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Film und Rundfunk waren im Zweiten Weltkrieg noch junge Medien. Die Filme hatten Anfang der dreißiger Jahre das Sprechen gelernt, und ein Kinobesuch galt seither als das beliebteste Freizeitvergnügen in England und Deutschland. Gegen Kriegsausbruch gab es in Großbritannien schätzungsweise 4.800 und in Deutschland 6.700 Kinos.720 Mehr als 18 Millionen Briten (von insgesamt 46 Millionen) gingen bereits 1934 einmal wöchentlich ins Kino, eine Zahl, die sich bis 1945 noch verdoppeln sollte.721 Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges waren es bereits 25 bis 30 Millionen.722 Damit war Kino in Großbritannien die beliebteste Freizeitaktivität und wurde als ideales Mittel angesehen, Alltagssorgen für wenige Stunden zu vergessen und in eine andere Welt zu flüchten.723 Signifikant für diesen Aufschwung war die Popularität des Mediums in der Arbeiterklasse.724 Wurde Theater von der Industriearbeiterschaft weiterhin als ein bürgerliches bzw. „upper class“ Vergnügen angesehen – ausgenommen sei hier die

„music-hall“-Kultur –, diente das Kino vornehmlich als Unterhaltung des einfachen Volkes und blieb es auch während des Zweiten Weltkrieges.725 Zu dieser Tatsache führte nicht zuletzt auch die negative Einstellung vieler Politiker, Intellektueller und Kirchenvertreter gegenüber dem „second-rate“-Medium zu Anfang der dreißiger Jahre, das ihrer Ansicht nach „killing off not only live theatre but many other forms of recreational activity that had called for active and creative participation“.726 Der Besuch einer Kinovorstellung wurde von ihnen als typisches Merkmal der apathischen Haltung

720 Aldgate/Richards, Britain Can Take It, S. 2. Und Drewniak, Der deutsche Film, S. 608. Die stärkste Kinodichte in Europa wies Belgien mit 1100 Filmtheatern auf. Hier gab es 135 Filmtheater auf eine Million Einwohner. Danach folgten England mit 109, Frankreich mit 100, Deutschland mit 77, Holland mit 38 und die Schweiz mit 30 Lichtspieltheatern.

721 James Chapman, The British at War. Cinema, State and Propaganda, 1939-1945, London 1998, S. 3.

Vgl. hierzu Aldgate/ Richards, Britain Can Take It, S. 3. Allerdings durchlief das britische Kino 1941 ein Tief, als von den etwa 4800 Kinos alleine über 600 wegen Zerstörung durch den Krieg oder wegen der Mobilisierung des Personals ihren Betrieb einstellen mussten. Zu dieser Zeit fiel die Besucherzahl um etwa 25 Prozent, um in den darauffolgenden Jahren wieder sprunghaft anzuwachsen. Hierzu Toeplitz, Geschichte des Films, S. 41.

722 Steven Fielding, The Good War: 1939-1945, in: Nick Tiratsoo (Hg.), From Blitz to Blair. A new history of Britain since 1939, London 1997, S. 25-52, S. 40.

723 Donnelly, Britain in the Second World War, S. 79.

724 Siehe hierzu Nicholas Pronay, The news media at war, in: Ders. (Hg.), Propaganda, Politics and Film, 1918-45, London 1982, S. 173-208, hier S. 176. Die sozial schwächeren Menschen und die mit einfacher Bildung frequentierten das Kino am meisten. Die Zusammensetzung des Publikums änderte sich auch während des Krieges nicht und blieb die gleiche wie schon in den 30er Jahren. Hierzu Aldgate/Richards, Britain Can Take It, S. 3.

725 Ebenda.

162 vieler Arbeiter in Zeiten der Massenarbeitslosigkeit gesehen. Fokus der Kritik war der fiktive Inhalt vieler Filme, der die Realität ausblenden würde und damit den Blick dafür verschwimmen ließe.727 Am Siegeszug des Films konnte dieser Standpunkt freilich nichts ändern, ganz im Gegenteil, die Fiktion der gezeigten Lebenswelten war die wesentliche Voraussetzung für den Erfolg, denn sie generierte und teilte die Hoffnungen, Überzeugungen und Ängste der Zuschauer.728 Hierin lag auch ein wesentlicher Moment für den Erfolg von Filmvorführungen im Rahmen der kulturellen Truppenbetreuung. Während des Zweiten Weltkrieges verstummte denn auch jede gegenteilige Meinung.

In Deutschland erfuhr der Film eine ähnlich grandiose Konjunktur. Insbesondere durch die Wochenschau, die in den ersten Kriegsjahren von vielen Deutschen als Informationsquelle über den Kriegsverlauf herangezogen wurde, stiegen die Besucherzahlen in den Kinos rapide an.729 Innerhalb von neun Jahren vervierfachte sich die jährliche Zahl der Kinobesucher von 250 Millionen im Jahre 1933 auf eine Milliarde 1942.730 Im Gegensatz zu den immer mehr beschränkten künstlerischen und wirtschaftlichen Möglichkeiten – Kostenentwicklung, Materialmangel, einberufenes Fachpersonal, begrenzte Filmlänge und kriegsbedingte Produktionsverschiebungen – stieg der Kinobesuch vor allem während der ersten Kriegsjahre ständig an, wofür u.a.

das vorhandene Ablenkungsbedürfnis und mangelnde Möglichkeiten, das Geld anderweitig sinnvoll anlegen zu können, verantwortlich gemacht werden dürften.731

In dem Maße wie Kino in den dreißiger Jahren ein fester Bestandteil der Freizeitkultur in Deutschland wurde, wurden die Sendungen des Rundfunks ein integrierter Teil der Alltagskultur.732 Selbst in weiten Teilen der Landbevölkerung erlangte der Rundfunk einen großen Verbreitungsgrad, und 1941 hatten „in Gemeinden mit bis zu 5.000

726 Peter Stead, The people and the pictures. The British working class and film in the 1930s, in: Nicholas Pronay (Hg.), Propaganda, Politics and Film, 1918-45, London 1982, S. 77-97, hier S. 78.

727 Stead, The people and the pictures, S. 85.

728 Robert Murphy, British Cinema and the Second World War, London 2000, S. 4.

729 David Welch, Propaganda and the German Cinema 1933-1945, Oxford 1983, S. 196f. Hierzu auch Welch, Nazi Wartime Newsreel Propaganda, S. 208.

730 Grunberger, Das Zwölfjährige Reich, S. 391.

731 Knippschild/Udovic, Steuerungsmaßnahmen, S. 268.

732 Monika Pater, Rundfunkangebote, in: Inge Marßolek/Adelheid von Saldern (Hg.), Zuhören und Gehörtwerden I. Radio im Nationalsozialismus. Zwischen Lenkung und Ablenkung, Tübingen 1998, S.

129-242, hier S. 129.

163 Einwohnern […] immerhin rund 54% der Haushalte ein Radiogerät“.733 Dennoch blieben viele Haushalte weiterhin ohne ein solches, dem laut Goebbels „unentbehrlichen Lebensbegleiter des deutschen Volkes“ und „kraftvollsten Mittler zwischen Führung und Volk“.734 Für den 1. April 1939 sind in amtlichen Statistiken rund zwölf Millionen angemeldete Rundfunkempfänger ausgewiesen, am 1. April 1940 14,2 Millionen und wiederum zwölf Monate später 15,2 Millionen.735 Die konzeptionellen Überlegungen der Nationalsozialisten zielten daher beständig „auf ein attraktives Maßnahmepaket, das die Erweiterung des Geräteangebots, die Verbesserung der Empfangsqualität, eine bevölkerungsfreundliche Gebührengestaltung und einen hohen Unterhaltungswert vorsah“.736 Der Ausbau des Sendernetzes wurde zu Kriegsbeginn vehement vorangetrieben, sah man doch im Rundfunk die „modernste Waffe des modernen Krieges“.737 Die Entwicklung und Distribution des Volksempfängers war ebenfalls eine wichtige Voraussetzung, wurde kriegsbedingt aber letztendlich stark eingeschränkt.

Vorbereitet war die Produktion eines Massengerätes bereits von der Industrie in der Weimarer Republik, die Nationalsozialisten übernahmen die Pläne.738 Der Hauptgrund für die Forcierung der Produktion lag für die Nationalsozialisten in der großen Bedeutung des Rundfunks als Mittel der Propaganda und Massenführung, denn „er ermöglichte die schnelle und unmittelbare Verbreitung der Nachrichten“ und „hatte eine

733 Florian Cebulla, „Der Bauer spricht – der Bauer hört“ – Rundfunk und ländliche Gesellschaft 1924-1945, phil. Diss. Kassel 2002, S. 476. Zu dem gleichen Ergebnis kommt Uta C. Schmidt, Radioaneignung, in: Inge Marßolek/Adelheid von Saldern (Hg.), Zuhören und Gehörtwerden I. Radio im Nationalsozialismus. Zwischen Lenkung und Ablenkung, Tübingen 1998, S. 243-360, S. 261f.

734 Zitiert aus Schmidt, Radioaneignung, S. 262. Und Joseph Goebbels, Ansprache zum 50.

Wunschkonzert für die Wehrmacht, in: Rundfunkarchiv. Zeitschrift für Rundfunkrecht und Rundfunkwirtschaft. Mitteilungsblatt der „Deutschen Rundfunkarbeitsgemeinschaft“, Band 14 (1940), S.

419-421, hier S. 420.

735 Walter Klingler, Nationalsozialistische Rundfunkpolitik 1942-1945. Organisation, Programm und die Hörer, phil. Diss. Baden-Baden 1983, S. 55. So auch bei Grunberger, Das Zwölfjährige Reich, S. 417.

Roger Manvell und Heinrich Fraenkel nennen für 1938 9 ½ Millionen Radioempfänger in Deutschland.

Hierzu Manvell/ Fraenkel, Doctor Goebbels, S. 127.

736 Schmidt, Radioaneignung, S. 281.

737 Gert Eckert, Stimme der Nation, in: Rundfunkarchiv. Zeitschrift für Rundfunkrecht und Rundfunkwirtschaft. Mitteilungsblatt der „Deutschen Rundfunkarbeitsgemeinschaft“, Band 14 (1940), S.

427-428, hier S. 427. Im September 1939 verfügte Deutschland über 41 Sender im Mittel- und Langwellenbereich sowie 9 Kurzwellensender. Innerhalb eines Kriegsjahres wurden 55 neue Sender von deutscher Seite in Betrieb genommen, so dass man Ende 1940 83 Sender auf Lang- und Mittelwellen und 22 Kurzwellensender für Übersee besaß.

738 „Bereits am 28. April 1933 schlossen 28 Empfänger bauende Firmen einen allgemeinen Vertrag über den Absatz von Rundfunkgeräten [...] Dieselben Firmen ließen sich kurze Zeit später zur Herstellung des Volksempfängers verpflichten. Goebbels legte den Preis fest und bettete ihn in eine Reihe begleitender Maßnahmen ein: Verringerung bis zum Erlass der Rundfunkgebühren für ärmere Schichten, Senkung der Preise 1937 von 76 RM auf 59 RM, Ratenzahlungssysteme etc. [...] Das gesamte Konzept war äußerst erfolgreich. Zwischen 1933 und 1943 wurden rund 4,3 Millionen Volksempfänger und 2,8 Millionen Kleinempfänger (Preis 25 RM, vorgestellt auf der Reichsrundfunkausstellung in Berlin 1938) produziert:

Jedes dritte Gerät in deutschen Haushalten war jetzt ein Volksempfänger.“ Siehe hierzu Inge Marßolek,

164 besondere suggestive Wirkung“.739 Der Zugriff über den Rundfunk auf die Bevölkerung wurde zudem durch die extrem staatsnahe Organisation dieses Mediums erleichtert.

Bereits im März 1933 übernahm Goebbels die Kompetenzen für Personalpolitik und Programmkontrolle.740

Auch auf der Insel erfuhr das Radio eine weite Verbreitung. 1938 waren knapp neun Millionen Radioempfangsgeräte angemeldet.741 Damit war die Rundfunkdichteziffer, das heißt die Zahl der Rundfunkteilnehmer auf 100 Haushalte umgerechnet, höher als in Deutschland.742 Doch hatte Großbritannien im Krieg ebenfalls Schwierigkeiten, die Produktion von Radioempfängern und damit die zunehmende Verbreitung des Rundfunks aufrecht zu erhalten. Wurden 1939 noch 1,2 Millionen Empfänger verkauft, stürzte die Produktion 1943 auf 50.000, bevor sie sich zum Ende des Krieges mit 245.000 erholte. Dieser Einbruch der Fertigung lag in erster Linie an der Umlagerung auf die militärische Produktion. Die Rohmaterialien wurden insbesondere für Kommunikations- und Radarausrüstung benötigt.743 Aber die Bedeutung des Rundfunks für die Bevölkerung lässt sich daran erkennen, dass er noch heute sowohl seiner nachrichtlicher Informationen als auch der Unterhaltung wegen als wesentlicher Bestandteil britischer Alltagserfahrung im Zweiten Weltkrieg erinnert wird.744

Radio in Deutschland 1923-1960. Zur Sozialgeschichte des Mediums, in: Geschichte und Gesellschaft 27 (2001), Heft 2, S. 207-239, hier S. 217f.

739 Knippschild/Udovic, Steuerungsmaßnahmen, S. 264.

740 Hehl, Nationalsozialistische Herrschaft, S. 28.

741 Tim O’Sullivan, Listening Through: The Wireless and World War Two, in: Pat Kirkham/David Thoms (Hg.), War Culture. Social Change and Changing Experience in World War Two Britain, London 1995, S. 173-185, hier S. 175. Vgl. hierzu Pronay, news media, S. 175.

742 Vossler, Propaganda, S. 228.

743 O’Sullivan, Listening Through, S. 179.

165 1. Kino als Ablenkung von der Realität

1.1 „Ohne einheitliche Ausrichtung“ – Organisation des Frontkinos

Es waren vier Institutionen, die Goebbels generell zur Kontrolle des deutschen Films zur Verfügung standen: 1. die Filmabteilung seines Ministeriums; 2. die Reichsfilmkammer, deren Präsident ihm unterstand; 3. der Reichsbeauftragte für die deutsche Filmwirtschaft, der an seine Weisungen gebunden war; 4. und seit 1942 der Reichsfilmintendant, der sich inhaltlich nach den Vorgaben des Propagandaministers richtete.745 Im Gegensatz zu den Bühnendarbietungen duldete Goebbels in der filmischen Truppenbetreuung keine Konkurrenz. Zwar versuchte die Wehrmacht in den ersten Monaten des Krieges über die Propagandakompanien eine eigenständige Filmbetreuung aufzubauen, doch waren diese letztendlich nicht nur vom Personal abhängig, das vom RMVP gestellt wurde, sondern insbesondere von den Material- und Filmlieferungen des Goebbels’ Ministeriums, was in einem Abkommen am 1.

September 1940 bestätigt wurde.746 Die Reichspropagandaleitung stellte Tonfilmwagen und Vorführer ab. Die Wehrkreis-, Marinestations- und Luftgaukommandos hatten zu diesem Zweck ihren Bedarf an Filmvorführungen der nächstgelegenen Gaufilmstelle bzw. Aussenstellen der Reichspropagandaleitung zu melden. Das Gros der filmischen Truppenbetreuung wurde demnach von der Reichspropagandaleitung (RPL) getragen, die deutlich daran interessiert war, die Bedeutung ihrer eigenen Arbeit zu demonstrieren: „Als der Oberbefehelshaber des Heeres v. Brauchitsch Ende Oktober 1941 Hitler über die gesamte geistige Wehrmachtsbetreuung Bericht erstattete, wurde von der RPL ein Tonfilmwagen ins Führerhauptquartier gesandt, um dem Führer auch in dieser Hinsicht einen Einblick zu verschaffen’.“747 Die Propagandakompanien dagegen blieben allein für die Organisation vor Ort und die Verteilung von Filmmaterial an ortsfeste Kinos zuständig.748 Oftmals zeigten sich die Propagandakompanien mit

744 O’Sullivan, Listening Through, S. 173.

745 Gerd Albrecht, Nationalsozialistische Filmpolitik. Eine soziologische Untersuchung über die Spielfilme des Dritten Reichs, Stuttgart 1969, S. 33.

746 Am 1. September 1940 legte ein Abkommen zwischen der Reichspropagandaleitung, Hauptamt Film, und dem OKW fest, „daß die gesamten Vorführgeräte für die Truppenbetreuung von dieser unmittelbar gestellt und eingesetzt wurden“. Rundschreiben der Reichspropagandaleitung – Hauptamt Film – vom 1.

September 1940: „Abkommen zwischen dem Oberkommando der Wehrmacht und der Reichspropagandaleitung – Hauptamt Film – über den Einsatz von Unterhaltungstonfilmen bei der Truppe im Rahmen der Freizeitgestaltung“. BA-MA, RW 38 / 69. Siehe hierzu auch Wedel, Propagandatruppen, S. 120.

747 Zitiert bei Vossler, Propaganda, S. 152.

748 Brief der Außenstelle Paris, OKW/WPr, an die Abteilung Wehrmachtpropaganda vom 30. Oktober 1940: „Die Außenstellen des OKW/WPr im Westen. Aufgaben und Erfahrungen“. IfZ, MA-190/7. Siehe

166 dieser Aufgabe überfordert. Sie waren in den ersten Monaten des Krieges damit beschäftigt, die Einsatzmöglichkeiten für Filme „überhaupt erst zu erforschen“.749 Aus diesem Grund organisierten Gaufilmstellen und „private Filmtheater“ Vorführungen für Wehrmachteinheiten, die die Abteilung Wehrmachtpropaganda im OKW scharf kritisierte.750 Diese konstatierte im August 1940: „Die Durchführung der filmischen Truppenbetreuung vollzog sich fast überall ohne systematischen Plan. Eine einheitliche Ausrichtung war kaum vorhanden“.751 Diese Quintessenz des ersten Kriegsjahres überraschte angesichts der Alleinverantwortlichkeit des RMVP und der Propagandakompanien für die filmische Truppenbetreuung. Doch die Eigeninitiativen der Wehrmachteinheiten resultierten wie schon bei den Bühnendarbietungen aus dem zu schwachen Angebot. Aus diesem Grund sollten sukzessive ortsfeste Kinos zu

„Soldatenkinos“ umfunktioniert werden.752 Dadurch entzog man der Zivilbevölkerung in den besetzten Teilen Europas ihr Freizeitangebot, der darüber hinaus verboten war,

„Wehrmachtskinovorstellungen“ zu besuchen, auch wenn dies von den Besatzungstruppen gewünscht gewesen ist. Deutsche Soldaten hatten nichts gegen Zivilisten – insbesondere Frauen – einzuwenden, doch das OKW schritt immer wieder gegen solche Tendenzen ein.753 Mitte 1943 zog sich die Abteilung Wehrmachtspropaganda im OKW aufgrund der ständigen Querelen endgültig aus der Filmbetreuung zurück und übergab die weitere Bearbeitung an die Abteilung Inland im OKW. Diese vereinbarte am 17. Juni 1943 unter Aufhebung des Abkommens vom 1.

September 1940 eine neue Übereinkunft mit dem Hauptamt Film bei der RPL.754

hierzu auch eine Anweisung des Ic der 165. Infanteriedivision am 11. August 1941: „Geistige Betreuung“. BA-MA, RH 34 / 79.

749 Brief des Reichspropagandaamtes Württemberg an Joseph Goebbels vom 20. September 1939:

„Betreuung der Truppen“. BA-MA, RW 6 / 176.

750 Private Filmvorführer gerieten in den besetzten Gebieten besonders dann in die Schusslinie der Propagandakompanien, wenn sie von den Soldaten Eintrittsgelder verlangten. Anweisung der Abteilung OKW/WPr: „Richtlinien für die geistige Betreuung der Truppe“. Undatiert, dem Inhalt nach vom Sommer 1940. Siehe hierzu auch ein Schreiben des OKW vom 6. August 1940: „Ausgabemittel für Wehrmachtpropaganda und geistige Betreuung“. BA-MA, RH 45 / 25.

751 Arbeitsbericht Nr. 1, OKW/WPr, Außenstelle Luxemburg, vom 12. August 1940. IfZ, MA-190/7.

752 Beiträge des Ic des Luftgaukommandos Westfrankreich zur wehrgeistigen Führung der Truppe vom 12. November 1940: „Schulung und Freizeit“. IfZ, MA-190/7.

753 Auf einen Genehmigungsantrag erhielt der Ic des Befehlshabers der deutschen Truppen in Dänemark am 24. Januar 1941 folgende Antwort des OKW: „An Wehrmachtsveranstaltungen dürfen weder im Reichsgebiet noch in besetzten Gebieten Zivilpersonen teilnehmen. Eine solche Teilnahme von Zivilpersonen bedeutet eine Schädigung der deutschen Filmwirtschaft“. BA-MA, RW 38 / 69.

167 Für die filmische Betreuung der englischen Soldaten war das FENSA Committee zuständig, eine Schwesterorganisation von ENSA, die ebenfalls NAAFI unterstand.755 In diesem Komitee saßen namhafte Vertreter der Filmverleiher und -produzenten, was von Anfang an ein gutes Verhältnis zwischen der filmischen Truppenbetreuung und der Filmindustrie begünstigte.756 Ärger gab es allein in der Diskussion um die Nutzung der Filmvorführgeräte. Um deren Auslastung zu optimieren, schlug das War Office vor, die Geräte FENSAs in einen gemeinsamen Pool mit denen des Militärs zu werfen, damit Lehrfilme gezeigt werden konnten.757 Dieser Vorschlag stieß jedoch auf Kritik seitens NAAFI. Wiederum vermuteten die Militärs hinter dem Widerwillen zur Kooperation den Einfluss Basil Deans, der versuchte, seinen „Machtbereich“ mit allen Mitteln zu verteidigen.758 Offensichtlich hatte NAAFI Angst, den Bereich der filmischen Truppenbetreuung völlig aus der Hand zu geben. Dem war nicht so. NAAFI und das War Office einigten sich letztendlich auf eine lose Zusammenarbeit und damit gemeinsame Nutzung der Filmvorführgeräte.759 Doch das Fehlen klarer Abgrezungen sollte sich hier weiter bemerkbar machen.

FENSA erwuchs eine starke Konkurrenz in den Reihen des Militärs. Anfang 1940 hatte das War Office eine Abteilung für mobile Filmvorführgeräte organisiert, die in erster Linie für die Vorführung von Lehrfilmen gedacht sein sollte. Bereits im Sommer 1940 weitete man den Auftrag auf Unterhaltungsfilme aus. Ein Jahr später gründete das War Office das Directorate of Army Kinematography, und schluckte im folgenden Jahr die Welfare Section, die ursprünglich mit der Filmversorgung beauftragt war. Durch diese Zentralisierung betrugen die Ausgaben für Filme 1944 allein 360.000 britische Pfund.

Darin enthalten waren die Steuern und Rechte für 107 Spielfime, 60 Kurzfilme und 48 Disney-Zeichentrickfilme.760 So blieb es den Krieg hindurch bei einer zweigeteilten Organisation durch FENSA und dem Directorate of Army Kinematography, was

754 Trotz dieses Abkommens wurde vermutlich die Filmbetreuung der kämpfenden Truppe weiterhin durch die Propagandakompanien getragen. Vossler, Propaganda, S. 152.

755 Entertainments National Service Association. Report to Central Committee on the first six months’

work, April 1940. PRO, T 161 / 1181.

756 Inter Departmental Entertainments Board. Mr. Basil Dean’s Report upon Co-ordination of National Service Entertainment vom 4. Januar 1941, S. 8. PRO, T 161 / 1083.

757 Brief von C.H.M. Wilcox, Sekretär des NSEB, vom 4. September 1940. PRO, T 161 / 1181.

758 Internes Schreiben des NSEB vom 26. Oktober 1940: „We have reason to believe that ENSA, through its head Mr. Basil Dean, who is also NAAFI’s entertainment director, contributed to that hostility”. PRO, T 161 / 1457.

759 Inter Departmental Entertainments Board. Mr. Basil Dean’s Report upon Co-ordination of National Service Entertainment vom 4. Januar 1941, S. 2. PRO, T 161 / 1083.

760 Crang, British army, S. 96.

168 zwangsläufig zu Doppelungen bei Filmvorführungen führen musste. Bipolar war auch die filmische Truppenbetreuung in Übersee organisiert. Dort kam es beständig zu Reibungspunkten zwischen dem Army Kinema Service (AKS) und ENSA.761 Doch gelang hier eine gute Improvisation, indem sich die beiden Anbieter absprachen, in welchem Command sie Filme vorführten. Insofern war ENSA nicht nur für die Vorführung von Unterhaltungsfilmen zuständig, sondern musste auch für die Versorgung mir militärischen Lehrfilmen sorgen. Die Arbeitsteilung zwischen AKS und ENSA schien gut zu funktionieren.

Auf dem europäischen Kriegsschauplatz hingegen blieben Ungereimtheiten den Krieg hindurch offen. Zum einen verlangte das Militär für Unterhaltungsfilme keinen Eintritt, während FENSA durchaus Eintritt verlangte. Zum anderen konnte es passieren, dass beide Organisationen zur gleichen Zeit an Ort und Stelle die gleichen Filme zeigten.762 Zudem akquirierte das War Office zunehmend Filmvorführgeräte und schuf sich eine ansehnliche Anzahl an Möglichkeiten Filme vorzuführen. Das IDEB argumentierte im März 1941 deshalb für eine Stärkung der Militärorganisation und einer suggestiven Lösung der filmischen Truppenbetreuung von NAAFI, um Kosten einzusparen und Doppelungen zu vermeiden.763 NAAFI sollte sich auf die Betreuung der Fabrikarbeiter konzentrieren und die meisten Geräte an das Militär übergeben.764 Doch ein Jahr später hatte sich noch immer keine Verbesserung der Situation ergeben. Weiterhin wurden Filmvorführungen von ENSA, dem Militär und privaten Anbietern gegeben.765 Streitpunkt war vor allem die Installation von festen Kinosälen ohne die Einbeziehung von ENSA, da diese nach Meinung der Truppe zu langsam damit vorwärtskam. Proteste seitens Basil Dean entkräftete die RAF mit dem Argument, dass ein „Station Commander was empowered by King’s Regulations to buy equipments, use buildings and make charges for cinema entertainments“.766 ENSA sollte allein für die

761 National Service Entertainments Board. Provision of Kinema Facilities for the Army Overseas.

Memorandum vom 3. März 1944. PRO, T 161 / 1162.

762 Memorandum des War Office: „Cinemas“. Undatiert, vermutlich aber vom Januar 1941, da es den Anmerkungen Lord Mays vom 25. Januar 1941 angefügt ist. PRO, T 161 / 1083. Siehe hierzu auch einen Brief C.H.M. Wilcox, Sekretär des NSEB, an Sir Alan Barlow, Treasury, vom 3. Februar 1941, der diese Diskussion aufnimmt. PRO, T 161 / 1083.

763 Inter Departmental Entertainments Board, First Report, März 1941, S. 13. PRO, T 161 / 1083.

764 National Service Entertainments Board. Finance and Organisation Committee. Minutes of the 1st Meeting vom 23. August 1941. PRO, T 161 / 1126.

765 National Service Entertainments Board. Minutes of the Third Meeting vom 30. September 1942, S. 8.

PRO, LAB 26 / 43.

766 National Service Entertainments Board. Minutes of the Third Meeting vom 30. September 1942, S. 11.

PRO, LAB 26 / 43. Basil Dean war der Meinung, dass ENSA endgültig als Dachorganisation bestätigt und anerkannt werden sollte. Dieser Vorschlag traf wiederum nicht auf die Zustimmung der Militärs,

169 Bereitstellung der Filme sorgen. Einig wurde man sich in Hinsicht auf die privaten Filmanbieter, die man mittelfristig ausschalten wollte, da diese allein für den Profit

169 Bereitstellung der Filme sorgen. Einig wurde man sich in Hinsicht auf die privaten Filmanbieter, die man mittelfristig ausschalten wollte, da diese allein für den Profit