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Vor dem Hintergrund der vorherrschenden Probleme in England und Deutschland genügend Künstler für die Truppenbetreuung zu gewinnen und der oftmals aus den unterschiedlichsten Gründen stockenden Organisation in den Einsatzgebieten war die quantitative und damit auch die konzeptionelle Zielsetzung auf beiden Seiten schwer zu erreichen. Die Quantität der Truppenbetreuung ist auf deutscher Seite nur schwach belegt und zum Teil propagandistisch verfärbt. Für die englische Seite werden genaue Zahlenangaben dadurch erschwert, dass in einer Statistik Filmvorführungen und Veranstaltungen in Übersee mitgezählt werden, in der nächsten wiederum nicht. Es darf nicht vergessen werden, dass die kulturelle Truppenbetreuung zu einem nicht unerheblichen Teil durch Film und Rundfunk stattfand, deren Quantifizierung gerade im Rundfunkbereich unmöglich erscheint. Über Wirkungsmöglichkeiten dieser beiden besonders wichtigen Medien im Rahmen der Truppenbetreuung soll deshalb im nächsten Kapitel gesondert eingegangen werden. Zudem ist eine eigenständige Freizeitgestaltung der Einheiten zu berücksichtigen, die zwar nicht quantifizierbar, aber Teil der Untersuchung in Abschnitt E sein wird. Dessen ungeachtet setzte sich ENSA in quantitativer Hinsicht zum Ziel, dass jeder Soldat einmal in der Woche eine Bühnendarbietung („live entertainment“) zu sehen bekommen sollte.644 Dagegen wollte die NS-Gemeinschaft „KdF“ jedem Soldaten mindestens alle zwei Wochen eine Vorstellung bieten.645

Entscheidend für diese Vorgaben war die Anzahl der gewonnen Künstler. Die gefundenen Zahlen der eingesetzten Akteure auf deutscher Seite sind wie gesagt selten, oftmals verworren und von Beschönigungen durchsetzt. Aus den Unterlagen geht zudem nicht hervor, für welchen Zeitraum wieviel Künstler eingesetzt worden sind. In einer Bekanntmachung Hans Hinkels vom Herbst 1940 sprach er von 7.000 eingesetzten Künstlern.646 Drei Jahre später berichtete der Chef der Abteilung Inland im

644 Memorandum von General-Major H. Willans, Director-General of Welfare and Education, vom Januar 1941: „Live Entertainment for the Army. Statement of policy regarding the provision of professional, Service and amateur entertainment for the Army at home“. PRO, T 161 / 1083.

645 Kaufmann, Medienmanipulation, S. 192. Diese Forderung wird wiederholt in Stimmungsberichten geäußert: „Jeder Angehörige der Division soll mindestens alle 14 Tage einmal einer Film- oder Theatervorstellung, sofern genügend vom Korps zugewiesen wird, beigewohnt haben.“ Hierzu Tätigkeitsbericht der Abteilung Ic der 15. Infanteriedivision vom 29. Dezember 1940. BA-MA, RH 26-15 / 22.

646 Bekanntmachung Hans Hinkels: „Truppenbetreuung. Grossdeutschlands Künstler vom Polarkreis bis zur Biskaya“. Ohne Datum, dem Inhalt nach aber vom Herbst 1940. BArch, Berlin, R 56 I / 108, Bl. 14.

OKW, Oberst von Beguelin, bei einer Tagung der Armeebetreuungsoffiziere von 4.000 eingesetzten Künstlern bei der Wehrmacht, aber ebenfalls ohne einen Hinweis auf den Zeitraum.647 Diese Angaben erscheinen mehr als dürftig. Waren zum Zeitraum der Ausführungen Hinkels 7.000 Künstler im Monatsdurchschnitt eingesetzt, 1943 hingegen nur noch 4.000? Oder beziehen sich die Zahlen auf einen größeren Zeitraum?

Im Falle der 7.000 Hinkelschen Künstler um die Zeit von Kriegsbeginn bis zum Beginn der Westoffensive am 10. Mai 1940? Das wären dann etwa 875 Künstler im Monat gewesen. Die Kosten der deutschen Truppenbetreuung, die Anzahl der Veranstaltungen und der offenkundige Mangel an Personal sprechen eher für einen durchschnittlichen Personalbestand von 7.000 Künstlern im Monat.

Immer wieder bemängelten die Organisatoren auf deutscher Seite das Fehlen „an guten Kräften“. Am 17. April 1941 ging aus einem Bericht des Sicherheitsdienstes (SD) hervor, dass ein „ausserordentlich starker Mangel“ an Künstlern im Theaterwesen herrschte und die Intendanten bereits „die Nerven verloren“.648 Das Propagandaministerium hielt die Lage für besorgniserregend.649 Sie verschärfte sich noch zunehmend durch die weiteren Einberufungen von Künstlern zur Wehrmacht, und rief die Befürchtung hervor, dass die Spielpläne der zivilen Theater über den „Haufen geworfen“ werden könnten.650 Diese Tendenz setzte sich 1942 und 1943 fort, womit die abnehmende Zahl der eingesetzten Künstler, von im Monat durchschnittlich 7.000 im Jahre 1940 auf 4.000 im Jahre 1943 durchaus zu erklären wäre.651 Offensichtlich verschärfte sich die Personallage auf deutscher Seite eklatant. Hinkel setzte sogar

Die Zahl von 7.000 Künstlern wiederholte Hinkel in einem weiteren Vortragsskript: „Die kulturelle Betreuung unserer Soldaten“. Ebenfalls undatiert, dem Inhalt nach aber auch vom Herbst 1940. BArch, Berlin, R 56 I / 108, Bl. 4.

647 Ausführen des Oberst von Beguelin, Chef der Abteilung Inland im OKW, auf einer Tagung der Armeebetreuungsoffiziere am 10. Juli 1943: „Die Aufgaben der Abteilung Inland des OKW in der wehrgeistigen Führung und Betreuung der Truppe“. BA-MA, RW 6 / 407.

648 Bericht des Reichsführers SS und Chef der Deutschen Polizei Nr. 179, 17. April 1941, IfZ, MA-234.

649 Brief des RMVP an das Reichsinnenministerium vom 11. Juli 1941: „Entwicklung der Bühnengagen, Gagenstop“. BArch, Berlin, R 55 / 129, Bl. 287.

650 Brief des Reichspropagandaamtes Saarpfalz an das RMVP vom 30. September 1941: „Mißstände zum Schaden des deutschen Theaters“. BArch, Berlin, R 55 / 949, Bl. 249.

651 Weitere Beschwerden über eine „erhebliche Verknappung des zur Verfügung stehenden künstlerischen Personals“ finden sich bis 1943 und darüber hinaus. Siehe hierzu beispielsweise einen Brief des Finanzministeriums an Hans Hinkel vom 7. März 1942, BArch, Berlin, R 56 I / 22, Bl. 1.

Tätigkeitsberichte des Ic des Wehrmachtsbefehlshabers in Norwegen vom Oktober 1942 und Januar 1943, BA-MA, RW 39 / 38 und RW 39 / 41. Und einen Brief Hans Hinkels an den Gauleiter Hofer vom 13. November 1943, BArch, Berlin, R 56 I / 105, Bl. 21/22.

Anfang 1944 entgegen aller ideologischen und konzeptionellen Vorbehalte „russische Artisten“ zur Truppenbetreuung in Frankreich und Dänemark ein.652

Für die englische Seite ist die Anzahl der engagierten Künstler zu Beginn des Krieges ebenfalls schwer zu eruieren, da die verpflichteten Spielgruppen und Künstler unter den vier Kategorien aufgezählt wurden. Bis zum März 1940 hatte ENSA schätzungsweise 6.500 Künstler beschäftigt, was einem Monatsschnitt von 1.000 Künstlern gleichkam.653 John Graven Hughes schrieb in seinem Buch „The Greasepaint War“, dass ENSA bis Juni 1940 zusätzlich insgesamt 500 Künstler nach Frankreich geschickt hatte.654

Im Januar 1941 verfügte ENSA nach eigenen Angaben über 27 Spielgruppen der Kategorie A, 33 der Kategorie B, 80 der Kategorie C und 51 der Kategorie D, was in etwa einer Stärke von 1.400 Künstler gleichkam.655 Diese Schätzung deckt sich ungefähr mit den 1.200 Künstlern, die laut dem IDEB im März 1941 im Monatsdurchschnitt bei ENSA unter Vertrag standen.656 Im Gegensatz zur deutschen Seite gelang es der englischen offenbar immer mehr Künstler zu gewinnen, auch wenn sie durchschnittlich weniger Künstler unter Vertrag hatte als ihr Gegner. Im Februar 1942 standen immerhin etwa 2.100 Künstler bei ENSA unter Vertrag.657 Im September 1942 veröffentlichte das NSEB erstmals Zahlen über die eingesetzten Künstler in Übersee. Spärliche 120 Künstler im Mittleren Osten, 80 in Westafrika und 20 in den übrigen Überseegebieten waren zu diesem Zeitpunkt eingesetzt. Diese 220 Künstler erschienen gegenüber den etwa 3.200 in Großbritannien gering.658

652 Brief des VINETA Propagandadienstes and das Reichswirtschaftsministerium vom 11. März 1944:

„Devisenbeschaffung für die kulturelle Betreuung der im Westen eingesetzten Freiwilligenverbände des Ostens“. BArch, Berlin, R 55 / 641, Bl. 84.

653 Entertainments National Service Association. Report to Central Committee on the first six months‘

work for our association with the Navy, Army and Air Force Institutes, S. 2-4. PRO, T 161 / 1181. Vgl.

hierzu auch Memorandum Basil Deans vom 24. April 1940: „The Theatre in Emergency, No. 3.

Entertaining the Troops: The Story of ENSA“, S. 2. John Rylands Library, University of Manchester, 5 / 1 / 422-1.

654 Hughes, Greasepaint War, S. 58.

655 Für diese Schätzung gehe ich von durchschnittlich 30 Künstlern für die Kategorie A Spielgruppen aus, 15 Künstler für Kategorie B und 4 für Kategorie D, während es sich bei Kategorie C um mobile Filmvorführgeräte handelt. Inter-Departmental Entertainments Board. Mr. Basil Dean’s Report upon Co-ordination of National Service Entertainment vom 4. Januar 1941, S. 4.. PRO, T 161 / 1083.

656 Inter-Departmental Entertainments Board. First Report, März 1941, S. 5. PRO, T 161 / 1083.

657 Memorandum Basil Deans vom 6. Februar 1942: „National Service Entertainment. Mobilisation and Use of Professional Entertainers and Musicians“, S. 2. PRO, T 161 / 1457. Verifiziert wird diese Angabe durch 33 Kategorie A Spielgruppen, 42 der Kategorie B und 65 der Kategorie D im April 1942. Siehe hierzu National Service Entertainments Board. Minutes of Second Meeting, 16. März 1942. PRO, T 161 / 1083. Vgl. hierzu Hughes, Greasepaint War, S. 106: „By the end of 1941 Basil Dean was able to announce that ENSA was employing just under 2.000 men and women“.

658 Diese 3.200 Künstler bildeten 44 Spielgruppen der Kategorie A, 95 der Kategorie B und 110 der Kategorie D. Siehe hierzu National Service Entertainments Board. Draft Minutes of Third Meeting vom 30. September 1942, S. 3 und 5. PRO, LAB 26 / 43.

Vergleicht man die Zahlen beider Länder, so standen im Herbst 1940 etwa 7.000 deutsche Künstler gerade einmal 1.200 englischen Künstlern gegenüber. Im Juli 1943 hatten sich die Zahlen angeglichen. 4.000 deutsche Künstler traten nun in der Truppenbetreuung den schätzungsweise ebenfalls 4.000 englischen Künstlern entgegen, wenn man die 3.200 englischen Künstler vom Oktober 1942 zur Grundlage nimmt und den quantitativen Anstieg der englischen Truppenbetreuung berücksichtigt.659

Lassen sich diese Zahlen auch anhand der gegebenen Veranstaltungen verifizieren? In der bereits erwähnten Bekanntmachung Hinkels sprach dieser von „15.000 Veranstaltungen im Monatsdurchschnitt“.660 Geht man von einer durchschnitlichen Ensemblestärke von zehn Personen aus, hätten etwa 700 Ensembels 15.000 Veranstaltungen gegeben, was einen plausiblen Durchschnitt von etwa 20 Veranstaltungen pro Ensemble im Monat ergeben würde.661 Die NS-Gemeinschaft

„KdF“ meldete am 8. August 1940 täglich 150 durchgeführte Veranstaltungen allein in den besetzten Gebieten von Frankreich und den Benelux-Ländern und seit Kriegsausbruch insgesamt 100.000.662 Gemessen an der vergangenen Zeit wären dies knapp 10.000 Veranstaltungen im Monatsdurchschnitt. Berücksichtigt man den schleppenden Beginn bis zum Winter 1939/1940 käme dies den vom RMVP angegebenen 15.000 Veranstaltungen zuletzt sehr nahe. Anderslautende Zahlen, die Hans Hinkel in einer Rede in Prag im Juli 1941 verkündete, können deshalb falsifiziert werden: „Nicht weniger als 14.000 Künstler sind gegenwärtig für die kulturelle Truppenbetreuung eingesetzt. Monatlich finden ungefähr 70.000 Veranstaltungen für die Wehrmacht statt“.663 Diese Zahlen standen in einem ambivalenten und übertriebenen Verhältnis zu denen aus den genannten Berichten, weshalb man die Angaben in dieser Rede als propagandistische Verfälschung ansehen muss. Dass die Nationalsozialisten sich in Widersprüchen verstrickten, ging aus einer Pressekorrespondenz vom 4. September 1941 hervor. Darin veröffentlichte man die

659 Zudem spricht John Ellis in seinem Buch von 4.000 Künstlern, die ENSA zu Beginn der Invasion im Juni 1944 unter Vertrag hatte. Hierzu John Ellis, The Sharp End of War. The Fighting Man in World War II, London 1980, S. 302.

660 Bekanntmachung Hans Hinkels: „Truppenbetreuung. Grossdeutschlands Künstler vom Polarkreis bis zur Biskaya“. Ohne Datum, dem Inhalt nach aber vom Herbst 1940. BArch, Berlin, R 56 I / 108, Bl. 14.

661 Viele Spielgruppen bestanden zwar nur aus 2 bis 4 Leuten, auf der anderen Seite fanden sich aber Gruppenstärken von 20 Personen und mehr bei größeren Produktionen.

662 Die Leistungen der NS-Gemeinschat „KdF“ im Rahmen der kulturellen Betreuung für die Wehrmacht, verfasst von Bodo Lafferentz am 8. August 1940. BArch, Berlin, R 56 I / 108, Bl. 26/27.

Zahl von 4.000 im Monat eingesetzten Künstlern mit sechs Millionen Besuchern auf 20.000 Veranstaltungen. Im nächsten Satz jedoch gab man bekannt, dass für den Zeitraum „von September 1939 bis Juni 1941 250.381 Wehrmachtveranstaltungen“

gegeben wurden.664 Das ergibt allerdings nur einen Schnitt von knapp 12.000 Veranstaltungen im Monat.

1943 sprach Hinkel dann von 50.000 Veranstaltungen im Monat, was aber durch die 4.000 genannten Künstler nicht zu bewerkstelligen gewesen wäre.665 Diese werden es schätzungsweise weiterhin auf ungefähr 10.000 bis 12.000 Veranstaltungen gebracht haben. In einem Artikel des „Angriff“ gab Bodo Lafferentz vom 21. Juli 1944 – rund einen Monat vor der offiziellen Einstellung der Truppenbetreuung – an, dass insgesamt 836.000 Veranstaltungen im Krieg durchgeführt worden seien, was wiederum einen Monatsschnitt von knapp 14.000 ergab.666 Abhängig von der Kriegslage gaben die deutschen Truppenbetreuer demnach jeden Monat zwischen 10 und 15tausend Veranstaltungen.

Wieviele Veranstaltungen stellte ENSA pro Monat auf die Beine? Für die ersten zwei Monate sprach Basil Dean in einem Memorandum von über 2.000 gegebenen Aufführungen.667 Nach seinen Angaben kam die Truppenbetreuung erst langsam in schwung und schwankte zu Beginn in ihrer Quantität. Im Dezember 1939 sollen es etwa 4.000 Vorführungen gewesen sein, im Juli 1940 hingegen nur etwa 2.400, wofür die Kampfhandlungen in Frankreich eine nachvollziehbare Erklärung liefern, da Einheiten auf dem Festland wie Großbritannien nun gebunden waren und nicht betreut werden konnten.668

In der Woche vom 9. bis zum 16. Februar 1941 gab ENSA 1.250 Veranstaltungen in Großbritannien, auf den Monat gerechnet waren das 5.000 Veranstaltungen, die von 160

663 Ausschnitt aus der Zeitung „Der neue Tag“ vom 13. Juli 1941: „Staatsrat Hinkel sprach in Prag“.

BArch, Berlin, NS 5 VI / 19106.

664 Mitteilung des Verlags für Pressekorrespondenzen vom 4. September 1941: „Soldaten werden unterhalten. KdF in Zahlen“. BArch, Berlin, NS 5 VI / 1146.

665 Vortragsskript Hans Hinkels: „Truppenbetreuung“. Undatiert, dem Inhalt nach vom Sommer 1943.

BArch, Berlin, R 56 I / 110, Bl. 107.

666 Aus „Der Angriff“, Nr. 178 (21.7.1944).

667 Memorandum Basil Deans vom 28. November 1939: „Entertaining the Troops“. John Rylands Library, University of Manchester, 5 / 1 / 421.

668 Journal of the Royal Society of Arts vom 26. Juli 1940: „The Theatre in Emergency“ von Basil Dean, S. 762. John Rylands Library, University of Manchester, 5 / 1 / 423. Hinzu kamen im Dezember 1939 etwa 800 gegebene Veranstaltungen in Frankreich, und im April 1940 1.800. Siehe hierzu Memorandum Basil Deans vom 24. April 1940: „The Theatre in Emergency, No. 3. Entertaining the Troops: The Story of ENSA“, S. 2. John Rylands Library, University of Manchester, 5 / 1 / 422-1.

Spielgruppen der Kategorie A, B und D aufgeführt worden waren; Einsätze in Übersee waren in diesen Zahlen nicht berücksichtigt.669 Das bedeutete, dass die englischen Spielgruppen zu diesem Zeitpunkt 30 Vorstellungen im Monat gaben, die deutschen wie erläutert nur etwa 20. Der Grund lag sicherlich in der unterschiedlichen Entfernung, die die Spielgruppen zurücklegen mussten, um Einheiten zu erreichen. War das Betreuungsgebiet Großbritanniens kompakt und überschaubar, mussten die deutschen Truppenbetreuer weite Entfernungen in den besetzten Gebieten zwischen den Vorstellungen zurücklegen.670 Durch die Konzentrierung der britischen Truppen war es den dortigen Spielgruppen möglich, mehrere Veranstaltungen an einem Tag zu geben.

Während eines dreizehnmonatigen Einsatzes gab die Miller-Band geschätzte 956 Vorstellungen, das entsprach zwei bis drei Vorstellungen am Tag und einer enormen logistischen wir organisatorischen Leistung.671

Weitere Zahlen für die englische Seite sind belegt: im Juli 1941 gab ENSA 6.000 Veranstaltungen für die Truppen in Großbritannien, im Dezember 1941 8.175.672 Im Februar waren es bereits 2.500 Veranstaltungen in der Woche, die in Großbritannien gegeben wurden, was 10.000 Veranstaltungen im Monat ergab. Hinzu kamen verstärkt Darbietungen in Übersee, für die aber zu diesem Zeitpunkt keine Zahlen überliefert sind.673 Es kann aber davon ausgegangen werden, dass nur noch ein kleiner Bruchteil an Veranstaltungen hinzukam, da der Mittelmeeraum erst zu diesem Zeitpunkt verstärkt in das Betreuungsschema von ENSA mit einbezogen wurde: „The most urgent demands for increased entertainment for all Services in the Middle East have been made; and it has been reported to the Committee upon various occasions that the present ration in this field of war is gravely inadequate“.674

Im Forster Report vom Dezember 1943 wurden 127.000 Veranstaltungen für Großbritannien genannt, die von über 25 Millionen Soldaten besucht worden waren,

669 ENSA Entertainments given to the Navy, Army and RAF in the week ending February 16th, 1941.

PRO, T 161 / 1083.

670 Aufgrund der weiten Entfernungen gab es auch die Anweisung, dass Ensembles „nur noch einmal am Tage eingesetzt“ werden sollten, damit sie nicht überanstrengt und „für längere Zeit spielfähig bleiben“

würden. Anweisung der Abteilung OKW/WPr: „Richtlinien für die geistige Betreuung der Truppe“.

Undatiert, dem Inhalt nach vom Sommer 1940. BA-MA, RH 45 / 25.

671 Taylor, Showbiz, S. 143.

672 Memorandum vom 9. Februar 1942. Aus der Akte ist nicht entnehmbar, wer das Memorandum verfasst hat. Dem Inhalt nach stammt es aus ENSA-Kreisen, da Beschwerden des Militärs entkräftet werden. PRO, T 161 / 1457.

673 Memorandum Basil Deans vom 6. Februar 1942: „National Service Entertainment. Mobilisation and Use of Professional Entertainers and Musicians“, S. 2. PRO, T 161 / 1457.

674 Department of National Service Entertainment: „Entertainment Programme for 1942/43“, vom 10.

Februar 1942. PRO, T 161 / 1083.

wobei nicht klar erschien, für welchen Zeitraum diese Zahl galt. Wahrscheinlich war das die Summe für das Jahr 1943, was wiederum etwa 10.000 Veranstaltungen im Monatsschnitt entsprochen hätte.675

Basil Dean selber gab in seinem nach dem Krieg veröffentlichten Buch an, dass im Zeitraum April 1943 bis März 1944 158.000 Veranstaltungen in Großbritannien und noch einmal 41.000 in Übersee gegeben worden waren, schloss darin aber Filmvorführungen mit ein.676 Interessant erschien das Resumee das Basil Dean nach dem Krieg zog. Im Winter 1945, nach der Kapitulation Japans, erreichte die englische Truppenbetreuung ihr stärkstes Ausmaß. Für den Zeitraum vom 25. Januar bis 24.

Februar 1946 wurden in Großbritannien 16.601 Vorstellungen, in Nord-West Europa 2.588 und in den anderen Übersee-Gebieten 14.407 Veranstaltungen gegeben;

insgesamt 33.596 Veranstaltungen in einem Monat, was gegenüber den ersten Monaten des Krieges einer enormen Leistungssteigerung entsprach.677 Bis zum November 1945 hatte ENSA laut Parlamentsdebatten 1,25 Millionen Veranstaltungen gegeben. Das ergab, Filmvorführungen wiederum mit einbezogen, einen Schnitt von knapp 17.000 Veranstaltungen im Monat.678 Damit lag die englische Truppenbetreuung klar über dem deutschen Durchschnitt.

Nimmt man diese Zahlen zur Grundlage, so gab ENSA in den ersten beiden Jahren des Krieges zwar weniger Veranstaltungen als die deutsche Seite, und zog erst 1943 mit 12.000 Veranstaltungen gleich, expandierte aber nach 1943 dermaßen, dass sie die deutsche Truppenbetreuung zuletzt bei weitem überflügelte. Zudem muss für die deutsche Seite ab 1944 die schlechte militärische Situation berücksichtgt werden, die zu gravierenden Einschnitten in der Truppenbetreuung führte. Nichtsdestotrotz muss die englische Truppenbetreuung auch in den ersten Jahren des Krieges in ihrem quantitativen Ausstoß höher bewertet werden als die deutsche, denn die englischen Truppenbetreuer hatten weit weniger Soldaten zu betreuen.

Im September 1939 hatte die britische Armee gerade einmal die Stärke von 680.000 Mann. Im Dritten Reich standen zu diesem Zeitpunkt bereits knapp 3,2 Millionen Mann

675 Hinzu kamen etwa 70.000 Veranstaltungen für das Ministry of Labour and National Service. John Forster Report vom 17. Dezember 1943. PRO, T 161 / 1163.

676 Dean, Theatre, S. 317.

677 Dean, Theatre, S. 541. Dabei darf nicht übersehen werden, dass Truppen auf dem asiatischen Kriegsschauplatz erst seit 1944 in das Betreuungsschema von ENSA mit einbezogen wurden. Hierzu Ellis, Sharp End, S. 302.

678 Debatte im House of Commons: „ENSA Inquiry“ vom 29. November 1945. John Rylands Library, University of Manchester, 5 / 1 / 427.

unter Waffen. Während auf deutscher Seite 1943 etwa 9,5 Millionen Soldaten mobilisiert waren, sind es auf dem europäischen Kriegsschauplatz, Truppen des Commonwealth (Indien, Neuseeland, Australien, Kanada, Südafrika) mit eingerechnet, 1944 gerade einmal vier Millionen Soldaten auf britischer Seite gewesen.679 Somit kam zum Zeitpunkt des höchsten quantitativen Truppenbetreuungsaustoßes im Jahre 1943 in Deutschland 15.000 Veranstaltungen auf 9,5 Millionen Soldaten, hingegen 16.700 Veranstaltungen auf vier Millionen Soldaten des Commonwealth. Das ergab im Vergleich für die englische Truppenbetreuung in etwa die gleiche Zahl an Veranstaltungen für weniger als die Hälfte der Soldaten. Die Resultate sprechen für sich. Es kam somit eine Veranstaltung auf britischer Seite auf 240 Soldaten, im Dritten Reich auf 634 Soldaten. Gegen Ende des Krieges verbesserte sich das Verhältnis auf britischer Seite weiter. Mit etwa 30.000 Veranstaltungen pro Monat im Jahre 1945 und insgesamt etwa sechs Millionen zu betreuenden Soldaten (Asien mit einbezogen) ergab sich eine Betreuungsdichte von einer Veranstaltung auf 200 Soldaten.

10 bis 15tausend Veranstaltungen genügten damit nur selten den Anforderungen der Wehrmacht. Aufgrund der technisch wie organisatorisch beschränkten Möglichkeiten einzelner Programme, direkt an der Front zu spielen, und der weiten Ausdehnung des besetzten Gebietes und damit Verteilung der Einheiten, scheint eine regelmäßige Betreuung aller Truppenteile daher eher unwahrscheinlich, ja sogar unmöglich. In diesem Sinne vermerkte Goebbels im Januar 1942 in seinem Tagebuch, dass der Umfang der Truppenbetreuung trotz aller Bemühungen immer noch unzureichend sei.680 Auf deutscher Seite zog sich ein roter Faden der Beschwerde durch alle Kriegsjahre hindurch. Wiederholt kritisierten die Wehrmachteinheiten die ungenügende Zahl an Frontbühnen und Veranstaltungen.681 Nicht zuletzt deshalb forderte das OKW den verstärkten Einsatz von Filmvorführgeräten, um den Bedarf der Freizeitgestaltung wenigstens einigermaßen zu decken.682 Nicht die Gesamtzahl der Veranstaltungen empfand die Wehrmacht als zu gering, viel schlimmer wog in ihren Augen deren

679 Die Zahlen sind folgendem Werk entnommen: Ellis, The World War II Databook, S. 227-229.

680 Eintrag am 19.1.1942: „Die Truppenbetreuung ist eine wertvolle Bereicherung unserer geistig-seelischen Führung der Front, und ich kann hier wieder einmal sehen, von welch einem großartigen Einfluß sie auf die Truppe ist. Es ist nur schade, daß wir auf diesem Gebiet nicht mehr tun können. Aber die Kräfte, die wir überhaupt besitzen, werden, soweit möglich, eingesetzt.“ Zitiert aus Fröhlich (Hg.),

680 Eintrag am 19.1.1942: „Die Truppenbetreuung ist eine wertvolle Bereicherung unserer geistig-seelischen Führung der Front, und ich kann hier wieder einmal sehen, von welch einem großartigen Einfluß sie auf die Truppe ist. Es ist nur schade, daß wir auf diesem Gebiet nicht mehr tun können. Aber die Kräfte, die wir überhaupt besitzen, werden, soweit möglich, eingesetzt.“ Zitiert aus Fröhlich (Hg.),