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Tapfer, stolz, opferbereit – Überlegungen zum extrem rechten Verständnis »idealer Männlichkeit«

Im Dokument »Was ein rechter Mann ist ...« (Seite 39-53)

Abstract

Während die Konstruktion des »soldatischen Mannes« bzw. der »militarisierten Männlichkeit« in Deutschland nach 1945 seinen hegemonialen Status verloren hat, wird ein entsprechendes Idealbild in/von der extremen Rechten auch weiter-hin gepflegt. Im Anschluss an die konzeptionellen Ansätze von Connell und Meu-ser lässt sich zeigen, wie sich die in der extremen Rechten hegemoniale Männlich-keit zu marginalisierten, unterdrückten und komplizenhaften MännlichMännlich-keiten je spezifisch diskursiv wie praxeologisch in Beziehung setzt. Dabei sind Vorstellun-gen von Männlichkeit unhintergehbar mit Ordnungs- und MachtvorstellunVorstellun-gen entlang von »Geschlecht«, »Rasse« und »Körper« verbunden.

Klaus Weber ist in seiner Untersuchung »Was ein rechter Mann ist« der Frage nachgegangen, welche Elemente öffentlicher Diskurse rechte Männer – in diesem Falle Mitglieder der extrem rechten Partei »Die Republikaner« – aufgreifen und mit ihren Alltagserfahrungen verbinden, welche Vorstellungen gesellschaftlicher Ordnung und des So-Sein-Sollens von ihnen relevant gesetzt werden (Weber 1997). Während er – vor allem gestützt auf ideologietheoretische Ansätze um das Projekt von Wolfgang Fritz Haug (1986; 1993) – nach den »den subjektiven Kon-struktionen zugrundeliegenden gesellschaftlichen Widersprüche(n)« (Weber 1997, S. 5) fragt, soll hier ergänzend die Suchbewegung stärker auf die von orga-nisierten Strukturen der extremen Rechten formulierten Männlichkeitsentwürfe gerichtet werden – nicht zuletzt, um in Anlehnung an Franz L. Neumann (1977, S.

65-67) zu einem Verstehen der letztlich angestrebten Ziele dieses politischen Spektrums zu gelangen.1Auch wenn sich eine an der gesellschaftlichen Einbet-tung extrem rechter Artikulationen interessierte Sozialwissenschaft nicht in der organisationsbezogenen Perspektive erschöpft, so ist diese doch keineswegs

über-1 Mit Hans-Gerd Jaschke verstehe ich unter der extremen Rechten die »Gesamtheit von Einstellungen, Verhaltens-weisen und Aktionen, organisiert oder nicht«, die von einer »rassisch oder ethnisch bedingten sozialen Ungleich-heit der Menschen ausgehen, nach ethnischer Homogenität von Völkern verlangen und das GleichUngleich-heitsgebot der Menschenrechtsdeklarationen ablehnen, die den Vorrang der Gemeinschaft vor dem Individuum betonen, von der Unterordnung des Bürgers unter die Staatsräson ausgehen und die den Wertepluralismus einer liberalen De-mokratie ablehnen und die Demokratisierung rückgängig machen wollen.« (Jaschke 1994, S. 31). Jaschke ver-wendet den Begriff »Rechtsextremismus«.

flüssig insbesondere dort, wo Weltanschauung2und Praxeologie der extremen Rechten selbst als soziologisch bedeutsam angenommen und analysiert werden.

Im Folgenden soll der Fokus zunächst auf die von Akteuren der organisierten extremen Rechten artikulierten Selbstkonstruktionen von Männlichkeit3gelegt werden, die sich – gleich der Übersetzung, Verdichtung und Popularisierung völ-kisch-nationalistischer Ausschließungs- und Diskriminierungsprogrammatiken in einfache Parolen (»Deutsche Arbeitsplätze zuerst für Deutsche«) – hinsichtlich der angestrebten Geschlechterverhältnisse als »préférence masculin« darstellen und sowohl in antifeministischer Artikulation als auch in der Betonung spezifi-scher Merkmale von »Männlichkeit« niederschlagen. Dass sich die Verbreitung extrem rechter Ideologeme und Einstellungsmuster gruppenbezogener Menschen-feindlichkeit nicht auf die organisierten Strukturen der extremen Rechten be-schränkt, ist dabei evident.4

Die Kategorie »Geschlecht« ist in den Forschungen zur extremen Rechten lange nur randständig gewesen und vor allem untertheoretisch behandelt worden.

Zwar galt die extreme Rechte hinsichtlich ihrer sozialstrukturellen Zusammenset-zung regelmäßig als »ausgesprochen männlich« (Kühnl et al. 1969, S. 224; auch Hofmann-Göttig 1989) und Daten zur Verteilung der Geschlechter bei extrem rechtem Gewalthandeln und zur fortbestehenden Dominanz von Männern in den Führungsgremien extrem rechter Organisationen stützen diese Deutung. Die spe-zifischen Beiträge, die Frauen in diesem politischen Spektrum zur Aufrechterhal-tung der Strukturen, zur VerbreiAufrechterhal-tung der Weltanschauung oder bei der Dynamik des Gewalthandelns – etwa durch die Delegation von Gewalt – leisten, aber auch

»strukturell andere Zugangsweisen zu rechtsextremen Parteien und Organisatio-nen« (Stenke 1993, S. 101) sind jedoch erst in den letzten zehn Jahren stärker wis-senschaftlich untersucht worden. So notwendig und ertragreich diese Perspekti-venerweiterung zur Sichtbarmachung der jeweiligen Beiträge von Frauen für Bestand und Entwicklung der extremen Rechten (gewesen) ist – etwa hinsichtlich der Einstellungsmuster und Zugangswege, biographischer Fallrekonstruktionen sowie der Beteiligungsformen in extrem rechten Cliquen, so ist eine geschlechter-theoretisch gestützte Erforschung der Männlichkeitskonstruktionen in der extre-men Rechten noch immer defizitär. Zu den Ursachen muss einerseits die – im internationalen Vergleich – späte Entwicklung und noch immer marginale Bedeu-tung deutschsprachiger kritischer Männer- bzw. Männlichkeitsforschung gezählt

2 Ich spreche hier ganz bewusst von »Anschauung«, weil hier von einem erkenntnistheoretischen Verständnis des Wesens sozialer und gesellschaftlicher Phänomene – also etwa von »Geschlecht« – qua Betrachtung bzw. Intui-tion ausgegangen wird. Dabei werden vernunftgeleitete Erkenntnisprozesse abgewertet. Vgl. mit entsprechenden Beispielen Schiedel 1998, S. 235 f.

werden; zum anderen haben die Studien zur extremen Rechten die Dominanz von Männern als selbstverständlich vorausgesetzt und beschrieben. Auch hier wurde die Wahrnehmung von der Vorstellung männlicher Aktivität als dem Normalfall geleitet, während der sichtbaren politischen Betätigung von Frauen in den Reihen der extremen Rechten zum Teil als dem Besonderen Aufmerksamkeit geschenkt wurde. Dies wurde möglicherweise dadurch gefördert, dass es in diesem Spek-trum zwar sichtbare Diskussionen und Selbstverständigungsdiskurse bezüglich der politischen Handlungsspielräume und Aufgabenfelder von Frauen gibt, von einer vergleichbaren Sichtbarkeit expliziter Diskurse über Männlichkeitsverständ-nisse innerhalb der extremen Rechten hingegen nicht die Rede sein kann. Letzte-res bedeutet gleichwohl nicht, dass die extreme Rechte in ihren organisatorischen wie subkulturellen Formen nicht zahllose Texte, Bilder und audiovisuelle Produk-tionen sowie soziale Praxen und Performanzen hervorbringt, die ein spezifisches Profil von bzw. Erwartungen an »Männlichkeit« formulieren.

Im folgenden Abschnitt werden zunächst beispielhaft Attribuierungen von Männlichkeit im Diskurs der extremen Rechten herausgearbeitet; eine historische Vergewisserung zeigt anschließend, dass es sich hierbei um weitgehend stabile Vorstellungen handelt, die als Reaktion auf das Gleichheitsversprechen der Moderne zu verstehen sind. Unter Rückgriff auf Raewyn/Robert Connell und Michael Meuser wird dann der Relationalität der Männlichkeitsentwürfe der ex-tremen Rechten nachgegangen, bevor einige Gedanken zu zukünftigen Verände-rungsoptionen formuliert werden.

Phänomenologische Annäherungen

Die Parteizeitung der NPD, die »Deutschen Stimme«, widmete im April 2003 zwei Drittel einer ihrer Zeitungsseiten einem Nachruf. Unter der Überschrift

»Kämpfer für Volk und Reich« wurde dort der langjährige Bundesführer der neo-nazistischen »Wiking-Jugend« (WJ)5, Wolfgang Nahrath, geehrt. Der Nachruf gibt einen ersten Eindruck davon, welche Attribuierungen zur Konstruktion einer – im extrem rechten Sinne – vorbildlichen Männerrolle vorgenommen werden.

Dort heißt es hinsichtlich der Verbindung mit seiner Frau u. a.: »1956 folgte die Eheschließung [...]. Es ist der Beginn einer vorbildlichen deutschen Ehe, eines ge-meinsamen Lebensweges zweier gleichgearteter Menschen mit weltanschaulicher Übereinstimmung, denen bewusst ist: Sinn der Ehe ist Zeugung und Aufzucht ge-sunder Kinder.« Bezüglich der Zielsetzungen seiner Tätigkeit in der WJ wird for-muliert: »Innere und äußere Haltung dieser Jugend hat er entscheidend geprägt.

5 Die »Wiking-Jugend« war 1952 gegründet worden und galt bis zu ihrem Verbot im November 1994 als die bedeutendste neonazistische Jugendorganisation mit Lebensbundprinzip. Wolfgang Nahrath fungierte von 1961 bis 1991 als ihr Bundesführer.

Volkstreue, Anständigkeit, sauberes Verhalten zwischen Jungen und Mädeln, ganzheitliche Lebensauffassung, deutsche Gesittung […]. Eine wilde ›Lebens-gemeinschaft‹ hätte er in ihren Reihen nicht geduldet. So hat er Tausende Keim-zellen geschaffen für die seelische Wiedergesundung unseres gefährdeten Volkes.«

Zwar muss zugegeben werden, dass nicht alle, die zur WJ gestoßen sind, dort auch blieben, aber: »In seiner soldatischen Art sagte er dann: Das sind Gefechts-verluste – weiterkämpfen.« Schließlich wird – quasi bilanzierend – betont: »Nur sein felsenfester Glaube an Deutschland, sein unbeirrbares Pflichtgefühl, seine Härte gegen sich selbst – Kompromisse lehnte er ab – machten eine solch umfas-sende Lebensleistung in Familie, Beruf, politisch-weltanschaulichem Einsatz möglich – und das Mittun seiner tapferen und tüchtigen, im Stillen wirkenden Frau.« Die hier sinnfälligen Attribuierungen verbinden mit »Männlichkeit«

heterosexuelle Orientierung, Familiengründung, Dienst an Volk und Nation, sol-datische Einstellung, Kompromisslosigkeit und Härte sowie das Auftreten als Führer und Gestalter.

Entsprechende Konstruktionen lassen sich in zahlreichen anderen Narrationen finden, die in der vielgestaltigen Publizistik der extremen Rechten angeboten wer-den. Dies gilt insbesondere für jene Beiträge, in denen Soldaten der Wehrmacht bzw. der Waffen-SS als Vorbilder stilisiert werden. Es gibt keinen anderen Berufs-stand, der in so umfassender Weise positiv dargestellt wird. Gemäß der Vorstel-lung der extremen Rechten von den auf die Tat orientierten, den Lauf des Gesche-hens im Interesse des »nationalen« bzw. »völkischen« Kollektivs gestaltenden Männern verweisen die Attribuierungen in den Soldatenporträts immer wieder auf ein stabiles Set von Eigenschaften. Zu diesen zählen insbesondere Härte, Opfer-bereitschaft, Todesmut, Tapferkeit, Zähigkeit, Schneid oder auch – mit sexueller Konnotation – »Steherqualität« (vgl. Virchow 2006a, S. 393 ff.). Fasst man die in solchen Erzählungen den deutschen Soldaten/den Männern zugeschriebenen At-tribute zusammen, so entsteht die Vorstellung, dass die »starke deutsche Nation«

ohne den »soldatischen Mann« nicht sein kann. In der Nation und ihren militäri-schen Gewaltmitteln sowie deren Einsatz findet das »Männliche« seine Entspre-chung. Wo sich ein – männlicher – Akteur zur Abwehr einer realen oder imagi-nierten Gefahr findet, da »ermannt«6sich dieser zur Tat. Wo hingegen eine Nation nicht über die materielle Voraussetzung zur Kriegführung und zur Androhung von Gewalt verfügt, da gilt sie als »entmannt«7. So fallen Nation, Männlichkeit, Macht und Gewalt semantisch und in der darin zum Ausdruck kommenden Weltanschau-ung zusammen.

Während alle Strömungen der extremen Rechten in den vergangenen Jahren ihre politischen Angriffe auf das »Gender-Mainstreaming« verschärft haben, da

gnien von »Männlichkeit« marginal. Zu den wenigen Beispielen gehört ein zu-nächst von der extrem rechten Jugendzeitung »Blaue Narzisse« veröffentlichter Text (Rothämel 2009), der im Herbst 2009 auf dem für Selbstverständigungspro-zesse der neofaschistischen Rechten in der Bundesrepublik bedeutsamen Internet-Portal »Altermedia« wiedergegeben wurde. Dort wurde unter der Überschrift

»Jungskrise – Mangel an Männlichkeit« darüber geklagt, dass das im Zuge der Pubertät zu erreichende Ziel der »charakterlichen Festigung« heute meist verfehlt werde; den Grund sieht der Autor neben einer »Fixierung auf Äußeres« und ei-nem »Überfluss materieller Art« im Fehlen männlicher Vorbilder in den Erzie-hungsinstitutionen und den Medien. »Die Vielzahl der über die Medien auf die Jungen herein prasselnden Idol-Angebote bleibt abstrakt und vergrößert lediglich die Unsicherheit im Inneren. Das Ergebnis ist das Weichei-Syndrom, das durch die übertrieben pazifistische Weltanschauung der Bildungseinrichtungen stark be-günstigt wird. Alles wird heute psychologisiert, problematisiert und ›verstanden‹, anstatt Verantwortungsbewusstsein, Maßhalten in allen Dingen, aber auch Vertei-digungsbereitschaft und Selbsterziehung zu demonstrieren« (Rothämel 2009). Als Antwort auf diese Diagnose wird die Orientierung an den »großen Männern der Geschichte«, den »klassischen Tugenden wie Wahrhaftigkeit, Pünktlichkeit, Fleiß und Mut« sowie männerbündischen Gesellungsformen empfohlen.

In der diesem Beitrag folgenden Diskussion finden sich zahlreiche Elemente einer Diagnose und Prognose von »Männlichkeit«.8Danach seien »Jungens […]

von Natur aus gewöhnt sich mit ihresgleichen im Wettbewerb zu messen«. Not-wendig sei die Abkehr von der »heutige[n] Staatsideologie«, die »versucht gleich zu behandeln, was nicht gleichbehandelt werden möchte, weil dies von Natur aus auch sinnwidrig ist«. Stattdessen sei in Form von »getrennte[n] Schulen für Jun-gens und Mädchen, in denen diese geschlechtsspezifisch von Lehrern und Lehre-rinnen erzogen werden«, anzuschließen an die Praxis, wonach »man über Tau-sende von Jahren die Buben ab sieben Jahren oder kaum älter ihren Müttern wegnahm und diese älteren männlichen Erziehern in die Hände gab, damit diese sie zu Männern formten« (Sahara). Den homosozialen Aspekt stellt auch ein wei-terer Kommentar heraus: »Hervorragender Beitrag, der den Gendermainstream-ern nicht schmecken dürfte, schließlich ›sind doch alle Menschen gleich‹. Der Verweicheierung von jungen Männern helfen am besten elitäre Männerbünde ab, in denen der Mann geistig und körperlich auf sein Leben vorbereitet wird, um als echter Mann einer echten Frau gegenübertreten zu können« (Biodeutscher).

Mehrfach wird in autobiographischer Perspektive der Erziehungsstil des Vaters emphatisch herausgestellt: »Mein Vater war ein ganzer Kerl und legte Wert drauf seinen Sohn zu einem Mann zu erziehen. Heute versuchen sozialpädagogische Heulsusen aus Männern wehleidige Männer zu machen. (…) Was fehlt sind echte

8 Die Bezeichnung in Klammern verweist auf den vom Autor im Internet verwandten Nickname. Alle Hervorhe-bungen und Fehler im Original.

Vorbilder in der Familie und in der Schule, was fehlt ist eine konsequente harte aber liebevolle Erziehung. Was fehlt sind Werte, wie Ehre; Freiheit Vaterland«

(Ludwig). Ähnlich: »Doch mein Vater, Jahrgang 1929, (…) hat mich zum Glück aufgebaut und trotz vieler natürlicher Probleme in der Schule und schulischer Umerziehung vor dem geistigen Verfall bewahrt! Dafür danke ich ihm! Und ich bin stolz auf seinen damaligen Heldenmut, den die Weicheier von heute als ju-gendlichen Leichtsinn gepaart mit Drill und Gehorsam abtun würden. […] Laßt uns die alten Werte nicht vergessen, laßt sie uns weitergeben, solange es noch Männer gibt, die sie kennen und zu vermitteln wissen.« (Stahlhelm65) Während die Figur des Soldaten idolisiert wird – »Es ist das traurige Fanal unserer Zeit, dass man wahre Vorbilder unter den Lebenden vergeblich sucht. Einzig in den Graeberfluchten eines deutschen Soldatenfriedhofes kann Mann die wirkliche Groesse eines Mannes erahnen« (F. Heusinger)« –, werden andere Verhaltenswei-sen als defizitär ausgewieVerhaltenswei-sen: »Zum anderen sind es die Männer, welche hart-näckig die Erfüllung der klassischen MÄNNERROLLE verweigern! Dazu gehört eben nicht nur, eine Familie zu ernähren, sondern auch, diese zu beschützen«

(Eichhörnchen). Schließlich finden sich in der Diskussion neben expliziten Platz-anweisungen an Frauen – »Was soll das Gewäsch? Es ist ein Zeichen der Deka-denz, ein Zeichen des NIEDERGANGS einer Kultur, wenn es überhaupt ›Damen-wahl‹ gibt« (Wotan X) bzw. »Ein weiterexistierendes Deutschland kann nur ein patriarchalisches sein, denn matriarchalische Gesellschaftsformen sind auf Dauer nicht überlebensfähig, wie die Geschichte beweist, sondern gehen unter.« (Sa-gunt) – auch Verweise auf die Verbindung von Geschlechter- und Gesellschafts-ideal: »Guter Artikel von den Kameraden der Blauen Narzisse. Und ich denke wir sind uns alle einig, dass nur eine rechtspolitische Wende, d. h. der Nationale Sozialismus die Lösung bringen kann« (Nationale Kehre).

Die hier abgebildete Debatte um das Männlichkeitsideal der extremen Rechten kreist mit den ihr eigenen Fahnenwörtern zum einen um eine Reihe von Attribu-ierungen und zum anderen um spezifisch profilierte Vergemeinschaftungen als Sozialisationsinstanzen »echter Männlichkeit«. Zu ersteren zählen die Rolle des familiären Ernährers und Beschützers, Eigenschaften wie Strenge und Selbster-ziehung (Disziplin, Mut, Härte gegenüber sich selbst) sowie eine soldatische Ein-stellung und Kampfbereitschaft bzw. -fähigkeit. Zur Einübung dieser als biolo-gisch determiniert betrachteten Aufgaben als »Arbeitsmann« und »Machtmann«

verweist die extreme Rechte insbesondere auf das Konzept des »Männerbundes«

(Blazek 1999; Brunotte 2004; Pelinka 1996). Dessen Virilität gilt einem Großteil der extremen Rechten noch immer als wichtiger Beitrag zu »Wehrhaftigkeit und Größe« der völkisch konstruierten Nation (Kühnen 1986; Weissmann 2004).

1987). Die Natur hält gegenüber solchen Dogmatisierungen eine viel umfassen-dere Verhaltensbreite bereit, hat also beispielsweise Lebewesen hervorgebracht, die im Laufe ihres Lebens ihr Geschlecht wechseln; auch Homosexualität oder die Übernahme der Aufzucht der Nachkommen durch das männliche Tier sind in der Natur häufig vorkommende Phänomene. »Die Natur« ist also ganz sicher kein Referenzpunkt, mit dem die extreme Rechte ihre Geschlechterkonstruktionen be-gründen könnte.

Historisches Blitzlicht

Die extreme Rechte ist in ihrer Ausdeutung gesellschaftlicher Vorgänge stark auf weltanschauliche Vorläufer bezogen; eine Variante ihrer Männlichkeitskonstruk-tion findet sich in den euphemistisch als »Dichter-Soldaten« charakterisierten Personen Ernst Jünger, Gabriele D’Annunzio oder Kurt Eggers, die alle wegen ih-res soldatisch-militärischen und des »geistig-seelischen« Eintretens für den Fa-schismus gepriesen werden. Jüngers Männlichkeitskonstruktion ist – wie Bruno Reimann und Renate Haßel anhand der Frühschriften gezeigt haben – auf fol-gende Kernaussagen zurückzuführen: »Männer wissen viel über den Krieg; Män-ner können auf kriegerische Weise zeugen; MänMän-ner als KriegsmänMän-ner sind voll-blütige Kerle; Männer haben Lust, gefährlich zu sein; Männer haben einen Führer; die Schönheit und Gewalt des wirklichen Lebens kann nur von Männern empfunden werden; Männer – soweit sie Helden sind – kämpfen bis zur Vernich-tung der eigenen Persönlichkeit.« (Reimann, Haßel 1995, S. 100). Für Jüngers Männlichkeitskonstruktion ist zudem wesentlich, dass sie über Krieg und Militär hinaus auch seine politischen Vorstellungen bestimmt; der von Jünger beklagten Machtlosigkeit des Individuums in der bürgerlichen Gesellschaft stellt er die Uto-pie der Selbstermächtigung des männlichen Individuums entgegen (vgl. Seiffert 1995). Auch in der Politikkonzeption Carl Schmitts, der sich bei der extremen Rechten ungebrochener Beliebtheit erfreut, findet sich eine Polarisierung zwi-schen Politik, die als dezisionistisch, männlich und militärisch konnotiert wird, und dem Liberalismus, der mit Adjektiven wie weibisch und kompromisslerisch verbunden wird (vgl. Orozco 2003).

Wie im deutschen Faschismus, so findet sich auch im italienischen Faschismus eine »ruralist, pro-natalist, nationalistic and anti-bourgeois rhetoric«, die eine männliche Identität konstruierte, die »firmly virile and dominant in the state, society and family« war und »apocalyptic appeals against the presumed decay of virility caused by modern, liberal, bourgeois civilization« enthielt (Bellassai 2005, S. 314). Als Negation der Virilität galten die moderne Stadt, der gegenüber die Figur des naturverbundenen Bauern und der bäuerlichen Lebensweise idea-lisiert und mythologisiert wurde, der Intellektuelle, dem mit Eigenschaften wie internationalistisch, rational und modern eine defizitäre Form der Geistesschärfe,

die genuin als maskulin angesehen wurde, zugemessen wurde, sowie die Figur des Bürgers, der als gut situiert, behäbig und bequem angesehen wurde und damit die Negativfolie für den kämpfenden, opferbereiten und an Idealen ausgerichteten Männerbund abgab.9Die Annahme einer Effemination der europäischen Gesell-schaften durch die Moderne schlug sich in der Verwendung von Begriffen wie

»Dekadenz« und »Degeneration« zur Charakterisierung dieser Entwicklung nie-der und war – nicht exklusiv, aber besonnie-ders akzentuiert – im völkischen Spek-trum von explizit antifeministischen Profilierungen begleitet (vgl. Planert 1998;

Stibbe 2002).

Gegen den »schwachen Intellektualismus« stellte die faschistische Rhetorik den Kult des Willens, das Drängen zur Aktion und die Bereitschaft zum Opfer – gemeinsam verkörpert im Topos »Jugend«. In einer auf organizistischen Model-len der zyklischen Wiederkehr aufbauenden Weltsicht steht »Jugend« für den Kreislauf von Geburt und Tod, für Abstammung, für Dynamik und Aktivität und für die Bereitschaft, sich Gefahren auszusetzen. Ein Feld der Auseinandersetzung, auf dem sich der »Machtmann« zu bewähren hatte, war die Straße (Reichardt 2002). Die »Eroberung der Straße« wurde dabei als praktische und propagandisti-sche Voraussetzung zur Eroberung des Staates angesehen.

Nicht zufällig artikuliert sich auch die gegenwärtige faschistische Rechte in Deutschland unter Verwendung entsprechender Termini, so beispielsweise im Rahmen von Aufmärschen mit Parolen wie »Deutsche Jugend voran« oder »Hier marschiert die Deutsche Jugend«. Trotz der Beteiligung von Frauen an entspre-chenden Aktivitäten und ihrer gelegentlichen Artikulation von politischem Gestal-tungsinteresse wird der »Kampf um die Straße« bzw. der »Kampf um die Macht«

als eine zuvörderst »männliche« Angelegenheit betrachtet.

Theoretische Rahmung

Während die Konstruktion des »soldatischen Mannes« bzw. der »militarisierten Männlichkeit« in Deutschland nach 1945 ihren hegemonialen Status verloren hat, wird ein entsprechendes Idealbild in/von der extremen Rechten auch weiterhin gepflegt, aufgrund bestehender Restriktionen jedoch nur eingeschränkt sozial praktiziert. Im Anschluss an Raewyn/Robert Connell (1999; 2000) und Michael Meuser (1998; 2008) wird Geschlecht hier als relationale Kategorie verstanden, die sich über bestimmte Merkmale, Ausformungen, Symbole und soziale Prakti-ken manifestiert. Gegenüber der Konzeptualisierung Connells, nach der es ge-samtgesellschaftlich eine hegemoniale Männlichkeit gebe, hat Meuser betont, die

Für eine Analyse der Männlichkeitskonstruktionen (in) der extremen Rechten – also bezüglich eines spezifischen sozialen Felds – ist die Beachtung dieser relatio-nalen Dimension der Männlichkeitskonstruktion(en) relevant. Sie lässt sich im

Für eine Analyse der Männlichkeitskonstruktionen (in) der extremen Rechten – also bezüglich eines spezifischen sozialen Felds – ist die Beachtung dieser relatio-nalen Dimension der Männlichkeitskonstruktion(en) relevant. Sie lässt sich im

Im Dokument »Was ein rechter Mann ist ...« (Seite 39-53)