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Einhaltung von sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften und Tarifverträgen

Im Dokument Mitteilung der Kommission (Seite 78-82)

Kapitel 4 – Das Vergabeverfahren

4.5 Einhaltung von sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften und Tarifverträgen

Die Vergaberichtlinien enthalten eine Sozial- und Umweltklausel106, wonach die Mitgliedstaaten geeignete Maßnahmen treffen müssen, um sicherzustellen, dass Wirtschaftsteilnehmer bei der Durchführung öffentlicher Beschaffungsaufträge „die geltenden umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen einhalten, die durch Rechtsvorschriften der Union, nationale Rechtsvorschriften, Tarifverträge oder die internationalen umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften ... festgelegt sind“.

Die internationalen Übereinkommen, auf die in dieser Bestimmung Bezug genommen wird, sind in einem Anhang107 aufgeführt und umfassen die acht Kernübereinkommen der IAO:

105) Siehe

https://ec.europa.eu/growth/tools-databases/mandates/index.cfm?fuseaction=search.detail&id=392 und

https://standards.cen.eu/dyn/www/f?p=204:110:0::::FSP_PROJECT,FSP_LANG_ID:65077,25&cs=1B1F504D7DC F7711690E22BAE7CED456A.

106 Artikel 18 Absatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 36 Absatz 2 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 30 Absatz 3 der Richtlinie 2014/23/EU.

107 Anhang X der Richtlinie 2014/24/EU, Anhang XIV der Richtlinie 2014/25/EU und Anhang X der Richtlinie 2014/23/EU.

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 Übereinkommen Nr. 87 über die Vereinigungsfreiheit und den Schutz des Vereinigungsrechtes,

 Übereinkommen Nr. 98 über die Anwendung der Grundsätze des Vereinigungsrechtes und des Rechtes zu Kollektivverhandlungen,

 Übereinkommen Nr. 29 über Zwangs- oder Pflichtarbeit,

 Übereinkommen Nr. 105 über die Abschaffung der Zwangsarbeit,

 Übereinkommen Nr. 138 über das Mindestalter für die Zulassung zur Beschäftigung,

 Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf,

 Übereinkommen Nr. 100 über die Gleichheit des Entgelts männlicher und weiblicher Arbeitskräfte für gleichwertige Arbeit,

 Übereinkommen Nr. 182 über das Verbot und unverzügliche Maßnahmen zur Beseitigung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit.

Neben der allgemeinen Verpflichtung der Mitgliedstaaten, die Einhaltung dieser Bestimmungen bei der Ausführung öffentlicher Aufträge zu gewährleisten, hat diese „Sozial- und Umweltklausel“ eine Reihe spezifischerer Anwendungen. Ein nachweislicher Verstoß des Bieters gegen geltende sozial- oder arbeitsrechtliche Vorschriften oder Tarifverträge kann schwerwiegende Folgen haben, darunter:

 Ablehnung des wirtschaftlich günstigsten Angebots;108

 Ausschluss vom Vergabeverfahren;109

 Ablehnung eines ungewöhnlich niedrigen Angebots110 und/oder

 gemeinsame Haftung der Unterauftragnehmer und des Hauptauftragnehmers für Verstöße gegen die einschlägigen umwelt-, sozial- und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen.111

Die Sozial- und Umweltklausel ist ein starkes Instrument zur Unterstützung der SRPP. Die nationalen Behörden können über spezifische Maßnahmen verfügen, um die Einhaltung der in der Sozial- und Umweltklausel genannten Verpflichtungen zu gewährleisten, oder sie können auf öffentliche Auftraggeber zurückgreifen, um die Einhaltung im Einzelfall zu überprüfen. Eine Möglichkeit dazu beizutragen, dass die Sozial- und Umweltklausel auch wirklich effektiv ist, besteht darin, in den Ausschreibungsunterlagen auf spezifische sozial- und arbeitsrechtliche Verpflichtungen und Tarifverträge hinzuweisen, die für den Auftrag gelten, und die Bieter zur Bestätigung der Einhaltung aufzufordern. Zu diesem Zweck können öffentliche Auftraggeber von den Bietern Nachweise über die Einhaltung oder Eigenerklärungen verlangen. Dies sollte dann durch Vertragsklauseln verstärkt werden, die die Einhaltung der einschlägigen Verpflichtungen während der Vertragsausführung vorschreiben und mit wirksamen Überwachungsmaßnahmen einhergehen (siehe Abschnitte 5.2 und 5.4).

108 Artikel 56 Absatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 76 Absatz 6 der Richtlinie 2014/25/EU.

109 Artikel 57 Absatz 4 Buchstabe a der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 80 Absatz 1 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 38 Absatz 7 Buchstabe a der Richtlinie 2014/23/EU.

110 Artikel 69 Absatz 3 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 84 Absatz 3 der Richtlinie 2014/25/EU.

111 Artikel 71 Absatz 6 der Richtlinie 2014/24/EU, Artikel 88 Absatz 6 der Richtlinie 2014/25/EU und Artikel 42 Absatz 4 der Richtlinie 2014/23/EU.

79 Die nationalen sozial- und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen müssen stets im Einklang mit dem EU-Recht und den Grundsätzen der Transparenz, Nichtdiskriminierung und Gleichbehandlung stehen.

Somit dürfen Anforderungen, die den Bietern auf der Grundlage von nationalen sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften oder Tarifverträgen auferlegt werden, nicht zu einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung von Bietern oder Arbeitnehmern aus anderen Mitgliedstaaten führen.

Gleichermaßen dürfen Ausschreibungsanforderungen auf der Grundlage von nationalen sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften oder Tarifverträgen nicht zu einer Diskriminierung von Bauleistungen, Lieferungen, Dienstleistungen und Wirtschaftsteilnehmern aus am WTO-Beschaffungsübereinkommen teilnehmenden Ländern oder Ländern, die ein bilaterales Abkommen mit Kapiteln über die Auftragsvergabe mit der EU geschlossen haben, führen, soweit diese unter diese Abkommen fallen.

So ist es beispielsweise nicht möglich, die Arbeitsbedingungen Ihres eigenen Landes anzuwenden, wenn ein Auftrag aus der Ferne in einem anderen Mitgliedstaat, einem am WTO-Beschaffungsübereinkommen teilnehmenden Land oder einem Land, das ein bilaterales Abkommen mit Kapiteln über die Auftragsvergabe mit der EU geschlossen hat, ausgeführt wird.

80 Abschnitt 5.2 enthält weitere Informationen über die Anwendung der sozial- und arbeitsrechtlichen Vorschriften sowie von Tarifverträgen bei öffentlichen Aufträgen.

Nutzung des Beschaffungswesens in Katalonien (Spanien) zur Stärkung der Arbeitnehmerrechte in elektronischen Lieferketten

Beschaffungsziel

Der katalanische Verband der Kommunalverwaltungen (L’Associació Catalana de Municipis, ACM) vertritt mehr als 1000 kommunale Einrichtungen bzw. 95 % der Kommunen in der Region. Er nimmt unter anderem die Aufgabe eines zentralen Auftraggebers ein, der den Bedarf bündelt und für seine Mitglieder Einsparungen auf Ebene der Verwaltung erzielt. Im Jahr 2018 wurde der ACM Partner von Electronics Watch, dessen Sozialklauseln nun in Ausschreibungen aufgenommen werden, einschließlich eines kürzlich veröffentlichten Druckerrahmens, an dem 80 Kommunen teilnehmen.

Ansatz

Durch die Klauseln von Electronics Watch werden die Auftragnehmer zur Einhaltung ihrer Sorgfaltspflicht verpflichtet, um die Transparenz in den Lieferketten zu gewährleisten, sowie dazu, mit unabhängigen Überwachungsinstanzen zusammenzuarbeiten und Verstöße gegen Arbeitnehmerrechte und Sicherheitsstandards zu beheben. Sie stehen im Einklang mit der Richtlinie 2014/24/EU über die öffentliche Auftragsvergabe und entsprechen den Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte und den OECD-Leitsätzen für multinationale Unternehmen. Die Klauseln umfassen einen Katalog von Arbeitsnormen, worin sowohl auf nationale Rechtsvorschriften als auch auf die grundlegenden IAO-Übereinkommen Bezug genommen wird.

Ergebnisse

Das erste Ersuchen um Offenlegung traf bei den Auftragnehmern auf positive Reaktion. Die Auftragnehmer lieferten detaillierte Lieferketteninformationen zu spezifischen Produktmodellen und Produktionsstandorten, die im Rahmen des Vertrags verwendet wurden. Auf der Grundlage der bestehenden Überwachungsergebnisse für diese Modelle und Standorte konnte Electronics Watch eine Risikobewertung für den ACM erstellen. Die Angaben eines Anbieters trugen zur Stärkung des laufenden Prozesses des Engagements in einer Druckerei in Südasien bei. Auf der Grundlage der Angaben zum Produktionsstandort wird ein Überwachungsplan umgesetzt werden, bei dem das Fachwissen vor Ort zur Überwachung der Arbeitnehmerrechte genutzt wird.

Der ACM plant bereits, die Vertragsbedingungen von Electronics Watch in zwei weitere Rahmenvereinbarungen (im Bereich IT und für die Videoübertragung von Plenarsitzungen) aufzunehmen.

Erkenntnisse

Es besteht die Notwendigkeit für die Industrie, die Transparenz in der Lieferkette weiter auszubauen. Dies gilt sowohl für Wiederverkäufer als auch für Marken und deren Anbieter.

Derzeit ist die Offenlegung von Informationen auf Komponentenebene für die Industrie noch eine Herausforderung, doch sie ist von grundlegender Bedeutung für die Gewährleistung der Transparenz in der Lieferkette, die nach Maßgabe der Vergaberichtlinien in Verbindung mit dem Auftragsgegenstand steht. Wenn mehr öffentliche Auftraggeber die Offenlegung der Produktionsstandorte fordern, wird das dazu beitragen, dies als gängige Praxis in der Industrie zu etablieren.

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