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3.11 Reaktionen von N-(Phenylacetyl)phenylessigsäureamid

3.11.1 Umsetzung von N-(Phenylacetyl)phenylessigsäureamid mit NaH in DMF

Die Entstehung von Phenanthren-9,10-dicarboxyimid (175) bei den Umsetzungen von Biphenyl-2,2’-diacetamid (174) mit NaH in DMF bzw. 1,4-Dioxan bestätigt die These, daß Verbindungen, die aus zwei Phenylessigsäureamid-Einheiten aufgebaut sind, intramolekulare SET-gestützte C=C-Bindungsknüpfungen zumindest in Gegenwart von Luftsauerstoff eingehen können. Eine Reaktion von N-(Phenylacetyl)phenylessigsäureamid (90) zu Diphenylmaleinsäureimid (59) sollte somit ebenfalls realisierbar sein.

Aufgrund der nahen Verwandtschaft von 90 mit Phenylessigsäureamid (30) sind bei einer Reaktionsführung in DMF auch Produkte zu erwarten, die auf Methyleninkorporierungs-reaktionen sowie weiteren reduktiven Prozessen basieren. Durch Vergleich mit den entsprechenden Umsetzungen von 30 erhofften wir uns daher zusätzliche Erkenntnisse in bezug auf die bislang in diesem Zusammenhang postulierten Reaktionsverläufe.

3.11.1.1 Reaktionsführung und Produktcharakterisierung

N-(Phenylacetyl)phenylessigsäureamid (90) wurde in DMF gelöst und zusammen mit NaH 14.5 Stunden auf 130 °C erwärmt. Bewußt vermieden wir eine Reaktionsführung unter Rückflußbedingungen, da diese die Bildung von 3,5-Diphenylpyridin-2,6-diol (62) in einem analogen Ansatz mit 30 erheblich unterstützt hatten.

Innerhalb der Reaktionszeit erfuhr die anfänglich hellbraune Suspension einen Farbwechsel nach grünbraun, wobei die DC-Überprüfung die Entstehung einer Vielzahl von Produkten bestätigte.

Nach der Aufarbeitung der Reaktionsmischung ergab die säulenchromatographische Trennung der Methylenchlorid-Phase mehrere verwertbare Säulenfraktionen, aus denen neben dem racem-Imid 3,5-Diphenylpiperidin-2,6-dion (63a) (Ausbeute: 3 %) und seiner meso-Form 63b (Ausbeute: 7 %) auch 3,5-Diphenylpyridin-2-ol (64) (Ausbeute: 2 %) und Phenylessigsäure-amid (30) (Ausbeute: 25 %) erhalten werden konnten.

Die oben erwähnten Produkte wurden durch Vergleich ihrer Schmelzpunkte sowie ihrer NMR- und Massenspektren mit den entsprechenden Spektren der bereits in Kapitel 3.1.1.1 (S. 37f) ausführlich vorgestellten Verbindungen 30, 63a, 63b und 64 identifiziert.

3.11.1.2 Reaktionsverlauf und mechanistische Betrachtungen

Auch bei der Umsetzung von N-(Phenylacetyl)phenylessigsäureamid (90) mit NaH in DMF dominieren reduktive Prozesse. Obwohl die Reaktionstemperatur mit 130 °C im Vergleich zum Rückflußansatz von Phenylessigsäureamid (30) (vgl. Kap. 3.1.1.1, S. 37) deutlich tiefer lag und die Reaktionszeit um ca. die Hälfte verkürzt wurde (14.5 vs. 25 Stunden), konnten die Produkte 63a, 63b und 64 in vergleichbaren Ausbeuten erhalten werden. Die Entstehung der cyclischen Imide 63a und 63b aus 90 belegt, daß die Methyleninkorporierungsreaktion unter Beteiligung von NaH und DMF auch mit Carbonsäureimiden möglich ist. Wie der Mechanismus in Abb. 77 (S. 118) zeigt, wird 90 zunächst unter Bildung von 90−−−− deprotoniert und letzteres in einer analog zu Abb. 42 (S. 51) beschriebenen Reaktionssequenz in das N-acylierte Phenylacrylsäureimid 97 umgewandelt. Nach Deprotonierung zu 97−−−− greift dessen anionisierte Methylenbrücke nun intramolekular an der endständigen Methylengruppe an, wodurch das heterocyclische (chirale) Anion 101−−−− entsteht. Dieses wird bei der Hydrolyse in die Diastereomere 63a und 63b umgewandelt.

Die vorliegende Reaktionsfolge belegt somit, daß die Reihenfolge der in Abb. 32 (S. 43) postulierten Teilreaktionen zur Entstehung von 63a und 63b aus Phenylessigsäureamid (30) tatsächlich variabel ist und ebenso eine von 30 ausgehende primäre N-(Phenylacetyl)- phenylessigsäureamid-Bildung die Erzeugung der cyclischen Imide induzieren kann.

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Die gleichen Überlegungen gelten für die Bildung der cyclischen Imide 161a und 161b aus 3-Phenylpropionsäureamid 160 (vgl. Abb. 63, S. 95).

Der Entstehung von 3,5-Diphenylpyridin-2-ol (64) aus 90 wird die bereits in Abb. 41 (S. 50) beschriebene Reaktionsfolge zugrunde gelegt, die jetzt mit der Deprotonierung des Edukts mittels NaH unter Bildung von 90−−−− beginnt. Dies erhärtet die These, daß die bei der Erzeugung von 64 aus 30 postulierte anfängliche Imidbildung tatsächlich eine zentrale Rolle spielt.

Ein gemeinsames Merkmal der Bildungsmechanismen von 63a, 63b und 64 ist die im Verlauf der Umsetzung von 90 oder 30 mit NaH in DMF postulierte Abspaltung von NaN(CH3)2. Offensichtlich greift diese reaktive Spezies im Fall von 90 unter den gegebenen Reaktions-bedingungen wieder in das Reaktionsgeschehen ein und spaltet einen beträchtlichen Anteil des Imids in Phenylessigsäureamid (30) und N,N-Dimethylphenylessigsäureamid (140) (Abb. 78).

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Während 30 in einer beträchtlichen Ausbeute von 25 % abgetrennt werden konnte, ließ sich 140 nicht finden. Da weder die Bildung der cyclischen Imide 63a und 63b noch die Entstehung von 64 auf eine Beteiligung von 140 hindeuten, läßt sich dessen Verlust am plausibelsten mit einer Sublimation des leicht flüchtigen Amids aus der Reaktionsmischung während der Endphase der Destillation von DMF unter Wasserstrahlvakuum bei 80 °C im Verlauf des Aufarbeitungs-prozesses erklären(72).

(72) N,N-Dimethylphenylessigsäureamid (93) sublimiert bei einem äußeren Druck von 30 torr bereits bei 60 °C;

J. Org. Chem., 1980, 45, 1241.

Setzt man die Gesamtausbeute der Produkte 63a-64 (13 %) mit dem isolierten Anteil an Phenylessigsäureamid (30) (25 %) in Beziehung, stellt man fest, daß die in den Bildungs-mechanismen der Heterocyclen postulierte Menge an eliminiertem NaN(CH3)2 nicht ausreicht, den gesamten Anteil an gewonnenem 30 zu erzeugen(73). Somit scheint wiederum die thermische Zersetzung von DMF durch NaH als zusätzliche N,N-Dimethylamid-Quelle zu fungieren (vgl.

Kap. 3.3.1.2, S. 75).

3.11.2 Umsetzung von N-(Phenylacetyl)phenylessigsäureamid mit NaH in DMF bei 100 °C unter Argon

3.11.2.1 Reaktionsführung und Produktcharakterisierung

Zur Vermeidung der bei 130 °C stattfindenden erheblichen Zersetzung des Edukts 90 durch in situ entstandenes NaN(CH3)2 senkten wir die Reaktionstemperatur in einem Wiederholungs-ansatz auf 100 °C und verminderten gleichzeitig die Reaktionsdauer von 14.5 auf sechs Stunden.

Nachdem die DC-Überprüfung der grünbraunen Reaktionsmischung die Bildung mehrerer Produkte angezeigt hatte, wurde die Suspension analog zum Vergleichsansatz aufgearbeitet. Aus der dabei gewonnenen Methylenchlorid-Phase schieden sich zunächst weißgraue, feine verfilzte Nädelchen ab, die als 3,5-Diphenylpyridin-2,6-diol (62) identifiziert wurden (Ausbeute: 0.1 %).

Die säulenchromatographische Trennung der Mutterlauge ergab drei verwertbare Säulen-fraktionen, wovon die ersten beiden die cyclischen Imide racem-3,5-Diphenylpiperidin-2,6-dion (63a) (Ausbeute: 3 %) und meso-3,5-Diphenyl-piperidin-2,6-dion (63b) (Ausbeute: 4 %) enthielten, während sich der Feststoff der dritten Fraktion als 3-(3,5-Diphenyl-2,4-dioxo-piperidin-3-yl)-2-phenylpropansäureamid (99) (Ausbeute: 0.4 %) entpuppte. Alle zuvor aufgeführten Substanzen konnten mindestens durch Vergleich ihrer 1H- bzw. 13C-NMR-Spektren mit den entsprechenden Spektren der bereits in den Kapiteln 3.1.1.1 (S. 37f) und 3.1.2.1 (S. 52f) ausführlich vorgestellten Verbindungen verifiziert werden.

(73) Ein alternativer Entstehungsweg von 30 wäre durch die Verseifung von 90 mittels NaOH, das ebenfalls während der Heterocyclensynthesen eliminiert wird, gegeben. Da jedoch nach der Aufarbeitung keine Phenylessigsäure (60) isoliert werden konnte, läßt sich diese These nicht untermauern.

3.11.2.2 Reaktionsverlauf und mechanistische Betrachtungen

Bei einer Reaktionstemperatur von 100 °C finden während der Umsetzung von 90 mit NaH in DMF offenbar wiederum vorwiegend Methyleninkorporierungsreaktionen statt. Neben den cyclischen Imiden 63a und 63b, die trotz der milderen Reaktionsbedingungen in ähnlichen Mengen erzeugt werden wie im Vergleichsansatz bei 130 °C, entsteht hier auch das zweifach methyleninkorporierte Folgeprodukt 99. Dessen Bildung läßt sich anhand von Abb. 79 verstehen.

Das Edukt 90 reagiert zunächst zum Heterocyclus-Anion 101−−−− (vgl. Abb. 77, S. 118). Im Verlauf dieser Reaktionsfolge wird NaN(CH3)2 eliminiert, welches ein zweites Eduktmolekül unter Erzeugung des Phenylessigsäureamid-Anions 30−−−− spaltet. Letzteres unterliegt einer Reaktionssequenz unter Bildung von 2-Phenylacrylsäureamid (72) (vgl. Abb. 32, S. 43), dessen β-C-Atom anschließend einen nucleophilen Angriff durch 101−−−− erleidet, der zu 99−−−− führt.

Die Bildung des Dihydroxypyridin-Derivats 62 läßt sich durch die in Abb. 80 formulierte

Zuerst entsteht aus 90 und DMF unter Einwirkung von NaH das Enamin-Imid 92 (vgl. Abb. 41, S. 50). Nach Deprotonierung zu 92−−−− greift dessen anionisierte Methylengruppe intramolekular am endständigen C-Atom des α,β-ungesättigten Molekülteils an. Daraus resultiert das sterisch überfrachtete heterocyclische Anion 202−−−−, das sich durch Abspaltung von NaN(CH3)2 entlastet.

Dabei bildet sich das Imid 62.1, das mit dem Dihydroxypyridin-Derivat 62 im Gleichgewicht steht.

3.11.3 Umsetzung von N-(Phenylacetyl)phenylessigsäureamid