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Die Versuchsanordnung von Brown & McNeill

Im Dokument Das "Tip of the Tongue"-Phänomen (Seite 23-26)

2.2 Systematische Untersuchungen des TOT- Phänomens

2.2.1 Die klassische Untersuchung von Brown & McNeill

2.2.1.1 Die Versuchsanordnung von Brown & McNeill

Mit diesen Untersuchungen beginnt der Versuch, TOTS systematisch zu erforschen.

Brown & McNeill führten zunächst zweistündige Interviews mit neun Versuchspersonen37 durch. Sie lasen den Vps Definitionen von selten vorkommenden englischen Wörtern vor und baten sie, den dazugehörigen Begriff zu nennen. (z.B. "A navigational instrument used in measuring angular distances, especially the altitude of sun, moon, and stars at sea.")38 Allein auf diese Weise konnten schon 57 TOTS provoziert und beobachtet werden - also ungleich mehr als dies in früheren Ansätzen möglich war. Die Form des Interviews ermöglichte es, die Vp direkt zu beobachten und zu entscheiden, ob sie sich momentan in einem TOTS befand oder nicht, da die Autoren a priori wußten, um welches Zielwort es sich handelte.39 Als Kriterium dienten neben den Aussagen der jeweiligen Vp wiederum emotionale Aspekte: "[...] he would appear to be in mild torment, something like the brink of a sneeze, and if he found the word his relief was considerable."40 Wenngleich die Definitionen, die Brown & McNeill für TOTS gaben, keine emotionalen Aspekte enthalten:

a) The 'tip of the tongue' (TOT) phenomenon is a state in which one cannot quite recall a familiar word but can recall words of similar form and meaning.41

b) If you are unable to think of the word but feel sure that you know it and that it is on the verge of coming back to you then you are in a TOT state [...]42

Die Methode der Definitionsvorgabe brachte neben der erhöhten

und Kontrollierbarkeit von Versprechern zu steigern. Siehe dazu: Meyer, A.S. (1993). Investigation of phonological encoding through speech error analysis: Achievements, limitations, and alternatives. In: Levelt, W.J.M. Speaking: From Intention to Articulation. (1989). Seite 181-211.

37 Im folgenden werden sämtliche Bezeichnungen (wie subjects, Probanden, Interviewpartner, etc.) aus Gründen der Einheitlichkeit in 'Versuchsperson' übersetzt und mit Vp/Vps abgekürzt.

38 Brown, R. & McNeill, D. (1966). Seite 333. Das Zielwort war 'sextant'.

39 Leider wurden nicht einmal exemplarisch Transkriptionen dieser Interviews abgedruckt, so daß es schwierig ist, sich ein genaueres Bild des Gesprächsverlaufes zu machen.

40 Brown, R. & McNeill, D. (1966). Seite 326.

41 Ebd. Seite 325.

42 Ebd. Seite 327.

Vorkommenshäufigkeit von TOTS die Möglichkeit mit sich, den Informationsvorteil und die optimale Vorbereitung der Experimentatoren zu nutzen.

Diese und ähnliche Herangehensweisen sind mittlerweile fester Bestandteil der modernen psycholinguistischen Forschung und werden als ‘kontrollierte Elizitation’

bezeichnet:

Um die Prozesse der Sprachproduktion genauer beobachten zu können, wozu meistens Zusatzaufgaben notwendig sind, muß dem Experimentator bekannt sein, welches Wort oder welchen Satz die Versuchsperson produzieren wird. Deshalb ist es für die experimentelle Untersuchung der Sprachproduktion äußerst wichtig, daß die Äußerung der Versuchsperson in kontrollierter Weise elizitiert wird [...].43

So wurden Vps, die sich gerade in einem TOTS befanden, von Brown & McNeill nach der Anzahl der Silben und nach dem ersten Buchstaben des gesuchten Wortes befragt, wobei in dieser ersten Versuchsreihe die erste Frage in 47% aller Fälle richtig beantwortet wurde und die zweite Frage in 51% aller Fälle.44 Wie aussagekräftig solche statistischen Werte sind, wird weiter unten diskutiert.

Zunächst wird die Hypothese wiedergegeben, zu welcher Brown & McNeill durch ihre Vorversuchsreihe kamen, da ihre weiteren Versuche darauf ausgelegt waren, diese zu überprüfen.

[...] while in the TOT state, and before recall occured, Ss had knowledge of some of the letters in the missing word, the number of syllables in it, and the location of the primary stress. The nearer S was to successful recall the more accurate the information he possessed. The recall of parts of words and attributes of words is termed "generic recall".45

Ermutigt durch die ersten Ergebnisse, starteten die Autoren eine größer angelegte Versuchsreihe mit 56 Studenten, die nicht mehr in Interviews befragt wurden, sondern Fragebögen ausfüllen mußten. Den Vps wurde eine Liste mit 49

43 Rickheit, G. & Strohner, H. (1993). Seite 110.

44 Da die Autoren jedoch immer nur die korrekten Teilinformationen, welche von den Vps angegeben wurden, betrachteten, gibt es keine Untersuchungsergebnisse über die fehlerhaften Angaben der Vps. Gerade diese können aber unter Umständen interessante Hinweise auf fehlerhafte Wortfindungsversuche geben. Einige Beispiele für solche 'falschen Fährten' finden sich in Kapitel 3.

45 Brown, R. & McNeill, D. (1966). Seite 325. S steht im folgenden für subject, also Vp.

Wortdefinitionen von Wörtern vorgelesen, deren Vorkommenshäufigkeit laut Thorndike-Lorge Word Book zwischen mindestens einmal pro vier Millionen und unter einmal pro einer Million lag: "We thought the words used were likely to be in the passive or recognition vocabularies of our Ss but not in their active recall vocabularies."46 Unter diesen 49 Wörtern gab es: 6 Wörter mit einer Silbe, 19 Wörter mit zwei Silben, 20 Wörter mit drei Silben und 4 Wörter mit vier Silben.

Die insgesamt 2744 gestellten Fragen führten zu 360 TOTS, wobei nur in 233 Fällen das von der Vp gesuchte Wort mit dem kurz darauf gegebenen Zielwort übereinstimmte. Bei diesen ‘positiven’ TOTS, bei welchen eine Übereinstimmung zwischen gesuchtem Wort und Zielwort bestand, wurde zum einen überprüft, ob Silbenzahl und Anfangsbuchstabe richtig geschätzt worden waren und zum anderen, ob sonstige Wörter, die den Vps einfielen, a) phonologische Ähnlichkeiten (z.B.

statt sextant - secant oder sextet) oder b) semantische Ähnlichkeiten (z.B. statt sextant - compass oder protractor) besaßen. Dabei ergab sich folgendes Bild: 224 Wörter besaßen phonologische Ähnlichkeiten, 95 Wörter besaßen semantische Ähnlichkeiten und der Rest keine Ähnlichkeiten zum Zielwort. Im folgenden werden diese Ergebnisse detailliert betrachtet.

46 Brown, R. & McNeill, D. (1966). Seite 326.

Im Dokument Das "Tip of the Tongue"-Phänomen (Seite 23-26)