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Wie werden TOTS aufgelöst?

Im Dokument Das "Tip of the Tongue"-Phänomen (Seite 45-48)

2.3 Ergebnisse aus 30 Jahren TOT-Forschung

2.3.4 Wie werden TOTS aufgelöst?

Auch die Auflösungen von TOTS hängen von der Untersuchungsmethode ab. Bei natürlich vorkommenden TOTS gibt es prinzipiell keine obere Zeitgrenze bis zur Auflösung: "A TOT may also be resolved minutes, hours, or days after the TOT has left conscious awareness."100 Wobei provozierte TOTS in etwa der Hälfte aller Fälle innerhalb weniger Minuten aufgelöst werden. So konnten 41% der Vps in der Untersuchung von Brown & McNeill das Zielwort noch während des Ausfüllens des Fragebogens aktivieren.101 Werden die Zielwörter nicht noch während der Testphase gefunden, so doch zumeist in den darauffolgenden Tagen. Read & Bruce, die ihre Vps über längere Zeit mehrfach untersuchten, fanden, daß 74% der zunächst nicht aufgelösten TOTS innerhalb von zwei Tagen nach dem Versuch, spontan aufgelöst wurden.102

100 Brown, A. (1991). Seite 212.

101 Hier zeigt sich erneut die Schwierigkeit der Versuchsanordnung, da gerade in dieser interessanten Phase des Worterinnerns die Vp nicht direkt beobachtet und befragt werden konnte, was hingegen in Einzelinterviews möglich ist und zu wichtigen Ergebnissen führt.

102 Read, J. D. & Bruce, D. (1982). Longitudinal tracking of difficult memory retrievals. In:

Cognitive Psychology 14. 280-300.

Die Art der Auflösung hängt neben der Anzahl der bekannten Teilinformationen auch von den Bemühungen der Vp ab, das Zielwort zu finden. Sie kann recherchieren (Bekannte fragen, Nachschlagewerke benutzen etc.), kann verschiedene individuelle, mentale Suchstrategien probieren oder dem Problem keine weitere Beachtung schenken und es dem Zufall überlassen, ob ihr das Zielwort noch irgendwann einfällt.103 Allerdings liegen nur vereinzelt empirische Daten vor, welche belegen, daß Vps nach mehr als einer Woche noch von selbst auf das Zielwort kommen. Dies legt die Vermutung nahe, daß der unterschwellig, d.h.

unbewußt weiterlaufende Suchprozeß/Aktivierungsversuch irgendwann eingestellt wird. Wobei offensichtlich sowohl erfolgreich aufgelöste TOTS als auch nicht aufgelöste TOTS Gedächtnisspuren hinterlassen. Für die erfolgreich aufgelösten TOTS konnten Gardiner et al.104 zeigen, daß die Zielwörter in darauffolgenden Gedächtnistests besser erinnert werden als Wörter, welche anfänglich keine Schwierigkeiten machten. Andererseits bleibt auch für nicht aufgelöste TOTS eine Gedächtnisspur in Form einer Präaktivierung des Wortes vorhanden. Dies konnten Yaniv & Meyer nachweisen, welche eine Testkombination aus TOT-Provokationen mit anschließenden lexical decision tasks durchgeführt haben. Ihre Ergebnisse weisen darauf hin, daß eine unterschwellige erhöhte Aktivierung durch den Aktivierungsversuch erzielt wird: "It appears that unsuccessful attempts to retrieve inaccessible stored information prime the later recognition of the information through a process of spreading activation."105 Außerdem bleibt auf der metakognitiven106 Ebene eine Erinnerung an den erfolglosen Aktivierungsversuch

103 Im Zusammenhang mit der Frage nach praktischen Tips zur Verbesserung der Merkfähigkeit von Wörtern kann aus Sicht dieser Arbeit nur auf die große Anzahl von Büchern zum Thema Gedächtnistraining verwiesen werden. Dennoch sei darauf hingewiesen, daß mehrere Untersuchungen belegen, daß aktives Bemühen um das Zielwort durchaus häufiger zum Ziel führt als das bloße Abwarten. Ferner gibt es Untersuchungen, die belegen, daß gerade Wörter, welche zu einem TOTS geführt haben, nach dessen Auflösung besonders gut erinnert werden können.

104 Gardiner, J.M., Craik, F.I.M. & Bleasdale, F.A. (1973). Retrieval difficulty and subsequent recall.

In: Memory & Cognition 1. 213-216.

105 Yaniv, I. & Meyer, D.E. (1987). Seite 187.

106 Ohne das komplexe Thema der Metakognition hier vertiefen zu wollen, sei zumindest eine Definition gegeben, welche in der Psychologie eine gewisse Akzeptanz gefunden hat:

"Metacognition [...] refers to knowledge about and control of certain cognitive processes such as attention, memory, and comprehension." Reynods, R.E. & Wade, S.E. & Trathen, W. & Lapan, R.

(1989). The Selective Attention Strategy and Prose Learning. Seite 169.

bestehen. Dies zeigt sich, wenn etwa das Zielwort zu einem späteren Zeitpunkt in einem anderen Kontext auftritt und man sich sofort daran erinnert, daß man sich einmal nicht daran erinnern konnte.

Die häufigste Art der Auflösung von TOTS geschieht durch das plötzliche Auftauchen des Zielwortes, wie beispielsweise die Untersuchung von Burke et al.

zeigen: "Pop-ups were the most common means of resolution for all ages [...]."107 Dabei hängt die Länge der Zeitspanne, bis das Zielwort auftaucht, zum einem vom Alter der Vp und zum anderen vom Auftreten von interlopern ab: "Thus, TOTS with alternates took substantially longer to resolve than TOTS without alternates in each age group, [...]"108 Folgende Statistik zeigt zum einen den Zusammenhang zwischen der Auflösungszeit für TOTS und dem Auftreten von interlopern und zum anderen das Anwachsen der Auflösungszeit mit dem Alter:

Young Mid Old

Abbildung 9: Auflösungszeit für pop-ups als Funktion des Alters und des Auftretens von Interlopern. Nach Burke et al. Tip of the Tongue and Aging.

Seite 560.

Als Ursachen für diese Zunahme der Auflösungszeit sehen Burke et al. zwei Faktoren an. Erstens handelt es sich bei den gesuchten Zielwörtern um Items, welche lange nicht mehr benutzt worden sind, wobei ältere Leute aufgrund ihres Alters mehr solcher Zielwörter mit geringer Verwendungsfrequenz im mentalen Lexikon gespeichert haben. Zweitens gehen sie in ihrer Transmission Deficit

107 Burke et al. Seite 562.

108 Ebd. Seite 560.

Hypothesis109 von einer allgemeinen, altersbedingten Abnahme der Effizienz in der Übertragung von Informationen von der Semantik in die Phonologie aus. Diese Annahme wird von der Beobachtung gestützt, daß bei älteren Vps seltener Teilinformationen zur Verfügung stehen als bei jüngeren Vps. Die beiden Faktoren werden weiter unten im Zusammenhang mit den möglichen Ursachen von TOTS nochmals genauer betrachtet.

Im nächsten Kapitel werden die Untersuchungsergebnisse diskutiert, welche belegen sollen, welche Teilinformationen über das Zielwort der Vp während eines TOTS zur Verfügung stehen.

2.3.5 Welche Teilinformationen über das Zielwort können während

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