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Tödliche Verfolgungen? Die Martyriumsberichte als wichtige Quellen

Im Dokument DIPLOMARBEIT / DIPLOMA THESIS (Seite 21-42)

wichtige Quellen für die „Frühchristlichen Lebenswelten“

Die ersten relativ zuverlässigen Berichte über die frühen Christen und Christinnen in den Donauprovinzen der pannonischen Diözese stammen aus dem Ende des 3. bzw. Anfang des 4.

Jahrhunderts und haben verschiedene Martyrien zum Inhalt91. Sie erlauben einen Einblick in den Alltag der frühchristlichen Gemeinden in Zeiten, in denen das Christentum noch keine erlaubte Religion war und durch Verfolgungen bedroht wurde. Trotz der lebensweltlichen Perspektive, aus der verschiedene Rückschlüsse auf soziale Zustände, Berufe und Strukturen gewonnen werden können, ist größte Vorsicht bei der Deutung jener Berichte angebracht, da sie von christlichen Gläubigen aus einer theologischen Perspektive geschrieben wurden und keine authentischen historischen Tatsachenberichte sind. Dies soll an späterer Stelle noch genauer ausgeführt werden. In den letzten Jahren sind in der Forschung Zweifel bezüglich der Intensität und der Ausmaße der Verfolgungen aufgekommen, womit die Frage nach der Bedrohung für die christliche Bevölkerung neu zu untersuchen ist. Waren die frühchristlichen Gemeinden einer permanenten Bedrohung ausgesetzt oder stellen die Martyrien Ausnahmen dar? Welche Rückschlüsse können für den Alltag im Zeitalter der Verfolgungen gezogen werden? Wieviel Fiktion bzw. wieviel Wahrheit steckt in den Martyriumsberichten?

Um die Geschichte der christlichen Märtyrer und Märtyrerinnen nachvollziehen zu können, bedarf es zunächst eines Überblicks über die Rahmengeschichte und die Literaturgattung.

Anschließend sollen vor allem anhand zweier Beispiele – Passio des hl. Florian für Noricum ripense und Passio des hl. Quirinus für Pannonien bzw. allgemeine Rückschlüsse aus der Martyriumsliteratur – die „Christlichen Lebenswelten“ zur Zeit der Verfolgungen nähergebracht werden.

a. Verlauf und Verbreitung der Verfolgungen

Nach den Verfolgungen92 unter den Kaisern Decius und Valerian wurde das Christentum 260 erstmals von Gallienus geduldet, die Bestätigung folgte 272 durch Aurelian93. Im folgenden vierzigjährigen Frieden dürfte sich das Christentum im ganzen Reich stark ausgedehnt haben.

Vermutlich gab es nun Gläubige in allen Bevölkerungsschichten. Nachdem es immer wieder

91 Allgemein vgl. Aubreville 2010; Boyarin 1999; Bratož 1990; Bratož 2004b; Bratož 2004a; Flach 1999; Buzov Lalošević 2016; Eckhart 1981; Jarak 1996; Klieber 2015; Kovács 2016; Merkt 2015; Moreau 2014; Moss 2013; Pesthy-Simon 2017; Pillinger 1986; Portmann 1990; Rizos 2016; Thomas 1974; Thomas 1978; Tóth 2010.

92 Vgl. Keresztes 1983; Davies 1989; Bratož 2004b; Demandt 2007. Die Gründe für die Verfolgungen sind nicht vollends geklärt. Sie hatten sicherlich zum Zweck, das Römische Reich innerlich zu stärken, und betrafen teilweise nicht nur das Christentum. Es scheint plausibel, den Anlass der Verfolgungen im Zusammenhang mit dem Kaiserkult zu sehen. Vgl. Aubreville 2010; Flach 1999.

93 Demandt 2007, 56. 527.

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Konflikte mit Christen und Christinnen gegeben hatte, v.a. bei der Durchführung des Staatsopfers, erließ Kaiser Diokletian 303 vier Edikte, mit denen sie zu den paganen Kulten zurückgeführt werden sollten. Als Folge von christlichen Widerstandsaktionen wurden die Maßnahmen verschärft, und es wurde ein Opfergebot erlassen. Die Lage eskalierte94. Das Märtyrertum erlebte daraufhin im Christentum in den Verfolgungszeiten unter Diokletian und Galerius einen Höhepunkt. Die immer mehr zum Ideal gewordene Rolle des/der Blutzeugen/Blutzeugin war attraktiv, wurde man doch durch den Tod nicht nur Vorbild für die Christengemeinde und in der Regel auch verehrt, sondern gelangte, dem Glauben nach, unmittelbar zu Gott95.

Erst mit dem Toleranzedikt des Galerius 311 und der „Mailänder Vereinbarung“ 313, die Religionsfreiheit gewährte, wurden die Christenverfolgungen, die seit jeher stark regional unterschiedlich ausgeprägt waren, endgültig beendet96. Eine besondere Problematik liegt in der Quellenlage. Die meisten Informationen stammen von christlichen Autoren, von denen keine objektive Berichterstattung zu erwarten ist97. Die archäologischen Quellen sind oft rar, so sind nur knapp zwanzig Inschriften mit Märtyrernamen bekannt. Aufgefundene Gedenkstätten und Reliquiare können aufgrund fehlender Hinweise in der Regel nicht mit konkreten Personen verbunden werden. Deshalb sind die hagiografischen Schriften des Breviarium Syriacum (362/411) und des Martyrologium Hieronymianum (erstmals Mitte 5.

Jahrhundert) trotz oft unklarer Beiträge die wichtigsten Quellen98.

Während in Noricum ripense mit Florian nur ein Märtyrer namentlich bekannt ist99, handelt es sich bei Pannonien um eine grundlegend unterschiedliche Situation, wobei zwischen Nord- und Südpannonien unterschieden werden muss. Es ist kein einziger namentlich belegter Märtyrer aus der Provinz Valeria bekannt. Lediglich diverse Ziegelritzzeichnungen aus Brigetio versuchte man, ohne hinreichende Belege, im Rahmen einer Märtyrerverehrung zu sehen100. Für Pannonia prima ist Quirinus der einzige erwähnte Märtyrer. Aus Pannonia secunda sind hingegen zahlreiche Märtyrer und Märtyrerinnen bekannt, fast alle mit einer Verbindung zur Stadt Sirmium. Diese Diskrepanz innerhalb der pannonischen Provinzen konnte bislang nicht überzeugend geklärt werden: Tóth führt die hohe Zahl der Märtyrer und

94 Demandt 2007, 70f.

95 Klieber 2015, 207–209.

96 Demandt 2007, 86; Bratož 2004b, 116.

97 Bratož 2004b, 116; Demandt 2007, 70.

98 Bratož 2004b, 116f.

99 Pillinger 1986, 7.

100 Jarak 1996, 265; Thomas 1982, 260f.

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Märtyrerinnen in den südlicheren Teilen auf den Einfluss von Kaiser Galerius zurück, der zeitweise in Sirmium residierte und den er als Anreger der diokletianischen Verfolgung sieht101. Gegen diese Meinung, die dem Bericht von Laktanz102 folgt, stellt sich Bratož, der Diokletian als Urheber der Verfolgungen betrachtet, womit eine Konzentration von Martyrien um Sirmium nicht zu erklären wäre103. Thomas hingegen nimmt an, dass eine grundlegende Missionierung in den pannonischen Gebieten über der Drau erst nach 313 stattfand104. Dafür, dass es für die Provinz Valeria keine überlieferten Märtyrerlegenden gibt, sieht Bratož historische Gründe: Durch den dauerhaften Verlust der Gebiete nach 380 konnte sich kein dauerhafter Martyriumskult ausbilden105. Dennoch kann man annehmen, dass es keine dermaßen massiven Verfolgungen wie in Pannonia secunda gegeben hat, da sich sonst zumindest vereinzelt Indizien finden lassen würden. Da Sirmium die Hauptstadt von Pannonia secunda und der pannonischen Diözese sowie Kaiserresidenz war, scheint es nur logisch zu sein, dass die Anzahl der überlieferten Hinrichtungen von christlichen Gläubigen hier am höchsten ist. Dies könnte vor allem administrative Gründe gehabt habe, da Verurteilungen, wie gleich am Beispiel zweier Martyrien deutlich wird, hochrangigen Beamten, in der Regel den Statthaltern, oblagen. Ein ähnliches Bild findet sich bei Tomis, der Hauptstadt von Scythia minor, wo ebenfalls die meisten Hinrichtungen der Provinz festzustellen sind.

b. Die Literaturgattung Martyrium

Generell müssen Schriften über Märtyrer und Märtyrerinnen mit größter Sorgfalt gelesen werden. Es handelt sich hierbei in der Regel keineswegs um authentische Augenzeugenberichte, sondern vielmehr um hagiographische Erzählungen, die zwar eine/n Märtyrer/in und deren/dessen Leben zum Inhalt hatten, die aber zur Erbauung und Ermutigung zu einem guten christlichen Leben dienten. Hierbei war es nicht von Bedeutung, ob sich jede Einzelheit im Leben des/der Heiligen tatsächlich so abgespielt hatte bzw. ob die Person tatsächlich gelebt hatte106, wie eindrucksvoll das Beispiel des kynokephalen Christophorus107 zeigt. Die Erzählungen der Martyrien sollten nach Pesthy-Simon „as interesting as possible“ gemacht werden, weshalb nicht nur Christus, sondern auch Motive anderer „Helden“ der Vergangenheit aus jüdischer, römischer, griechischer, ägyptischer und

101 Tóth 1994, 244f.

102 Lact. mort. pers. 10f.

103 Bratož 2004b, 131.

104 Thomas 1982, 262f.

105 Bratož 2004b, 122.

106 Pesthy-Simon 2017, 83.

107 Zu den Deutungsversuchen siehe Kost 2015; Rosenfeld 1937; Saintyves 2008; Zwierzina 1909.

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karthagischer Geschichte herangezogen wurden, um das Leben der Märtyrer/Märtyrerinnen auszuschmücken108.

Durch die kritischen Betrachtungen der Martyriumserzählungen, die vor allem in den letzten Jahrzehnten verstärkt aufkamen und die die Legenden größtenteils als literarische Produkte entlarvten, müssen notwendigerweise auch die Ausmaße der Verfolgungen erneut beleuchtet werden. Klieber geht von einigen hundert orthodoxen Märtyrern und Märtyrerinnen aus, wobei die meisten Mitglieder der Gemeinde verschont blieben. Die Berichte um ihren Tod sind vor allem in den Jahren nach der Verfolgung entstanden und sind im Kontext der Auseinandersetzung des sich ausbildenden Christentums mit der paganen Welt und dem Judentum109, allerdings auch mit sich selbst und seinen sich aufspaltenden Strömungen zu sehen. Insofern dienten die Erzählungen der Ermutigung, dem Glauben treu zu bleiben bzw.

ihn anzunehmen, und es sollte die Identität der Gruppe gestärkt werden, indem u.a. auch regionale Bezugspersonen bzw. Vorbilder geschaffen wurden110. Einen radikalen Ansatz im Umgang mit den Martyriumserzählungen vertritt Moss, die bereits mit ihrem Titel „The Myth of Persecution. How early Christians invented a story of martyrdom“ eine klare Position bezieht und das Märtyrertum in den Bereich der Fiktion drängt. Sicherlich ist Moss in vielen Punkten rechtzugeben, wenn sie u.a. hinterfragt, wie sehr es sich wirklich um spezifische Christenverfolgungen gehandelt hat bzw. ob ein wahrer Kern in vielen Martyriumsgeschichten vorhanden ist, dennoch schießt sie über das Ziel hinaus111. Bereits Merkt hat daraufhin gewiesen, dass die von Moss gebrauchten Begriffe von Mythos und Erfindung unpassend sind, und er plädiert für den von Boyarin benutzten Diskursbegriff für das Martyertum112. Ohne genauer auf die Diskussion eingehen zu können, bleibt festzuhalten, dass die Martyriumserzählungen ohne Zweifel keine historischen Tatsachenberichte, sondern vielmehr literarische Erzählungen sind, die das historische Geschehen deuten113. Dass bereits in der Spätantike Betrüger und Betrügerinnen bzw. Irrtümer in der Märtyrer-/Märtyrerinnen-Verehrung vorhanden waren, zeigt die Vita Sancti Martini114. Für die Auswertung der Erzählungen bedeutet das, dass die literarischen Werke dechiffriert werden müssen. An Glaubwürdigkeit können Martyriumsrerzählungen gewinnen, wenn sie wie im Fall der nun zu

108 Pesthy-Simon 2017, 96.

109 Klieber 2015, 210f.

110 Merkt 2015, 195f.

111 Vgl. Moss 2013.

112 Merkt 2015, 205; Boyarin 1999, 94.

113 Merkt 2015, 205.

114 Sulp. Sev. Vit. Mar. 11. In dieser Arbeit wird die Edition von Huber-Rebenich 2010 herangezogen. Die neueste Ausgabe mit umfassenden Informationen bietet in englischer Sprache Burton 2017.

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präsentierenden Beispiele des hl. Florian oder des hl. Quirinus archäologisch zumindest teilweise untermauert werden können. Dies soll nun im Folgenden gezeigt werden.

c. Das pannonische Beispiel der Passio Quirini

Exemplarisch für Pannonien soll die Passio des Quirinus115 vorgestellt werden. Dies geschieht aufgrund der guten Quellenlage, bei der ansatzweise literarische und archäologische Belege verbunden werden können, aber auch weil das Martyrium des Quirinus ein Beispiel für eine Hinrichtung in Pannonien ist, die nicht in Pannonia secunda stattfand und literarisch mit dem norischen Beispiel vom hl. Florian zusammenhängt. Nach dem Martyrologium Hieronymianum erlitt Quirinus am 4. Juni 308116 seinen Tod in Savaria117. Laut der Passio Quirini – neben diesen beiden erwähnten Quellen berichten auch Prudentius118 und das Chronicon des Hieronymus119 über die Hinrichtung – war er Bischof von Siscia (PSA) und wurde zuerst vom Praeses Maximus in Siscia, dann vom Praeses Amantius in Savaria (PP) verhört. Trotz mehrmaliger Versuche, ihn vom Glauben abzubringen, weigerte er sich, weshalb er in Savaria zum Tod verurteilt und mit einem Mühlstein um den Hals in einen Bach geworfen wurde120. Die Passio, die auf dem Chronicon fußt, gilt aufgrund von Beschreibungen der Begräbnisstätte von Quirinus121 als zuverlässig und wird in die zweite Hälfte des 4. Jahrhunderts datiert. Quirinus, der vermutlich letzte namentlich bekannte Märtyrer in Pannonien, starb um das Jahr 308. Er ist der bekannteste pannonische Märtyrer im Westen während des Mittelalters, u.a. auch, weil seine Reliquien bereits im 4./5. Jahrhundert nach Rom gebracht wurden122.

Aufgrund der genauen topografischen Beschreibungen zum Martyrium des Quirinus ist es möglich, archäologische Rückschlüsse zu ziehen. In der Erzählung wird erwähnt, dass Quirinus im Theater von Savaria verurteilt wurde und von einer Brücke in einen nahegelegenen Bach namens Sybaris gestürzt wurde123. Dieses Gewässer wird heute mit dem Bach Perint identifiziert124. Archäologische Untersuchungen brachten Brückenpfeiler im

115 Vgl. allgemein Gáspár 2002; Jarak 1996; Thomas 1981; Tóth 2003; Pillinger 1986; Editionen: AA SS Iun. I (1868) 373-375; Ruinart 1859, 522–524.

116 Das Sterbejahr ist umstritten. Vgl. Tabelle 1.

117 Jarak 1996, 278f.

118 Prud. Lib. Per. VII, 6-10.

119 Hier. chron. a. Abr., 229e.

120 Thomas 1981, 7f.

121 Die topographischen Angaben in der Passio konnten teilweise archäologisch bestätigt werden, wenngleich das Grab noch nicht zweifelsfrei identifiziert werden konnte.

122 Jarak 1996, 278-280; Pillinger 1986, 11f.; Buzov – Lalošević 2016, 1266.

123 Thomas 1981, 9f.

124 Buzov – Lalošević 2016, 1271.

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Bachbett hervor, die möglicherweise den Standort der Brücke des Martyriums markieren125. An der Stelle, wo der Leichnam ans Ufer gespült wurde, soll man später ein Oratorium errichtet und seine Gebeine in der Basilika am Scarbantia-Tor beigesetzt haben126. Bislang gibt es noch keinerlei archäologische Belege für den locus orationis. Gáspár geht davon aus, dass die Stelle außerhalb der Stadtmauern lag. Sie vermutet, dass es an dieser Stelle, ähnlich den mittelalterlichen oratoria, ein Haus oder einen Raum gegeben haben müsste, wo die christliche Gemeinde ihre Gebete sprach. Schon im 3. Jahrhundert sollen Christen und Christinnen hier gewohnt haben. Durch das Martyrium von Quirinus entwickelte sich im 4.

Jahrhundert nach Gáspar auf der gegenüberliegenden Flussseite eine christliche Gemeinde127. Was die Basilika betrifft, hat sich in der Forschung mittlerweile die Meinung durchgesetzt, dass es sich bei dem Standort der heutigen Martinskirche in Szombathely um den Bestattungsort von Quirinus handelt. Durch archäologische Untersuchungen konnte festgestellt werden, dass sich hier der frühchristliche Friedhof befand, wo Quirinus in der sog.

basilica bestattet wurde. Dadurch, dass die Reliquien bereits kurz danach fortgeschafft wurden, verlor der Ort an Bedeutung, blieb aber dennoch eine Verehrungsstätte. Im Mittelalter ging schließlich der Name des Heiligen verloren und man verband die Stätte mit dem mittlerweile bekannteren Martin. So entstand der Glaube, dass sich an dieser Stelle einst das Geburtshaus des hl. Martin befunden hatte128. Durch diverse archäologische Belege konnte somit die historische Aussagekraft der Passio untermauert werden.

d. Die Passio Floriani als einziger literarischer Beleg eines christlichen Martyriums in Noricum ripense

Beim einzigen namentlich bekannten Märtyrer in Noricum handelt es sich um den hl.

Florian129, der in der diokletianischen Christenverfolgung am Beginn des 4. Jahrhunderts getötet worden sein soll. Nach den Berichten der Passio Floriani, die in unterschiedlichen Fassungen aus karolingischer Zeit erhalten ist130, reiste Florian eigens aus Aelium Cetium (St.

Pölten) nach Lauriacum (Enns), als er hörte, dass vierzig Christen gefangen genommen und gefoltert worden waren. Der ehemalige Kanzleivorstand des Statthalters lieferte sich selbst aus, um das Martyrium, er wurde mit einem am Hals angeketteten Mühlstein in der Enns

125 Gáspár 2002, 117.

126 Thomas 1981, 9f.

127 Gáspár 2002, 117.

128 Gáspár 2002, 118; Thomas 1981, 12f.

129 Allgemein zum hl. Florian: Dimt 2004; Harreither 1996; Neumüller 1971, mit verschiedenen Versionen der Passio; Noll 1954, 22–36; Pillinger 1986; Rehberger 1981; Rehberger 2003; Smolak 1994; Wolff 2003;

Zibermayr 1972, 17–30; Zinnhobler 1997.

130 Harreither 1996, 236f.

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ertränkt, auf sich zu nehmen. Im Folgenden wurde sein Leichnam, nach der Legende durch viele Wunder begleitet, von einer Frau an einem Ort beigesetzt, der danach für Heilungswunder bekannt wurde und Standort des heutigen Stifts St. Florian sein soll. Die vierzig erwähnten Christen sollen ebenfalls ermordet worden sein131. Mit dem Elogium im Martyrologium Hieronymianum gibt es eine zweite Quelle, die bereits im 7./8. Jahrhundert entstanden sein könnte, die sein Martyrium wesentlich kürzer und ohne posthume Schilderungen erzählt132. Sowohl die Passio als auch das Elogium weisen auf einen spätantiken Traditionsstrang hin, wobei es umstritten ist, welcher Text die Basis dafür war133. Für die Authentizität des Traditionsstranges, allerdings ohne legendenhafte Ausschmückungen, spricht die Verwendung spezifischer römischer Begriffe wie Noricum ripense oder ex principe officii134. Große Verehrung wurde dem hl. Florian in der karolingischen Zeit entgegengebracht, möglicherweise als einem Schutzherrn gegen die Awaren, in einer Zeit, in der auch die Entstehung seiner Passio zu sehen ist. Über seinem Grab soll, wie bereits erwähnt, das heutige Augustiner-Chorherrenstift St. Florian stehen, was allerdings aufgrund der späteren Entstehungszeit bezweifelt werden darf135.

Generell lässt sich zwar ein historischer Kern in der Florian-Legende fassen, doch muss man bei den legendenhaften Ergänzungen aus karolingischer Zeit, z.B. bezüglich des Bestattungsortes, kritisch sein. Es ist nämlich durchaus plausibel, dass das Stift St. Florian den Leichnam ihres Patrons niemals besessen hat, sondern lediglich am vermuteten Begräbnisort errichtet wurde. Für diese Theorie spricht die Art des Todes des Märtyrers durch Ertränken, was eine Auffindung des Leichnams äußerst unwahrscheinlich macht und eine Verehrung des Leichnams unterbinden sollte.

Archäologisch interessanter sind die ebenfalls in der Legende erwähnten vierzig Märtyrer. Im Oktober 1900 entdeckte man in der gotischen Friedhofskirche St. Laurenz136 ein Steinkistengrab unter dem Hochaltar (Abbildungen 2 & 3), das überwiegend Knochen von erwachsenen Individuen, teilweise aber auch Gebeine von Jugendlichen und Tieren enthielt.

Einige Knochen weisen Brandspuren auf. Zudem konnte man Textilreste aus dem 4. bis 6.

Jahrhundert sicherstellen, die ursprünglich vermutlich um die Gebeine gewickelt waren. Es

131 Noll 1954, 26–32.

132 Harreither 1996, 237. 245-249; Wolff 2003, 63. 75.

133 Neumüller 1971, 21; Harreither 1996, 247; 2003, 64; Zibermayr 1972, 24f.

134 Passio Floriani longior, 2 hrsg. v. Neumüller 1971, 28–35.

135 Noll 1954, 35.

136 Eine genauere Behandlung ist in dieser Arbeit nicht möglich. Für weitere Informationen siehe u.a. Eckhart 1981; Igl 2005; Igl 2008 mit weiterer Literatur.

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konnten einunddreißig Individuen festgestellt werden, wobei vor allem Langknochen im ursprünglichen römerzeitlichen Behälter aufzufinden waren. Dieser Steintrog soll nach den Untersuchungen Eckharts in den 1960er Jahren mit den Maßen des ursprünglichen Altarfundamentes übereinstimmen, das um 370 entstanden sein dürfte. Im 5. Jahrhundert dürfte der Schrein östlich vom Altar in den Boden eingelassen worden sein, in der karolingischen Zeit befand er sich vermutlich hinter dem Altar und konnte umschritten werden, bis er in gotischer Zeit unter dem Altar eingelassen wurde. Zinnhobler erklärt das Auffinden von Tierknochen im Trog durch eine nachträgliche Exhumierung bzw. durch das Abhalten von Totenmahlzeiten am Friedhof. Die Brandspuren führt er auf Brandschatzungen in der Kirche zurück, fehlende Gebeine auf die mangelnde Größe des Behälters137. Scherrer vermutet, dass die Kirche, die über einem römischen Wohnbau errichtet wurde, an jenem Ort steht, an dem Florian vom Statthalter verurteilt wurde138. Für Ubl steht eine Funktion des Sakralbaus als Klosterkirche zur Disposition139, während Igl die Interpretation als Gemeindekirche oder Mermorialkirche in den Raum stellt140.

In der Erzählung um den hl. Florian und die vierzig Märtyrer dürfte ein wahrer Kern stecken, der auch Informationen zu den Lebenswelten liefert: Vor der diokletianischen Verfolgung dürfte es nicht besonders problematisch gewesen sein, ein Christ oder eine Christin zu sein, zumindest heimlich. So konnte Florian auch einen hohen Beamtenrang erlangen. Ebenso muss ein Fragezeichen hinter die Intensität der Verfolgung gesetzt werden, die regional sicherlich unterschiedlich stark ausgeprägt war. In der Passio des Florian wirkt es beinahe so, als müsste er sich seinen Verfolgern gewissermaßen aufzwingen. Dass die Verfolgung vor allem gegen sich auflehnende Christen und Christinnen gerichtet war, zeigt sich am Beispiel der vierzig Märtyrer, „qui diutissime concertantes141nach den Angaben der Passio. Somit scheint es durchaus leicht möglich gewesen sein, die Zeit der Verfolgung als Christ oder Christin zu überstehen, ohne ein Martyrium zu erleiden. So erfährt man über das Verhalten mancher christlichen Gläubigen „tunc quidam in montibus se abscondebant, quidam in cavernis

137 Zinnhobler 1997, 25–29.

138 Scherrer 1992, 26. Igl sieht den Vorgängerbau ebenfalls als Repräsentationsbau für eine spätantike Adminstration. Igl 2008, 42.

139 vgl. Igl 2008, 49.

140 Igl 2008, 49.

141 Passio Floriani 2, hrsg. u. übers. Noll 1954, 27 „[…] die die längste Zeit kämpften […]“

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petrarum, et sic malis poenis de hac vita liberabantur142.“ Um wie viele und welche Personen es sich hierbei handelte, ergibt sich aus der Stelle nicht.

e. Auswertung der Martyriumsberichte von Pannonia secunda

Aufgrund der Fülle der Martyriumsberichte aus Pannonia secunda können an dieser Stelle nur allgemeine Rückschlüsse gezogen werden143. Der früheste namentlich bekannte Märtyrer in Pannonien ist der Bischof Eusebius von Cibalae, der zwischen 270 und 275 sein Martyrium erlitten habe könnte144. Generell ist für die Jahre 303 und 304 die stärkste Verfolgungswelle anzunehmen145. Insgesamt werden für die diokletianische Christenverfolgung in Pannonia secunda im Martyrologium Hieronymianum und dem Martyrologium Syriacum fünfundzwanzig Märtyrer und Märtyrerinnen und zahlreiche weitere, namentlich nicht bekannte Opfer, genannt, wobei Zahlangaben wie die vierzig Märtyrer aus der Passio Floriani symbolisch verstanden werden müssen146. Im Vergleich mit den umliegenden Provinzen entsteht der Eindruck, dass die ersten Opfer der Verfolgung vor

Aufgrund der Fülle der Martyriumsberichte aus Pannonia secunda können an dieser Stelle nur allgemeine Rückschlüsse gezogen werden143. Der früheste namentlich bekannte Märtyrer in Pannonien ist der Bischof Eusebius von Cibalae, der zwischen 270 und 275 sein Martyrium erlitten habe könnte144. Generell ist für die Jahre 303 und 304 die stärkste Verfolgungswelle anzunehmen145. Insgesamt werden für die diokletianische Christenverfolgung in Pannonia secunda im Martyrologium Hieronymianum und dem Martyrologium Syriacum fünfundzwanzig Märtyrer und Märtyrerinnen und zahlreiche weitere, namentlich nicht bekannte Opfer, genannt, wobei Zahlangaben wie die vierzig Märtyrer aus der Passio Floriani symbolisch verstanden werden müssen146. Im Vergleich mit den umliegenden Provinzen entsteht der Eindruck, dass die ersten Opfer der Verfolgung vor

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