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man bei Tag und bei Nacht an Kindern in englischen Gefängnissen verübt, ist

un-glaublich für alle, die sie nicht selbst mit angesehen

haben und

die Brutalität des Systems nicht kennen.

Die Menschen

unserer Zeit wissen nicht,

was

Grausamkeit ist. Sie haltensie für eine Art schreckliche mittelalterliche Leidenschaft

und

bringen sie in

Verbin-dung

mit

Männern vom

Schlage Ezzelins

102

da

Romano und

anderer,

denen

es in der Tat einen wahnsinnigen Genuss bereitete, absichtlich

Schmerzen

zuzufügen.

Aber Männer vom Gepräge

Ezzelins sind nur aussergewöhnliche

Typen

eines perversen Individualismus.

Die

Grausamkeit des Alltags ist nichts weiter als

Dummheit.

Sie ist der gänzliche

Mangel

der Fähig-keit, sich ein Bild

von den Dingen

zu

machen —

des Verstandes. Sie ist in unseren

Tagen

dieFolgedersterotypierten Systeme, der harten

und

festen

Ge-setze, der

Dummheit. Wo

Zentralisation herrscht, herrscht

Dummheit. Wo im

mo-dernen

Leben

der

Beamte

anfängt, hört der

Mensch

auf. Die Autorität ist ebenso gefährlich für die, die sie ausüben, wie für die,

gegen

die sie ausgeübtwird. Die Gefängnisbehörde

und

das System, das siedurchführt,istdie ursprüngliche Quelle der Grausamkeit, die

an einem Kinde im

Gefängnis verübt wird. Die Leute,diedas System aufrecht erhalten,

haben

vielleicht vortrefflicheAbsichten. Die es ausführen, sind in ihren Absichten ebenfalls

human.

Die Verantwortlichkeit ruht auf

den

Vor-Schriften der Disziplin.

Es

wird

ange-nommen,

eine Sache sei recht,

wenn

sie Gesetzist.

Die

gegenwärtige

Behandlung

der Kinder ist schrecklich, besonders

wo

es sich

um

Leute handelt, die die besondere Psychologie der Kindesnatur nicht ver-stehen.

Ein Kind kann

eine Bestrafung, die

von einem

einzelnen Individuum, so

vom

Vater oder

vom Vormund,

ausgeht, verstehen

und

sie mit

einem

gewissen

Grad von

Fügsamkeit ertragen.

Was

es aber nicht verstehen kann, das ist eine Bestrafung

von

Seiten der Gesellschaft.

Es kann

sich nicht vorstellen,

was

das

ist: dieGesellschaft. Mit erwachsenen Per-sonenverhältes sichnatürlichumgekehrt.

Diejenigen unter uns, die

im

Gefängnis sind oder

gewesen

sind,

können und

werden

verstehen,

was

die Kollektivkraft, die

man

Gesellschaft nennt, bedeutet;

und

was

wirauch

von

ihrer

Methode und

ihren

Ansprüchen

halten

mögen,

wir

können

uns

Sache, die kein

Erwachsener

duldet, we-nigstens erwartet es

niemand von

ihm.

Das Kind

also, das

von

Leuten, die es nie gesehen hat

und von denen

es nichts weiss, seinen Eltern entrissen wird, das sich in einer

öden und

abstossenden Zelle befindet, das

von

fremden Gestal-ten beobachtet wird, das

von den

Ver-tretern eines Systems, das es nicht ver-stehen kann,

kommandiert und

abgestraft wird, wird

dem

ersten

und

schlimmsten unter

den

Gefühlen, die das Gefängnis-leben hervorbringt,

zum Raub: dem

Ge-fühldes Schreckens.

Der

Schreckeneines Kindes

im

Gefängnis ist grenzenlos. Ich erinnere mich, einmal inReading, als ich zur Freistunde ging, in der düsterenZelle, die der

meinen

gegenüberlag, einen

Kna-ben

gesehen zu haben. Zwei Aufseher

keine unfreundlichen

Männer —

sprachen zuihm,offenbar etwasstrenge,oder

gaben ihm

einen nützlichen

Rat

in bezugaufsein Verhalten. Einer

war

bei

ihm

in derZelle,

der andere stand aussen.

Das

Antlitz des Kindes

war

voller Schrecken

und

toten-blass. In seinen

Augen

lagderSchrecken

einesgehetzten Wildes.

Am

nächsten Mor-gen, zur Frühstückszeit, hörte ich ihn schreien

und

rufen,

man

solle ihn heraus-lassen.

Er

schrienach seinenEltern.

Von

Zeit zu Zeit konnte ich die tiefe

Stimme

des Aufsehers hören, der

ihm

sagte, er solle sich ruhig verhalten.

Und

dabei

war

er nicht einmal

wegen

irgend eines Ver-gehens verurteilt.

Er war

in Unter-suchungshaft.

Das

sah ich daran, dass er seine eigenen Kleider trug, die ziemlich sauber schienen. Indessen trug er An-staltsstrümpfe

und

-Schuhe,

und

daszeigte, dass er ein wirklich armer

Knabe

war, dessen eigene Schuhe,

wenn

er welche hatte, in einer bösen Verfassung waren.

Richter

und

Beamte, in der Regelein ganz

dummer

Menschenschlag, stecken oft Kinder für acht

Tage

ein

und

erlassen

dann

irgend eine Strafe, die zu

verhän-gen

sie berechtigt sind. Sie

nennen

dies

„ein

Kind

nicht ins Gefängnis schicken".

Das

ist natürlich eine blöde Auffassung

von

ihnen.

Ein Kind kann

die Spitzfindig-keit,

ob

es in Untersuchungs- oder Straf-haftist,nichtunterscheiden.

Das

Schreck-106

liehe für das

Kind

ist, überhaupt

da

zu sein. In den

Augen

der Menschheit sollte es etwas Schreckliches sein, dass es über-haupt

da

ist.

Dieser Schrecken, der das

Kind

be-herrscht, ebenso wie er auch

den

Erwach-senen beherrscht, wird natürlich über alle

Massen

verstärkt durch die Einsamkeit des Zellensystems. Jedes

Kind

ist dreiund-zwanzig Stunden

von

vierundzwanzig in seiner Zelle eingesperrt. Dies ist das Schreckliche

an

der Sache.

Dass

ein

Kind

dreiundzwanzig Stunden

im Tag

in eine dunkleZellegesperrt wird, istein Beispiel fürdie Grausamkeitder

Dummheit. Wenn

ein Individuum, ein Vater oder

Vormund,

etwas der Art einem

Kinde

antäte,

würde

er streng bestraft werden.

Der

Schutzver-ein

gegen

die Kinderquälerei

würde

sich der Sache

annehmen. Auf

allen Seiten

würde

sich die lebhafteste Entrüstung über solche Grausamkeit erheben.

Aber

unsere eigene gegenwärtige Gesellschaft tut selbst

noch

Schlimmeres,

und

für ein Kind, das

von

einer unverständlichen ab-strakten Gewalt so behandelt wird, für

deren

Ansprüche

es keinen Verstand hat, ist solches viel schlimmer, als

wenn

es

von

seinem Vater oder seinerMutter oder sonst

einem Bekannten

geschähe. Die un-menschliche

Behandlung

eines Kindes ist

immer

unmenschlich,

von wem

sie

auch