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2.2 Tuberkulose beim Menschen .1 Epidemiologie und Bedeutung

2.2.4 Therapie und Prophylaxe

Zur Therapie der Tuberkulose stehen zahlreiche wirksame und - zumindest für Industriestaaten - auch überwiegend preisgünstige Medikamente zur Verfügung. In erster Linie sind dies Isoniazid (INH), Rifampicin (RMP), Pyrazinamid (PZA) und Ethambutol (EMB), zusätzlich auch Streptomycin (SM), das allerdings wegen seiner geringen therapeutischen Breite nur dann eingesetzt werden sollte, wenn Kontraindikationen gegen eines der vier zuerst genannten Medikamenten vorliegen (MALL, W., 2003). Generell sollte am Anfang jeder antituberkulösen Therapie eine Intensivbehandlung stehen, mit der durch die Anwendung der oben genannten Medikamente in einer Drei- oder Vierfachkombination die Keimzahl möglichst schnell verringert, eine kulturelle (Sputum -) Konversion erzielt und die Entwicklung sekundärer Resistenzen verhindert werden soll. Die sich anschließende

Stabilisierungsphase sollte dazu dienen, persistierenden Bakterien entgegenzuwirken und Rezidive zu vermeiden. Die Wahl der Medikamente richtet sich nach der möglichen Infektionsquelle, bestehenden Organfunktionsstörungen und dem eventuellen Vorliegen sekundärer Resistenzen durch ineffektive Vorbehandlung. Auch ist die Zuverlässigkeit des Patienten sehr wichtig für eine erfolgreiche Therapie. Nur wenn die Einnahme der Medikamente gesichert ist, können Rezidive mit sekundär resistenten Keimen ausgeschlossen werden. Die Therapiedauer hängt von der Ausdehnung der Tuberkulose und der verwendeten Medikamentenkombination ab (MATTHIESSEN et al., 1987).

Nach neuesten Empfehlungen des DZK wird bei Erwachsenen eine Vierfach-Kombination verabreicht, bestehend aus Isoniazid 5 mg/kg KGW, aus Rifampicin 10 mg /kg KGW, Pyrazinamid 25-35 mg /kg KGW und Ethambutol 20-25 mg/kg KGW. Diese Behandlung erfolgt über zwei Monate, eine viermonatige Behandlung mit Isoniazid und Rifampicin schließt sich an. Erforderlich sind regelmäßige Kontrollen von Blutbild und Leberwerten sowie während der Therapie mit Ethambutol auch augenärztliche Kontrollen.

Eine initiale Dreifachtherapie mit Isoniazid, Rifampicin und Pyrazinamid kommt als Ausnahme bei Kindern und bei pauzibazillären Tuberkulosen ohne Risikofaktoren für eine Resistenz in Betracht. Die Vierfachtherapie als Regelfall begründet sich durch die Zunahme der Resistenzraten speziell gegenüber Isoniazid. Eine Dreifachtherapie würde bei bestehender Isoniazid-Resistenz aufgrund der Unwirksamkeit von Pyrazinamid im nicht-sauren Milieu zu einer Rifampicin-Monotherapie führen. Diese birgt jedoch das Risiko der Entwicklung einer Rifampicin-Resistenz unter der Therapie (EWIG, S., 2001).

Bei der Anwendung der antituberkulösen Medikamentes sind auch ihre zahlreichen Nebenwirkungen nicht außer acht zu lassen. Besonders INH wirkt bei bestehenden Lebererkrankungen und möglicherweise auch bei Bestehen einer Schwangerschaft hepatotoxisch. Die Empfehlungen hinsichtlich eines Vorgehens bei nachweisbarer Hepatotoxizität (ohne Symptome einer akuten Hepatitis) bleiben uneinheitlich. Nach THOMPSON et al. (1995) sollte bei einem Anstieg der Transaminasen über ein Dreifaches der Norm zunächst INH abgesetzt, bei einer anschließenden Normalisierung der Werte kann es dann wieder eingesetzt werden. Andernfalls sollten auch die anderen potenziell hepatotoxischen Antituberkulotika abgesetzt werden. Diese Empfehlung kann durch eine Induktion einiger P-450-Enzyme durch RMP begründet werden, die in der Initialphase zu

einem vermehrten Anfall toxischer Metabolite des INH führen, während sich dieser Effekt nach Autoinduktion des RMP-Metabolismus wieder aufhebt (MUSCH et al., 1982).

Weiterhin bedingt INH eine Neuritis im peripheren Nervensystem, selten auch im N. opticus.

Übelkeit und Erbrechen, Gelenkschmerzen, Lupus-ähnliche Reaktionen, zerebellare Ataxien, Konvulsionen, Psychosen, Hyperglykämie, Agranulozytose und bei unterernährten Patienten auch Pellagra sind ebenfalls beschreiben worden (GRANGE u. ZUMLA 1999).

Auch Rifampicin führt trotz einer sehr guten antituberkulösen Wirkung zu einer Vielzahl von Wechselwirkungen mit körpereigenen und körperfremden Substraten. Liegt eine Leberschädigung vor, kann RMP zu weiteren hepatischen Erkrankungen führen. Nur selten treten Übelkeit und Erbrechen, abdominale Schmerzen und Diarrhoe, Hautauschläge, Urtikaria, Konjunktivitis sowie Hämlyse oder Thrombozytopenie-bedingte Purpura auf. Da RMP alle Körpersekrete orange einfärbt, ist es gleichzeitig einwirkungsvoller Indikator, um die ordnungsgemäße Einnahme des Medikamentes im Rahmen der Therapie zu überwachen (GRANGE u. ZUMLA 1999).

Die Verwendung von Ethambutol sollte bei Kindern vermieden werden. Bei Erwachsenen ist die am häufigsten beschriebene Nebenwirkung eine retrobulbäre Neuritis, die sich durch eine eingeschränkte visuelle Wahrnehmung, Farbblindheit und ein verkleinertes Sehfeld äußert.

Aus diesem Grund erfordert die EMB-Therapie immer eine augenärztliche Kontrolle. Selten kann auch eine periphere Neuritis auftreten (GRANGE u. ZUMLA 1999).

Pyroniazid wirkt ebenfalls hepatotoxisch. Bei der Therapie treten gehäuft Inappetenz sowie milde gastrointestinale Beschwerden und auch Gelenkschmerzen auf (GRANGE u. ZUMLA 1999).

Streptomycin (SM) sollte bei der Tuberkulose-Therapie nur eingesetzt werden, wenn bei dem zu behandelnden Patienten eine Kontraindikation gegen INH, PZA, EMB oder RMP vorliegt.

Es bindet an die 30S-Untereinheit ribosomaler RNA, vermindert die Proteinsynthese und verusacht Fehler beim Lesen der mRNA. Dies begünstigt die Entstehung einer Reihe von Nebenwirkungen wie z.B eine Oto-und Nephrotoxizität, selten auch neuromuskuläre Blockaden, Hypersensivitätsreaktionen mit makulopapilären Hautausschlägen, Fieber und Eosinophilie. Auch besitzt Streptomycin schon bei niedrigen Dosierungen eine lange

Halbwertszeit und aus diesem Grund nur eine geringe therapeutische Breite (GRANGE u.

ZUMLA 1999)

Die UN-Vollversammlung hat sich im September 2000 verpflichtet, innerhalb der nächsten zehn Jahre die Mortalität an TB und Malaria zu halbieren und die Rate neuer HIV-Infektionen um 25 % zu senken. Um die weltweit verheerenden Zahlen unter Kontrolle zu bekommen, haben UN und WHO als globales Kontrollziel bis 2005 beschlossen, 70 % aller Neuerkrankungen zu erkennen und 85 % davon erfolgreich zu behandeln. Bis 2050 soll die Tuberkulose als Public Health Problem keine Rolle mehr spielen. Um dieses Ziel erreichen zu können, müssen neben Bekämpfungsstrategien auch prophylaktische Maßnahmen ergriffen werden.

Um eine weitere Ausbreitung zu verhindern, bietet sich eine Impfung an. Zur Zeit ist dafür nur ein einziger Impfstoff zugelassen, der bereits zwischen 1908 und 1919 durch 230-faches Passagieren eines pathogenen Stammes von M. bovis auf in Rindergalle und Glycerol getränkten Kartoffelscheiben entstanden ist (CALMETTE, A., 1927). Dieser attenuierte Stamm wird nach seinen Urhebern BCG, Bacillus Calmette-Guérin, genannt und wurde 1921 erstmals als Impfstoff eingesetzt. Bis heute sind mehr als drei Milliarden Menschen mit diesem Lebendimpfstoff vakziniert worden, was BCG zu dem weltweit am häufigsten eingesetzten Lebendimpfstoff macht (MC KINNEY et al., 1998). Dieser kostengünstige, einen signifikanten Schutz vor einer Infektion mit M. tuberculosis vermittelnde Impfstoff galt lange als ideale Lösung im Kampf gegen die Tuberkulose. Bereits eine einmalige Applikation schien einen langanhaltenden Schutz zu vermitteln, Nebenwirkungen zeigten sich kaum und die Hitzeunempfindlichkeit von BCG ermöglichte den Einsatz auch in Ländern, in denen eine geschlossene Kühlkette nicht gewährleistet werden konnte (STOVER et al., 1991). Auch erwies sich eine Impfung im frühen Kindesalter als günstig, da BCG so eine besonders starke Immunität gegen eine Erkrankung an den schlimmsten Formen der Kindertuberkulose, nämlich der meningitischen und der disseminierten miliaren Form, vermittelt (MC KINNEY et al., 1998).

Doch gerade der häufige Einsatz von BCG macht es nötig, anhand von Studien seine Effektivität zu kontrollieren. So zeigten in den letzten 30 Jahren durchgeführte Erhebungen immer wieder Fakten auf, die den Traum vom idealen Tuberkulose-Impstoff zerplatzen ließen. Je nach Studie lag der durch BCG vermittelte Impfschutz zwischen 0 % und 80 % (BLOOM u. FINE 1994), was zu kontroversen Diskussionen bezüglich der Effizienz einer

BCG-Impfung führte. Im Rahmen der HIV-Pandemie kristallisierte sich noch ein weiteres Problem heraus: HIV-Patienten und andere immunsupprimierte Personen entwickeln nach einer Impfung mit BCG eine disseminierte BCGitis, die häufig einen letalen Ausgang zeigt (VON REYN et al., 1987; WELTMAN u. ROSE 1993 ; JOUANGUY et al., 1996;

NEWPORT et al., 1996).

Trotz der in einigen Studien nicht nachweisbaren Wirksamkeit und dem Provozieren einer generalisierten Infektion in immunsupprimierten Patienten wird von der WHO der Einsatz von BCG in Ländern mit hohem Tuberkuloseaufkommen empfohlen. Weltweit werden auch bis zu 85 % aller Neugeborenen gegen die Tuberkulose geimpft. Lediglich HIV-infizierte Kinder werden davon ausgenommen, da die Impfung auch bei ihnen zu einer Infektion führen kann. In Deutschland wird der Einsatz von BCG gegenwärtig nicht empfohlen.

Doch nicht nur eine Impfung kann der Tuberkuloseverbreitung entgegenwirken. Ihre Hauptursachen müssen mit intensiven Maßnahmen zur globalen Armutsbekämpfung beseitigt werden. Eine kosteneffektive und wirkungsvolle Maßnahme ist auch die DOTS-Strategie.

Dabei handelt es sich um ein Maßnahmenpaket, welches unter anderem politische Verantwortung, passive Fallfindung, standardisierte Behandlung, Bereitstellung der notwenigen Medikamente und Dokumentation der Fälle beinhaltet. Es wird geschätzt, dass nur jeder vierte Patient Zugang zu DOTS-Programmen hat, die somit der Ausdehnung bedürfen (LODDENKEMPER, R., 2003).