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2.2 Tuberkulose beim Menschen .1 Epidemiologie und Bedeutung

2.2.3 Klinisches Erscheinungsbild

Die Tuberkulose verläuft im ersten Stadium oft ohne charakteristische Symptome.

Leistungsabfall, Appetit- und Gewichtsverlust, subfebrile Temperaturen, Nachtschweiß und Regelanaomalien können über Monate anhalten. Je nach betroffenem Organsystem können auch Heiserkeit, Husten, Halsschmerzen und Thoraxschmerzen (MAGNUSSEN u.

KANZOW 2001).

Bei einer pulmonalen Manifestation, welche sich durch persistierenden Husten, schleimig-eitrigen und manchmal blutigen Auswurf sowie Heiserkeit auszeichnet, unterscheidet man nach MATTHIESSEN et al. (1992) :

• die intrathorakale Lungentuberkulose mit intrathorakaler Lymphknotentuberkulose, die stenosierende Bronchustuberkulose, die Lungentuberkulose durch Lymphknoten-einbruch ins Bronchialsystem, und die hämatogene Lungentuberkulose und Pleuritis exsudativa tuberculosa

• die postprimäre Lungentuberkulose in Form einer Oberlappenspitzentuberkulose, einer lobulären Lungentuberkulose oder einer infiltrativen Lungentuberkulose

Diese einzelnen pulmonalen Tuberkuloseformen lassen sich röntgenologisch von einander abgrenzen (MATTYS 2000). Bei frischen, postprimären Lungeninfiltraten erkennt man auf dem Röntgenbild eine unscharfe Verdichtung, oft im Spitzenbereich der Lunge, die mit einem deutlich zu erkennendem Parenchymzerfall einhergeht. Bei der abgeheilten postprimären Infiltration findet man in denselben Bereichen schrumpfende Parenchymveränderungen, selten auch persistierende kavernöse Hohlräume und sogenannt „Tuberkulome“. Dabei handelt es sich um runde, glattwandige Pseudotumoren (DEDIÉ et al., 1993).

Bei einer Manifestation im Urogenitaltrakt ist das klinische Leitsymptom eine rezidivierende Pyelonephritis, die auch mit einer Hämaturie einhergehen kann (DEDIÉ et al., 1993).

Eine lymphogene Manifestation verläuft oft mit einer nicht-schmerzhaften Schwellung der zervikalen und supraklavikulären Lymphknoten, die dadurch benachbarte Strukturen komprimieren und so zu weiteren Symptomen führen können. Auch können die betroffenen Lymphknoten spontan perforieren und dann zur Fistelbildung neigen. Bei einem Befall der Hiluslymphknoten kann es zu einer Kompression der Bronchien und zu Segment- oder Lappenatelektasen kommen (MATTHYS 2000).

In Folge einer Knochen- und Gelenksmanifestation kommt es neben unspezifischen Symptomen vor allem zu Schmerzen aufgrund einer Arthritis und Osteomyelitis mit entsprechenden Funktionstörungen. Die bevorzugte Lokalisation stellen die Wirbelkörper dar, an denen die Erkrankung zu einer Kompression des Rückenmarkes mit motorischen Ausfallerscheinungen bis hin zu einer Querschnittslähmung führen kann (DIERICH et al., 2000). Oft sind aber solche Wirbelaffektionen (Spondylitis tuberculosa) im Gegensatz zu ausgedehnten Senkungsabzessen bei Befall der Wirbelsäule schlechter zu diagnostizieren.

Die Manifestation im Abdomen umfasst die Darmtuberkulose und die Peritonealtuberkulose.

Eine Darmtuberkulose mit bevorzugter Lokalisation im Ileocaecal-Bereich kann zu einem Ileus, Durchfall, blutigem Stuhl sowie zu Malabsoptions-Störungen führen. Eine Peritonealtuberkulose geht oft mit Obstipation, Meteorismus, Aszites und Peritonitis einher (DEDIÉ et al., 1993).

Vor allem bei Kleinkindern kommt es zu einer meningealen Manifestation. Diese Form der Tuberkulose verläuft schleichend und beginnt meist mit unspezifischen Symptomen : Abfall der Leistungsfähigkeit, Krämpfen, Erbrechen, Appetitlosigkeit und Wesensänderungen (DEDIÉ et al., 1993) Im Spätstadium kann es zu Hirnnervenlähmungen bis hin zur Bewusstlosigkeit kommen. Selbst nach erfolgreicher Therapie können neurologische Schäden zurückbleiben (MALTEZOU et al., 2000).

Im Rahmen einer seltenen und häufig letalen perikardialen Manifestation kann sich ein so massiver Perikarderguss entwickeln, dass das Herzminutenvolumen stark herabgesetzt ist (DEDIÉ et al., 1993).

Ebenfalls sehr selten ist die kutane Manifestation. Eine Form ist der Lupus vulgaris , welcher mit papulösen Entzündungen, in deren Zentrum sich abheilende sowie atrophische und ulzerierende Bereiche unterscheiden lassen, einhergeht. Bei der Tuberculosis verrucosa cutis entwickeln sich granulomatöse, warzenähnliche Läsionen (DIERICH et al., 2000).

2.2.4 Diagnose

Da die klinischen Symptome der Tuberkulose oft sehr unspezifisch ausfallen und sich nicht signifikant von denen anderer konsumierender Erkrankungen wie etwa Tumorleiden unterscheiden, ist eine sorgfältige Anamnese unerlässlich zur Erhebung einer ersten Verdachtsdiagnose. Oft geben Veränderungen im Blutbild des Patienten wie eine Leukozytose mit Linksverschiebung, eine stark erhöhte Blutsenkungsgeschwindigkeit und ein gesteigerter α-Globulinwert einen Hinweis auf ein akutes infektiöses Geschehen. Die Diagnostik stützt sich im Wesentlichen auf drei Säulen: auf die Tuberkulin-Diagnostik, die Röntgenuntersuchung sowie die Bakteriologie.

Der „Goldstandard“ der Tuberkulindiagnostik ist der intrakutane Test, welcher mit Tuberkulin-Einheiten durchgeführt wird. Als Tuberkulin bezeichnete Robert Koch den durch Kochen eingedickten gefilterten proteinhaltigen Überstand aus Flüssigkulturen von Tuberkulosebakterien. Die aus diesem Alttuberkulin durch Fällung mit Ammoniumsulfat gewonnenen Proteine bezeichnet man als gereinigtes Tuberkulin, das für den Tuberkulintest verwendet wird. Injiziert man einer mit Tuberkulosebakterien infizierten Person nach Entwicklung des Primärkomplexes, also 1-2 Wochen nach Infektionsbeginn, geringe Mengen von gereinigtem Tuberkulin intrakutan, so kommt es etwa 48 Stunden nach Injektion es bei infizierten (oder spezifisch sensibilisierten) Personen zu ausgeprägten Hautverdickungen. Es handelt sich hierbei um eine allergische Reaktion vom verzögerten Typ, die auch als Tuberkulinallergie bezeichnet wird. Die Fähigkeit zu dieser Reaktion nennt man Konversion.

Diese kann sowohl aufgrund einer Infektion als auch aufgrund einer Schutzimpfung mit BCG eintreten. Man unterscheidet verschiedene Arten der Durchführung des Tuberkulintestes:

• Der Morotest wird bei Kleinkindern bis zum Beginn der Schulzeit mittels Tuberkulin-haltiger Salben durchgeführt

• Der Tine-Test wird als Suchtest bei Reihenuntersuchungen angewendet. Dafür wird ein Nadelstempel verwendet, dessen vier Spitzen mit 5 I.E. gereinigten Tuberkulins beschickt sind

• Der Mendel-Mantoux-Test wird durch die intrakutane Infektion von 10 I.E. von gereinigtem Tuberkulin durchgeführt und dient der semiquantitativen Bestimmung der Tuberkulin-Allergie

Wenn kein Verdacht auf Tuberkulose besteht, führt man zunächst den Tine-Test durch. Muss eine Infektion mit Sicherheit ausgeschlossen werden, z.B. vor einer Impfung mit BCG, wird bei negativem Ausfall des Tine-Testes der Mendel-Mantoux-Test angeschlossen. Dabei werden zunächst 10 I.E. appliziert, bei negativem Ergebnis auch 100 I.E. (HAHN 1994). Der Nachteil dieser Testverfahren ist, dass man damit lediglich gegen das Tuberkulin gerichtete T-Zellen nachweisen kann, da es sich ja um eine zellvermittelte Überempfindlichkeitsreaktion des Patienten auf das infizierte Tuberkulin handelt. Eine solche Reaktion kann aber auch aus einer früheren Impfung oder Infektion resultieren, so dass ein positiver Tuberkulintest keine Aussage über eine akute Tuberkuloseinfektion zulässt (MATTHYS 2000).

Die Röntgenuntersuchung ist bei der Tuberkulosediagnostik von zentraler Bedeutung. Das Standardverfahren stellt nach wie vor die konventionelle Röntgenaufnahme dar.

Aufwendigere Methoden wie die Computertomographie oder die Kernspintomographie sind bei der Lungentuberkulose nicht unbedingt vorteilhafter und nur gelegentlich unter differentialdiagnostischen Gesichtspunkten wichtig. Bei extrapulmonaler Tuberkulose sind sie hingegen unverzichtbar (MALL, W., 2003).

Die endgültige Diagnose einer Tuberkulose lässt sich nur durch den kulturellen Nachweis des Erregers erbringen. Da Materialien von Tuberkulose-Patienten meist eine relativ geringe Erregermenge aufweisen, muss eine deutlich größere Materialmenge als bei schnellwachsenden Erregern (z.B. E. coli) zur Untersuchung gelangen. Zur kulturellen Anzucht eignen sich verschiedene Se- und Exkrete wie Sputum, Pleuraexsudat, Menstrualblut, Prostatasekret, Ejakulat, Synovia, Liquor cerebrospinalis, Stuhl, Urin und Nüchternmagensaft (FRIEDLAND 1999).

Zunächst erfolgt eine Homogenisierung des Untersuchungsmaterials. Dann muss die Begleitflora durch eine Alkali- oder Säurebehandlung abgetötet werden. Anschließend werden die Tuberkulosebakterien durch Zentrifugation angereichert und mindestens auf drei verschiedenen Kulturmedien verimpft. Zur Kultivierung eignen sich Nährmedien, welche Eigelb oder eine andere Lipidquelle enthalten wie Middlebrock 7H10 /11,

Löwenstein-Jensen-Medium, Gottsacker-Medium, Coletsos-Medium und das Petragnani-Medium (SALFINGER u. KAFADER 1992, FRIEDLAND 1999). Da Tuberkulose-Bakterien sich

langsam vermehren, kann man frühestens nach einer Bebrütungsdauer von 2-3 Wochen mit sichtbaren Kolonien rechnen.

Besteht der Verdacht einer Organtuberkulose, stellen Bioptate das geeignete Mittel zur Diagnose dar. Diese werden histologisch und zytologisch untersucht. Ein Teil wird für pathologisch-anatomische Untersuchungen in Formalin fixiert. Das Vorhandensein einer ephiteloidzelligen Granulomatose unterstützt die Diagnose einer Tuberkuloseinfektion (MATTHIESSEN et al., 1987).

Aus den Patientenproben können Direktpräparate (ausgenommem Stuhl und Urin) angefertigt werden . Diese werden nach Ziehl-Neelsen oder nach Kinyoun angefärbt. Dabei handelt es sich um zwei Färbemethoden, die die Säure-Alkoholfestigkeit der Mykobakterien ausnutzen, so dass die Mykobakterien in der Hellfeldmikroskopie rot auf blauem Untergrund erscheinen (MATTHIESSEN et al., 1987; FRIEDLAND 1999, Haas 2000). Allerdings lässt sich auf diesem Wege lediglich eine Aussage darüber machen, ob in einem Patientenisolat säurefeste Stäbchen vorhanden sind.

In jüngster Zeit haben Schnellverfahren Eingang in die Diagnostik gefunden, die eine wesentlich kürzere Diagnosezeit ermöglichen. Das BACTEC-System beruht auf dem Prinzip, dass stoffwechselaktive Tuberkulose-Bakterien aus radioaktiv markierter Glukose das Isotyp C 14 freisetzt, das dadiometrisch gemessen werden kann (FRIEDLAND 1999). Das Verfahren ermöglicht einen Erregernachweis innerhalb einer Woche. Es ist allerdings durch die Notwendigkeit der Entsorgung radioaktiven Abfalls belastet. Auch besteht die Möglichkeit, mit Hilfe der HPLC ( High Performance Liquid Chromatography ), der Gasflüssigkeits-Chromatographie oder der Dünnschicht-Gasflüssigkeits-Chromatographie Fettsäureprofile von Mykobakterien, speziell von M. tuberculosis, zu erstellen und mit Daten bekannter Stämme zu vergleichen (FRIEDLAND 1999). Auch die Anwendung gentechnischer Verfahren kann

den Erregernachweis vereinfachen. Mit der Polymerasekettenreaktion (PCR) werden definierte Sequenzen der Mykobakterien-DNA, meist die Insertionssequenz 6110 oder auch das 16-rRNA-Gen, gezielt detektiert (MATTHIESSEN et al.,1987; FRIEDLAND 1999).

Auch eine Diagnose über die Serologie ist möglich, auch wenn sich die Methoden durch eine geringe Spezifität auszeichnen. Dabei kommen verschiedene ELISA-Techniken zur Anwendung, mit denen spezifische Mykobakterien-Proteine wie das 16 kDa hsp, das 30 kDa-Antigen , die 38 kDa-kDa-Antigene und das LAM (FRIEDLAND 1999).

Die Zuordnung eines Mykobakterienisolates erfolgt im Wesentlichen über kulturell-biochemische Eigenschaften, von denen eine Vielzahl beschrieben worden sind. Die gängigsten sind: Wachstumsintensität, Kolonieform, Pigmentbildung, Temperaturverhalten, Säurebildung auf Glycerin, Niazintest, Hemmstofftests mit BSH oder TCH und das Kletterphänomen. Eine besondere Möglichkeit bietet dabei auch die Nitratreduktion. Die Fähigkeit von M. tuberculosis, unter aeroben Bedingungen Nitrat zu Nitrit zu reduzieren ermöglicht die Abgrenzung dieser Spezies von M. bovis, BCG, M. africanum und M. microtii, die auch zum M. tuberculosis-Komplex gerechnet werden, aber nicht über diese Eigenschaft verfügen (VIRTANEN 1960; MATTHIESSEN et al., 1987; FRIEDLAND 1999).