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3.9.1 Umsetzung von Benzol-1,2-diacetamid mit NaH in DMF bei Raumtemperatur in Gegenwart von Luftsauerstoff

Die erfolgreiche SET-gestützte C=C-Doppelbindungbildung zwischen den beiden CH-aciden Methylengruppen des Biphenyl-2,2’-diacetamids (174) ermutigte uns zu testen, ob diese Art der intramolekularen Verknüpfung unter ähnlichen Reaktionsbedingungen auch zwischen einer -CH2- und einer amidischen -NH2-Gruppe möglich ist. Beim Einsatz von Benzol-1,2-diacetamid (187) als Edukt sollte die angestrebte C=N-Verknüpfung das Isochinolin-Derivat 188 ergeben (Abb. 73).

3.9.1.1 Reaktionsführung und Produktcharakterisierung

Eine Mischung aus Benzol-1,2-diacetamid (187), NaH und DMF wurde in Gegenwart von Luftsauerstoff 20 Stunden bei Raumtemperatur gerührt. Da die DC-Kontrolle der gelbgefärbten Suspension u. a. zwei blau fluoreszierende Produktflecken anzeigte, arbeiteten wir den Ansatz unverzüglich auf. Währende der Hydroyse fiel ein cremefarbener Niederschlag aus, der sich nach 1H-NMR-spektroskopischer Untersuchung als nicht umgesetztes Edukt 187 entpuppte (Ausbeute: 92 %). Die säulenchromatographische Trennung des Methylenchlorid-Extrakts der wäßrigen Phase ergab eine verwertbare Fraktion, aus der sich hellgelbe, fein verfilzte Nädelchen abschieden. Deren 1H-NMR-Spektrum weist neben den vier Signalen eines ortho-Phenylen-systems (δ = 8.61, d, 1H; δ = 7.78, d, 1H; δ = 7.60, ddd, 1H; δ = 7.38, ddd, 1H) das Singulett eines weiteren aromatischen H-Atoms bei δ = 7.09 auf. Daneben

befinden sich die Resonanzen der beiden Protonen einer Carboxamidgruppe bei δ = 8.05 und δ = 7.78, sowie das Signal eines Protons bei δ = 10.93. Ordnet man letztere Resonanz einem enolischen H-Atom zu, lassen sich alle Daten mit der Struktur von 3-Hydroxyisochinolin-1-carboxamid (188) (Ausbeute: 2 %) vereinbaren.

N

Das 13C-NMR- bzw. DEPT-Spektrum bestätigt die Existenz eines zweifach substituierten Isochinolin-Grundkörpers sowie das Vorhandensein einer carboxamidischen Carbonylgruppe.

Die postulierte Summenformel C10H8N2O2 kann mittels eines hochaufgelösten Massenspektrums (Molekülpeak bei m/z = 188) verifiziert werden.

3.9.1.2 Reaktionsverlauf und mechanistische Betrachtungen

Die Bildung des Isochinolin-Derivats 188 läßt sich durch die Reaktionsfolge in Abb. 74 veranschaulichen.

187 187 189 189

189

Zunächst deprotoniert NaH das Edukt 187 an einer der beiden Carboxamidgruppen unter Bildung von 187−−−−. Dieses steht im Gleichgewicht mit dem Carbanion 189−−−−, das nachfolgend durch Luftsauerstoff zum Radikal 189•••• oxidiert wird. Eine Deprotonierung der zweiten Carboxamidgruppe führt zum distalen Radikal-Anion 189••••−−−−, welches direkt einer Ein-Elektronen-Übertragung auf O2 unterliegt. Das distale Diradikal 190 rekombiniert intramolekular unter Bildung einer C-N-Bindung zum δ-Lactam 191, welches durch eine nachfolgende zweifache Deprotonierungs/SET-Reaktionssequenz mittels NaH/O2 zum Isochinolinon-Derivat 192 oxidiert wird. Letzteres liegt in Gegenwart von NaH in der anionisierten Form 188−−−− vor und wird schließlich zu 188 hydrolysiert.

3.9.2 Umsetzung von Benzol-1,2-diacetamid mit NaH

in DMF bei 100 °C in Gegenwart von Luftsauerstoff

3.9.2.1 Reaktionsführung und Produktcharakterisierung

Da die Ausbeute an 188 mit 2 % in der zuvor beschriebenen Umsetzung wenig befriedigend war, jedoch der hohe Anteil an zurückgewonnenem Edukt 187 gegen bevorzugt ablaufende Konkurrenzreaktionen sprach, führten wir den gleichen Ansatz nochmals bei einer Temperatur von 100 °C durch. Nach vier Tagen zeigte die dünnschichtchromatographische Überprüfung der gelben Suspension wiederum die Entstehung von 188 an, im Vergleich zur Umsetzung unter Raumtemperaturbedingungen hatten sich jedoch mehr Nebenprodukte gebildet. Während der Hydrolyse fiel kein Niederschlag aus, so daß unverzüglich die säulenchromatographische Trennung des Methylenchlorid-Extrakts der wäßrigen Phase vorgenommen wurde.

Aus der ersten Fraktion kristallisierten gelbe Nadeln, deren 1H-NMR-Spektrum neben einem Signalmultiplett bei δ = 7.83-7.80 mit einer Intensität von vier H-Atomen nur noch die Resonanz eines austauschbaren Protons bei δ 11.33 aufweist. Das

13C-NMR-Spektrum zeigt insgesamt vier Resonanzen an (δ = 169.2, 134.3, 132.6 und 122.9), deren Lagen und Charakteristika mit denjenigen von Phthalsäureimid (193)

(Ausbeute: 5 %) übereinstimmen.

Der Rückstand der zweiten verwertbaren Säulenfraktion enthält das Isochinolin-Derivat 188 in einer Ausbeute von 5 %, während aus dem Säulenrest sowie der wäßrigen Phase noch insgesamt 16 % Edukt 187 zurückgewonnen werden konnten.

N O

O H

193

3.9.2.2 Reaktionsverlauf und mechanistische Betrachtungen

Unter den veränderten Temperaturbedingungen ließ sich zwar die gewonnene Menge an 188 fast verdreifachen (5 % vs. 2 %), allerdings trat mit der gleichzeitigen Entstehung von Phthalsäure-imid (193) (Ausbeute: 5 %) eine gewichtige Konkurrenzreaktion in Erscheinung. Durch die Reaktionssequenz in Abb. 75 (S. 114) läßt sich die Bildung von 193 beschreiben.

Zunächst wird eine der beiden Methylengruppen des Edukts 187 mittels Luftsauerstoff zur Carbonylgruppe oxidiert (vgl. Abb. 46, S. 61). Dadurch entsteht das Intermediat 194, dessen verbliebene -CH2-Gruppe einer Oxidation zum Peroxyl-Anion 195−−−− unterliegt. Durch den nucleophilen Angriff dieser Peroxyl-Funktion an der zuvor generierte Ketogruppe bildet sich das sechsgliedrige cyclische Peroxid-Anion 196−−−−, das sich zum 1,2-Dioxepan-Anion 197−−−− umlagert.

Die nachfolgende Abspaltung von CO2 bewirkt die Bildung des an der alkoholischen Funktion deprotonierten Hydroxyhomophthalsäurediamids 198−−−−, das nach einem Umprotonierungsschritt zum Hydroperoxyhydroxyphthalsäurediamid-Anion (199−−−−) oxidiert wird (vgl. nochmals Abb. 46, S. 61). Unter Eliminierung von Isocyansäure und Wasser entsteht schließlich das anionisierte Phthalsäuremonoamid 200−−−−, das zu Phthalsäureimid 193 kondensiert.

Obwohl die Umlagerung des cyclischen Peroxid-Anions 196−−−− in das thermodynamisch weniger günstige 1,2-Dioxepan-Anion 197−−−− äußerst ungewöhnlich erscheint, ermöglicht erst dieser Reaktionsschritt eine Abspaltung von CO2, wodurch ein plausibler Weg eröffnet wird, trotz Kettenverkürzungsreaktion die Carboxamidgruppe im Molekül zu bewahren. Deren Existenz ist nach unserer Auffassung für die Bildung von Phthalsäureimid (193) entscheidend, da dessen Entstehung anderenfalls nur durch eine Reaktion von NH3 mit Phthalsäure bzw.

Phthalsäureanhydrid zu erklären wäre. Wenngleich beide Reaktionspartner in der Reaktions-mischung gebildet werden könnten (Ammoniak durch Reaktion von Isocyanat mit Wasser, Phthalsäure bzw. Phthalsäureanhydrid durch oxidative Abbaureaktionen), bliebe deren vollständige Umsetzung zu 193 unter den relativ milden Reaktionsbedingungen mit starken Zweifeln behaftet(71).

(71) Phthalsäureimid bildet sich normalerweise nur beim Erhitzen von Phthalsäureanhydrid mit Ammoniak unter Druck. Beyer Walter, Lehrbuch der Organischen Chemie, S. Hirzel Verlag, Stuttgart 1988, 21. Auflage, S. 559.

Phthalsäure bzw. Phthalsäureanhydrid wurde nach sorgfältiger Analyse der hydrolysierten Reaktionmischung nicht gefunden.

NH2

3.9.3 Umsetzung von Benzol-1,2-diacetamid mit NaH in DMF bei maximal 154 °C unter Argon

3.9.3.1 Reaktionsführung

Obgleich alle bisherigen Versuche fehlgeschlagen waren, SET-gestützte Produkte aus Umsetzungen von Carbonsäureamiden zu isolieren, die in Abwesenheit von Sauerstoff durchgeführt worden waren, ließen wir dennoch einen Ansatz bestehend aus 187, NaH und DMF unter Luftausschluß drei Tage bei 70 °C rühren. Da die DC-Kontrolle keinen nennens-werten Umsatz anzeigte, wurde die Reaktionsmischung weitere 16 Stunden unter Rückfluß erhitzt. Die erneute dünnschichtchromatographische Überprüfung der mittlerweile schwarz-gefärbten Suspension wies neben einem intensiven Startfleck nur sehr schwach ausgeprägte Produktflecken auf, wobei keiner auf die Entstehung des Isochinolin-Derivats 188 hindeutete.

Während der Aufarbeitung fiel beim Ansäuern des Hydrolysats ein schwarzer Niederschlag aus, der sich aufgrund seiner geringen Löslichkeit in organischen Solvenzien einer säulenchromato-graphischen Trennung entzog. Der Methylenchlorid-Extrakt der wäßrigen Phase zeigte zwar die gleiche stoffliche Zusammensetzung wie der Niederschlag, wurde aber wegen des zu geringen Substanzgehalts ebenfalls verworfen.