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Burschenschaften – Bildungseinrichtungen einer heteronormativen, soldatischen Quasi-Elite

Im Dokument »Was ein rechter Mann ist ...« (Seite 182-195)

Abstract

Burschenschaften werden entweder als Schnittstelle zwischen extremer und kon-servativer Rechter oder zwischen organisiertem Rechtsextremismus und intellek-tueller Rechter beschrieben, ansonsten aber weitgehend als Folklore männlicher Studenten angesehen. Das ist so nicht haltbar. Vielmehr stellen sie eine Form der Vergesellschaftung dar, in der ihre Mitglieder explizit zu nationalistischen und soldatischen Männern erzogen werden, die mit dieser Ausbildung die Gesellschaft kontrollieren und steuern sollen. Dieser Text soll vor allem beschreiben, wie die-ser Bildungsprozess organisiert ist.

Vorab einige notwendige Einschränkungen. Der Text befasst sich mit einem Teil-aspekt studentischer Korporationen, der Ausbildung eines spezifischen Männlich-keitsmodells. Er wird keine umfassende Darstellung studentischer Korporationen ersetzen können, insbesondere kann er nicht vollständig in deren Terminologie und Geschichte einführen.1

Studentische Korporationen beziehen sich beständig auf eine vorgebliche Tra-ditionslinie und zahlreiche Differenzierungen zwischen den einzelnen Verbünden.

Deshalb bestehen sie oft darauf, dass nur ein Teil von ihnen Burschenschaften seien, während andere Gruppen beispielsweise als Landsmannschaften, Sänger-und Turnerschaften oder Corps zu bezeichnen wären. Diese Unterteilungen schei-nen für das in diesem Text dargestellte Thema unerheblich, da hier eine Struktur behandelt wird, die sich nur leicht transformiert in allen diesen Organisationen findet. Deshalb werden im Weiteren die Bezeichnungen studentische Korporatio-nen und Burschenschaften synonym verwendet.

Soldatische Männlichkeit als Bildungsziel

Die Grundthese des vorliegenden Textes lautet, dass Männlichkeit in Burschen-schaften durch einen expliziten Bildungsprozess hergestellt wird, der in einer aktiv produzierten »Krisenumgebung« stattfindet. Es soll im Folgenden darum gehen, diese These zu besprechen.

Burschenschaften werden hierbei als explizite Bildungseinrichtungen verstan-den. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie ein Bildungsziel definieren und mit-hilfe von kodifizierten Methoden über einen definierten Zeitraum für einzelne In-dividuen einen Bildungsprozess organisieren.2Dabei formen Burschenschaften eine spezifische Diskursumgebung aus, in die die Lernenden durch einen Lern-prozess geführt werden, der sie sowohl habituell als auch inhaltlich prägt. Bur-schenschaften selbst würden bestreiten, dass ihre Aktivitäten und Strukturen als Teil von Bildungsprozessen zu verstehen wären. Sie verweisen vielmehr darauf, dass sie diese Strukturen traditionell ausgeprägt und weitergegeben hätten.3Dies ist allerdings kein Widerspruch. Gerade die mehr oder minder direkte Kodifizie-rung von Strukturen und Aktivitäten trägt dazu bei, dass man die Produktion einer bestimmten burschenschaftlichen Männlichkeit nicht als Zufall oder gar als völlig eigenständige Wahl der beteiligten Personen interpretieren muss. Vielmehr drängt sich die in diesem Text vertretene Sichtweise auf, dass diese Männlichkeit Ergeb-nis wirkmächtiger Prozesse ist.

Das Bildungsziel von Burschenschaften ist eine deutsch-nationalistisch und antiindiviualistisch orientierte Elite, die sich am Bild des soldatischen Mannes4 orientiert, der sich von einer vermeintlich oder auch real gegen seine Gesell-schaftsvorstellungen gerichteten Öffentlichkeit nicht irritieren lässt. Dieser solda-tische Mann, der als Idealbild und als Bildungsziel von Burschenschaften angese-hen werden kann, wird beständig neu aufgerufen, inszeniert und vorgelebt. Er zeichnet sich grundsätzlich durch folgende Eigenschaften aus:

• Er ist davon überzeugt, einer gesellschaftlichen Elite anzugehören, welche tra-ditionelle Werte wie Gehorsam, National- und Pflichtbewusstsein gegen einen demokratischen oder auch linken Zeitgeist und eine diesen falschen Idealen folgende Gesellschaft verteidigt.

2 In diesem Text wird den grundsätzlichen Annahmen der konstruktivistischen Pädagogik gefolgt, die davon aus-geht, dass es nicht möglich ist, Wissen in einem Bildungsprozess direkt eins zu eins von Lehrenden an Lernende weiterzugeben. Dies bedeutet auf Burschenschaften bezogen, dass die dort »Lernenden«, für das Wissen, das sie annehmen, verantwortlich zu machen sind. Burschenschaften sind dabei Bildungseinrichtungen eher im Sinne von Vereinen, Jugendclubs oder einer organisierten Peer-Education und weniger im Sinne einer Schule oder Hochschule.

3 Diese Argumentation findet sich beständig in den burschenschaftlichen Publikationen. Vgl. als explizites Bei-spiel Auth 2006.

4 Dabei beziehen sich Burschenschaften auf eine Vorstellung eines explizit antidemokratischen Militärs, vorzugs-weise des preußischen. Obgleich weiterhin eine allgemeine Kritik am Militär möglich ist, steht doch zu vermu-ten, dass die Vorstellungen von Burschenschaften nicht mehr mit den in den zeitgenössischen Armeen vertrete-nen Idealtypen übereinstimmen.

• Er folgt einem Gesellschaftsbild, in dem die Gesellschaft unabänderlich durch zahllose Hierarchieebenen gekennzeichnet ist und in welcher untergeordnete Hierarchien den höher liegenden grundsätzlichen Gehorsam schuldig sind.

• Er legitimiert seine eigene höhere Stellung in der von ihm implizierten gesell-schaftlichen Hierarchie einerseits durch seine akademische Ausbildung, ande-rerseits durch sein burschenschaftliches Engagement.

• Teil seines Selbstbildes ist es, seine Überzeugungen gegen jede Kritik beizube-halten. Dies beinhaltet gerade nicht, seine Überzeugungen zu verteidigen und da-mit zur Diskussion und Disposition zu stellen. Vielmehr ist es dem Selbstbild als soldatischer Mann inhärent, Dinge »auszuhalten«, ohne sich zu beklagen.

• Er ist davon überzeugt, dass es ein deutsches Volk gäbe, das über die Sprache hinaus gemeinsame Eigenheiten hätte und als Gesamtkörper danach streben würde, sich national oder quasi-national zu vereinen.5 Folgerichtig geht er davon aus, dass auch alle anderen Menschen qua Herkunft genau einem Volk zu-zuordnen seien.

Lebens- und Diskursumgebung Burschenschaft

Die Erziehungsarbeit von Burschenschaften findet in einem spezifischen Umfeld statt, das durch eine eigene Infrastruktur und einen spezifischen Krisendiskurs ge-kennzeichnet ist. Im folgenden Abschnitt werden diese skizziert, um im nächsten Abschnitt den dazugehörigen Bildungsprozess beschreiben zu können.

Infrastruktur

Eines der herausstechendsten Merkmale von Burschenschaften ist der sogenannte Lebensbund. Burschenschaften verstehen sich, obwohl sie eigentlich durch kodi-fizierte und tradierte Organisationsformen strukturiert werden, als Freundschafts-bünde. Diese Freundschaft basiert allerdings einzig auf der Mitgliedschaft in einer Burschenschaft. Es handelt sich um eine Art Zwangs-Freundschaft, die sich auf alle aktuellen und zukünftigen Mitglieder einer Burschenschaft erstrecken und gleichzeitig lebenslang bestehen soll. Wer während seines Studiums Mitglied wird, soll dies sein ganzes Leben bleiben. Die in manchen Universitätsstädten of-fen auftretenden studierenden Mitglieder von Burschenschaften stellen immer nur einen kleinen Teil der jeweiligen Korporation dar. Bedeutsamer sind die soge-nannten Alten Herren, die sich nach ihrem Studium weiter als Mitglieder ihre

Burschenschaft ansehen und zum Unterhalt derselben beitragen.6Diese lebens-lange Mitgliedschaft auf Basis eines im gewissen Maße erzwungenen Freund-schaftsverhältnisses stellt für den Bildungsprozess zur burschenschaftlichen Männlichkeit die materielle und ideelle Infrastruktur dar. So leben die älteren Mit-glieder, die dem Lebensbundprinzip tatsächlich folgen, Idealtypen des angestreb-ten Mann-Seins vor.7

Eine weitere Besonderheit von Burschenschaften stellen die Häuser dar.8Diese bilden die Grundlage des burschenschaftlichen Lebens während des Studiums. Im Allgemeinen wohnen die studierenden Mitglieder zusammen in diesen Häusern.

Zwar stellen Burschenschaften keine Sekten dar, die den sozialen und realen Be-wegungsraum ihrer Mitglieder explizit einschränken würden, dennoch halten sie ihre Mitglieder dazu an, soziale Aktivitäten gemeinsam zu gestalten, dabei be-stimmten Abhängigkeitsverhältnissen zu folgen und selbstverständlich an neue Mitglieder einen gewissen Habitus zu vermitteln. Gleichzeitig findet durch das gemeinsame Wohnen eine soziale Kontrolle statt, die dadurch verstärkt wird, dass die einzelnen Häuser als Basis einer Burschenschaft gelten, in denen eigene Ver-anstaltungen durchgeführt werden und die als Repräsentationseinrichtungen für Besuche Alter Herren oder anderer Burschenschaften beständig in einem ausrei-chend guten Zustand erhalten werden müssen. Gleichzeitig bieten diese Häuser auch die Möglichkeit, explizite Lernräume, unter anderem für das weiter unten besprochene burschenschaftliche Fechten, zu unterhalten.

Weiterhin sind fast alle Burschenschaften untereinander verbunden. Einerseits gehören die meisten von ihnen Dachverbänden an, die ähnlich gelagerte Korpora-tionen miteinander verbinden und gleichzeitig durch dachverbandsweite Veran-staltungen und Debatten einen Kommunikationsraum konstituieren, der nahezu von allen Korporierten benutzt wird. Andererseits bestehen zwischen einzelnen Burschenschaften eigene Verbindungen, die sich in gegenseitigen Besuchen und Versicherungen der gegenseitigen Freundschaft niederschlagen. Weiterhin organi-sieren sich in vielen Städten die ansässigen Burschenschaften zu Waffenringen.

6 Die wenigen weiblichen Mitglieder von Burschenschaften werden, wenn sie fertig studiert haben, zumeist »Hohe Frauen« genannt. Allerdings ist ihre Zahl sehr gering, und es ist bislang nicht ersichtlich, welchen Einfluss sie auf die Ausprägung einer burschenschaftlichen Weiblichkeit oder eine Transformation burschenschaftlicher Männ-lichkeit haben.

7 Vgl. als prototypisches Beispiel Löhr 2006. Die Formulierung deutet schon an, dass diesem Lebensbund-Prinzip im Gegensatz zur burschenschaftlichen Darstellung, von einer Anzahl alter Herren nicht gefolgt wird, sondern viele sich nach Abschluss ihres Studiums tatsächlich nicht ihr ganzes Leben lang am burschenschaftlichen Leben beteiligen. Dies ist allerdings auch zu erwarten, da die realen Freundschaften innerhalb einer Burschenschaft, trotz allem Zwangscharakter, ebenso auf persönlichen Zu- und Abneigungen basieren, wie außerhalb dieser Bünde, letztlich also von den einzelnen Korporierten interpretiert und gelebt werden müssen, um real zu werden.

Spätestens nach dem Ende des Studiums, wenn die sozialen Verbindungen der Burschenschaft sich lockern, wird dieses persönliche Element wichtiger und tritt unter Umständen in Konflikt zur Freundschaft, die einzig aufgrund der Zugehörigkeit zum gleichen Bund geschlossen wird. Interessant wäre eine Untersuchung darüber, wer dem Lebensbundprinzip tatsächlich folgt und wer nicht.

8 Meistens handelt es sich dabei um eigenständige Villen, teilweise sogar um mehrere Häuser. Finanziert wird der Unterhalt derselben zum großen Teil durch die Alten Herren.

All diese gegenseitigen Verbindungen konstituieren Diskursräume mit eigenen Kom-munikationsregeln, Publikationen, regelmäßigen und unregelmäßigen Treffen, die zur Absicherung und Verstärkung burschenschaftlicher Überzeugungen beitragen.

Einen weiteren, nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Infrastruktur von Bur-schenschaften stellen die Publikationen derselben dar. Jeder größere Dachverband unterhält eigene Zeitschriften, beispielsweise die »Academia« (Cartellverband der katholischen deutschen Studentenverbindungen), die »Burschenschaftlichen Blätter« (Deutsche Burschenschaft), die »Akademischen Blätter« (Verband der Vereine Deutscher Studenten); beständig werden Monographien und Broschüren herausgegeben. Teilweise existieren in den Dachverbänden eigene Arbeitsgrup-pen, die sich mit der Veröffentlichung solcher Schriften beschäftigen, wie die Ge-meinschaft für deutsche Studentengeschichte e.V., das Internetportal und der Ver-lag akadpress oder der Arbeitskreis der Studentenhistoriker. Gerade die Erstellung und Rezeption solcher anlassbezogenen Veröffentlichungen, in die auch jüngere Mitglieder eingebunden werden, motiviert Lernprozesse.

Diskurse über die Gesellschaft

Burschenschaften haben Diskurse ausgeprägt, die sie beständig wiederholen und auch bei Interventionsversuchen in die restliche Gesellschaft als Begründungszu-sammenhänge nutzen.9Diese Diskurse sind von einer Krisenmetaphorik gekenn-zeichnet, nach der die Grundsätze, die von den Burschenschaften vertreten und verteidigt werden, beständig von Strömungen innerhalb der Gesellschaft bedroht würden. Burschenschaften stellen sich dabei immer wieder als letzte Verteidiger der deutschen Gesellschaft dar, die fast allein auf einem wichtigen Posten kämp-fen würden. Mit Hilfe dieses Diskurses ist es auch möglich, zahlreiche Versuche der internen Modernisierung aufzuhalten. Zwei dieser Diskursbilder werden so regelmäßig aufgerufen, dass sie als konstitutiv für das burschenschaftliche Selbst-verständnis gelten können.

Feindbild »68er«

Burschenschaften sehen sich in grundlegender Opposition zur politischen Linken und beschreiben die gesellschaftlichen Entwicklungen seit den frühen 1970er Jah-ren hauptsächlich als Einfluss der sogenannten 68er. Dabei wird der Begriff

»68er« als Chiffre für fast alle als negativ empfundenen Entwicklungen genutzt, ohne dass es wirklich notwendig scheint, eine Definition oder Eingrenzung für diese »68er« zu treffen oder herzuleiten, wie diese für die jeweilige Veränderung verantwortlich zu machen seien.

Es gibt im burschenschaftlichen Denken die Überzeugung, dass beispielsweise die langsame Demokratisierung der Gesellschaft, die Migration nach Deutsch-land, die gesellschaftlich und rechtlich gegenüber der Situation in den 1950er und 1960er Jahren bessere Stellung von Frauen oder Homosexuellen einerseits abzu-lehnen und gleichzeitig das Ergebnis der Tätigkeit der »68er« sei.

Die Universität als durch die Massen bedrohte Einrichtung der Elite

Gleichzeitig sind Burschenschaften davon überzeugt, dass die Öffnung und der Ausbau der Hochschulen in Deutschland seit den 1960er Jahren eine Bedrohung für die elitäre Bildungseinrichtung Universität darstellen würde. Burschenschaf-ten berufen sich auf eine Zeit, in der UniversitäBurschenschaf-ten erklärtermaßen für einen klei-nen Teil der Gesellschaft als Ausbildungsstätte dienten.10Im burschenschaftlichen Diskurs wird eine Zeit idealisiert, in der die akademische Ausbildung grundsätz-lich den Vorstellungen von Burschenschaften gedient hätte. Mit dem Ausbau des Hochschulangebots und der Zulassung weit größerer Zahlen von Studierenden sei diese Universität fast zerstört worden. Burschenschaften halten daran fest, dass ei-nige Strukturen dieser »alten Universität« überlebt hätten und die Befolgung bur-schenschaftlicher Tugenden dazu beitragen würde, diese zu erhalten.

Aus diesem Diskurs folgt nicht nur, dass Burschenschaften sich ehedem be-ständig als in einer Krisensituation befindlich verstehen, er erklärt auch die grundsätzliche Opposition von Burschenschaften gegen jede Hochschulreform seit den späten 1960er Jahren. Sie lehnten nicht nur Ausbau und Demokratisie-rung der Hochschulen ab, sondern ebenso die EinfühDemokratisie-rung der Bachelor-/Master-studiengänge oder die Zielsetzung der unterschiedlichen Bundesregierungen, die Zahl der Studierenden beständig zu erhöhen. All diese Vorgänge werden von Bur-schenschaften als Vermassung der Universität beschrieben, wobei der Begriff

»Vermassung« einen gewollt negativen Klang hat.11

Diskurse über sich Selbst

Burschenschaften pflegen einen ausgeprägten Diskurs über sich selbst, in dem sie sich gegenseitig das Idealbild eines Burschenschafters vorhalten, in Publikatio-nen, Auftritten und im Zusammenleben auf dem Haus in gewisser Weise vorleben und zudem in Reden und Artikeln beständig reformulieren. Dieser Diskurs ist ele-mentar. So finden sich in nahezu allen Ausgaben burschenschaftlicher Zeitschrif-ten Texte, die Aspekte der burschenschaftlichen Tugend besprechen. Diese Texte

10 Selbstverständlich sind Hochschulen auch heute keine egalitär zugänglichen und wirkenden Bildungseinrichtun-gen. Allerdings gilt heute ein chancengerechter Zugang zu allen Bildungseinrichtungen als erstrebenswert, während dies vor der Demokratisierung der Hochschulen nicht der Fall war.

11 Ein relativ umfangreiches Beispiel der Bewertung vergangener und aktueller Hochschulreformen aus burschen-schaftlicher Sicht liefert Klenke (2008), der gleichzeitig versucht, diese Reformen mit einer burschenschaftlichen Deutung gesellschaftlicher Entwicklungen zu erklären.

beanspruchen einen axiomatischen Aussagewert und stellen gerade keine Diskus-sionsbeiträge dar.

Ein wichtiges Thema dieser Diskurse ist die Unterordnung der eigenen Indivi-dualität unter die jeweilige Burschenschaft und den jeweiligen Dachverband. Zwar werden dafür Begrifflichkeiten wie Freiheit, Freundschaft und Ehre verwendet, ge-fordert wird allerdings, dass sich gerade neu eintretende Burschenschafter zuerst dem Gesamtverband unterwerfen und dessen Vorstellungen folgen. Diese Unter-ordnung wird bis ins hohe Alter als Tugend angesehen. So betonen Burschenschaf-ter in Nachrufen für ihre Bundesbrüder vor allem die Leistungen, die für den eige-nen Bund erbracht wurden. Gerade bei diesen Nachrufen fällt auf, dass schon die einfache Befolgung des Lebensbundprinzips als hervorhebenswert gilt.

Weiterhin pflegen Burschenschaften eine eigene Vorstellung von Geschichte.

Zwar argumentieren sie vor sich und anderen damit, eine Tradition zu haben und aus dieser heraus legitimiert zu sein. Doch ist die Vorstellung von Tradition in Burschenschaften relativ eigen. Sie besteht größtenteils aus der Aufzählung der Geschichte der einzelnen Burschenschaft, gleichzeitig beinhaltet sie gesellschaft-liche Entwicklungen nur dann, wenn deren Einfluss auf den Bund selbst nicht zu bestreiten ist. Selbst dann werden sie vor allem als Einbruch in die burschen-schaftliche Welt dargestellt. Beispielsweise wird der Nationalsozialismus fast aus-schließlich als Katastrophe für Burschenschaften dargestellt, aber auch der Erste Weltkrieg oder der deutsche Kolonialismus werden als »Prüfung« der Burschen-schafter beschrieben, ohne das auf die Verbrechen und gesellschaftlichen Bewe-gungen der damaligen Zeit eingegangen wird. Ebenso wird die weiter oben be-sprochene »Vermassung« hauptsächlich als Angriff auf die burschenschaftliche Identität begriffen, der standgehalten zu haben als positiver Wert beschrieben wird, obgleich es sich in weiten Teilen um eine – wenn auch unvollständige – De-mokratisierung der Gesellschaft handelte, die sich in dieser »Vermassung« nieder-schlug. Im Allgemeinen wird eine Geschichte gepflegt, in der Burschenschaften eine eigene Welt darstellen, die abseits aller gesellschaftlichen Konflikte unpoli-tisch und rein freundschaftlich sei.12

Diese Geschichte stellt den hauptsächlichen Inhalt der burschenschaftlichen Bildung dar. Es wird erwartet, dass Burschenschafter beispielsweise aufzählen können, mit welchen Korporationen ihre Burschenschaft in den letzten knapp 200 Jahren Freundschaft geschlossen hat; es gilt aber als vernachlässigbar, zu wissen, welche Rolle Burschenschaften in den Freikorps nach dem Ersten Weltkrieg oder bei der Unterdrückung der Arbeiter_innenbewegung im Kaiserreich spielten. Die-ses Geschichtsverständnis wird in Burschenschaften gerade bei der Ausgestaltung der Häuser mit Ahnenreihen und Devotionalien reflektiert.13

Weiterhin stellen sich Burschenschaften, ohne das wirklich tiefer gehend zu begründen, als Stützen der Gesellschaft dar. Sie unterstellen, dass sie vor allem durch ihre bloße Existenz eine Infrastruktur zur Verfügung stellen würden, ohne die die Gesellschaft ansonsten zusammenbrechen würde.

Diskurse über Frauen

Der Ausschluss von Frauen aus den meisten Burschenschaften wird mit zwei Ar-gumenten begründet. Einerseits sei er historisch bedingt, da die meisten Bur-schenschaften zu einer Zeit gegründet worden seien, in der es noch kein Frauen-studium gegeben hätte. Obwohl dies historisch richtig ist, fällt doch auf, dass Burschenschaften sich im Laufe der Geschichte explizit gegen eine Aufnahme von Frauen gewandt haben, und zwar gerade nach der Durchsetzung des Frauen-studiums. Als zweites Argument wird angeführt, dass Burschenschaften als Männerbünde eine Freundschaft ermöglichen würden, deren Qualität nur in rein männlichen Gruppen möglich sei und die bei einer kontinuierlichen Anwesenheit von Frauen gestört würde. Frauen wird zugeschrieben, eine sexuelle Attraktion auszulösen, die in homogeschlechtlich männlichen Gruppen nicht vorkommen würde. Der Burschenschafter versteht sich in seinem Umgang mit anderen Bur-schenschaftern als explizit asexuell, aber gleichzeitig durch Frauen irritierbar.14

Im Allgemeinen werden Frauen als Gegenstück zum Männlichkeitsbild ver-standen. Sie werden als Beziehungspartnerinnen bei »offiziellen« Anlässen über-höht und als Stütze für ihre Partner oder Ehemänner beschrieben, gleichzeitig gel-ten sie als unkontrollierbare Wesen. Dieses Idealbild wird zwar immer wieder durch Versuche, Schwesternschaften aufzubauen oder durch Bünde, die Frauen zulassen, gestört, aber dennoch im innerburschenschaftlichen Diskurs reprodu-ziert. Die Anpassung an den gesellschaftlichen Konsens über die Geschlechter-verhältnisse findet wenn, dann nur sehr langsam statt. Gleichzeitig gilt der Femi-nismus oder die Gender Studies – verstanden als aktuelle Form des FemiFemi-nismus – als ein wichtiger Feind der Burschenschaften.

Der Bildungsprozess

Während im vorhergehenden Abschnitt der Diskursrahmen und die Infrastruktur beschrieben wurden, in denen der Bildungsprozess einer burschenschaftlichen Männlichkeit stattfindet, wird dieser Prozess im Folgenden genauer beschrieben.

14 Vgl. Peters 2005.

Didaktik

Bezogen auf die Funktion der Ausbildung einer Elite hat Stephan Peters (2004) den Verlauf einer Bildungskarriere innerhalb von Burschenschaften untersucht.

Seine Beschreibung lässt sich auch für die spezifische Frage der Herstellung von Männlichkeit in Burschenschaften verwenden.

Grundsätzlich beschreibt Peters die Erziehung in Burschenschaften als dreistu-figen Prozess. Dieser spielt sich parallel zum Studium ab. Es wird von Burschen-schaftern erwartet, dass alsgleich beschriebene Bildungsprogramm neben einem erfolgreichen Studium zu absolvieren, was kaum noch Freiräume für ein soziales Leben außerhalb des Bundes offen lässt.

Im ersten Stadium, dass Peters Tod/Trennung nennt und das zwischen einem und drei Semestern lang ist, wird der junge Burschenschafter, zumeist als

»Fuchs« betitelt, in das burschenschaftliche Milieu eingeführt.15Zwar findet bei

»Fuchs« betitelt, in das burschenschaftliche Milieu eingeführt.15Zwar findet bei

Im Dokument »Was ein rechter Mann ist ...« (Seite 182-195)