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Teilstudie 2: Prädiktoren der Lesekompetenz in einer Erst- bzw. Zweitsprache

7. Ziele, Methoden und Ergebnisse der Einzelstudien

7.4 Ergebnisse

7.4.2 Teilstudie 2: Prädiktoren der Lesekompetenz in einer Erst- bzw. Zweitsprache

Zweitsprache (Marx, Stanat, Roick, Segerer, Marx & Schneider, 2015)

Für die Analyse der strukturellen Beziehungen des Hörverstehens zur Leseleistung wurde in Teilstudie 2 zunächst eine Messinvarianzanalyse unter Berücksichtigung des ESCS durch-geführt, um die Vergleichbarkeit der Messmodelle innerhalb der Gruppen zu verifizieren. Die Ergebnisse sowie die Angaben zum Fit der Modelle werden in Anhang B dargestellt. Zur Prü-fung von Forschungsfrage 2.1 zu Gruppenunterschieden in den latenten Mittelwerten wurden Wald- χ2-Tests durchgeführt, bei denen die L1-Gruppe als Referenzgruppe diente. Für die

Ziele, Methoden und Ergebnisse der Einzelstudien 68 Prüfung auf Unterschiede zwischen den beiden Gruppen von L2-Schülerinnen und -Schülern wurde die Gruppe der L2Türk-Jugendlichen als Referenz gewählt. Ohne Kontrolle des sozioökonomischen Hintergrunds zeigte sich, dass beide Gruppen von L2Schülerinnen und -Schülern auf der Mehrheit der betrachteten Variablen schwächer als ihre L1-Peers abschnei-den (vgl. Tabelle 5). Erwartungskonform gilt dies sowohl für das Textverstehen in abschnei-den Moda-litäten Lesen und Hören, aber auch für den Wortschatz und die morpho-syntaktischen Kennt-nisse. Ebenfalls im Einklang mit den Annahmen fanden sich keine Unterschiede zwischen den Sprachgruppen in Bezug auf die Arbeitsgedächtniskapazität sowie die phonologische Be-wusstheit. Für die Lesegeschwindigkeit waren keine Gruppenunterschiede erwartet worden, da diese eng mit der phonologischen Bewusstheit verbunden ist und somit als Aspekt me-talinguistischer Bewusstheit gelten kann, der durch den Kontakt zu mehreren Sprachen eher gefördert werden sollte. Konträr zu dieser Annahme war die Lesegeschwindigkeit bei L2Türk- sowie L2Andere-Jugendlichen im Vergleich zu ihren monolingualen Peers jedoch geringer aus-geprägt.

Um die Effekte des Sprachhintergrunds der Schülerinnen und Schüler von jenen trennen zu können, die auf dem unterschiedlichen sozioökonomischen Status der Jugendlichen beru-hen, wurden in einem zweiten Auswertungsschritt latente Mittelwertsdifferenzen unter Kon-trolle des ESCS berechnet. Erwartet worden war, dass L2-Schülerinnen und -Schüler schwä-chere Leistungen im Hör- sowie im Leseverstehen aufweisen als ihre L1-Peers, wobei sich für L2Türk-Jugendliche besonders stark ausgeprägte Leistungsdifferenzen gegenüber L1-Jugendlichen zeigen sollten. Erwartet wurde zudem, dass sich Disparitäten zwischen L1- und L2-Jugendlichen zu einem großen Teil durch den sozioökonomischen Status der Familien erklären lassen. Die Ergebnisse dieser Analysen liefern empirische Stützung für diese An-nahme und zeigen, dass für die Gruppe der L2Andere-Jugendlichen unter Kontrolle des ESCS nur die Mittelwertsdifferenzen im Wortschatz gegenüber L1-Jugendlichen signifikant werden.

Der entsprechende Effekt ist mit d = .28 als klein zu klassifizieren. Die Differenzen in der Lesegeschwindigkeit, dem Hör- und Leseverstehen sowie den morpho-syntaktischen Kennt-nissen zwischen L2Andere-Jugendlichen und den L1-Jugendlichen ließen sich unter Berücksich-tigung des sozioökonomischen Status nicht mehr finden.

Für die Gruppe der L2Türk-Jugendlichen fanden sich hingegen auch unter Kontrolle des sozialen Hintergrunds schwächere Leistungen in Bezug auf Hör- und Leseverstehen, morpho-syntaktische Kenntnisse sowie den Wortschatz. Während der Effekt für die Unterschiede in den morpho-syntaktischen Kenntnissen dabei mit d = -.20 als gering bezeichnet werden kann,

zeigten sich für die übrigen Variablen mittlere Effekte. Leistungsdifferenzen zwischen den beiden Gruppen von L2-Jugendlichen konnten empirisch nicht gezeigt werden.

Tabelle 5.

Standardisierte latente Mittelwerte der Sprachgruppen im messinvarianten Mehrgruppen-modell für Teilstudie 2

Gruppenvergleiche der latenten Mittelwerte L1Deutsch L2Türk L2Andere L1Deutsch

L2Türk

L1Deutsch

L2Andere

L2Türk – L2Andere

Ohne Kontrolle

α (LV) 0.00 -0.51 -0.29 18.98* 6.08* 0.22

α (HV) 0.00 -0.65 -0.33 34.83* 8.02* 0.16

α (LG) 0.00 -0.56 -0.31 11.60* 3.76* 0.03

α (WS) 0.00 -0.66 -0.39 39.03* 11.04* 1.99

α (MS) 0.00 -0.31 -0.29 5.31* 5.59* 1.29

α (PB) 0.00 -0.12 0.06 3.03 0.01 0.91

α (AG) 0.00 0.04 -0.06 0.56 0.18 0.63

Unter Kontrolle des ESCS

α (LV) 0.00 -0.60 -0.27 18.23* 3.52 0.06

α (HV) 0.00 -0.69 -0.17 30.71* 0.88 0.73

α (LG) 0.00 -0.52 -0.23 5.22* 0.67 0.01

α (WS) 0.00 -0.52 -0.28 15.16* 3.87* 1.01

α (MS) 0.00 -0.20 -0.07 5.36* 0.22 0.27

α (PB) 0.00 -0.17 -0.17 0.73 0.65 0.08

α (AG) 0.00 -0.05 0.02 0.01 0.01 0.01

Anmerkungen. LV = Leseverstehen; HV = Hörverstehen; LG = Lesegeschwindigkeit; PB = Phonologische Be-wusstheit; WS = Wortschatz; MS = Morpho-syntaktische Kenntnisse; AG =Arbeitsgedächtnis.*p < .05

Die im Rahmen von Forschungsfrage 2.2 vorgenommenen Prüfungen auf Gruppenun-terschiede in den strukturellen Beziehungen zwischen Hör- und Leseverstehen zwischen L1- und L2-Jugendlichen erfolgten über Wald-2-Tests. Dabei wurden auch strukturelle Bezie-hungen zwischen einzelnen Prädiktoren des Hörverstehens und der Hörverstehensleistung modelliert (vgl. Anhang B). Da diese bereits in Teilstudie 1 berichtet wurden, wird im Fol-genden nur auf die Effekte der Lesegeschwindigkeit und des Hörverstehens auf die

Lesekom-Ziele, Methoden und Ergebnisse der Einzelstudien 70 petenz eingegangen. Tabelle 6 zeigt die Ergebnisse dieser Analysen für die Beziehungen zwi-schen dem Hör- und dem Leseverstehen sowie der Lesegeschwindigkeit und dem Leseverste-hen. Zur Beurteilung der praktischen Bedeutsamkeit von Gruppenunterschieden wurde das Effektmaß q angegeben (vgl. Cohen, 1988).

Tabelle 6.

Standardisierte Pfadkoeffizienten der Sprachgruppen im messinvarianten Mehrgruppen-modell für das Leseverstehen in Teilstudie 2

Wald- χ2-Werte für die

Gruppenvergleiche der Pfadkoeffizienten

L1Deutsch L2Türk L2Andere

L1Deutsch – L2Türk

L1Deutsch - L2Andere

L2Türk - L2Andere

χ2 q χ2 q χ2 q

Ohne Kontrolle des ESCS

β (LG  LV) .33* .19* .35* 1.12 .15 0.90 .02 3.11* .17 β (HV  LV) .57* .61* .52* 0.80 .06 1.86 .07 0.45 .13

R2 (LV) .47 .44 .52

Unter Kontrolle des ESCS

β (LG  LV) .32* .20* .37* 0.80 .13 1.44 .06 3.58* .19 β (HV  LV) .56* .61* .52* 0.70 .08 1.46 .06 0.31 .13

R2 (LV) .48 .44 .53

Anmerkungen. LV = Leseverstehen; LG = Lesegeschwindigkeit; HV = Hörverstehen.

*p <.05

Erwartungskonform ergaben sich in der Höhe der Pfadbeziehungen kaum Unterschiede zwischen den Sprachgruppen. Hörverstehen und das Leseverstehen waren in allen drei Schü-lergruppen in ähnlicher Weise miteinander assoziiert. Zudem fand sich in den Wald-χ2-Tests für alle Gruppen ein im Vergleich zum Effekt der Lesegeschwindigkeit stärkerer Effekt des Hörverstehens auf die Lesekompetenz (χ2(1) = 7.37; p < .01 für L1Deutsch; χ2(1) = 13.32; p < .01 für L2Türk; χ2(1) = 10.93; p < .01 für L2Andere). Auch dieses Ergebnis ist erwartungsgemäß und entspricht den Annahmen des Simple View of Reading für ältere Schülerinnen und Schüler.

Ein unerwarteter Befund zeigte sich lediglich für die Effekte der Lesegeschwindigkeit auf die Lesekompetenz bei den L2-Schülerinnen und -Schülern: Sowohl ohne Kontrolle des sozioökonomischen Status als auch unter Berücksichtigung des sozialen Hintergrunds fand sich in der Gruppe der L2Andere-Jugendlichen ein engerer Zusammenhang zwischen der Lese-geschwindigkeit und dem Leseverstehen als bei den L2Türk-Jugendlichen. Der zugehörige Ef-fekt ist als klein einzustufen.

7.4.3 Teilstudie 3: Bildungssprachliches und alltagssprachliches