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Abkürzungsverzeichnis

2 Allgemeine Grundlagen

2.1.4 Toxikologie ausgewählter Schwer- und Halbmetalle

Während man die Stabilität von Schwermetall-Komplexverbindungen mit kleinen organischen oder anorganische Liganden in der Literatur umfassend kennt, ist es nicht einfach, Stabilität und Bindungseigenschaften hoch molekularer Verbindungen wie z.B. die von Humin- oder Fulvinsäuren (sie entstehen durch die Zersetzung organischer Substanzen in der Natur) zu charakterisieren.

Es gibt im Wesentlichen zwei Grenzfälle, die Bindungen zwischen Metallionen und Liganden theoretisch beschreiben. Dies ist einerseits die elektrostatische Wechselwirkung und andererseits die kovalente Bindung. In der Natur liegen jedoch häufig Mischformen vor [23].

Unter Berücksichtigung elektrostatischer Wechselwirkungen und sterischer Effekte kann die Bindung der Schwermetallionen an bestimmte Feststoffe oder Kolloide auf ähnliche Weise beschrieben werden wie die Bindung der gelösten Liganden [24]. Schwermetallionen werden hier in der Regel über funktionelle Gruppen, in denen Sauerstoff, Stickstoff oder Schwefel als Donoratome wirken, gebunden [25]. In mineralischen Feststoffen sind Schwermetalle häufig über Ionengitter gebunden.

Auf der Basis des empirischen Konzepts der harten Säuren und Basen (HSAB) [24], [26], [27], [28] lassen sich etliche Bindungsformen von Schwermetallionen erklären. So gehören hier z.B. Ca2+, Cr3+, Mn3+, Fe3+ und Co3+ zu den harten Säuren und bevorzugen daher

„elektrostatische“ Bindungsformen mit harten Lewis-Basen (z.B.: F- bzw. Cl- oder Liganden mit Sauerstoffatom, wie OH-, SO42-, CO32-), während weiche Säuren, wie z.B. Cu+, Pb2+, Zn2+

oder Cd2+ bevorzugt mit weichen Basen (z.B.: S2-, I- oder SCN-) eher „kovalent“ reagieren.

Tabelle 2: Einige Funktionen von ausgewählten Spurenelementen [31]

Element Bestandteil von

Cobalt Cobalanin (Vitamin B12)

Eisen Cytochrome a,b,c,f; Cytochrom-c-Reduktase;

Katalase: Peroxidasen; Hämoglobin; Ferritin u.a.

Kupfer Cytochrom-Oxidase; Coeruloplasmin = Laccase; Uricase;

Monoaminoxidase; Tyrosinase; Ascorbinsäureoxidase Mangan Arginase; Pyruvatcarboxylase; Malatenzym

Molybdän Aldehydoxidase; Xanthinoxidase

Nickel Urease Selen Glutathionperoxidase

Zink Alkalischer Phosphatase; Alkoholdehydrogenase;

Carboanhydrase; Carboxypeptidase; Glutamatdehydro-genase; LactatdehydroGlutamatdehydro-genase; Malatdehydrogenase

Zinn Gastrin

Ob ein Schwermetall toxische Wirkung zeigt oder nicht, hängt somit neben der Konzentration insbesondere auch von der Spezies ab, in der es vorliegt [32]. Wie schon im vorherigen Kapitel beschrieben, liegt die Gemeinsamkeit etlicher Metallionen in ihrer starken Affinität zu Thiol-Gruppen (z.B. in Proteinen) und ihrer Bereitschaft zur Bildung von Komplexen. Diese Eigenschaften spielen z.B. bei den Mechanismen, die Metallionenvergiftungen zugrunde-liegen eine wichtige Rolle. Die komplexen biochemischen Mechanismen werden aber noch nicht bei allen Metallionen vollständig verstanden.

Neben den toxischen Wirkungen von Metallionen auf den Menschen (Humantoxikologie) gewinnen die ökotoxikologischen Bewertungen von Schadstoffen, auch von Metallionen, immer mehr an Bedeutung. Sowohl die Human- als auch die Ökotoxikologie sind äußerst wichtige Disziplinen für die Umweltchemie, die sich mit der Verteilung und dem Wirken von Chemikalien in der Umwelt beschäftigt. Zur Bewertung von Schadstoffen bezüglich ihrer umweltgefährdenden Potentiale werden Informationen zu deren Exposition und Wirkung benötigt. Faktoren für die Umweltexposition sind Art, Menge und zeitlicher Verlauf des Eintrags in die Umwelt, Ausbreitungsverhalten in Luft, Wasser und Boden, Akkumulation, Persistenz sowie Umwandlung bzw. Abbau [33]. Die Wirkung eines Schadstoffs kann sich beziehen auf Organismen (Menschen, Tiere, Pflanzen, Mikroorganismen), Ökosysteme, die natürliche Beschaffenheit von Luft, Wasser und Boden sowie deren Beziehungen untereinander [33]. Abbildung 5 gibt darüber einen systematischen Überblick.

Umweltchemie

Verteilung von Chemikalien in der Umwelt Ausbringungsmuster • Persistenz

• abiotischer Abbau • biotischer Abbau

•Volatilisierung • Adsorption • Verlagerung

• Akkumulation Exposition

• am Arbeitsplatz

• im Haus

• durch Nahrung

Humantoxikologie

Wirkung

akut und chronisch auf:

Individuen (Toxikologie) Populationen (Epidemiologie)

Exposition

• multipel

• langzeitig

• Wechselwirkung mit Umweltmatrizes

direkte und indirekte akute und chronische Wirkungen auf:

Individuen diverse Populationen Biozönosen Ökosysteme

Ökotoxikologie

Risikoabschätzung und Bewertung Schutzziel:

Mensch

Schutzziel:

Ökosysteme

Abbildung 5: Beziehung zwischen Umweltchemie, Human- und Ökotoxikologie am Beispiel von Chemikalien nach Steinberg et. al. [22], [34]

Die human- bzw. ökotoxikologische Wirkung der unterschiedlichen Schwer- und Halbmetallionen sind in der Fachliteratur [3], [33], [35], [36], [37], [38], [39], [40]

ausführlich beschrieben. An dieser Stelle soll deshalb nur auf die Toxikologie der für die vorliegende Arbeit maßgeblichen Elemente Cadmium und Arsen eingegangen werden. Beide Elemente wirken in der Regel toxisch.

Cadmium (Cd)

Allgemeine und ökotoxikologische Aspekte [40]:

Cadmium kommt mineralisch gebunden als Cd2+ vergesellschaftet mit Zink vor. Es gelangt in erster Linie über anthropogene Einflüsse in die Umwelt und kann z.B. in Form von CdO-Partikeln (LD50-Wert (Ratte): 72 mg/kg [41]) durch Zinkerzverhüttung bzw.

Zinkverarbeitung oder nach Verbrennung von Cd-haltigem Müll über große Flächen verteilt werden.

Cadmium zeigt in seiner ionischen Form aufgrund des Ionenradius (95 pm) große chemische Ähnlichkeit mit den biologisch sehr wichtigen Metallionen Zn2+ (Ionenradius:

74 pm) und Ca2+ (Ionenradius: 100 pm). Da es jedoch weicher (siehe auch Kapitel 2.1.3) und somit thiophiler ist als Zn2+, kann es unter Umständen cysteinat-koordiniertes Zink aus bestimmten Enzymen verdrängen. In besonderen Fällen kann Cadmium sogar Calcium substituieren (z.B. in Knochengewebe). Aus diesen Gründen sind Schädigungen durch

Cadmiuminkorporation nicht nur beim Menschen, sondern auch bei anderen Säugetieren bekannt. Dabei kann die Aufnahme z.B. über hochbelastete wilde Pilze erfolgen, die Cadmium akkumulieren. Auch Krustentiere, verschiedene Mikroorganismen und sogar einige Pflanzen können über Metallothioneine bzw. cysteinreiche Peptide (Phytochelatine) Cadmium binden.

Metallothioneine haben je nach Organismus und Proteinvariante vermutlich unterschiedliche Aufgaben. Zum einen können sie Speicher- und „Pufferfunktionen“ für essentielle Elemente wie Zink und Kupfer übernehmen und sind somit wichtig für die Homöostase und den Transport dieser Metallionen. Zum anderen dienen sie möglicherweise der Detoxifikation von thiolphilen Schadstoffen wie Cd(II), Silber(I) und Quecksilber(II). Schließlich können sehr thiolatreiche Proteine als Radikalfallen wirken und somit oxidierende freie Radikale wie •OH deaktivieren[40].

Im Gegensatz zu einigen anderen toxischen Elementen gelangt Cd2+ nur schwer in das zentrale Nervensystem von hochentwickelten Säugetieren, da es unter physiologischen Bedingungen nur schwer bioalkylierbar ist und die Entstehung von potentiell membrangängigen Organocadmiumverbindungen erschwert wird. Die Instabilität alkylierter Cadmiumspezies in aquatischen Medien hängt mit dem elektropositiven Charakter von Cadmium zusammen, der sich im relativ niedrigen Redoxpotential von E = -0,40 V widerspiegelt. (Im Vergleich [40]: entsprechende Verbindungen mit Hg (+0,85 V), mit Se (+0,20 V), mit Pb (-0,13 V), mit Sn (-0,15 V) oder mit As (-0,22 V);

angegeben sind die Potentiale für die jeweils niedrigste stabile Oxidationsstufe bei pH 7).

Humantoxikologische Aspekte:

Durch den Gastrointestinaltrakt ist die Resorptionsquote von Cd-Verbindungen gering (< 10 %), wesentlich höher ist ihre Aufnahme über die Lunge in Form von Stäuben bzw.

sehr fein verteilten Oxiden. Die Resorptionsquote liegt dabei bei bis zu 30 % der aufgenommenen Menge. Das resorbierte Cd2+ akkumuliert vor allem in der Leber und in der Niere. Dort wird es hauptsächlich an Metallothioneine gebunden. Die akut-toxische Wirkung von Cd-Verbindungen bei Aufnahme hoher Dosen ist durch lokale Reizungen, wie z.B. Brechdurchfälle oder Lungenödeme charakterisiert. Die chronische Einwirkung von Cd-Stäuben zeigt sich neben der Entzündung der Schleimhäute der Nase und des Rachens hauptsächlich durch Schädigungen der Lunge in Form von chronischer

Bronchitis, Lungenfibrose und Lungenemphysem. Die orale Aufnahme von Cd-Verbindungen führt zu irreversiblen Nierenschäden und Knochenveränderungen in

Form von Knochenerweichung (Osteomalazie) und Osteoporose. Chronische Cadmium-einwirkung führt zusätzlich zu Schädigungen der männlichen Keimzellen, der Herzkranzgefäße sowie zu Bluthochdruck. Im Tierversuch zeigten sich Cadmium-verbindungen als krebserzeugend.

Arsen (As)

Allgemeine, ökotoxikologische sowie humantoxikologische Aspekte:

Arsen ist in der Natur in der Regel mineralisch als As(III) oder As(V) gebunden (siehe auch Kapitel 3.2.5.1). In wässrigen Umweltkompartimenten liegt gelöstes anorganisches Arsen anionisch gebunden als Arsenit (AsO33-) bzw. als Arsenat (AsO43-) vor. Aufgrund seines thiophilen Charakters können in stark schwefelreichen Böden und Sedimenten zudem die schwefelanalogen Anionen Thioarsenit und Thioarsenat sowie Oxothioarsenite auftreten. Im Schwebstaub der Luft werden vor allem letztere nachgewiesen [42].

Im Gegensatz zu Cadmium lässt sich Arsen gut biomethylieren. Dieser Prozess ist maßgebend für die Verbreitung von Arsenorganylen in der Umwelt [43]. Neben Bakterien und Pilzen sind auch Säugetiere und der menschliche Organismus dazu fähig, Arsen-verbindungen zu methylieren, die Mechanismen sind jedoch verschieden. Schon in den 40er und 50er Jahren des 20. Jahrhunderts gab es von Challenger [44] Untersuchungen zur Arsenmethylierung im Schimmelpilz S. brevicaulis, wobei er für diesen Prozess eine alternierende Abfolge von Oxidations- und Reduktionsschritten annahm, bei dem „aktives Methionin“ (genauer: S-Adenosylmethionin (SAM) [45]) die Methylgruppe übertragen sollte. Diese These stützte sich u.a. auf Versuche mit 14CH3-markierten Methylierungs-reagenzien [46]. SAM ist ein Sulfoniumsalz und überträgt die Methylgruppe als Carbokation-Intermediat. Deshalb muss sein Akzeptor ein nucleophiles Zentrum sein.

Dieser von Challenger postulierte Mechanismus mit S-Adenosylmethionin als Methylgruppendonor wurde durch neuere Untersuchungen bestätigt [47]. Als mögliche Reduktionsmittel nach der oxidativen Addition der Methylgruppe sind vor allem Glutathion bzw. Dithiole bekannt geworden [48].

Neuere Untersuchungen an methanogenen und nichtmethanogenen Bakterien zeigten, dass auch etliche Bakterienarten arsenmethylierende Fähigkeiten besitzen [49]. Unter anaeroben Bedingungen ist dabei vermutlich Methylcobalamin der Methyldonor [50], wobei die Methylierung jedoch nicht direkt erfolgt, sondern über Coenzym M (HSCH2CH2SO3-) [51]. Die Mechanismen der Übertragung sind noch nicht vollständig geklärt, denkbar wären sowohl nucleophile als auch elektrophile Mechanismen unter Beteiligung von Methylcobalamin und Coenzym M. Einige Autoren vermuten auch eine Zwischenstufe mit einer Kobalt-Arsen-Bindung [52].

Grundsätzlich führt die Biomethylierung von Arsen durch Organismen letztendlich zu einem geochemischen Kreislauf des Arsens [53], welcher schematisch in der Abbildung 6 dargestellt ist.

Natürliche Arseneinträge

Anthropogene Arseneinträge Regenwolken

Vulkane

Magma-Arsen

Wald- und Steppenbrände

Bäume

Quellwasser

wasserlösliches Arsen

Grundwasser Bakterien Pilze

Methyl-arsine

O2 As(V)

Pestizide

Kohle Erdöl Mineralien unlösliches Arsen

Abbildung 6: Arsenkreislauf in der Biosphäre [53]

Die Prozesse, die zur Verteilung von Arsen in der Umwelt führen, sind komplex. Von Interesse sind bei den Arsenorganylen vor allem die Mono- und Dimethylderivate, die sowohl durch Biomethylierung entstehen, als auch industriell genutzt werden. Gelangen Arsenorganyle (z.B. durch den Austrag von Herbiziden) über das Oberflächenwasser in Flüsse und Meere, stellt sich zwischen den Kompartimenten Wasser, Schwebstoff und Sediment ein dynamisches Adsorptions- bzw. Desorptionsgleichgewicht ein. In den Sedimenten können sie dann teilweise von Mikroorganismen über den Prozess der Biomethylierung erneut mobilisiert werden. Durch Verflüchtigung gelangen die methylierten Arsenverbindungen in die Atmosphäre, wo sie durch den Luftsauerstoff zu wasserlöslichen Verbindungen wie Monomethylarsonsäure (MMA: CH3AsO(OH)2) oder Dimethylarsinsäure (DMA: (CH3)2AsO(OH)) oxidiert werden können [54], [55]. Von dort gelangen sie z.B. über Niederschläge wieder in die Gewässer und Böden.

Obgleich sich MMA und DMA unter Laborbedingungen zu den entsprechenden Arsinen reduzieren lassen [56], werden sie in der Natur aufgrund ihrer relativen Stabilität nur in sehr geringem Maße abiotisch abgebaut. Auch die Demethylierung über Tiere und Pflanzen ist kaum wahrscheinlich [57], [58]. Lediglich von bestimmten Bakterien, z. B. bei Pseudomonas sp. ist bis heute bekannt, dass sie die Fähigkeit besitzen, Organoarsen-verbindungen zu Arsenat abzubauen [59], [60], [61].

Damit gehört der biotische Abbau über diese Bakterien zu den wichtigsten Prozessen bei der Verringerung der Arsenorganylkonzentration in Böden.

Die Arsen-Toxizität hängt stark von der Arsenspezies ab. So sind elementares Arsen und verschiedene schwer lösliche Arsenverbindungen erst dann toxisch, wenn sie nach oraler Aufnahme in Kontakt mit Speichel treten [62]. Generell gelten leicht lösliche anorganische Arsenspezies, die gut resorbierbar sind, wie die meisten Arsenite (As III) und Arsenate (As) als toxisch und krebserregend [63]. Demgegenüber sind organische Arsen-verbindungen, wie Monomethylarsonsäure (MMA) oder Dimethylarsinsäure (DMA) längst nicht so giftig (Tabelle 3), da sich wie im Folgenden skizziert, die Wirkpfade unterscheiden [64]. Die Giftigkeit organischer Arsenverbindungen nimmt mit zunehmender Methylierung weiter ab [65].

Tabelle 3: LD50-Werte für einige Arsenverbindungen Verbindung LD50-Wert (Ratte) [mg/kg]

Na3AsO3 14

Ca3(AsO4)2 20

MeAsO(OH)2 1800

Me2AsOOH 2600

Arsenite sind wegen der Inaktivierung von Enzymen durch die Bindung an Schwefelatome der Proteinthiolgruppen der Enzyme [66] und die Unterdrückung der Adenosintriphosphat-Bildung (ATP) [67] noch toxischer als Arsenate [68], [69], [70], [71]. Arsenate wiederum können aufgrund der chemischen Ähnlichkeit zwischen Arsen und Phosphor in Organismen denselben methabolischen Wegen folgen wie Phosphat [72], [73], [74] und wirken in der Atmungskette daher bei der oxidativen Phosphorylierung als Entkoppler [75]. Diese Wege sind bei den organischen Arsenverbindungen aus sterischen Gründen kaum möglich. Aufgrund der geringeren Toxizität der Arsenorganyle könnte es sich bei der Biomethylierung von Arsenverbindungen somit um einen Entgiftungsmechanismus handeln [76]. Geringere Mengen des Methylierungsprodukts werden bei höher entwickelten Säugetieren relativ schnell über die Nieren ausgeschieden [77], [78], daher ist z.B. Säugetiermuskelfleisch nur sehr gering mit Arsen belastet. Im Gegensatz dazu gibt es z.B. bei Fischen keinen so effizienten Entgiftungsmechanismus. In ihrem Gewebe kann es zur Anreicherung in Form von Arsenobetain [(CH3)3As+CH2COO-] kommen, wobei bis zu 188 µg Arsen pro g Muskelfleisch gemessen wurden [39], [79].