• Keine Ergebnisse gefunden

Thesengruppe 1: Diagnostik und Therapie

4.3 Ergebnisse der Delphi-Studie

4.3.2 Thesengruppe 1: Diagnostik und Therapie

Diese Fragengruppe untersuchte, welche gendiagnostischen Verfahren und damit verbun-denen Techniken in den nächsten Jahren voraussichtlich zum Einsatz kommen und wie sie sich in den verschiedenen Bereichen der Gesundheitsversorgung auswirken werden.

These 1: Mindestens 10% der Bürger nutzen in ihrem Leben mindestens einmal nicht-ärztliche Gentest-Angebote

Diese These ermittelt, welche Auswirkungen die gendiagnostischen Verfahren auf die Selbstdiagnostik haben. Hintergrund ist, dass gendiagnostische Tests immer günstiger und anwendungsfreundlicher werden und damit für einen breiten Einsatz in der Gesundheitsver-sorgung – auch in Laienhand - attraktiv werden. Techniken wie Taschen-PCR-Systeme oder Lab-on-a-Chip-Verfahren können aufwändige Laborumgebungen sparen. In Amerika werden genetische Tests bereits verbreitet über das Internet angeboten und Informationsdienste bieten Hilfestellung bei der Interpretation von genetischen Tests. Doch sind ähnliche Ent-wicklungen auch in Deutschland zu erwarten?

Knapp ein Fünftel der Experten (18%) gab an, spezielle Fachkenntnisse zu dieser These zu besitzen, 82% arbeiteten nicht direkt auf diesem Gebiet. Die Mehrheit der Experten war der Ansicht, dass auch in Deutschland in den nächsten 10 Jahren mindestens 10% der Bevölke-rung nicht-ärztliche Gentest-Angebote nutzen werden. Die meisten hielten die RealisieBevölke-rung der These im Zeitraum von 2014-19 für wahrscheinlich (45%). Fast ein Fünftel der Respon-der (19%) erwartete diese Entwicklung erst nach 2019. Nur ein kleiner Teil (7%) glaubte nicht daran, dass sie überhaupt eintritt. Die zeitliche Einschätzung zur Realisierung der The-sen der TheThe-sengruppe 1 wird in Abbildung 6 dargestellt.

0

60 c) Thesengruppe 3 d) Thesengruppe 4

a) Thesengruppe 1 b) Thesengruppe 2

Abbildung 6: Zeitraum, ab dem die jeweiligen Thesen für realistisch gehalten werden

In der Gesundheitsversorgung zeigen sich die Auswirkungen der Nutzung nicht-ärztlicher Gentestangebote nach Expertenansicht vorwiegend in der fachärztlichen Versorgung (77%).

Über die Hälfte (57%) war der Ansicht, dass sie sich auch auf die Universitätsmedizin ent-sprechend auswirkt. Abbildung 7 zeigt die prozentuale Häufigkeit der gegebenen Antworten zu Auswirkungen in der Gesundheitsversorgung sowie zu Hemmnissen der Entwicklung für die Thesengruppe1. Lediglich ein knappes Viertel der Experten (23%) hielt es für möglich, dass die nicht-ärztliche Diagnostik auch erheblichen Einfluss auf die allgemeinmedizinische Versorgung nehmen wird. Dieser Anteil lag in der ersten Befragungsrunde mit fast der Hälfte (47%) der Befragten noch deutlich höher. Als Hemmnis für die Entwicklung wurden mit Ab-stand am häufigsten ethische, rechtliche Aspekte genannt (88%). Über die Hälfte der Responder (54%) hielt jedoch auch die Akzeptanz bei Patienten für ein Hemmnis. Am dritt-häufigsten wurden fehlende Therapieansätze genannt (35%). Ein Experte wies bei dieser

Entwicklung darauf hin, dass keine Weiterleitung von Patienten an einen Facharzt für Hu-mangenetik durch den niedergelassenen Facharzt erfolgt.

These 2: Gendiagnostische Verfahren wie Chip-Arrays, Sequenzierung und PCR zählen für onkologische, kardiovaskuläre, neurologische sowie Infektionskrankheiten zur medizinischen Routineanalytik.

Die Forschungen zu Korrelationen zwischen genotypischen und phänotypischen Daten kon-zentrieren sich vor allem auf die großen Volkskrankheiten wie onkologische, kardiovaskuläre sowie neurologische Erkrankungen. Für einige Erkrankungen konnten genetische Zusam-menhänge nachgewiesen werden. Auch Infektionskrankheiten spielen in der Gesundheits-forschung und -versorgung eine große Rolle. Das Genom vieler Keime ist inzwischen entschlüsselt, so dass die Keimerkennung zunehmend auf Basis genetischer Merkmale er-folgt. Doch nur in wenigen Bereichen zählt die Gendiagnostik schon heute zur Routineanaly-tik, wie z.B. bei Leukämie zur Klassifizierung der verschiedenen Untergruppen. Bei der Mehrzahl der Erkrankungen ist die Rolle genetischer Faktoren für die Krankheitsentstehung noch unzureichend geklärt. Auch fehlen in vielen Bereichen bisher entsprechende therapeu-tische Ansätze. Beides bildet jedoch die Voraussetzung für einen breiten klinischen Einsatz sowie die Kostenübernahme der Verfahren durch die Krankenkassen. Die These untersucht, ob und wann sich genetische Testverfahren in den genannten Bereichen soweit etabliert haben, dass sie bei vorliegender Indikation routinemäßig zur Diagnostik angewendet werden.

Auf dem in der These angesprochenen Fachgebiet arbeiteten 30% der Befragten, 66% wa-ren nicht speziell damit befasst. Die Experten wawa-ren sich ziemlich einig, dass gendiagnosti-sche Verfahren wie Chip-Arrays, Sequenzierung und PCR für onkologigendiagnosti-sche, kardiovaskuläre, neurologische sowie Infektionskrankheiten in den nächsten 10 Jahren zur medizinischen Routineanalytik zählen werden. Während 42% der Ansicht waren, dass diese Entwicklung zwischen 2008-13 realistisch ist, sah die Hälfte sie erst zwischen 2014-19 eintreten werden und nur 8% nach 2019. Hier ist eine leichte zeitliche Verschiebung im Vergleich zu Runde 1 zu beobachten, in der mit 49% am häufigsten der Zeitraum von 2008-13 genannt wurde und mit 32% und 19% die beiden nachfolgenden Zeiträume. Auch wenn der Zeitraum, in der die These eintritt, unter den Befragten unstimmig war, über eins waren sich alle Experten in bei-den Runbei-den einig: nämlich, dass diese Entwicklung kommen wird. Mit Abstand am meisten wurden die Auswirkungen dieser Entwicklung in der fachärztlichen (81%) und der universi-tätsmedizinischen Versorgung (88%) gesehen. Die Versorgungsfinanzierung (63%) sowie ethische, rechtliche Aspekte (61%) wurden als häufigste Faktoren genannt, die die Entwick-lung hemmen oder verzögern können. Fast die Hälfte der Experten (48%) nannte fehlende Therapieansätze als hemmenden Faktor. Immerhin ein Drittel (33%) sah technische Gründe als Hemmnisse.

0 25 50 75

Abbildung 7: Auswirkungen auf die ärztliche Versorgung und Hemmnisse, die die Entwicklung verzögern oder verhindern in Thesengruppe 1

These 3: Zur Therapieentscheidung werden Systeme eingesetzt, die auf Basis genetischer, proteomischer und molekularer Daten die systemischen Auswirkungen therapeutischer Ein-griffe vorhersagen können.

Mit Methoden der Computational Biology und Computational Medicine erforscht die System-biologie das Zusammenspiel von Daten auf verschiedenen molekularen Ebenen (Genomik, Transkriptomik, Proteomik, Metabolomik etc.) um Systeme als Ganzes zu verstehen. Mit Hilfe von Modellierung und Simulationstechniken sollen die Auswirkungen visualisiert darge-stellt werden. Hintergrund von These 3 ist zu ermitteln, wann das Forschungsgebiet der Sys-tembiologie erste Systeme für den klinischen Einsatz hervorbringen wird.

Auf diesem Gebiet verfügte über ein Drittel (36%) der Experten über spezielles Fachwissen.

Über die Hälfte (52%) gab an, nicht unmittelbar mit dem genannten Bereich zu tun zu haben.

Die meisten Teilnehmer (57%) erwarteten die Realisierung der These im Zeitraum von 2014-19. Nur etwa je ein Fünftel hielt die Entwicklung in den Zeiträumen davor (22%) und danach (20%) für realistisch. Kaum einer (2%) glaubte, dass die Entwicklung nie eintritt. Die Entwick-lung wirkt sich hauptsächlich auf die universitätsmedizinische Versorgung aus. Dies gaben 91% der Teilnehmer an. Wesentliche Auswirkungen für die fachärztliche Versorgung sahen 76% der Responder. Als wesentliche hemmende Faktoren wurden ethische, rechtliche As-pekte (62%) und mit etwas Abstand die Versorgungsfinanzierung genannt (47%). Aber auch Standards und Normen sahen 38% der Experten als Hemmnis für diese Entwicklung.

Zwischen einem Viertel und einem Drittel der Teilnehmer hielt auch technische Faktoren (33%), Akzeptanz bei Patienten (33%), fehlende Therapieansätze (29%), Forschungsfinan-zierung sowie Akzeptanz bei Heilberufen (je 27%) für hemmend.

These 4: Molekulare bildgebende Systeme werden bei schwerwiegenden Erkrankungen wie Krebs, kardiologischen und neurologischen Erkrankungen (z.B. Alzheimer, Epilepsie) stan-dardmäßig zur Therapieüberwachung eingesetzt.

Die technischen Fortschritte bei bildgebenden Verfahren ermöglichen die hochauflösende Abbildung immer feinerer Strukturen. Sie machen bei Erkrankungen wie Krebs sowie kardio-logischen und neurokardio-logischen Erkrankungen inzwischen pathogene Strukturen auf molekula-rer Ebene sichtbar. Der Einsatz dieser neuen Verfahren eignet sich vor allem für die Therapieüberwachung. Für einen breiten Einsatz fehlen bislang jedoch validierte Kosten-Nutzen-Evaluationen sowie Regelungen für die Kostenübernahme. Mit der These soll ermit-telt werden, ob molekulare bildgebende Verfahren in absehbarer Zeit in der deutschen Ge-sundheitsversorgung eine nennenswerte Rolle spielen werden.

Zu dieser These verfügten 62% der Befragten über spezielle Fachkenntnisse, 30% arbeite-ten nicht direkt auf diesem Gebiet. Der standardmäßige Einsatz von molekularen bildgeben-den Systeme zur Therapieüberwachung bei schwerwiegenbildgeben-den Erkrankungen wurde bis 2019 erwartet: 38% der Teilnehmer gingen davon aus, dass diese Entwicklung bereits im Zeitraum bis 2013 eintritt, 47% hielten sie zwischen 2014-19 für realistisch. Nur 16% glaubten, dass sie nach 2019 wahr wird, und keiner, dass sie gar nicht kommt. Die Entwicklung wirkt sich hauptsächlich auf die fachärztliche und universitätsmedizinische Versorgung aus. Dieser Ansicht waren 80% (fachärztlich) und 91% (Universitätsmedizin) der Experten. Als wesentli-ches Hemmnis dieser Entwicklung galt die Versorgungsfinanzierung. Das meinten 73% der Experten. Technische Faktoren hielt immerhin fast die Hälfte (44%) für ein Hindernis, kurz darauf gefolgt von Standards und Normen (38%). Auch fehlende Therapieansätze sah fast ein Drittel (31%) der Responder für hemmend an. Als zusätzliches Hemmnis wurden einmal regulatorische Hürden durch lange und aufwändige Zulassungsstudien genannt.