6 Fallbeispiel Alpltal
6.3.2 Untersuchungen von A. Preh und J.T. Sausgruber (2013, 2014)
Abbildung 35: Luftaufnahme der Felsschneelawine, Tag der Aufnahme 23.04.2013 (Foto ATLR, Bereich Landesgeologie, G. Heißel; www.zamg.ac.at)
6.3.2 Untersuchungen von A. Preh und J.T. Sausgruber (2013, 2014) Durch einfache Distanzmessungen mittels Laser wurde die Abbruchsmasse auf ca.
75.000 m³ geschätzt. Die folgenden Berechnungen beziehen sich auf eine 16 prozentige bzw. 33 prozentige Auflockerung der Abbruchsmasse, wodurch sich ein aufgelockertes Abbruchsvolumen von 87.000 m³ bzw. 100.000 m³ ergibt. Diese Kubaturen wurden von Preh und Sausgruber (2014) mit Hilfe der Schichtdicke des auf dem Altschnee abgelagerten fragmentierten Gesteins ermittelt. Die durchschnittlichen Ablagerungshöhen wurden mit 35 bzw. 40 cm kartiert und entsprechend in der Berechnung des Abbruchsvolumens berücksichtigt. Preh und Sausgruber interpretieren den Prozess folgendermaßen: Während des Absturzes der Felsmasse geriet auch der darunterliegende Schnee sukzessive in Bewegung. Das fragmentierte Gestein wurde großteils „Huckepack“ auf einer mobilisierten Schneeschicht (Schneelawine) transportiert.
Das totale mobilisierte Volumen bestehend aus Gestein und Fels betrug schätzungsweise 500.000 bis 620.000 m³, infolge der Abschätzung der durchschnittlichen Dicke der Fels‐
Schneelawine von 2,0 m. Die Fragmentierung des Absturzmaterials reicht dabei von grobem Staub bis zu Blöcken mit einigen Kubikmetern Volumen. Der Schnee formte durch die Bewegung gut definierte Wellen bzw. Dämme und auch mehrere steil geneigte Scherzonen (Abbildung 36).
Abbildung 36: Aufnahme vom unteren Drittel der Felsschneelawine; seitliche Dammaufschüttung links, im Gegensatz zu deutlichen Kratzspuren am rechten Rand (Foto von A. Reinstadler, www.meinbezirk.at/telfs)
Entlang der Krümmungen des Sturzpfades waren die Ablagerungen an den äußeren Radien höher als an den inneren Radien. Durch diese Höhenunterschiede an den Rändern lassen sich an geeigneten Stellen die Geschwindigkeiten der bewegten Masse rückrechnen. Höhere Geschwindigkeiten ergeben dabei größere Überhöhungen in den Kurven. Für sieben Abschnitte des Absturzpfades stehen rückgerechnete Geschwindigkeitswerte nach Hungr et al. 1984 und Spreafico et al. 1996 zur Verfügung (siehe Tabelle in Abbildung 37).
Abbildung 37 beinhaltet auch eine graphische Darstellung der entsprechenden Verteilung der maximalen Fließgeschwindigkeiten des gesamten Absturzbereichs, nach A. Preh und J.T. Sausgruber (2014), simuliert mit DAN3D. Diese Berechnungen beruhen auf der Annahme, dass das Felssturzmaterial Huckepack (piggyback) auf einer mobilisierten Schneeschicht transportiert wurde. Daher blieb für die Simulation eine eventuelle Erosion entlang des Sturzpfades unberücksichtigt. Für die Berechnungen kam das Voellmy Modell für den basalen Scherwiderstand der Gleitfläche, mit konstanten Werten von 0,1 für den Reibungskoeffizienten und 500 m/s² für den Turbulenzkoeffizienten, zur Anwendung. Im Weiteren wurde für das aufgelockerte Absturzmaterial eine Wichte von 25 kN/m³ angenommen.
Abbildung 37: Gebiete gleicher maximaler Geschwindigkeit, konstante Voellmy‐Rheologie mit
0,1 und 500 (A. Preh und J.T. Sausgruber, 2014)
6.3.3 Untersuchungen zum Einfluss der Materialmitnahme (Erosion) Die errechneten Geschwindigkeiten (siehe Abbildung 37) und die Daten aus Feldbeobachtungen (Kartierungen des Abbruchs und der Ablagerungen) waren die Grundlage für die weiteren Untersuchungen zum Einfluss der Materialerosion (Materialmitnahme = Entrainment) auf den Sturzprozess. Diese Untersuchungen dienen auch zur Überprüfung/Verifikation der von Preh und Sausgruber (2014) aufgestellten Hypothese, dass das Felssturzmaterial Huckepack (piggyback) auf einer mobilisierten Schneeschicht transportiert wurde.
6.3.3.1 Die untersuchten Berechnungsvarianten
Die im Zuge dieser Diplomarbeit durchgeführten Simulationen berücksichtigen teilweise den mobilisierten Schnee als Erosion entlang des Absturzpfades, um so dem Wachstum der bewegten Masse gerecht zu werden. Bei Ausgangsvolumen von 87.000 m³ bzw.
100.000 m³ und einer über die Ablagerungsfläche angenommenen Schneeschicht von durchschnittlich 2,0 m werden dabei Ablagerungsvolumen von bis zu 500.000 m³ bzw.
620.000 m³ erreicht. Zum einen erfolgten die Berechnungen bei einem spezifischen Gewicht von 25 kN/m³ (ident zu A. Preh und J.T. Sausgruber, 2014) für das
Gesamtvolumen, zum anderen wurde eine verringerte Gesamtkubatur ermittelt, um die geringe Dichte des Schnees zu berücksichtigen.
Folgende Varianten wurden untersucht:
1. Aufgelockertes Abbruchsvolumen von 87.000 m³, Ablagerungsvolumen abhängig von der Fallunterscheidung
2. Aufgelockertes Abbruchsvolumen von 100.000 m³, Ablagerungsvolumen abhängig von der Fallunterscheidung
Folgende Fälle ergeben sich für die Berechnung des Sturzprozesses
a) Ohne Berücksichtigung von Erosion
b) Materialzunahme zufolge Erosion des Altschnees, Berechnung eine äquivalenten Felsvolumens
c) Materialzunahme zufolge Erosion von Fels
d) Materialzunahme zufolge Erosion des Altschnees, Berechnung eine äquivalenten Felsvolumens, ohne Anpassung der Auslauflänge
ad a): Die Berechnungen im Fall a) werden ohne Berücksichtigung einer Materialmitnahme (Erosion) entlang des Absturzpfades für beide Varianten des Abbruchsvolumens durchgeführt. Diese Rückrechnungen, mit konstanter Absturzmasse, beruhen also auf den gleichen Annahmen wie bei A. Preh und J.T. Sausgruber (2014).
ad c): Die Berechnungen im Fall c) berücksichtigen die gesamte mobilisierte Schneemasse mit der gleichen Dichte wie sie für das Felssturzmaterial gilt. Daher betragen die Ablagerungsvolumen 500.000 m³ für Variante 1 und 620.000 m³ für Variante 2.
ad b): Die Unterscheidung der Fälle b) und c) ist notwendig, da es im Programm DAN3D nicht möglich ist, das erodierte Material mit einer anderen Wichte in den Berechnungen zu berücksichtigen. Bei der großen Differenz zwischen den Wichten von Fels und von Schnee ist daher eine Umrechnung der Kubatur des Schnees auf eine äquivalente Kubatur mit derselben Wichte wie das Absturzmaterial sinnvoll. Die Umrechnungen der Ablagerungskubaturen für die beiden Varianten ergeben sich bei einer Dichte von 400 kg/m³ für kompakten Schnee wie folgt:
Variante 1: 87.000 500.000 87.000
2500 ∗ 400 153.080 m³ [ 6.1 ]
Variante 2: 100.000 620.000 100.000
2500 ∗ 400 183.200 m³ [ 6.2 ] ad d): Diese Berechnungen basieren auf den gleichen Ablagerungskubaturen wie im Fall c). Der Unterschied zwischen diesen Fällen besteht nur darin, dass in diesem Fall bei der
Wahl der Voellmy‐Parameter keine Rücksicht auf die reale Auslauflänge genommen wird.
Dadurch entstehen größere Ablagerungsvolumen als bei Fall c) (mehr dazu in Kapitel 6.4).
Zusammenfassend zeigt Tabelle 6 welche Absturz‐ und Ablagerungsvolumen sich für die beiden Varianten mit jeweils vier Fallunterscheidungen ergeben.
Tabelle 6: Zusammenfassung der Anfangs‐ und Endvolumen aller Berechnungsvarianten
6.3.3.2 Berechnung der Erosionsraten
Für die Ermittlung der Erosionsraten wurde eine gleichmäßige Erosion über die gesamte Auslauflänge des Sturzpfades angenommen. Die durchschnittlichen Wachstumsraten von
errechneten sich mittels Gleichung [ 5.2 ] für die verschiedenen Varianten wie folgt:
Tabelle 7: Enthält alle Werte die für die Berechnung der einzelnen Erosionsraten , für die unterschiedlichen Varianten erforderlich sind.
… durchschnittliche Wachstumsrate
… geschätztes Eingangsvolumen in die Zone [m³]
… geschätztes Ausgangsvolumen aus der Zone [m³]
̅ … ungefähre Pfadlänge der Zone [m]
Da für die verschiedenen Varianten, das Anfangs‐ und Endvolumen gegeben ist, erfolgte die Kalibrierung aufgrund der Pfadlänge der Erosion ̅. Da sich diese Länge auf das Zentrum der Masse bezieht, und eine gleichmäßige Ablagerung sowie Erosion entlang des gesamten Sturzpfades angenommen wurde, ergeben sich für ̅ Werte von ca. der Hälfte der Auslauflänge (2,6 km).