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Ungewöhnlich niedrige Angebote

Im Dokument Mitteilung der Kommission (Seite 95-98)

Kapitel 4 – Das Vergabeverfahren

4.9 Ungewöhnlich niedrige Angebote

In einigen Fällen gibt die Preisgestaltung bei einer Ausschreibung Anlass zur Sorge, dass der Bieter nicht in der Lage sein wird, soziale Anforderungen, z. B. die Gewährleistung der Einhaltung der geltenden Vorschriften für die Sicherheit am Arbeitsplatz, zu erfüllen. Solche Situationen sind Gegenstand der Vorschriften über ungewöhnlich niedrige Angebote.132 Gemäß diesen Vorschriften müssen Sie alle Angebote prüfen, die ungewöhnlich niedrig erscheinen, und eine Erklärung des Bieters zu seiner Preisgestaltung einholen. Einige Beispiele für Faktoren, die darauf hindeuten können, dass ein Angebot geprüft werden sollte, sind:

 Preise, mit denen die Grundkosten für die Erfüllung der Ausschreibungsanforderungen scheinbar nicht gedeckt werden,

 Preise, die deutlich unter den Durchschnittskosten anderer Angebote liegen, oder

 Preise, die deutlich unter dem nächstplatzierten Angebot liegen.

Die Erläuterungen des Bieters können sich auf seinen besonderen Herstellungs- oder Bereitstellungsprozess oder auf günstige Bedingungen beziehen, die ihm zur Verfügung stehen. In diesem Fall sollte das Angebot nicht abgelehnt werden, wenn es alle rechtlichen Anforderungen erfüllt. Der Bieter sollte jedoch auch aufgefordert werden, die Einhaltung der geltenden sozial- und

131 Artikel 43 Absatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 61 Absatz 2 der Richtlinie 2014/25/EU.

132 Artikel 69 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 84 der Richtlinie 2014/25/EU.

95 arbeitsrechtlichen Vorschriften und Tarifverträge gemäß der „Sozial- und Umweltklausel“133 zu bestätigen. Im Falle der Nichteinhaltung muss das Angebot abgelehnt werden.134 Stellen Sie fest, dass ein Angebot ungewöhnlich niedrig ist, weil der Bieter eine staatliche Beihilfe erhalten hat, so dürfen Sie das Angebot allein aus diesem Grund ablehnen, jedoch nur nach Rücksprache mit dem Bieter, sofern dieser binnen einer ausreichenden Frist nicht nachweisen kann, dass die betreffende Beihilfe mit dem Binnenmarkt vereinbar war.135

Ungewöhnlich niedrige Preise können auch bei Ausschreibungen vorkommen, bei denen Angebote aus Ländern außerhalb der EU eingehen. Es gilt der Grundsatz der Gleichbehandlung. Bieter aus Drittländern können legitimerweise niedrigere Preise anbieten, aber es ist wichtig, die Einhaltung aller geltenden sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften zu überprüfen (für weitere Informationen zur Anwendung der sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften sowie von Tarifverträgen in öffentlichen Aufträgen siehe die Abschnitte 4.5 und 5.2). Weiterführende Informationen über die Bewertung von Angeboten aus Drittländern, einschließlich der Möglichkeit ungewöhnlich niedriger

133 Artikel 18 Absatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 36 Absatz 2 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 30 Absatz 3 der Richtlinie 2014/23/EU. Für weitere Informationen siehe Abschnitt 4.5.

134 Artikel 69 Absatz 3 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 84 Absatz 3 der Richtlinie 2014/25/EU.

135 Artikel 69 Absatz 4 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 84 Absatz 4 der Richtlinie 2014/25/EU. Weitere Informationen über die Anwendung der Vorschriften über staatliche Beihilfen finden Sie unter:

https://ec.europa.eu/competition/state_aid/overview/index_en.html.

Analyse ungewöhnlich niedriger Angebote in Wallonien

Im Rahmen ihres Aktionsplans für verantwortungsvolle Beschaffung hat die wallonische Kommission für die Vergabe öffentlicher Aufträge eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die sich mit dem Thema ungewöhnlich niedriger Angebote befasst. Im Rahmen der Arbeitsgruppe kommen auf die Vergabe öffentlicher Aufträge spezialisierte Vertreter der regionalen Verwaltung, der lokalen Behörden, des wallonischen Verbands der Bauunternehmen, der Gewerkschaften sowie der externen Kontrollorgane wie des Rechnungshofes und des Finanzinspektors zusammen.

Nach einer Analyse der einschlägigen Rechtsvorschriften und der Rechtsprechung schlug die Arbeitsgruppe eine Methodik für die Untersuchung ungewöhnlich niedriger Angebote vor. Die Methodik umfasst fünf Schritte:

1. Korrektur von Rechenfehlern, 2.Prüfung und Verifizierung der Preise,

3.Ersuchen um Begründung für anscheinend ungewöhnlich niedrige Preise, 4.Entscheidung über die Angemessenheit der Preise,

5. Unterrichtung des Bieters.

Zur Ermittlung ungewöhnlich niedriger Angebote sollten Informationen wie die eigenen Kostenschätzungen des öffentlichen Auftraggebers, die von anderen Abteilungen oder Agenturen gezahlten Preise, statistische Marktinformationen, die unterschiedliche Qualität der Angebote und die Erläuterungen des Bieters herangezogen werden. Für Bauaufträge und betrugsanfällige Dienstleistungen ist in den Leitlinien eine spezifischere Methodik auf der Grundlage der Abweichung vom bereinigten Durchschnittspreis der anderen Angebote festgelegt.

96 Angebote, finden sich in einem speziellen Leitliniendokument der Europäischen Kommission136. Bei der Prüfung ungewöhnlich niedriger Angebote ist Vorsicht geboten – es ist von entscheidender Bedeutung, dass ein kohärenter und objektiver Ansatz verfolgt wird und den Bietern ein Recht auf Gegendarstellung eingeräumt wird. Es obliegt jedoch dem öffentlichen Auftraggeber zu entscheiden, ob die gelieferten Erläuterungen ausreichen, um Vertrauen in das Angebot herzustellen, oder ob das Angebot abgelehnt werden sollte. Denken Sie daran, dass andere Bieter, die soziale Anforderungen einhalten, benachteiligt werden können, wenn Sie ein ungewöhnlich niedriges Angebot ungeprüft lassen.

Bewährte Verfahren

 Die Aufdeckung und Prüfung ungewöhnlich niedriger Angebote ist ein wesentlicher Bestandteil der SRPP. Es kann hilfreich sein, die Löhne und Gehälter, Sozialversicherungsbeiträge und andere Kosten zu kennen, die im betreffenden Sektor gelten.

 Den Bietern muss die Möglichkeit eingeräumt werden, scheinbar ungewöhnlich niedrige Preise zu erläutern – ein Ausschluss kann nicht automatisch erfolgen.

 Sind ungewöhnlich niedrige Preise auf die Nichteinhaltung der geltenden sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften oder Tarifverträge zurückzuführen, ist das Angebot zwingend abzulehnen.

136 Europäische Kommission (2019), Leitlinien zur Teilnahme von Bietern und Waren aus Drittländern am EU-Beschaffungsmarkt (C(2019) 5494 vom 24. Juni 2019), abrufbar unter:

https://ec.europa.eu/growth/content/new-guidance-participation-third-country-bidders-eu-procurement-market_de.

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