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5.2 E NTWICKLUNG DER FRÜHEN AKUSTISCH EVOZIERTEN P OTENTIALEN DER K ATZE

5.2.1 Typischen Aussehen der frühen akustisch evozierten Potentiale der Katze 72

zusammensetzt. Hauptkomponenten sind die Aktionspotentiale der myelinisierten Nervenfasern entlang der Hörbahn, die besonders deutlich nach einer Hochpaßfilterung dargestellt werden. Zusätzlich fließen in die FAEP auch die länger andauernden, exzitatorischen oder inhibitorischen postsynaptischen Potentiale der unmyelinisierten Nervenfasern ein. Diese werden vor allem durch eine Tiefpaßfilterung hervorgehoben und von einer Barbituratnarkose stärker beeinflußt (FULLERTON et al. 1987).

Je nach verwendetem Filter und Position der Ableitelektroden ist eine unterschiedliche Ausprägung der FAEP möglich. Zusätzlich bestehen geringgradige Unterschiede zwischen den einzelnen Individuen. Auch das Auftreten eines kleinen zusätzlichen Potentials ist bekannt. FULLERTON et al. (1987) beschreiben eine Aufspaltung des PI in zwei kleinere Potentiale bei Ableitung zwischen Vertex und Nacken. Bei ihren Untersuchungen ist die Spitze von P III ebenfalls breiter als PI, P II und P IV und es ist in vielen Fällen eine Aufspaltung festzustellen.

Nach ROMAND und MARTY (1975) sind die direkt aus dem Nucleus cochlearis abgeleiteten Potentiale bis zum neunten bzw. zehnten Lebenstag untypisch und erreichen erst mit dem 11. Lebenstag eine dem erwachsenen Tier ähnliche Ausprägung. Dies deckt sich mit unseren Untersuchungen, wo erst ab dem 11.

Lebenstag die Potentiale I-IV signifikant unterschiedlich und eindeutig zu differenzieren waren.

Die in Abb. 8 dargestellte Kurve sind typische FAEP der Katze, die in Ihrer Kurvenform und Benennung mit den Ergebnissen von MELCHER et al. (1996), WALSH et al. (1992), SIMS (1989), FULLERTON et al. (1987), BUCHWALD und SHIPLEY (1986), VAN DEN HONERT und STYPULKOWSKI (1986), sowie JEWETT und ROMANO (1972) übereinstimmen. In Tab. 12 sind beispielhaft die Latenzwerte verschiedener Autoren sowie vergleichbare Werte aus eigenen Messungen dargestellt.

5. Diskussion 73

Tab. 12: Darstellung der Latenzwerte (in ms) verschiedener Autoren im Vergleich mit gemessenen Latenzen aus eigenen Untersuchungen.

Autor Stimulus LT. P I P II P III P IV P V

SIMS u. HOROHOV (1986) 90 dB ü. HS adult 1,00 1,76 2,46 3,26

Eigene Untersuchung 90 dB fHL 365 1,17 1,93 2,68 3,39 4,43 FULLERTON et al. (1987) 40 dB SL adult 1,34 2,18 2,76 4,02 5,29 Eigene Untersuchung 50 dB HL 365 1,64 2,36 2,97 3,91 4,83 V. D. HONERT u.

STYPULKOWSKI (1986)

90 dB SPL 1.-90. 1,10 1,90 2,51 3,60

Eigene Untersuchung 90 dB SPL 90 1,19 2,02 2,75 3,55 4,69

5.2.2 Entwicklung der Hörschwelle

Die unreifen Gehörknöchelchen und ein wenig elastisches Trommelfell sind der Grund für die hohe Hörschwelle am Beginn der Meßperiode (EHRET u. ROMAND 1981). Die Absenkung der Hörschwelle im Lauf der Entwicklung beruht auf dem Recruitment von Nervenfasern, die bisher nicht aktiviert wurden und nicht an den akustischen Reaktionen teilgenommen haben. Außerdem kommt es zu einem anderen Antwortmuster der an der Antwort beteiligten Fasern: Der Hörnerv setzt sich aus Gruppen von Nervenfasern zusammen, die sich in ihrem elektrophysiologischen Verhalten unterscheiden und sich differenziert entwickeln: Nervenfasern mit spontaner Aktivität zeigen einen schnellen Anstieg der Hörschwelle bis zur 3.

Lebenswoche. Bei Fasern ohne spontane oder evozierte Aktivitäten steigt die Hörschwelle nur langsam bis zum erwachsenen Alter (ROMAND 1984).

5. Diskussion 74

Die Entwicklung der Hörschwelle ist zusätzlich abhängig von der Frequenz (ROMAND 1983). Bei neugeborenen Katzenwelpen ist das Hörvermögen durch hohe Schwellen und ein enges Frequenzspektrum eingeschränkt (PUJOL 1972). So zeigten z.B. die von EHRET und ROMAND (1981) untersuchten Katzenwelpen zu Beginn der Verhaltensstudie einen eingeschränkten Frequenzbereich, sie reagierten am ersten Lebenstag nur auf Sinustöne im Bereich von 0,5-2 kHz mit einer Hörschwelle von 112-124 dB SPL. In den nächsten vier Tagen fand eine deutliche Erweiterung des Frequenzbereiches (0,2-6 kHz) und eine Absenkung der Hörschwelle auf 75 dB SPL statt. Ab dem zehnten Lebenstag trat dann ein charakteristisches Sensitivitätsoptimum im Bereich von 4 kHz auf. Das Frequenzspektrum erreichte dann im Alter von einem Monat die Ausmaße eines erwachsenen Tieres. WALSH und MC. GEE (1987) konnten in ihren Untersuchungen ebenfalls eine Erweiterung des Frequenzbereiches im Lauf der Entwicklung feststellen, die mit ca. 2 Wochen abgeschlossen war. Die Charakteristika bezüglich des Tunings gehen auch bei ihnen von der Breitbandfilterung hin zur engen, frequenzspezifischen Filterung.

Da es sich bei den im Rahmen dieser Untersuchung eingesetzten Clicks um Breitbandgeräusche mit einem festen Frequenzspektrum von 1-7 kHz handelt, ist ein Einfluß der Erweiterung des Frequenzbereiches auf die Entwicklung der Hörschwelle nicht auszuschließen. Eine weiterführende Untersuchung unter Verwendung von frequenzspezifischen Tonebursts statt breitbandigen Clicks könnte hierüber Auskunft geben. STÜRZEBECHER et al. (1993) behandelte das Problem der ungenügenden Frequenzspezifität der FAEP und entwickelte einen Pc-gesteuerten BERA-Meßplatz mit Notched-Noise-Maskierungstechnik, der in der Humanmedizin bereits Anwendung findet. Nach SHELTON et al. (1993), der frequenzspezifische und click-evozierte FAEP bei Dalmatinerwelpen untersuchte, bringt die Verwendung von frequenzspezifischen FAEP jedoch keine Vorteile für die klinische Untersuchung in der Veterinärmedizin.

5. Diskussion 75

Die Hörschwelle ist außerdem abhängig von der Stimulation: In einem frühen Entwicklungsstadium führen nur sehr langsame Clickraten zu meßbaren Antworten.

Deshalb führt eine konstante, hohe Clickrate (>1/sec) während der gesamten Entwicklung zu einer höheren Hörschwelle und hohe Latenzwerten in den ersten Lebenstagen (EGGERMONT 1985).

EGGERMONT (1996) hat bei Untersuchungen des primären auditorischen Kortex der Katze am 10. Lebenstag eine Hörschwelle von 90 dB SPL für die charakteristischen Frequenzen nachgewiesen. Am 20. LT lag die Hörschwelle für diese Fasern nur noch bei 10 dB SPL. WALSH et al. (1986a) registrierten bei Katzenwelpen eine perinatale Hörschwelle von mehr als 120 dB SPL, die im Verlauf der ersten 2-3 Lebenswochen um fast 100 dB niedriger wurde. Die Hörschwelle fiel nach WALSH und MC GEE (1987) bei den von ihnen untersuchten Katzen zwischen dem 7. und 20. Lebenstag um durchschnittlich 10 dB pro Tag. Nach WALSH und ROMAND (1992) erreicht die Hörschwelle ab dem 20. Lebenstag die Werte eines erwachsenen Tieres. Auch bei unseren Untersuchungen fand eine deutliche Hörschwellenabsenkung in den ersten 30 Lebenstagen statt, die mit 30 dB schwächer ausfiel als bei den anderen Autoren.