h r m a n n und Pastnr v i c F. Luther.

Der Präses eröffnete die erste Sitzung der Synode mit Ver-Icsung von Psalm 5 1 , 3—21 und einer kurzen Ansprache an die Synodalen, an welche sich ein Gebtt schloß. I n der Ansprache legte er den Amtsbrüdcm an's Herz, daß ein bußfertiges Herz bei uns

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vor allen Dingen nöthig sei, damit wir uon unsern Besprechungen Segen haben könnten Hier hätten wir es insbesondere mit unsern amtlichen Sünden zu thun; lind diese finde er z» unserer Zeit bc-sonders darin, daß wir wol viel klagten und redeten über Schäden in unserm kirchlichen Leuen und in der kirchliche» Ordnung, aber zu Wenig ernstlich und kräftig dran gingen, sie zu bessern, — nnd daß wir auch nicht die Kenntnisse, die zum Bessern nöthig seien, namcnt-lich der Kircherwcrfassiing und des Kirchcnrechlee ernstnamcnt-lich genug uns aneigneten und daher auch nicht gehörig darüber im Klaren seien, was an Stelle des Mangelhaften in unsern kirchlichen Verhältnissen gesetzt werden müsse.

Darauf hielt Pastor H u h n einen Vortrag über die 23. S t M -dalfrage: „ W i e haben w i r das „ N i e d e r g e f a h r e n z u r H ö l l e "

dogmatisch r i c h t i g d a r z u s t e l l e n u n d r i c h t i g zu u c r w c r -l h e n , s o w o h -l beim C o n f i r m a n d e u n n t c r r i c h t , a -l s b e i den kirchlichen K a t e c h i s a t i o n e n ? "

Das Leben des Menschen «erlaufe in 4 Zuständen; zwei Zwi-schcnz»ständen: der im Mutterleibe und der nach dem Tode n»d zwci

«ollen: der im Le,besleben hienieocn und der nach der Auferstehung.

3n allen diesen Zustände,! habe Christus als wahrer Erlöser sich bc-finden müssen, also auch in dem Zwischcnziistande der menschlichen

^eele nach dein Tode, Dieser Zustand sei an sich, abgesehen lwn Christo, ei» Zustand der Gebundenheit, aus der keine Seele lwn sich selber herauskönne. Christus trete wirklich, nachdem sein Tod erfolgt,

>n diesen Zwischenzustand, doch nicht als Gebundener, sondern frei-willig, lebendig, als Herr und Herrscher. Die Höllenfahrt gehöre daher wesentlich zum Stande der Erhöhung, — A l e H e r r werde Christus zuerst vor den T o d t e n dcclarirt, und dann lwr den Leben-b'gen (Ron,. 14, 9). Die Hauptsache sei nun. das, Christus durch seinen Hingang in den Hades dies Gefängniß den Mcnschenseeku aufschließe, die Schlüssel der Hölle und des Todes dem bisherigen Gewalthaber nchmc. den Zustand der Gebundenheit aufhebe und den Ausgang zum ewigen Leben bahue. Daraus folge, daß die in Christo

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Lebenden und in I h m Entschlafenen nach de», Tode nicht in den Zustand der Gebundenheit, wie er für die, die ohne Christum sterben, noch stattfinde, kommen. Es müsse also das Paradies sammt allen himmlischen Blcibstättcn unterschieden werden von dem Zwischenzu»

stand des Hades, in welchem die sich befinden, die nicht dem H e r r n gelebt und gestorben. Zweck. Nutzen, Wichtigkeit, Trost und Heil der Höllenfahrt Christi werde dann erst recht erkannt, wenn der Zustand der Mcnschenseclc nach dem Tode ohne Christum recht in's Licht gesetzt wird. S o habe die Materie einen hohen practischen Werth;

auch für die Anregung zum Verständniß der großen und gewaltigen R e a l i t ä t e n des Schriftwurtes diene die rechte Behandlung dieser Materie besonders.

Schließlich beantragte Proponcnt.' ob nicht in die Synodal-materie zu jeder z» haltenden Synode ein Lehrstück ans dem Kate-chismus hineinstießen könne, und solches dann auch von einem Sy-nodalcn schriftlich oder mündlich behandelt werden möge.

Der Präses der Synode behandelte darauf in einem Vortrage des 17, Synodalthcma. „ M u ß sich h e u t z u t a g e m i t dem Z e u g -niß der kirchlichen P r e d i g t nicht eine apologetische Bc>

g r ü n d u n g v e r b i n d e n ? W o h e r hat diese B e g r ü n d u n g i h r e n S t o f f zu n e h m e n , u n d wie hat sie i h n zu dem angegeve»

ncn Zweck zu v e r a r b e i t e n ?

Proponcnt wies zuerst darauf hin, daß das in Rede stehende Thema eigentlich aus zwei Fragen bestehe. Erst nach Beantwortung der ersten lasse sich entscheiden, ob und i n wieweit die zweite zu bc-rücksichtigm sei. D a sei es n»n uor allen Dingen schwierig fcstzu-stellen, was eigentlich unter Apologetik zu verstehen sei, um so schwie»

riger, da in der theologischen Wissenschaft selbst darüber keine rechte Klarheit zu finden sei und bei den älteren und neueren Apologeten in Prazi die Apologie hinter der Polemik fast in den Hintergrund trete. Eine apologetische Begründung könne auch nur so stattfinden, daß die Augriffe auf die christliche Wahrheit berücksichtigt, sodann widerlegt und in ihrer Nichtigkeit dargestellt würden. — Daher scheine

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sich ih»! dic Frage, um dic es sich hier handele, folgendermaßen zu stellen: „Darf der Prediger auf der Kanzel gegen unkirchlichc und nntichristliche Zeitrichtlingen polc,nisiren?" Sähen wir zunächst auf bcn Herrn selbst, so trügen seine Reden an das V o l k vorzugsweise den Charakter einfachen Zeugnisses, Auf apologetische Begründung lasse Er sich eigentlich nur da ein, wo er in persönliche Berührung mit den Feinden komme. Daraus rcsnllirc für uns: auf der Kanzel sollen wir nicht streiten, sondern zeugen. Die Bekämpfung der I r r -thümer bleibe der speciellen Seclsorge oder dem Privatgcspräche vor-behalten. Dasselbe ließe sich auch von de» Reden der Apostel sagen, 2n de» Briefen finde sich freilich mehr das, was man apologetische Begründung nennen könne. Sie wehrten aber doch nur falsche Rich-tungen des G l a u b e n s ab. Voihenschend sei auch bei ihnen der Charakter des Zeugnisses, und Hauptzweck a u f z u b a u e n . Aus der Präzis des Herrn und der Apostel ergebe sich also nicht dic N o t h -w e n d i g f e i l der apologetischen Begiiiuduug in der kirchlichen Prc-bigt, Os frage sich aber, ob für unsere Zeit, wo der Unglaube im-wer weiter in das Volk eindringe, nicht dcmwh eine Vertheidigung gegen Angriffe bisweilen rathsam und nützlich sc!. Proponent findet nie Apologie auf der Kanzel immer bedenklich, wen» sie in etwas Weiterem besteht als in dem Nachweise, daß die christliche Wahrheit alle Bedürfnisse des menschlichen sündigen Herzens vollkommen bc-friedige. Nur für besondere Verhältnisse also in eigentlichen Casual-pndiglen scheine ihm der Charakter der apologetischen Begründung

^'lässig; im A l l g e m e i n e n aber müsse er si,- bestreiten, und zwar

°"s folgenden Gründen:

1) Die apologetische Begründung ist menschliche Zuthat zu der gött-lichen Wahrheit.

2) Die apologetische Begründung ist in den meisten Fällen Wider»

legung eines Gegners, der gar nicht zugegen ist.

^ Die rechte apologetische Begründung, sofern sie auf der Kanzel gestattet, ist ein eignes Charisma. Gewöhnlich kann man sich

1W

Die Revalsch« Stadt-Predig«r-Synode im Jahre 18SS,

nur an die gröberen Angriffe hallen, und muß die feineren, viel gefährlicheren übergehen,

4) Dic auf die Kanzel gebrachte Apologetik, namentlich wenn sie in Polemik übergeht, macht eine große Menge der Hörer erst mit Angriffen bekannt, von denen sie vorher nicht wußten, oder wenigstens garnicht bedenklich berührt waren.

Proponcnt verwahrt sich schließlich dagegen, als ob seine Mei-nung dic sei, daß die christliche Apologetik die feindlichen Angriffe ganz unberücksichtigt zu lassen habe. Cr habe nur darlegen wollen, daß die Widerlegung solcher Angriffe, die aus dem Kreise der Wissen-schaft unternommen würden, nicht in die Volkspredigt gehöre; sie muffe sich vielmehr anderwärts a» die Gebildeten, die eigentlich doch allein der Gefahr dieser Angriffe ausgesetzt seien, wenden. Das rich-tige Gefühl habe den» auch dazu gebracht, daß besondere apologeti-sche Vorträge außerhalb der Kirche in besonderen Vereinen, wie in Berlin, Leipzig, Zürich und Hamburg gehalten werden. Ob sie an unsrem Orte nicht emch ein Bedürfniß, ja dringend nöthig seien,

das sei dic Frage, zu deren Besprechung cr die Amtsbrüdcr durch seinen Vortrag habe veranlassen wollen.

Die Besprechung darüber ergab, daß die Synodalen darin über-einstimmten, daß die Vertheidigung gegen direkte Angriffe auf das Christenthum nicht sowol a»f die Kanzel Hingchöre, als vielmehr in besonderen Vorträgen in sonst passendem Locale geführt werden müsst; wie auch da« Haiten von Vorträgen aus dem Gebiete der christlichen Wahrheit überhaupt, außer der Kirche, von den Synoda-len für zweckmäßig gehalten wurde. —

I n Bezug auf de» norigjährigen Synodalbeschluß. die in der Kirche und und in Privat Missionskreifen für Israel jährlich gcsaui-Hielten Geldbeiträge zum Bau des Reiches Gottes unter den Israeliten zu verwenden, — sowie in Betracht dessen, daß die Erlaubniß zu einer jährlichen kirchlichen Lallccte für diesen Zweck am D o i n . X z>o8t. t r i u . durch das Cousistorium bereits erfolgt sei, machte der Herr Gencral-Superintendent Schultz der Reualfchm

Stadt-Predigcr-Die Revalsche Stadt-Predig«-Synod« im Ia^re I86S. ^ 7

synode de» Vorschlag, dic a» dem genannten Sonntage zu diesem Zweck eingehenden Liebesgaben zum Untcilialt des kürzlich Hieselbst getauften I n d n , Leopold Adler zn verwende»; derselbe befinde sich jetzt seiner ferneren Ausbildung wegen in Dorpat, und scheine die für den beregten Zweck passende Persönlichkeit.

Dic Synode beschloß auf den Vorschlag des Herrn General»

^»PermlcndnUe» mitgehe», >md wurde der Präses erbeten, die de-züglichen Liebesgaben jährlich zu empfange!! und wem gehörig zu übermitteln.

Z w e i t e S i h u n g.

I » ! Anschluß an den a,n Tage ;'!wr gehaltenen Boilrag des 'Herrn Superintendenten über d,is I ? , Synodallhema, behandelte Pa-stör N c n m a u n dieselbe Mnterie i» >!üe!!i Vonvagc. Er ging von de», der Predigt eignenden Bc>,r,ff eines „ Z e u g n i s s e s " , und der schlichen Predigt als eines Zeugnisses von der Gnade Gottes in Christo auo, beleuchtete dann das Gcscß. dem alles Göttliche sich

»nterst, llt hat, sofern es i n dic Bedingungen der Geschichte eingegan-M ist, und folgerte daraus die Nothwendigst, daß die kirchliche Predigt das Eine und selbige Evangelium gegenüber der Mannig-faltigkcit von Formen des jedesmaligen Lebens »ud d,r Gestalt des Zeitgeschichtlichen z„r Darstellung »nd Aneignung zu bringen habe,

^"eit mtfernt, daß dic Predigt keine» apologetische» Charakter an

^ zu tragen hätte, sei vielmehr jede Predigt, welche ihre Idee

"nd Aüfgalic nicht verleugne, apologetisch, und müsse sich „mit dem

^"lgnisse der christlichen Predigt ciuc apologel,schl Begründung" stets verbinden, — v e r b i n d e n , weil die Predigt nicht in Apologetik

°°er Polemik anfzugchen Hube. — Den S t o f f der apologetischen Predigt bilde das Christenthum, Dieses sei dem Theologen und Geistlichen ein System, d. h, ei» aus göttliche» Gedanken und Tha-kN geschlossener Kreis, in welchem wie bei ci,um lebendigen Leibe, '" jedem Stücke der Lehre das Ganze pulsiit, und doch das Ganze

"">' einmal vorhanden ist, ein Kosmos von Ideen de, Widergebmt.

g l a u b t und besessen im Geiste der Wahrheit und der Liebe, nicht

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in der bloßen Form äußerer Correcthcit. Für ihren apologetischen Zweck habe die Predigt diesen Stoff heutzutage in der Weise zu

«erarbeiten, daß nach allen Seiten hin der Nachweis geliefert wird, wie die göttliche Offenbarung — die W a h r h e i t , das Natur-und Culturleben nach seiner vom Evangelium abgewendeten Seite Unwahrheit »nd Lüge sei.

Wenn man diesen Sah auf das individuelle Seelenleben an-wende, so laute er: Der Christ ist die Wahrheit des Menschen, Dies sci negativ durch Ausweisung der Nichtigkeit aller blos natürlichen Bestrebungen, positiv durch Hinwcisung auf die ewige Bestimmung des Menschen darzuthun. Gegenüber dem Gesammtleben der Gegen-wart laute jener S a h : Nur durch das Christenthum wird die bcson-dere Nationalität zur Volksthümlichkeit im idealen Sinne des Wortes verklärt, d. h. wahrhaft hergestellt und gewahrt. Hingewiesen wurde in allgemeinen Zügen auf das Culturziel, welches die göttliche Vor-sehung den Völkern in ihrem priestcrlichen und königlichen Beruf ge-schichtlich gestellt habe. Schließlich bemerkte Proponcnt, daß er mit dem Gesagten zwar die Berechtigung der P r e d i g t der Gegen-wart, apologetisch zu sein, habe nachweisen wollen, dabei aber dem am Tage zuvor besprochenen Plan, auch Vorträge apologetischer Art in einem sonst geeigneten Locale der Stadt zu halten, seine Zustim-mung nicht versagen könne.

Darauf behandelte Oberpastor Ripkc die 2, Synodalfragc:

„ W a s f ü r A n f o r d e r u n g e n haben w i r i n homiletischer Be-ziehung an eine sogenannte „ A n s p r a c h e " im l i t u r g i s c h e n Gottesdienste zu stellen?"

I m Gegensaß zu der bei den Gemeinden herrschenden Anschan-ung, als ob zum Begriff des evangelischen Gottesdienstes nichts weiter gehöre, als das Singen eines Liedes und das Anhören einer Predigt, und als sei die Predigt ein vollkommen ausreichendes Er-bauungsmittel im Gottesdienste, hob Proponent die Bedeutung der l i t u r g i s c h e n Gottesdienste hervor, in welchen das im mensch-lichen Herzen und darum auch in der Kirche vorhandene Bedürfniß

Die Revalsche Stadt-Prediger-Synode im Jahre 1865. I l ) 9 der Anbetung, des Lodens und Dankens Befriedigung finde. — Die sogenannte Ansprache in diesen liturgischen Gottesdiensten sei nicht durchaus nothwendig und könne da am ehesten wegfallen, wo die Gemeinden sich einer wöchentlichen Sonnabendsveeper erfreuten. Wo aber diese Gottesdienste, wie bei uns, nur ausnahmsweise am Weih-nachts-, am Sylvester- und Charfreitagabcnde vorkämen, hielt es Proponent für zweckmäßig, die der liturgischen Feier eingereihte An-spräche beizubehalten.

Was ihren Inhalt und ihre Form anlangt, so meinte er, daß eine solche Ansprache im Allgemeinen keines der Requisite entbehren könne, welche die homiletische Wissenschaft von einer guten Predigt fordert. I m Besondern aber verlangte er für die liturgische Ansprache

""lcksichllich ihres I n h a l t s , daß sie

1) denselben mitten aus der Fülle der Hcilsthatsachc schöpfe, die der Festtag predigt, an dessen Vorabend oder an welchem selbst der Vesper - Gottesdienst gehalten wird, Sie dürfe sich nicht i» Nebengedanken bewegen, die an sich zwar ganz gut sein könnten, aber wenn man sie hier ausspinnen wollte, einen im Verhältniß zur ganzen Gestaltung des liturgischen Gottesdienstes verfehlten Eindruck hervorbringen müßte.

^) forderte er, daß die liturgische Ansprache nicht einen im engern Sinne des Wortes strafenden Inhalt habe. Hier müsse die Subsectivität des Pastors entschieden zurücktreten und der anbe-tenden Vertiefung in die Heilsthaten Gottes Raum geben.

Daß Propoucnt die Application des gepredigten Wortes auf die Zuhörer nicht ausgeschlossen haben wollte, verstehe sich von selbst.

2n Betreff der F o r m wollte er

1) die Anwendung und das Hervorhebende aller Zuthaten homile»

tischer Kunst ( N x o r ä i u m , I ^ a u s i t u s , Thema, Partition, Ab»

Handlung, Epilog) von der Ansprache verbannt wissen.

^) müsse die Ansgrache kurz und b ü n d i g sein.

^) sei eine schwunghafte Sprache zu wünschen, nicht ein phra-seologischks Blumengewinde, sondern jener Schmelz der Rede,

1 3 ^ Die Rebalsche Stadt-Prediger-Shnode im Jahre 1866.

dir sich da zu offenbaren pflege, wo der Geist Gottes das Herz tillbl lind die Lippen salbt.

Was die S t e l l i n g der Ansprache im liturgischen Gottesdienste anlangt, so meinte Proponent, daß sie sich am fiiglichsten der letzlm Lectwn aus dem göttlichen Worte anreihe. — Schließlich sprach er den Wünsch nach Vermehrung der liturgischen Gottesdienste aus, zu-nächst nach Einführung der Fest-Vespem, wodurch den altkirchlichen Sonnabends Vespern in leichtester Weise Bahn gemacht werde.

Nachdem längere Zeit über diesen Gegenstand die Meinungs-Verschiedenheiten ausgetauscht worden, ciklärtcn in Widerspruch zn dem Proponcnten der Präses und Pastor H u h n , sich stützend auf mehr-fache hierauf bezügliche Meinungsäußerungen von Gcmeindegliedern, die Ansprache im liturgischen Gottesdienste, sei, wenn auch nicht un-bedingt nothwendig an sich, so doch ein Act von zu großem prakti-schen Werthe, als d.'ß dieselbe unter Umständen wegbleiben könnte.

D r i t t e S i t z u n g .

Pastor H u h n hielt einen Vortrag über die 9. und 2 1 . Sy-nodalfrage: die 9. lautet: „ I s t es dem S i n n u n d C h a r a k t e r der s o n n t ä g l i c h e n L i t u r g i e geniäß w e n n m a n dabei F o r -m u l a r e b r a u c h t , die bei der U e b u n g des S c h l ü s s c l a n i l c s gebraucht werden? und die 2 1 . : S o l l sich der P r e d i g e r an die i n der A g e n d e vorgeschriebene A b s o l u t i o n s f o r u i e l auch d a n n f ü r g e b u n d e n h a l t e n , w e n n eine m ü n d l i c h e P r i o a t b e i c h t e der bezüglichen P e r s ö n l i c h k e i t v o r h e r g e » g a n g e n ist?

I n der 2 1 . Frage sei nicht bemerkt, ob bei der Beichte ml' mittelbar vor dem Abendmahl, oder abgetrennt vom Abendmahl bei K r Pnvatbeichte. I m ersten F a l l , doch nur wenn die bezügliche Person a l l e i n und nicht zusammen mit solchen, bei denen leine spe-cielle Beichte vorangegangen, das Abendmahl empfängt, brauche der Prediger sich nicht für gctnmdm a» die vorgeschriebene

Absolutions-Die Revalsche Stadt-Prediger-Synode im Jahr« 1865. 1 1 1 forme! zu halten. Denn diese setze nicht die Privat» oder eigentliche Beichte voraus, sondern gehöre nur zur allgemeinen Sakraments-Vorbereitung; bei der eigentlichen Beichte genüge sie durchaus nicht.

Communicire die Person, die unmittelbar vor dem Abendmahl spe-t'cll gebeichtet, mit solchen zusammen, die dies nicht gethan, so sei bei dem vorgeschriebenen Formular zu bleiben, oder aber das Be-dürfniß der speciell beichtend«, Pcrson nach specieller voller Absolu-tion gleich bei der speciellen Beichte zu befriedigen mit einer der Sache genügenden Absoliitimisformel, Es gehöre zum Charakter der Privatbeichte, daß sie auch abgetrennt vom Abendmahl als etwas für sich bestehendes gehalten weiden könne, und es gereiche derselben zum Schaden, wenn bei der Vorbereitung zum Abendmahl, wo kein spe-cielles Sündcnbekenntniß stattfinde, allerhand Formen oder Formeln angewandt werden, die richtig gefaßt, nur in die Privalbeichte gehö»

ren. M a n habe sich zu hüten, Formen der speciellen Schlüsselgewalt zu brauchen, wo die nothwendigen wesentlichen Bedingungen dazu fehlten.

Die Absolutionsfurmel nach dem allgemeine» Sündcnbekenntniß tonne nicht von der Beschaffenheit sein, wie bei der Privatbeichte.

Zwar sei die Agende in dieser Beziehung sehr dürftig, aber es frage sich doch, ob sie z. B . darin nicht Recht habe, worin sie gerade am

"uistcn angegriffen worden, nämlich bei der Absolution nach dem allgemeinen Sündenbekenntniß keine Formel aus der speciellen Schlüsselgewalt angewendet zu haben.

Zum Schlüsse wurde von dem Proponenten beantragt, die in

^ede stehende Materie einer Besprechung und Berathung zu unter»

hellen, die eine Einigung in den Principien und in der Präzis her-beiführen möge.

Nach einer längeren Diskussion über den von Pastor H u h n gestellten Antrag stellte sich heraus, daß in Beziehung auf die m der sonntäglichen Liturgie vorkommende Absolutionsformel ein Theil der synodalen mit dem Modus in der Agende übereinstimmte, Andere sprachen sich, in der Praxis an die Agende gebunden, im Pkincip

1 1 2 Die Revalsche Stlldt-Prediger-Shnvde im Jahre 18L5.

gegen die optativische Fassung der Absolutionsformel aus und fan-den es dem Bekenntniß dcr Kirche und der Idee des ganzen evange-tischen Gottesdienstes entsprechend, nach dem vorausgegangenen Eon-fitcor der Gemeinde die Absolution in einen bestimmteren Ausdruck zu kleiden und statt: der allmächtige, ewige Gott vergebe uns u, s. lv.

zu sprechen: der allmächtige, ewige Gott v e r g i e b t u n s , oder hat u n s vergeben u. s. w. — Auch konnten sie die allgemeine Beichte nicht b l o s oder v o r w i e g e n d als Vorbereitung auf die Fcier des heiligen Abendmahls fassen, und meinten in der mit Handaustegung gesprochenen Absolution über die einzelnen Confitentcn nicht eine Präzis zu erkennen, die der Privatbeichtc entgegenarbeite, sondern die sie vielmehr fördere. I m Zusammenhang damit wollten sie daran festgehalten haben, daß der richtige Ort für die Beichte und die Er-thcilung der Absolution nicht die K a n z e l , sondern der A l t a r sei.

Darauf behandelte Pastor p r i m . L u t h e r die 22, Synodal-frage: „ D a s G l e i c h n i ß v o m ungerechten H a u s h a l t e r sLuc.

16, 1—9) ezcgetisch b e h a n d e l t . "

Nachdem Proponent im Eingange hervorgehoben, daß es für die Erklärung dieser Parabel von Wichtigkeit sei, die Zuhörer, an welche sie vom Herrn gerichtet sei, ins Auge zu fassen, und diese seien vorzugsweise O a p . 16, 1) die Jünger desselben im weiteren Sinne, unter denen sich reiche Zöllner befanden, welche der Herr zur Bethätigung ihres Glaubens durch Liebcswerke crmuntern wollte, aber auch geizige Pharisäer sV. 14^ — so versuchte er folgende schwic-rige Stellen der Parabel zu erklären:

Nachdem Proponent im Eingange hervorgehoben, daß es für die Erklärung dieser Parabel von Wichtigkeit sei, die Zuhörer, an welche sie vom Herrn gerichtet sei, ins Auge zu fassen, und diese seien vorzugsweise O a p . 16, 1) die Jünger desselben im weiteren Sinne, unter denen sich reiche Zöllner befanden, welche der Herr zur Bethätigung ihres Glaubens durch Liebcswerke crmuntern wollte, aber auch geizige Pharisäer sV. 14^ — so versuchte er folgende schwic-rige Stellen der Parabel zu erklären:

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