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Von »Straßenkämpferinnen« und »Schreibtischtäterinnen« – Organisationsformen rechtsextremer Frauen nach 1945

Im Dokument »Was ein rechter Mann ist ...« (Seite 133-138)

Frauen im Rechtextremismus

1. Gender als relevante Kategorie in der Rechtsextremismusforschung?

2.2 Von »Straßenkämpferinnen« und »Schreibtischtäterinnen« – Organisationsformen rechtsextremer Frauen nach 1945

Betont wird dabei stets die Freiwilligkeit und die Möglichkeit der Wahl des per-sönlichen Engagements je nach individuellen »Interessen und perper-sönlichen Eig-nungen«11. Nach wie vor gilt das politische Engagement den Männern als Pflicht, den Frauen demgegenüber als Kür neben ihrer Pflicht der Sorge um die heimische Sphäre. Zuletzt betitelten sich zwei der Berliner Regionalgruppen des RNF in überspitzt deutlicher Anlehnung zum historischen Nationalsozialismus als

»Straßenkämpferinnen« und »Schreibtischtäterinnen«12und brachten damit die Gliederung der Gruppen nach Interessen zum Ausdruck. Die Rede von Interessen und »Eignungen« bezieht sich hier letztlich nur auf die Wahl der individuell prä-ferierten Aktionsform – thematisch werden über die klassische Themenpalette hinausgehende Topoi nur äußerst selten von Frauen bearbeitet und führen nach wie vor zu szeneinternen Auseinandersetzungen. Eine proklamierte individuelle Wahlfreiheit stellt sich innerhalb der autoritär-hierarchisch gegliederten Szene als Farce heraus.

Von der Wikingjugend zur FAP

Frauen nahmen im bundesdeutschen Rechtsextremismus schon lange vor Grün-dung des RNF im Herbst 2006 wichtige Rollen ein. In der Wikingjugend (WJ),

ei-10 Mädelgruppe der Kameradschaft Tor Berlin (2004): Was wir wollen. Berlin. Die Internetseite ist mit dem Verbot der Organisation vom 9.3.2005 nicht mehr abrufbar.

11 Rundschreiben des RNF im Juni 2008, S. 3.

12 Ebenda.

ner sich in der Tradition der Hitlerjugend (HJ) sowie des Bund Deutscher Mädel (BDM) verstehenden Organisation, gab es bereits in den 1950er Jahren einen

»Mädelbund«. »Die WJ war nach dem Vorbild der nationalsozialistischen Hitler-jugend geschlechtergetrennt, hierarchisch strukturiert und gliederte sich in Mädel-bund und Jungenschaft. Die WJ propagierte bis zu ihrem Verbot 1994 ein tradi-tionalistisches Frauenbild.« (Döhring/Feldmann 2005, S.19). Wenn auch nicht autonom von der Gesamtorganisation, wurden Führungsaufgaben des »Mädel-bundes« in der WJ von Frauen übernommen. Der »Mädelbund« wurde gemein-sam mit der WJ aufgrund der Wesensverwandtschaft zum historischen National-sozialismus im November 1994 durch den Bundesinnenminister verboten. Auch in der in den 1980er Jahren bedeutsamen rechtsextremen Organisation Aktions-front Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten (ANS/NA) habe es laut Anga-ben eines der führenden Aktivisten, dem deutschen Rechtsextremen Thomas Brehl, einen der Organisation angegliederten »Mädelbund« gegeben – allerdings entfalteten die Frauen in der ANS/NA nach derzeitigem Forschungsstand keiner-lei eigenständige Aktivitäten und wurden mit dem Verbot der ANS/NA vom 24.11.1983 ebenso aufgelöst.13Im Verlauf der 1980er Jahre organisierten sich Frauen weitestgehend eigenständig in der Deutschen Frauenfront (DFF) sowie der

»Frauenschaft« der Freiheitlichen Arbeiter-Partei (FAP). Beide waren größeren, von Männern dominierten Organisationen angeschlossen – der Gemeinschaft der neuen Front (GdnF) beziehungsweise der FAP. So sei die Gründung der DFF wie bereits des »Mädelbundes« in der ANS/NA maßgeblich auf den charismatischen, zu dem Zeitpunkt noch unumstrittenen Führer der FAP, Michael Kühnen, zurück-zuführen.14

Die Verteidigung homosexueller Lebensweisen durch Kühnen in seiner Schrift

»Nationalsozialismus und Homosexualität«15spaltete die extreme Rechte und machte dementsprechend auch vor rechtsextremen Frauenzusammenschlüssen nicht halt. Die DFF teilte sich in der Folge in zwei Flügel: Fortan wurde neben dem »Mädelbrief« als Organ der DFF auch »Die Kampfgefährtin« als Organ des mit Kühnen solidarischen Flügels herausgegeben, und beide Flügel mobilisierten zu verschiedenen Aktionen. Am traditionellen Frauenbild, wie es von FAP-Frau-enschaft und DFF vertreten wurde, änderte dieser Entschluss nichts. Um beide wurde es still im Laufe der 1990er Jahre. Auch die FAP-Frauenschaft sah sich durch das Verbot der FAP im Februar 1995 zur Auflösung gezwungen.

Skingirl Freundeskreis Deutschland

Eine »neue Ära rechter Frauenorganisierung«16, setzte in den 1990er Jahren ein, als sich erstmals nicht nur Ehefrauen aktiver männlicher Funktionäre, sondern Mädchen und Frauen aus dem subkulturellen Milieu zusammenschlossen. Die erste dieser Frauengruppen war der bundesweit organisierte Skingirl-Freundes-kreis Deutschland (SFD). An Stelle von öffentlichkeitswirksamen Aktionen sorg-ten sie sich um Zusammentreffen und szeneinterne Publikationen, die sich expli-zit an Frauen und Mädchen richteten und den Zusammenhalt der Szene nach innen stärken sollten. Die Gliederung nach Regionen wurde konterkariert durch die Aufteilung nach Interessen und Stärken Einzelner.

Für einen großen Teil der Frauen war der SFD Beginn oder zumindest Antrieb einer sich in den Anfängen befindlichen »rechtsextremen Karriere« – der SFD existierte fast zehn Jahre, viele der damaligen Aktivistinnen gehören bis heute in verschiedener Weise zum aktiven Kern der rechtsextremen Szene. Im Zuge dro-hender Verbotsverfahren, unter anderem gegen das international agierende Blood-and-Honour-Netzwerk, mit dem einige der Frauen des SFD eng verstrickt waren, entschlossen sich die Aktivistinnen im Jahr 2000 zur Selbstauflösung, auch um ei-nem etwaigen Verbot des SFD vorzugreifen.

Der SFD war Vorbild für eine Reihe weiterer Gründungen von Frauengruppen im gesamten Bundesgebiet. Seit dem Ende der 1990er Jahre kam es zu einem re-gelrechten Gründungsboom. Die Sozialwissenschaftlerin Renate Bitzan zählt in ihren Untersuchungen über 30 Gründungen rechtsextremer Frauengruppen seit dem Ende der 1990er Jahre (Bitzan 2009). Stellvertretend hierfür sollen an dieser Stelle nur wenige, in ihrem Wirken innerhalb der Szene und darüber hinaus be-deutsame, Frauengruppen skizziert werden.

Gemeinschaft Deutscher Frauen

Unmittelbar nach der Selbstauflösung gründeten einige der Aktivistinnen aus dem Kern des SFD die Gemeinschaft Deutscher Frauen (GDF). Die GDF ist bundes-weit in regionalen Zusammenschlüssen organisiert – der größte regionale Zusam-menschluss ist die Region Berlin-Brandenburg. Es werden regelmäßig Austausch-runden und gemeinsame Familienausflüge in die Natur organisiert. Dabei wurde eng mit der durch Beschluss des Bundesinnenministers vom 31. März 2009 ver-botenen Heimattreuen Deutschen Jugend (HDJ) zusammengearbeitet.

Schwerpunkt ist die ideologische Kultur- und Bildungsarbeit. Sie vertreten – anders als einige der jugendlichen Frauengruppen aus dem Spektrum der Freien Kameradschaften – ein sehr traditionelles Frauenbild. Die Bedeutung traditionel-ler Vorstellungen in einem sich scheinbar modernisierenden Rechtsextremismus ist nicht zu verkennen: Wie Esther Lehnert ausführt, ist die GDF neben dem RNF

16 Döhring/Feldmann 2005, S. 17-34.

als bis heute bedeutendste rechtsextreme Frauenorganisation zu werten.17Sie begreift sich – ähnlich wie die HDJ – als Eliteorganisation. Nur nach dem Durchste-hen langer Aufnahmerituale ist es möglich, als vollwertiges Mitglied an dieser Organisation teilzuhaben. Aktivistinnen des GDF waren im September 2006 maß-geblich beteiligt an der Gründung des RNF als Arbeitsgemeinschaft von Frauen in der NPD.

Mädelkameradschaften

In den Folgejahren gründeten sich auch Gruppen von Frauen, die – ohne Grund-sätze wie die »Verschiedenartigkeit der Geschlechter«18infrage zu stellen – den Versuch unternahmen, neue Wirkungsbereiche für sich zu besetzen. Diese Strö-mung ist nach wie vor eng verbunden mit dem Phänomen der selbst ernannten

»Autonomen Nationalisten«, die ihre Schwerpunkte im Raum Berlin, Thüringen und Nordrhein-Westfalen haben.19Die vorwiegend jugendlichen Aktivistinnen und Aktivisten versuchen, mit neuen Aktionsformen Aufmerksamkeit in der Szene und nach außen hin zu erwecken – aus der links-autonomen Szene abge-kupferte Hausbesetzungen, die Teilnahme an Demonstrationen in sogenannten Schwarzen Blöcken und die Verwendung von US-amerikanisch-gezeichneter Hi-pHop-Musik inklusive des entsprechenden Lifestyles führten szeneintern zunächst zu Verwirrung und sorgten wenig später für scharfe Auseinandersetzun-gen zwischen dem traditionalistisch-völkischen Flügel und den juAuseinandersetzun-gendlichen, nicht weniger völkischen Rebellen. Frauen und Mädchen aus diesem Umfeld gründeten unter anderem den JN-Mädelbund NRW, die »Mädelgruppe« der Ka-meradschaft Tor Berlin und den Mädelring Thüringen. Letzterer sorgte szenein-tern für Aufregung durch das Ausrufen eines »Nationalen Feminismus«.20Den jungen Frauen war gemein, dass sie für sich die Teilnahme an oben genannten Aktionen einforderten. Der »Straßenkampf« wurde in der Tradition der histori-schen SA als Politikum begriffen. Der Männerbund – wie die SA ihn verkörperte – bedürfe »[i]n so harten Zeiten, wie sie uns Deutschen auferlegt sind«21der Unter-stützung der weiblichen Kämpferinnen. Eine Aussteigerin aus genannter »Mädel-gruppe« der Kameradschaft Tor berichtet jedoch von starken Dominanzbestre-bungen der männlichen Kameraden ihr und ihrer Gruppe gegenüber, was sie letztendlich zum Ausstieg aus der rechtsextremen Szene bewog.22Auch in der subkulturell geprägten rechtsextremen Szene sei ihr zufolge kein Platz für

liber-17 Vgl. Lehnert in diesem Band.

18 Vgl. Mädelgruppe der Kameradschaft Tor (2004): Was wir wollen? Berlin.

täre Einstellungen, in denen Frauen ähnliches zugetraut und abverlangt wird wie männlichen Mitgliedern.

Dies entspricht Beobachtungen, nach denen sich Mädchen und Frauen in der Szene stets doppelt zu beweisen haben: Sie müssen »ihre Frau wie auch ihren Mann stehen«, müssen ihre »weiblichen Qualitäten« im traditionellen Verständnis wie auch die ihnen zunächst nicht zugestandene, männlich konnotierte Kampf-bereitschaft unter Beweis stellen.

Ring Nationaler Frauen

Der Ring Nationaler Frauen (RNF) wurde am 16. September 2006 im sachsen-anhaltinischen Sangerhausen gegründet – zunächst als Arbeitsgemeinschaft von Frauen aus der NPD und deren Umfeld. Die Organisation hält sich bewusst offen gegenüber Mädchen und Frauen jeden Alters und Organisationsgrades. Dies stellt nicht nur einen Unterschied zur GDF dar, die sich als Elitezirkel begreift und sich durch lange Aufnahmerituale auszeichnet. Es ist auch als Versuch zu werten, Kon-flikte zwischen NPD und Freien Kameradschaften zu überwinden. Nicht ohne strategisches Kalkül, wie die Pressesprecherin Stella Hähnel – selbst lang-jährige Aktivistin in SFD und GDF – nicht müde wird zu berichten: »[V]iele Frauen die zu uns kommen, die vielleicht noch nicht Parteimitglied werden wol-len, auch aus den Freien Kameradschaften oder die einfach gar nicht großartig organisiert sind, die sagen, also der Ring, das ist so was wie so ein sanfter Ein-stieg.«23Oder an anderer Stelle: »Der Ring Nationaler Frauen ist praktisch so eine Art Vorfeldorganisation, […] durch den RNF kommen sie dann relativ schnell in die Realität, in das, was dann wirklich die NPD ausmacht und den RNF und stei-gen somit dann relativ schnell in die Politik auch ein.«24Als eines der erklärten Ziele verfolgt der RNF, Frauen zu empowern und für politische Ämter innerhalb der Partei und in parlamentarischen Gremien zu gewinnen. »Der Ring Nationaler Frauen […] motiviert Frauen, politische Verantwortung zu übernehmen und auch bei Wahlen für die NPD anzutreten.«25Stolz verkündet die Organisation in regel-mäßigen Abständen die von Frauen gewonnenen Mandate und Kandidaturen und porträtiert in einer Kategorie »Frauen die sich trauen« auf ihrer Internetseite re-gelmäßig Frauen, die sich öffentlich für die NPD und/oder den RNF engagieren.

Der Unsichtbarkeit aktiver Frauen in der rechtsextremen Szene wird so von den Frauen selbst entgegengewirkt.

Nach anfänglicher Skepsis, erhält der RNF mittlerweile auch innerparteilich mehrheitlich den Zuspruch der männlichen Parteimitglieder. Gerade in Zeiten, in

23 In: ZDF-Magazin Mona-Lisa vom 2.9.2007.

24 Hähnel, Stella (2008): Frauen in der NPD. Vortrag auf der Veranstaltung des Ring Nationaler Frauen (RNF) Ber-lin am 3.9.2008 in BerBer-lin. Transkribiert durch das Antifaschistische Pressearchiv und Bildungszentrum (APA-BIZ). Eingesehen im: APABIZ.

25 RNF (2009): RNF sieht positive Entwicklung bei den Kandidaturen von weiblichen NPD-Frauen. Homepage des RNF, 2.10.09.

denen die NPD die »Soziale Frage« stärker denn je in den Mittelpunkt ihrer Agi-tation stellt, wird eine biologistisch argumentierende »weibliche Perspektive« in der Parteipolitik willkommen geheißen. Durch die Aufnahme des RNF als offi-zielle Parteiunterorganisation ist nicht nur der amtierenden RNF-Bundesvorsit-zenden – als derzeit einziger Frau – ein Sitz im Bundesvorstand der NPD zugesi-chert. Auch die NPD erweitert somit ihren Einfluss auf die Politik des RNF – und männliche Parteimitglieder erwarten sich Mitspracherechte. Während Entschei-dungen der Frauenorganisation vormals kaum zur Kenntnis genommen wurden, erfahren sie nun auch partei- und szeneintern deutlich mehr Aufmerksamkeit und Diskussion. Wenig verhalten wird kommentiert und kritisiert.

Auseinandersetzungen zwischen unterschiedlichen Flügeln innerhalb der NPD gehen mittlerweile auch nicht mehr am RNF vorbei: Der Schluss eines »Stellver-treterinnen-Krieges«26liegt nahe, wenn Konfliktparteien innerhalb des RNF eng gebunden sind an politische Lager, wie sie sich in der vorhergehenden, kontrovers geführten Debatte verschiedener Landesverbände um die inhaltliche Ausrichtung der NPD abgezeichnet hatten. Über die »inhaltliche Neuausrichtung«27im Nach-gang der Abwahl Gitta Schüßlers als Bundesvorsitzende des RNF diskutierten deutlich mehr männliche Kameraden, als dass sich Frauen hieran beteiligten.

Im Dokument »Was ein rechter Mann ist ...« (Seite 133-138)