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Umweltnormung auf nationaler Ebene in Deutschland

Im Dokument 60/2020 (Seite 55-58)

2.2 Prozesse und Institution der umweltbezogenen Normung

2.2.2 Umweltnormung auf nationaler Ebene in Deutschland

Bereits seit Mitte der achtziger Jahre wurden im DIN verstärkt Anstrengungen unternommen, institutionell-organisatorische Strukturen sowie inhaltliche Strategien zur Berücksichtigung von Umweltschutzaspekten zu etablieren (Bahke 2012). Während bereits seit den 1970er Jahren

Umweltnormen vereinzelt Eingang in die Normung fanden14, wurden allerdings erst mit der im Jahre 1992 getroffenen „Vereinbarung für die Berücksichtigung von Umweltbelangen in der Normung“ tatsächlich die strukturellen Voraussetzungen für die systematische Berücksichtigung des

Umweltschutzes in der Normung geschaffen. Ziel dieses sogenannten „Töpfervertrags“, unterzeichnet vom damaligen Bundesminister für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit Prof. Dr. Klaus Töpfer und dem damaligen DIN-Präsident Eberhard Möllmann, ist die Verankerung des Umweltschutzes in der Normung. Damit wurde unter anderem sichergestellt, dass auch Verbände oder Organisationen, die nicht der Wirtschaft angehören, an der Normungsarbeit teilnehmen können, ohne an der

ansonsten erforderlichen Eigenfinanzierung zu scheitern. Durch diese Vereinbarung zwischen der Bundesregierung und DIN veränderte sich auch der Charakter der umweltrelevanten Normung in Deutschland: Über seine selbstordnende Funktion hinaus hat das DIN gerade bei der Umweltnormung auch formal eine öffentliche Aufgabe übernommen (Terner 2005).

Institutionelle Strukturen, die basierend auf dem Töpfervertrag zum Zweck der Berücksichtigung von Umweltaspekten etabliert wurden, sind einerseits die Koordinierungsstelle Umweltschutz im DIN (DIN-KU) und andererseits der DIN-Normungsausschuss Grundlagen des Umweltschutzes (NAGUS).

14 Siehe z.B. zur Entstehung der Abwasserabgabe, Nisipeanu, Peter (2013).

55 So berät und unterstützt die DIN-KU, neben der Erfassung von Umweltaspekten in

Normungsvorhaben, Normentwürfen und Normen, die Normenausschüsse in Fragen des

produktorientierten Umweltschutzes. Neben der inhaltlichen Unterstützung soll dadurch in den Normenausschüssen somit auch das Bewusstsein für Umweltschutzaspekte („mainstreaming von Umweltbelangen“) verankert werden. Neben der grundsätzlichen Unterstützung können Arbeitskreise (KU-AK) für die Bearbeitung von spezifischen Fragen eingerichtet werden. Im Jahr 2017 waren die folgenden KU-AK aktiv15:

1. KU-AK 4 „Anpassung an den Klimawandel“

2. KU-AK 5 „Ressourcenschutz“

3. KU-AK 6 „Nachhaltige Chemikalien

Die KU besteht aus einer Geschäftsstelle und einem Fachbeirat. Darüber hinaus wird die DIN-KU von Expertinnen und Experten aus staatlichen Umweltbehörden (z.B. Umweltbundesamt,

Länderministerien), von unabhängigen Sachverständigen sowie von Seiten der Umweltverbände und der Industrie unterstützt16 (für eine Detailanalyse der DIN-KU siehe Kapitel 3.3.6).

Der NAGUS bildet das zuständige Arbeitsgremiums des DIN für die themenübergreifende

Grundlagennormung im Bereich des Umweltschutzes auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene. Zu den Hauptarbeitsgebieten gehört auf der Ebene der Organisation und Prozesse einerseits u.a. das Umweltmanagement/Umweltaudit, die Umweltleistungsbewertung und die

Umweltkommunikation, andererseits auf der Produktebene die Produktentwicklung, Ökobilanzen oder umweltbezogene Kennzeichnungssysteme17. So wurden unter Federführung des NAGUS beispielsweise die folgenden wichtigen Normen erarbeitet (siehe auch unten):

4. ISO 14001 zu Umweltmanagementsystem 5. ISO 14040 zu Ökobilanzen

6. ISO 14024 zu Umweltzeichen

7. ISO 50001 zu Energiemanagementsystemen

Die Arbeitsausschüsse des NAGUS spiegeln u.a. die TCs des ISO/TC 207 und erarbeiten die Grundlagen für eine adäquate deutsche Beteiligung in der internationalen Umweltquerschnittsnormung

(Schwager 2015). Im Lenkungsgremium des NAGUS, der NAGUS Beirat, sind als interessierte Parteien neben der Wirtschaft auch Wissenschaft und Forschung, die öffentliche Hand, regelsetzende

Institutionen, Verbraucher- und Umweltverbände sowie Gewerkschaften vertreten (für eine Detailanalyse des NAGUS siehe Kapitel 3.3.2).

Für die Stärkung der Rolle der Umweltschutzverbände in der Normung wurde zusätzlich 1996 das Koordinierungsbüro Normungsarbeit der Umweltverbände (KNU) mit finanzieller Unterstützung des damaligen Bundesumweltministeriums eingerichtet. Auf der Basis der koordinierten

Zusammenarbeit im Rahmen des KNU soll den Umweltverbänden als interessierter Kreis eine stärkere Einflussnahme in der Normungsarbeit ermöglicht werden. Arbeiten diese dementsprechend

15 Koordinierungsstelle Umweltschutz (2017): Jahresbericht 2017. Online:

https://www.din.de/blob/69756/7fe15f4427d980f8b1d90957553857ac/ku-jahresbericht-2017-data.pdf

16 Siehe auch: Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit: Normung im Umweltschutz. Online:

https://www.bmu.de/themen/wirtschaft-produkte-ressourcen-tourismus/produkte-und-konsum/normung-im-umweltschutz/

17 Siehe auch: DIN-Normungsausschuss Grundlagen des Umweltschutzes (NAGUS): Über NAGUS. Online:

https://www.din.de/de/mitwirken/normenausschuesse/nagus

56 kontinuierlich in den Normungsgremien mit, können sie eine ökologische Optimierung der

Normeninhalte herbeiführen. Relevante Informationen zum Thema der Umweltnormung haben die Umweltverbände außerdem in einem eigenen Leitfaden nach dem DIN-Leitfaden 108 erarbeitet18 (für eine Detailanalyse des KNU siehe Kapitel 3.3.5).

Neben den beschriebenen Einrichtungen findet in den „klassischen“ Umweltbereichen Wasser, Boden und Luft Normungsarbeit in verschiedenen anderen Normenausschüssen statt. Hierbei beteiligt sich das BMU beispielsweise finanziell an den folgenden umweltrelevanten Normenausschüssen:

FNKä (Normenausschuss Kältetechnik)

NALS (Normenausschuss Akustik, Lärmminderung und Schwingungstechnik)

NABau (Normenausschuss Bau)

NAL (Normenausschuss Lebensmittel, landwirtschaftliche Produkte)

NMP (Normenausschuss Materialprüfung)

NAVp (Normenausschuss Verpackungswesen)

NAW (Normenausschuss Wasser mit Boden/ Schlamm/ Abfall)

Diese Ausschüsse befassen sich mit verschiedenen umweltrelevanten Sachverhalten. Zudem befasst sich die Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL) mit der Standardisierung auf dem Gebiet der Luftreinhaltung und erarbeitet das Regelwerk zur Konkretisierung der in gesetzlichen Vorschriften definierten Messaufgaben.19

Gleichzeitig beteiligt sich auch das Umweltbundesamt direkt an der umweltrelevanten

Normungsarbeit. Hierbei nehmen Fachleute des UBA zum Teil Funktionen in den Normungsgremien (z.B. Sekretariate, Leitung von Gremien oder Mitarbeit in Lenkungskreisen) ein, um umweltpolitische Ziele unmittelbar in die Norminhalte einfließen zu lassen. Normen in den Bereichen Luft, Wasser, Boden, Abfall und Lärmschutz (v.a. Mess- und Prüfnormen) stehen bei der Normungsarbeit des UBA im Vordergrund (Brauer 2006). Zum Beispiel ist das UBA fachlich für die Konkretisierung der

Vorschriften der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung (BBodSchV) in Form standardisierter Verfahren verantwortlich.

Diese genannten Einrichtungen und Behörden treiben somit mit ihrer Arbeit die Berücksichtigung von Umweltschutzaspekten in der Normungsarbeit voran. Auch grundsätzlich gibt es in der

Normungsarbeit bei DIN die Verpflichtung, das Thema „Umweltgesichtspunkte“ auf die Tagesordnung von allen Gremiensitzungen zu setzen. Hierbei wird der Umweltschutz – so in der DIN EN 45020

„Normung und damit zusammenhängende Tätigkeiten – Allgemeine Begriffe“ – als „Schutz der Umwelt vor unvertretbaren Schädigungen durch Auswirkungen und Betriebsabläufe von Produkten,

Prozessen und Dienstleistungen“ (Bahke 2012) definiert. Neben der Adressierung von Umweltaspekten in den Tagesordnungen soll bereits bei der Gründungssitzung eines

Normenausschusses festgestellt werden, ob alle interessierten Kreise und damit auch der Bereich Umwelt eingeladen worden sind (Muntschler/Schmincke 2004).

Die Berücksichtigung des Umweltschutzes in Deutschland resultierte bis zum heutigen Zeitpunkt in einer Vielzahl an umweltrelevanten Normen sowie Guides, die die Berücksichtigung von

Umweltaspekten unterstützen. Im Folgenden werden beispielhaft einige dieser Normen und Anleitungen für die beiden in Kapitel 2.2.1 definierten Bereiche der Umweltnormung – Normen des

18 KNU (Hrsg).: Leitfaden der Umweltverbände für die Berücksichtigung von Umweltaspekten, 2002.

19 Die Kommission Reinhaltung der Luft (KRdL), eine Fachgesellschaft des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI) sowie externer Normenausschuss des Deutschen Instituts für Normung (DIN) mit dem Arbeitsschwerpunkt Luftqualität, wird institutionell von BMU gefördert.

57 Umweltmonitorings/Umweltmanagements sowie Produktnormen mit umweltrelevantem Bezug – genannt:

Im Dokument 60/2020 (Seite 55-58)