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2.2.1 Intensivierte Insulintherapie

Im Diabetes Controll and Complication Trial (DCCT) wurde 1993 der Standard für das moderne, bis heute geltende Typ-I-Diabetes Management etabliert. In einer Studie mit 1441 Diabetikern wurden diese randomisiert der konservativen oder der intensivierten Insulintherapie zugeteilt (ROBERTSON 2004). Die wesentlichen Erneuerungen der intensivierten Insulintherapie bestanden dabei in mehrmals täglich vom Patienten selbst durchzuführenden Blutzuckerbestimmungen, gefolgt von selbständigen Insulininjektionen.

Hierbei wurden erstmalig Kombinationspräparate von lang-, mittel- und kurzfristig wirkendem Insulin verabreicht (THE DCCT-RESEARCH GROUP 1993). Zusätzlich hält der Patient eine auf ihn abgestimmte Diät ein (THE DCCT-RESEARCH GROUP 1993). Die Ergebnisse zeigten, im Vergleich zur konservativen Therapie, eine deutlich bessere Blutzuckereinstellung des Patienten. Mit der verbesserten Blutzuckerkontrolle ging auch eine Verbesserung der HbA1c-Werte (glykolisierte Peptidkette 1 des adulten Hämoglobins) und eine Abnahme der oben besprochenen gefürchteten, diabetischen Folgeerkrankungen einher (THE DCCT-RESEARCH GROUP 1993). Trotz dieser wesentlichen Verbesserungen kann die physiologische, zirkadiane Insulinrhythmik nur unzureichend simuliert werden. Dies ist besonders während der nächtlichen Schlafphase ein Problem, da sie eine Verabreichung von Langzeitinsulin erfordert. In der ersten Nachthälfte besteht jedoch nur verminderter Insulinbedarf. Die Folge ist eine Hypoglykämie am Anfang der Nacht, gefolgt von einer Hyperglykämie am Ende der Nacht (Dawn-Phänomen, SCHMIDT et al. 1981; PFUTZNER et al. 2000). Ein weiterers Problem ist die überdurchschnittliche Motivation, die für das Blutzuckermanagement und das Einhalten der Diät erforderlich ist (PFUTZNER et al. 2000).

Blutzuckermanagement und Diät werden oft als Verschlechterung der Lebensqualität empfunden.

2.2.2 Kontinuierliche, subkutane Insulin-Infusion

Die Verwendung von Insulinpumpen stellt eine Sonderform der intensivierten Insulintherapie dar (PFUTZNER et al. 2000). Auch hier soll eine möglichst physiologische Blutzuckereinstellung erreicht werden (THE DCCT-RESEARCH GROUP 1993; BURGI et

al. 1995). Neben externen Pumpen existieren bereits die ersten implantierbaren Pumpen.

Externe Insulinpumpen (Abbildung 1) kamen erstmalig 1976 zwecks wissenschaftlicher Studien zum Einsatz (PICKUP et al. 1977, 1978; TAMBORLANE et al. 1979) und wurden schließlich in den frühen 80ern als alternative Therapieform angewendet (MECKLENBURG et al. 1982). Heute tragen in Europa ca. 32.000 bis 35.000 Typ-I-Diabetiker externe Pumpen, davon alleine 22.000 in Deutschland (BOLAND et al. 1999; PFUTZNER et al. 2000; BODE et al. 2002a). Moderne externe Pumpen besitzen ein Insulinreservoir, von dem aus kurzwirkendes Insulin (Insulin-Lispro) über einen Dauerkatheter mit weicher Teflonnadel subkutan ins abdominale Fettgewebe infundiert wird (LENHARD u. REEVES 2001; SELAM 2001). Die Applikation erfolgt dabei computergestützt, entsprechend zuvor eingestellter Basalraten. Die Pumpe dient also nur der Nachahmung der zirkadianen, basalen Insulinsekretion (LENHARD u. REEVES 2001). Über verschiedene Bolusfunktionen oder Quick-Release-Tasten kann der Patient die für die Mahlzeiten nötige Insulinmenge selbst

Abbildung 1: Externe Insulinpumpen , A+B : frühere Modelle, C: heutiges Modell (modifiziert nach BODE et al. 2002a)

A

C B

infundieren (Open Loop System, BODE et al. 2002a). Externe Pumpen sind wasserdicht, können aber auch zum Duschen oder Schwimmen durch abkoppelbare Katheter abgelegt werden.

Implantierbare Insulinpumpen erfordern einen chirurgischen Eingriff unter Vollnarkose oder Lokalanästhesie (UDELSMAN et al. 1997). Die Pumpe wird im linken unteren Quadranten des Abdomens, maximal 4 cm unter der Haut nach Lipektomie, in einer Gewebetasche platziert und an der Bauchfascie mit Zügeln befestigt, um Migration oder Torsion zu verhindern (THOMPSON u. DUCKWORTH 2001). Das Insulin wird über einen beschichteten (Silastic) Polyethylen-Katheter direkt in die Abdominalhöhle geleitet und über die Pfortader zur Leber transportiert. Die Programmierung der Pumpe erfolgt transkutan über ein kleines Sendegerät. Das dreimonatige Auffüllen des Insulinreservoirs erfolgt durch transkutane Injektion (SELAM 2001; THOMPSON u. DUCKWORTH 2001).

Vorteile der Insulinpumpen gegenüber der intensivierten Insulintherapie sind: ein geringeres Risiko einer nächtlichen- oder einer aktivitätsinduzierten Hypoglykämie, eine bessere Kontrolle des Dawn-Phänomens, eine stabilere Blutzuckereinstellung, verbesserte HbA1C -Werte und eine verbesserte Lebensqualität (BODE et al. 2002a). Nachteile sind:

Katheterverstopfung (Insulinagglomeration, mechanische Verlegung), Hautreizungen oder Infektionen an der Infusionsstelle sowie ein geringfügig erhöhtes Ketoacidoserisiko (PFUTZNER et al. 2000; PICKUP u. KEEN 2002). Die momentan verfügbaren Insulinpumpen befreien nicht vom postprandialen Glukosemonitoring oder vom Einhalten einer Diät. Sie haben demnach eher den Stellenwert eines Managementwerkzeuges als den einer Therapie (LENHARD u. REEVES 2001; BODE et al. 2002b).

2.2.3 Somatische Gentherapie

Man unterteilt dieses Gebiet in die Ex-vivo- und die In–vivo-Gentherapie (CHAN et al.

2003). Vektoren (hauptsächlich Viren), in deren Genom humane Transgene (z.B. humanes, insulincodierendes Gen) integriert wurden, infizieren Gewebe des Patienten. Die Vektoren integrieren ihr Genom, und damit das Transgen, in das Genom des Patienten. Die so infizierten Zellen produzieren nun die durch das Transgen codierten Proteine (z.B. Insulin, GIANNOUKAKIS et al. 1999; YOON u. JUN 2002; BOTTINO et al. 2003).

Bei der Ex–vivo-Gentherapie erfolgt der Einbau des Transgens in-vitro. Gewebe des Patienten wird entfernt (zB. Lebergewebe), in-vitro durch Vektoren genetisch modifiziert, und dann dem Patienten reimplantiert (CHAN et al. 2003). Die Ex–vivo-Gentherapie wird ausführlich in der Literatur erläutert (NEWGARD 1994; LEVINE 1997; BAILEY et al. 1999;

LEVINE et al. 1999; NEWGARD 2002).

Bei der In–vivo-Gentherapie erfolgt der Einbau des Transgens im Patienten. Das Transgen wird dem Patienten direkt verabreicht. Das Hauptproblem dieses Gebietes ist die Entwicklung effizienter und ungefährlicher Vektoren (Tabelle 1). Auf dem in-vivo-Gebiet verfolgt man zur Zeit drei Strategien:

1.) Gentransfer von blutzuckersenkenden Nicht-Insulin-Genen 2.) Gentransfer von glukosesensitiven Insulin-Genen

3.) Gentransfer von ß-Zell-Neogenese verursachenden Genen (CHAN et al. 2003)

Zur ersten Strategiegruppe gehört das für GcK (Glukokinase) codierende und das für PTG (Protein Targeting to Glukagon) codierende Gen. Ihr durch Adenoviren vermittelter Transfer in Leber und Muskulatur senkt im Erfolgsfall die hepatische Glukoneogenese und fördert die hepatische und muskuläre Glygogensynthese (FERRE et al. 1996; O'DOHERTY et al. 1999;

Tabelle 1: Charakteristika einiger Gen-Vektoren (modifiziert nach GIANNOUKAKIS et al. 1999)

Vektor Pro Kontra

Plasmid DNA leicht herzustellen, aufzureinigen und zu vermehren

schlechte Persistenz, keine spezifischen Zielzellen Adenoviren leicht hohe Titer zu erreichen,

transduziert fast alle Zelltypen

keine stabile Transduktion, immunogen in-vivo Adeno-assoziierte

Viren

stabile Transduktion, transduziert viele Zelltypen, geringe Immunogenität

Expression der Transgene dauert Tage

MoLV- basierte Retroviren

stabile Transduktion, Zielzelländerung möglich, leicht hohe Titer zu erreichen, Vektor für schnell teilende Zellen, Vektor für nicht teilende Zellen

Methylierung und Cytokine beinflussen Transgen- expression, anfällig für

chromosomale Positionseffekte Lentiviren stabile Transduktion, keine

Immunogenität, leicht hohe Titer zu erreichen

Sicherheitsbedenken bei auf HIV-1 basierenden Vektoren Herpes simplex

Typ-I-Viren

gute Transduktion, transduziert viele Zelltypen, Zielzelländerung möglich

inherente Toxizität kationische Liposomen transduziert fast alle Zelltypen,

Zielzelländerung möglich, keine Immunogenität, leicht zu manipulieren

schlechte Kontrollierbarkeit der Diffusionskinetik

Peptid Fusions Domänen

transduziert viele Zelltypen, keine Immunogenität, nicht Gegenstand der Genregulation,

High-Level-Peptidproduktion möglich

kurze Halbwertzeit,

proteolytische Degeneration, Produktion in großer Zahl ist zeitaufwendig.

NEWGARD et al. 2000; O'DOHERTY et al. 2000; OTAEGUI et al. 2000). Auf diese Weise wird der Blutzuckerspiegel gesenkt. Der Gentransfer dieser beiden Gene könnte als Hilfs-Therapie (Adjuvant-Hilfs-Therapie) eingesetzt werden.

In der zweiten Strategiegruppe wird das für Insulin codierende Gen viral in Leberzellen eingeführt (DONG u. WOO 2001; YOON u. JUN 2002). So transfizierte Leberzellen produzieren Proinsulin, das durch Furin in Insulin umgewandelt wird (MUZZIN et al. 1997;

SHORT et al. 1998). Die Antwort auf einen Glukosestimulus ist jedoch mangelhaft. Erst ein bis zwei Stunden nach Stimulus erfolgt eine Antwort auf der Transkriptionsebene. Zwei bis vier Stunden später erfolgt die Insulinsekretion (CHAN et al. 2003).

In der dritten Strategiegruppe arbeitet man am Gentransfer von ß-Zell-Neogenese induzierenden Genen. Hierbei wird über Adenoviren (HDAd) das NeuroD/ß2-Gen in die Leberzellen eingebaut, das diese in glukosesensitive, insulinproduzierende ß-Zellen umwandelt (O'NEAL et al. 1998; LOZIER et al. 1999; FERBER et al. 2000; OKA et al. 2000;

O'NEAL et al. 2000). Mit dem NeuroD/ß2-Gentransfer und dem ß- Zell-Wachstumsfaktor Betazellulin konnten Normoglykämie, normale Plasmainsulinlevel und eine normale Glukosetoleranz erreicht werden. Des Weiteren konnten kapselnah Inselzellkluster in der Leber nachgewiesen werden, die die Eigenschaften von Hepatozyten verloren haben, und stattdessen glukoseresponsiv Insulin, Glukagon, Somatostatin und pankreatisches Polypeptid sezernieren (KOJIMA et al. 2003).

Bis zu ersten klinischen Versuchen muss jedoch die Stabilität des Gentransfers und die Sicherheit der Vektoren verbessert werden. Die somatische Gentherapie zur Behandlung des DM-Typ-I befindet sich noch in den Anfängen der experimentellen Phase (CHAN et al.

2003).

2.2.4 Pankreastransplantation

Die Heilung des DM-Typ-I erfordert die Übertragung funktionstüchtiger Langerhans’scher Inseln. Die Pankreastransplantation stellt dabei eine Möglichkeit zur Übertragung dar. Die erste erfolgreiche klinische Transplantation wurde 1966 an der University of Minessota von Kelly durchgeführt (KELLY et al. 1967; STRATTA et al. 1996). Hinsichtlich der Technik unterscheidet man zwischen der SPK- (Simultaneous Pankreas Kidney), PAK- (Pankreas After Kidney) und der PTA-Transplantation (Pankreas Transplantation Alone)

(SUTHERLAND et al. 2001). Bei der SPK werden gleichzeitig Niere und Pankreas transplantiert, bei der PAK zuerst eine Niere und erst später das Pankreas und bei der PTA wird nur ein Pankreas transplantiert.

SPK und PAK sind die häufigsten Pankreastransplantationen und werden bei urämischen Typ-I-Diabetikern durchgeführt, die aufgrund diabetischer Nephropathie auch eine Nierentransplantation benötigen. Es werden dabei Pankreas, ein Teil des Duodenums, Teile von A.- und V.- iliaca, Niere und Urether eines Verstorbenen transplantiert (Abbildung2, SUTHERLAND et al. 2001).

Die PTA wird nur bei nicht urämischen Diabetikern durchgeführt. Es wird entweder das Vollorgan eines Verstorbenen oder ein Pankreassegment eines Lebendspenders transplantiert (Abbildung 3, SUTHERLAND et al. 2001).

Die Pankreastransplantation führt heute standardisiert zu Euglykämie und physiologischen HbA1C-Werten. Die Verlustrate eines Jahres liegt, aufgrund der Immunsupression (Tacrolimus, FK506, Mofetil) und der Antikörperinduktionstherapie, bei 2 % für SPK und PAK und bei 8 % für die PTA (FREISE et al. 2002; KAUFMAN et al. 2002). Obwohl die Pankreastransplantation damit eine standartisierte Methode darstellt, weist sie gegenüber der

Abbildung 3: Bladder Drainage (exokrine Produkte) und systemisch-venöser Blutabfluß (Insulin) bei einer PTA-Transplantation (modifiziert nach SUTHERLAND et al. 2001) Abbildung 2: Enteric drainage (exokrine Produkte) und

systemisch-venöser Blutabfluß (Insulin) bei einer SPK-Transplantation (modifiziert nach SUTHERLAND et al.

2001)

Inseltransplantation einige Nachteile auf (SUTHERLAND 2003). Die PTA hat eine höhere Mortalität als die eines chronischen Diabetikers, der noch auf eine Transplantation wartet (VENSTROM et al. 1988), und hat darüber hinaus eine höhere Morbidität als die Inseltransplantation (SOLLINGER et al. 1998). Die Pankreastransplantation selbst ist ein aufwendiger chirurgischer Eingriff, der nur an kreislaufstabilen Diabetikern vorgenommen werden kann (ULRICHS et al. 1999). Des Weiteren treten in folge der geringen Durchblutung des Pankreas und infolge seiner exokrinen Funktion oft Thrombosen, Pankreatitis, Ileus und Infektionen auf (STOCK u. BLUESTONE 2004). Die systemisch-venöse Insulindrainage kann zu Hyperinsulinämie und Hypoglykämie führen (HIRSHBERG et al. 1998). Die Drainage der exokrinen Pankreasprodukte in die Blase bei der PTA (Abbildung 3) kann zu metabolischen Acidosen, Dehydratation, chronischer Urethritis und rezidivierenden urogenitalen Infektionen führen (HIRSHBERG et al. 2003).

2.2.5 Inseltransplantation

Bei der Inseltransplantation werden lediglich die Langerhans’schen Inseln des Pankreas transplantiert. Sie enthalten alle zur Regulierung des Blutzuckerhaushaltes erforderlichen endokrinen Zellen (9,ß,?,<).