• Keine Ergebnisse gefunden

3.11 Reaktionen von N-(Phenylacetyl)phenylessigsäureamid

3.11.3 Umsetzung von N-(Phenylacetyl)phenylessigsäureamid mit NaH in 1,4-Dioxan

Trotz der bemerkenswerten selektiven Einflußnahme der Reaktionstemperatur auf die zuvor beschriebenen Umsetzungen von 90 konnten offensichtlich allein durch Veränderung dieses Reaktionsparameters weder SET-gestützte Produktbildungen gefördert noch Methylen-inkorporierungsreaktionen wirkungsvoll unterdrückt werden. Endgültig blockieren lassen sich die zuletzt genannten Reaktionswege mit dem Ersatz von DMF durch 1,4-Dioxan. Allerdings steht DMF in diesem Fall als Ein-Elektronenakzeptor nicht mehr zur Verfügung. Diese Aufgabe müßte dann 90 selbst übernehmen. Obwohl dessen Reduktionspotential nicht literaturbekannt ist, läßt sich eine solche Wirkungsweise aufgrund der typologischen Ähnlichkeit mit DMF a priori nicht ausschließen.

3.11.3.1 Reaktionsführung und Produktcharakterisierung

Eine Mischung aus N-(Phenylacetyl)phenylessigsäureamid (90), NaH und 1,4-Dioxan wurde 65 Stunden unter Rückfluß erhitzt, wobei sich die anfangs graugelbe Suspension schwarz färbte.

Bei der Aufarbeitung des Reaktionsansatzes erhielten wir zunächst einen grauschwarzen Feststoff, dessen DC-Überprüfung neben einem dunklen Startfleck nur zwei sehr schwach ausgeprägte Produktflecken aufwies. Da die säulenchromatographische Trennung in diesem Fall wenig Erfolg versprach, wurde das Stoffgemisch verworfen und das Hauptaugenmerk auf das verbliebene wäßrige Filtrat gelenkt. Nach Ansäuern desselben mit verd. HCl fiel ein weißgelber Niederschlag aus, der sich in CH2Cl2 löste. Beim Einengen der organischen Phase kristallisierten farblose Nadeln aus, die als nicht umgesetztes Edukt 90 identifiziert werden konnten (Ausbeute:

11 %). Die präparative Dünnschichtchromatographie der Mutterlauge lieferte eine verwertbare Fraktion, deren Feststoff in Form von gelbgrünen, leicht fluoreszierenden Nadeln anfiel. Das zugehörige 1H-NMR-Spektrum weist neben einer verbreiterten Resonanz bei δ = 7.89 (1H) nur zwei Signalgruppen im aromatischen Bereich bei δ = 7.45 (dm, 4H) und δ = 7.39-7.31 (m, 6H) auf, die von zwei chemisch äquivalenten Phenylgruppen verursacht werden. Ordnet man die Resonanz des austauschbaren Protons einem imidischen H-Atom

zu, könnten die vorgestellten Signale von Diphenylmaleinimid (59) stammen (Ausbeute: 0.4 %). Die Resultate eines 13C- bzw.

DEPT-Spektrums bestätigen diese Vermutung, die postulierte Summenformel von C16H11NO2 wird durch das hochaufgelöste Massenspektrum verifiziert (Molekülpeak bei m/z = 249).

N H

O O

59

3.11.3.2 Reaktionsverlauf und mechanistische Betrachtungen

Die Entstehung von Diphenylmaleinimid (59) kann mit der in Abb. 81 (S. 125) gezeigten Reaktionsfolge erklärt werden.

Ein mittels NaH deprotoniertes Eduktmolekül (90−−−−) überträgt ein Elektron auf ein zweites, nicht deprotoniertes Eduktmolekül (90), wobei das Radikal 90•••• sowie das Radikalanion 90•−−−− gebildet werden. Das Radikal 90•••• wird ein weiteres Mal deprotoniert und unterliegt erneut einem SET-Prozess. Dadurch entsteht das Diradikal 203, welches sofort zum 1,2-Diphenylsuccinimid 204 cyclisiert. In einer SET-Dehydrierungssequenz wird 204 schließlich zu Diphenylmaleinimid (59) oxidiert.

Da sich aus der Reaktionsmischung neben 90 und 59 keine weiteren Verbindungen in Substanz gewinnen ließen, kann über eine mögliche Rolle von 90•−−−− in der oben beschriebenen Reaktions-folge nur spekuliert werden. Eine Intervention als Base oder Ein-Elektronenakzeptor bleibt trotz fehlenden Nachweises entsprechender Folgeprodukte a priori nicht ausgeschlossen.

O O

3.11.4 Umsetzung von N-(Phenylacetyl)phenylessigsäureamid mit NaH in DMF bei Raumtemperatur

unter Argon und Lichteinwirkung

Die wenn auch nur in sehr geringem Umfang erfolgte Umsetzung von 90 mit NaH zu Diphenylmaleinsäureimid (59) in 1,4-Dioxan veranlaßte uns zu untersuchen, ob dieser Prozeß auch unter Lichteinwirkung(74) sowie mit DMF als Lösungsmittel gelänge. Die milden thermischen Bedingungen sollten die bisher in Gegenwart von DMF beobachteten reduktiven Prozesse auf ein Minimum zurückdrängen, so daß neben 90 auch DMF als Ein-Elektronen-akzeptor wirksam sein müßte(75).

3.11.4.1 Reaktionsführung und Produktcharakterisierung

Ein Gemisch aus 90, NaH und DMF wurde 33 Stunden bei Raumtemperatur bestrahlt. Da die UV-Absorption aliphatischer Amide für einen n→Π*-Übergang im allgemeinen unter 220 nm liegt(76), verwendeten wir einer Hg-Mitteldrucklampe als Lichtquelle(77). Innerhalb der Reaktionszeit verfärbte sich die anfangs rötliche Suspension nach olivgrau, wobei die abschließende DC-Kontrolle die Bildung mehrerer Produkte bestätigte. Der Methylenchlorid-Extrakt der bei der Aufarbeitung anfallenden wäßrigen Phase wurde einer säulenchromato-graphischen Trennung unterzogen und lieferte zwei verwertbare Fraktionen. Der Feststoff der ersten Fraktion fiel in Form von farblosen Kristallen an, deren 1H-NMR-Spektrum neben drei Signalen im aromatischen Bereich (δ = 7.30, tm, 2H; δ = 7.20, d, 2H; δ = 7.25-7.16, m, 1H) nur ein Singulett bei δ = 2.94 mit einer Intensität von zwei H-Atomen aufweist. Da gemäß 13C- bzw.

DEPT-Spektrum das aliphatische Protonensignal eindeutig von einer entschirmten Methylengruppe stammen und die restlichen Resonanzen von einer Phenylgruppe hervorgerufen werden, kann es sich bei der gesuchten Verbindung nur um 1,2-Diphenylethan (205) handeln. Ein Massenspektren- und Schmelzpunktsvergleich bestätigen diese Identifikation.

(74) Eine Einführung in die theoretischen Grundlagen photochemisch induzierter SET-Prozesse bietet Lennart Eberson in Electron Transfer Reactions in Organic Chemistry, Springer-Verlag Berlin Heidelberg 1987, Kap. IX.2.

(75) Z. B. erhöht sich das Reduktionspotential von Benzophenon durch Lichtanregung von ERed = −1.8 V auf ERed* = 2.0 V! siehe Lit.(74) S. 156.

Für DMF oder Carbonsäureamide sind uns keine vergleichbaren Messungen bekannt.

(76) Pretsch, Clerc, Seibl, Simon, Tabellen zur Strukturaufklärung organischer Verbindungen mit spektroskopischen Methoden, 3. Auflage, Springer-Verlag Berlin, 1990, Seite B70.

(77) J. Kopecky, Organic Photochemstry: a visual approach, Verlag Chemie Weinheim, 1992.

205 H H H H

Aus der zweiten Säulenfraktion kristallisierte eine Substanz in Form von farblosen, langen Nadeln, deren 1H-NMR-Spektrum bei δ = 8.73 ein verbreitertes Signal mit der Intensität 1H aufweist. Dessen Lage läßt auf ein imidisches Proton schließen, wogegen die Signalgruppe im aromatischen Bereich (δ = 7.29, t, 2H; δ = 7.24-7.17, m, 1H; δ = 7.21, d, 2H) ohne Zweifel von einer Phenylgruppe verursacht wird. Das Kopplungsverhalten bzw. die Intensitäten der beiden

Resonanzen im olefinischen Bereich bei δ = 5.94 (dd, 3J = 9.9 Hz, 3J = 3.7 Hz, 2H) und δ = 5.50 (dd, 3J = 9.9 Hz, 4J = 1.1 Hz, 2H) weisen auf zwei chemisch äquivalente

Ethen-Komponenten im Molekül hin, die jeweils cis-ständig disubstituiert sind. Im aliphatischen Bereich des Spektrums erkennt man bei δ = 2.96 ein unaufgelöstes Multiplett mit der Intensität 1H, bei δ = 2.80 ein Dublett (2H) mit einem stark ausgeprägten Dacheffekt zu der zuvor erwähnten Resonanz und schließlich ein Singulett bei δ = 2.73, das von zwei Protonen verursacht wird. Das 13C- bzw. DEPT-Spektrum bestätigt, daß die beiden zuletzt erwähnten Resonanzen des 1H-NMR-Spektrums von zwei chemisch verschiedenen Methylengruppen stammen (δ = 44.9 und 43.4). Des weiteren lassen sich zwei chemisch unterschiedliche amidische Carbonylfunktionen detektieren (δ = 178.8 und 175.6). Da die massenspektrometrisch ermittelte Summenformel von C16H15NO2 exakt der Summenformel des

eingesetzten Edukts 90 entspricht, ergibt eine vernünftige Kombination der oben vorgestellten Struktureinheiten N-(Bicyclo[2.2.0]hexadien-1-ylacetyl)-phenylessigsäureamid

(206) als Strukturvorschlag (Ausbeute: 1 %).

Bemerkenswert ist die im 1H-NMR-Spektrum von 206 beobachtete ungewöhnlich große

4J-Kopplung von 8.1 Hz(78) zwischen den Methylenprotonen und dem methinischen H-Atom der benachbarten Dewarbenzol-Einheit.

Wegen der zu geringen zur Verfügung stehenden Substanzmenge konnte keine Röntgen-strukturanalyse durchgeführt werden.

(78) M. Hesse, H. Meier, B. Zeeh, Spektroskopische Methoden in der organischen Chemie, 4., überarbeitete Auflage, Georg Thieme Verlag Stuttgart, New York, 1991, S. 106f.

N H

O O

206 H H H

H

3.11.4.2 Reaktionsverlauf und mechanistische Betrachtungen

Die Bildung von 1,2-Diphenylethan (205) läßt sich durch Abb. 82 veranschaulichen.

O O

N

O O

H

O O

N

O O

H hν

O O

N

O O

H

*

- HNCO - CO

208 207

209

209 205

Abb. 82

. .

. .

90

Durch Lichtabsorption wird 90 zunächst in einen angeregten Zustand versetzt und zerbricht daraufhin gemäß einer Norrish-Typ-I-Spaltung(79) in das Phenylacetyl- (207••••) und das Phenylessigsäureamid-Radikal (208••••). Während letzteres unter Abspaltung von Isocyansäure zum Benzyl-Radikal (209••••) fragmentiert, entsteht das gleiche radikalische Bruchstück bei der Eliminierung von Kohlenmonoxid aus dem Phenylacetyl-Radikal (207••••). Eine Kombination der beiden Benzyl-Radikale (209••••) ergibt schließlich 205.

(79) Daß die photochemische Spaltung einer Bindung in α-Position zur Carbonylgruppe nicht allein auf Aldehyde und Ketone beschränkt ist, zeigt z. B. die Bildung der ortho- und para-Hydroxyderivate von Acetophenon aus Phenylacetat unter Lichteinwirkung;

Lowry Richardson, Mechanismen und Theorie in der Organischen Chemie, Verlag Chemie, Weinheim 1980, S. 794 und dort zitierte Literatur.

Aufgrund der energiereichen Strahlung der Hg-Mitteldrucklampe könnten jedoch ebenso σ→σ *-induzierte C-C-Bindungsspaltungen die Erzeugung von 205 auslösen.

Das Dewarbenzol-Derivat 206 ist offensichtlich das Produkt einer photochemischen Isomerisierungsreaktion (Abb. 83).

hν

O O

N

O O

H

O O

N

O O

H Hg-Mitteldruck

90 206

Abb. 83

Bereits im Jahr 1968 berichteten WARD und WISHNOK über die Entstehung von Dewarbenzol (210), Fulven (211) und Benzvalen (212) als Ergebnis einer Bestrahlung von reinem flüssigem Benzol (213) mit Licht einer O2-Entladungslampe (Wellenlängenbereich ca. 200-165 nm)(80) (Abb. 84).

hν

200-165 nm + +

213 210 211 212

Abb. 84

Die erhoffte Bildung von Diphenylmaleinsäureimid (59) aus 90 unter den von uns gewählten Bestrahlungsbedingungen fand gemäß eindeutigen Hinweisen der dünnschichtchromato-graphischen Reaktionskontrolle tatsächlich in geringem Ausmaß statt. In Substanz ließ sich das gesuchte Oxidationsprodukt allerdings nicht isolieren.

(80) H. R. Ward, J. S. Wishnok, J. Am. Chem. Soc., 1968, 90, 1085.

3.11.5 Umsetzung von N-(Phenylacetyl)phenylessigsäureamid mit NaH in DMF bei Raumtemperautur

in Gegenwart von Luftsauerstoff

Die in Kap. 3.1.4 (S. 58) gehegte Erwartung, daß Phenylessigsäureamid (30) durch Umsetzung mit NaH in DMF wenigstens bei Sauerstoffanwesenheit intermolekulare SET-gestützte C-C- bzw. C=C-Verknüpfungsreaktionen unter möglicher Bildung von Diphenylmaleinsäureimid (90) eingeht, wurde nicht erfüllt. N-(Phenylacetyl)phenylessigsäureamid (90) hingegen sollte einer oxidativen Verknüpfung seiner beiden Methylengruppen eher zugänglich sein, da diese intra-molekulare Variante der Doppelbindungsbildung bereits bei der Umsetzung von Biphenyl-2,2’-diacetamid (174) zu Phenanthren-9,10-dicarboxyimid (175) erfolgreich durchgeführt werden konnte.

3.11.5.1 Reaktionsführung und Produktcharakterisierung

Eine Mischung aus 90, NaH und DMF wurde 18 Stunden bei Raumtemperatur in Gegenwart von Luftsauerstoff gerührt, wobei die Suspension eine leuchtend zitronengelbe Farbe annahm.

Die DC-Kontrolle zeigte neben mehreren Produktflecken eindeutig die Entstehung von 59 an, so daß der Ansatz unverzüglich hydrolysiert wurde. Dabei schied sich ein weißgelber Niederschlag ab, den wir zur weiteren Reinigung einer präparativen Dünnschichtchromatographie unterzogen.

Beim Einengen des Ether-Extrakts der einzigen verwertbaren Bande kristallisierten hellgelb bis grünlich schimmernde, watteartig verfilzte Nädelchen aus, die sich gemäß NMR- bzw. Massen-spektrum als Diphenylmaleinsäureimid (59) erwiesen (Ausbeute: 13 %).

Ebenfalls nur eine verwertbare Fraktion lieferte die säulenchromatographischen Trennung der Methylenchlorid-Phase des verbliebenen wäßrigen Filtrats. Der Feststoff schied sich in Form von farblosen Nadeln von der Mutterlauge ab und wurde durch Mischschmelzpunktbestimmung als Benzoesäure (105) identifiziert (Ausbeute: 31 %).

Bei einer Verlängerung der Reaktionszeit von 18 Stunden auf sieben Tage vergrößert sich die Ausbeute an 59 von 13 auf 19 %.

3.11.5.2 Reaktionsverlauf und mechanistische Betrachtungen

Der Bildungsmechanismus von Diphenylmaleinsäureimid (59) läßt sich durch Abb. 85 veran-schaulichen, das in allen Einzelheiten Abb. 68 (S. 105) gleicht:

O O

Zu Beginn überträgt das anionisierte Eduktmolekül 90−−−− ein Elektron auf ein Sauerstoff-Teilchen, wobei das Radikal 90•••• entsteht. Letzteres wird erneut deprotoniert und unterliegt daraufhin einer weiteren SET-Reaktion durch Sauerstoff.

Das so gebildete Diradikal 203 cyclisiert sofort zum 1,2-Diphenylsuccinimid 204, welches wiederum einer zweifachen Deprotonierungs-/SET-Reaktionssequenz durch NaH bzw. O2 unter Entstehung von 59 unterliegt.

Obwohl neben Sauerstoff auch 90 (vgl. Kap. 3.11.3.2, S. 124f) als Ein-Elektronenakzeptor wirken könnte, zeigt die drastisch erhöhte Ausbeute an 59 bei Anwesenheit von Luftsauerstoff (13 vs. 0.4 %), daß offensichtlich O2 als bevorzugter Reaktionspartner in den SET-Schritten agiert(57).

Trotz der milden Reaktionsbedingungen erweist sich nicht die oxidative Kondensationsreaktion als Hauptreaktionsweg sondern der oxidative Abbau von 90 zu Benzoesäure (105). Deren Entstehung wurde schon bei der Umsetzung von Phenylessigsäureamid (30) mit NaH in Gegenwart von Luft beschrieben (Kap. 3.1.4.2, S. 60f). Legt man einen analog zur Reaktions-folge in Abb. 46 (S. 61) formulierten Bildungsmechanismus für die Erzeugung von 105 aus 90 zugrunde, unterscheiden sich die beiden Reaktionsfolgen nur dadurch, daß im Verlauf der Oxidation des Imids 90 zweimal anstelle von Isocyansäure Phenylacetylisocyanat abgespaltet wird. Ob letzteres schon während der Umsetzung zu 30 hydrolisiert(81) und somit als zusätzliche Benzoesäure-Quelle dienen kann, muß vorerst offen bleiben, obgleich nach der Aufarbeitung des Reaktionsgemischs kein 30 in Substanz gewonnen werden konnte.

(81) Daß Acylisocyanate prinzipiell leicht hydrolisieren, zeigten S. L. Arcus und B. S. Prydal am Beispiel des Benzoylisocyanats, das sich in einer heftigen Reaktion in wäßriger alkalischer Lösung zu Benzamid verseifen ließ; J. Chem. Soc., 1957, 1091.