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Gemeindeleben und Strukturen. Wie sah das Gemeindeleben im frühen

Im Dokument DIPLOMARBEIT / DIPLOMA THESIS (Seite 54-82)

Wurden bisher in dieser Arbeit vor allem das Verhältnis zu anderen religiösen Gruppierungen bzw. Konfessionen sowie der Umgang mit ihnen beleuchtet, soll im folgenden Kapitel ein Versuch einer Rekonstruktion des Gemeindelebens samt vorhandener Struktur unternommen werden. Aufgrund der Begrenztheit des zur Verfügung stehenden Platzes im Rahmen dieser Arbeit können nicht alle Themen ausführlich bzw. manche überhaupt nicht angeschnitten werden. Daher wurden Themenbereiche ausgewählt, über die aufgrund der Quellensituation zumindest für eine bestimmte Zeit oder für eine bestimmte Region zuverlässige Aussagen gemacht werden können. Dabei handelt es sich um verschiedene Bereiche des kirchlichen Lebens: die ethnische Zusammensetzung der christlichen Gemeinde, die kirchlichen Strukturen, die Wallfahrten und der Umgang mit dem Tod. Augenmerk soll auch auf die Fragen nach dem Entwicklungsstand der kirchlichen Gemeindestrukturen und nach der Verbreitung des Christentums gelegt werden.

a. Sprache und Herkunft der christlichen Bevölkerung

Die ethnische Zusammensetzung der Bevölkerung ist für die Ausprägung des Christentums der jeweiligen Region von großer Bedeutung. Durch die großen Mobilitätsmöglichkeiten im Imperium Romanum entstanden selbständig Bevölkerungsverschiebungen, die wiederum den Austausch von Kultur förderten. Besonders in Pannonien, welches der Schnittpunkt zwischen westlicher und östlicher Reichshälfte werden sollte, lässt sich ein starker Einfluss des griechischen Ostens spüren. Bei der Betrachtung der Märtyrernamen fällt z.B. auf, dass es sich hauptsächlich um griechische Namen handelt. Nicht umsonst war Pannonien vermutlich die westliche Grenze des bereits besprochenen frühen „Arianismus“, was sicherlich auch sprachliche Gründe hatte. Ein weiteres Indiz für die starke griechische Präsenz in der Region ist die Verwendung der griechischen Sprache in den schriftlichen Dokumenten verschiedener Bischöfe, wie Valens und Ursacius, die ihre Schreiben sowohl in Latein als auch in Griechisch verfassten. Nach Kovács sollten die Texte für die kirchlichen Kongregationen lateinisch verfasst werden. Allerdings war anscheinend auch der Bedarf nach einer griechischen Ausgabe, wie beim ursprünglich lateinischen 2. sirmischen Symbolum 357, vorhanden. Weitere Hinweise für eine starke griechische Prägung Pannoniens finden sich beim Bischof Victorinus von Poetovio (Binnennoricum), dessen Stadt zwar in späterer Zeit

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nicht mehr Pannonien angehörte, aufgrund der Nähe aber dennoch relevant ist. Der liturgische Kalender weist z. B. dieselben Daten für Passion und Ostern auf, wie sie auch in östlichen Kalendern üblich waren. Zudem orientieren sich die Fasttage an östlichen Gewohnheiten, möglicherweise syrischen Bräuchen. Die christlichen Inschriften zeigen nur einen geringen Prozentsatz in griechischer Sprache, der in der Region um Sirmium etwas erhöht ist258. Besonders für das 6. Jahrhundert, als der Bereich um Sirmium bereits zum oströmischen Reichen gehörte, ist ein starker Anstieg des griechischen Einflusses zu spüren259.

Vermutlich darf man für die Anfänge des Christentums in Pannonien mit einer Mehrheit an griechisch sprechenden Gläubigen rechnen, während nach der „Konstantinischen Wende“ der griechische Teil immer mehr zu einer Minderheit wurde. Besonders im Bereich der höherrangigen Kleriker dürfte es sich aber oft weiterhin um griechisch sprechende bzw.

bilinguale Personen gehandelt haben, während die einfachen Laien in der Regel Latein sprachen. Generell lässt sich durch verschiedene Befunde, wie den Kalender aus Poetovio oder einen Grabstein aus Rákospalota, eine Verbindung zum syrisch-orientalischen Raum nachweisen260. Für Noricum ripense und höchstwahrscheinlich auch für die westlichen Gebiete Pannoniens dürfte die Zusammensetzung vermutlich wesentlich homogener sein.

Zwar war Noricum vor der römischen Okkupation die Heimat diverser Stämme, durch die fortschreitende römische Kultur und Politik vereinheitlichte sich die Bevölkerung mit der Zeit zunehmend261.

b. Die christlichen Kultbauten und das Problem der archäologischen Identifizierung

Noch heute ist das Zentrum einer christlichen Gemeinde die Kirche, die – mit den dazugehörigen Gebäuden – nicht nur Ort von Gottesdiensten, sondern auch Treffpunkt für andere Aktivitäten, wie Jugend- und Seniorentreffen, Spiele- und Gesangsabende oder auch theologische Diskussionen ist. Nachdem sich die frühen christlichen Gemeinden zunächst in privaten Wohnhäusern bzw. Hauskirchen (domus ecclesiae) getroffen hatten, entwickelte sich ab Konstantin dem Großen das Christentum als religio licita auch im Bereich der gemeinsamen Versammlungsorte. Seit der „Konstantinischen Wende“ entstanden Kirchen in verschiedenen neuen Bautypen, die auch im Stadtbild einen repräsentativen Platz einnahmen.

Dennoch ist nicht von einem schlagartigen Verschwinden der archäologisch nicht fassbaren

258 Kovács 2003, 113–117.

259 Bevelacqua 2014, 80.

260 Kovács 2003, 118. 124.

261 Ubl 1982c, 99–103.

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domus ecclesiae auszugehen, da anzunehmen ist, dass dieser Trend zu repräsentativen Bauten zunächst vor allem auf größere und bedeutsame Städte beschränkt war und da er eine entsprechende finanzielle Unterstützung erforderte. Im Folgenden soll ein kurzer Überblick über die Situation im Untersuchungsraum geboten werden, wobei ein Schwerpunkt aufgrund der guten literarischen Quellen bei der Provinz Noricum ripense liegt. Ziel dieses Beitrages ist es nicht, eine Analyse der verschiedenen Bautypen vorzunehmen, denn einerseits können sie wenig zur Rekonstruktion frühchristlicher Lebenswelten beitragen, andererseits sind die archäologischen Zeugnisse so spärlich bzw. unsicher, dass keine sicheren Aussagen über die Gebäude gemacht werden können. Vielmehr soll versucht werden, Erkenntnisse über die Entwicklung der Strukturen und die Verbreitung des Christentums zu gewinnen.

Für Noricum ripense sei nun zunächst einmal auf die Vita Sancti Severini verwiesen, die für die Spätzeit einen guten Überblick über die kirchlichen Strukturen und über damals vorhandene Kultbauten gibt. Eugippius erwähnt zahlreiche Kirchen262 und Klöster.

Christliche Gemeinden waren nach ihm zumindest in Asturis, Boiotro, Comagenis, Cucullis, Favianis, Ioviaco, Iuvao (Iuvavum), ad Vineas und Lauriacum263. Es ist klar, dass hiermit nur ein kleiner Teil der kultischen Gebäude erwähnt wird und es eine weit höhere Anzahl gegeben haben muss. So scheint bereits für den Anfang des 4. Jahrhunderts eine christliche Gemeinde in Aelium Cetium plausibel, da der hl. Florian in eben jener Stadt wohnte264. Aufgrund der Quellenlage bietet es sich an, die schriftliche Quellen exemplarisch mit archäologischen Befunden zu prüfen265.

Eine archäologische Bestätigung der meisten Erwähnungen fällt schwer. Im Folgenden sollen die einzelnen Befunde kurz zusammengefasst werden266. In Passau (Boiotro) wurden unter der Friedhofskirche St. Severin die Reste einer Saalkirche mit einem Reliquiengrab gefunden267, deren Datierung in die spätantike Zeit neuerdings allerdings stark bezweifelt wird268. Comagenis, das heutige Tulln, bietet nach derzeitigem Forschungsstand keinen

262 Die Unterscheidung zwischen ecclesia und basilica ist nicht restlos geklärt. Nüßlein 1995 (Nachdruck von 1986), 129, Anm. 33 geht von einer Unterscheidung zwischen Gemeindekirche und Klosterkirche aus; Pillinger 1997, 132 vermutet, dass es sich hierbei um die Bezeichnungen für das Kirchenvolk bzw. das Kirchengebäude handelt.

263 Vgl. die Tabelle 2 im Anhang mit Quellenangaben.

264 Passio Floriani 2 hrsg. v. Noll 1954, 26f.

265 Im Anhang soll in der Tabelle 2 ein Überblick über die gesicherten christlichen Funde, Bauten und literarische Erwähnungen christlicher Gemeinden gegeben werden. Diese Tabelle erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und Aktualität und dient nur zur Veranschaulichung der problematischen Quellenlage.

266 Zu den frühchristlichen Kirchen Noricums s. Moucka 2014.

267 Vgl. Sage 1979; Ubl 1982a, 81.

268 Ristow 2010, 440; Moosbauer 2015, 130.

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sicheren Beweis für eine frühchristliche Kirche. Ein Fingerring mit christlichem Dekor lässt aber die Anwesenheit von christlichen Gläubigen vermuten269. Am Salzburger Georgenberg bei Kuchl (Cucullis) befinden sich unter der Filialkirche zum hl. Georg spätantike Baureste, die mit einer frühchristlichen Kirche um 400 in Zusammenhang gebracht werden. Sie sollen nach Sennhauser eine Schlauchheizung sowie eine Priesterbank aufweisen270. Neuere Forschungen haben ergeben, dass zwar eine frühchristliche Kirche an diesem Ort wahrscheinlich ist, es allerdings keine sicher datierbaren und einer solchen Kirche zuweisbaren Baureste gibt. Der Bau mit Heizung dürfte einem etwaigen Kirchenbau eher vorausgehen271. Aufgrund der spärlichen archäologischen Befunde ist die Interpretation aber nicht zweifelsfrei. Favianis, heute Mautern, hat als Mittelpunkt der Vita Sancti Severini und Sterbeort Severins besondere Bedeutung. Umso intensiver waren die Bemühungen, das Kloster von Severin zu finden. Dass ein bestimmtes Gebäude, wie die Ausgräberin Stiglitz annimmt, eine frühchristliche Kirche war, muss sowohl aus architektonischen als auch aus zeitlichen Gründen bezweifelt werden272. In Lauriacum (Enns) befindet sich neben der frühchristlichen Kirche unter der heutigen Lorcher Basilika273 vermutlich eine weitere frühchristliche Anlage bei der ehemaligen Kirche Maria am Anger. In einem mittelkaiserzeitlichen Valetudinarium wurde demnach schon in der Spätantike eine frühchristliche Kirche gesetzt, welche eventuell zudem ein Baptisterium hatte. Dies würde für die Interpretation als Bischofssitz sprechen, kann allerdings zum derzeitigen Stand noch nicht bewiesen werden274. Ergänzend wurden in Lauriacum auch eine Öllampe sowie ein Silber- sowie ein Bronzering mit Christogramm aus dem 4./5. Jahrhundert gefunden275. In Asturis (Zwentendorf) und Augustianis (Traismauer) konnten vermutlich christliche Funde sichergestellt werden276. Für Ioviaco (Schlögen) und Iuvavum (Salzburg) gibt es keine frühchristlichen Belege, die Verortung von Ad Vineas ist unklar.

Neben den erwähnten Orten in der Severinsvita lassen sich noch für andere Orte in Noricum ripense christliche Belege finden. In Ovilava findet sich neben dem Grabstein der Ursa möglicherweise ein weiteres Indiz für die christliche Vergangenheit in der Spätantike: ein

269 Ubl 1994, 131.

270 Moosleitner – Sennhauser 2003, 440. 452.

271 Knauseder u. a. 2016, 145.

272 Lugs 2011/2012, 94.

273 Vgl. Igl 2008.

274 Leingartner – Neubauer 2006, 24–26.

275 Harreither 2015, 175.

276 Pülz 2015, 79. 85.

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Pilasterkapitell, das Teil eines Sakralbaus gewesen sein könnte277. In Zeiselmauer konnte unter der Pfarrkirche Mariä Empfängnis die principia teilweise freigelegt werden, in deren Fahnenheiligtum eventuell ein frühchristlicher Kultbau gesetzt wurde278. In Noricum ripense gibt es außerdem christliche Funde aus Ernsthofen, St. Pantaleon-Erla, Lentia (Linz), Melk und Aelium Cetium (St.Pölten)279. Archäologisch gesicherte Kirchenbauten befinden sich in Noricum ripense somit nur in Lauriacum. Pülz erklärt die geringe Anzahl an archäologisch nachweisbaren christlichen Gebäuden mit der Existenz von domus ecclesiae. Diese für liturgische Zwecke adaptierten Häuser sind allerdings in der Regel kaum am archäologischen Befund nachzuweisen280. Zur Bedeutung und Aussagekraft der christlichen Kleinfunde soll im folgenden Kapitel noch Stellung bezogen werden.

In aller Kürze sollen auch die christlichen Belege in den drei behandelten pannonischen Provinzen präsentiert werden. Im westlichen Pannonien liegen aufgrund des Fehlens einer Quelle wie der Vita Sancti Severini nur wenige sichere Informationen vor. In den in Pannonia prima gelegenen Legionslagern Vindobona und Carnuntum lassen sich keine eindeutigen Belege für spätantike Kirchenbauten finden. Sowohl für die römischen Reste in Wien unter der Peterskirche der Inneren Stadt und der Pfarrkirche St. Jakob in Heiligenstadt als auch für Baureste im Amphitheater II der Zivilstadt, im valetudinarium des Legionslagers sowie südwestlich des Amphitheaters von Carnuntum lassen sich trotz vehementer Versuche derzeit keine überzeugenden Indizien finden, die für die Befunde eine Interpretation als christliches Kultgebäude zulassen würde. Ähnlich sieht es mit Befunden in Donnerskirchen, Au und Parndorf aus281. Christliche Funde gibt es in Carnuntum, aber z.B. auch in Császár282 und Savaria283. Für Savaria sieht die Quellenlage aufgrund der Informationen aus der Märtyrererzählung des Quirinus zumindest besser aus, und man darf annehmen, dass es diverse Kultbauten gab, wie bereits in Kapitel 2c erwähnt wurde. Für Scarbantia ist belegt, dass es im 6. Jahrhundert einen Bischof gab284.

Wesentlich ergiebiger sind die archäologischen Belege für Pannonia Valeria. So lassen sich christliche Kultbauten nicht nur in Aquincum mit einer Doppelkirchenanlage und einem

277 Miglbauer 2015, 149.

278 Ubl 1982a, 74.

279 Pülz 2015, 79. 85.

280 Pülz 2015, 84f.

281 Pülz 2015, 83f.

282 Gáspár 2002, 34.

283 Pülz 2014b, 53.

284 Synod. Gradensis (concil. Mantuanum a. 827, 588, 19).

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kapellenartigen Gebäude im Friedhofsbereich, bei Gorsium (Tác) mit zwei Basiliken, sondern auch in Keszthely-Fenékpuszta und in Sopianae (Pécs) mit den Grabbauten nachweisen285. Außerdem sind in zahlreichen weiteren Orten sog. christliche Funde ausgemacht worden.

Für Pannonia secunda gibt es vor allem in Sirmium (Sremska Mitrovica) mit der Demetriosbasilika, den beiden Kirchen zu Ehren des hl. Irenaeus, der Kirche für den hl.

Synerotas und einer Memoria für die hl. Anastasia sowie diversen Friedhofsgebäuden beeindruckende archäologische Belege für das frühe Christentum286. Eventuell gab es auch eine Basilika in Bassianae (Donji Petrovci)287, außerdem sind diverse christliche Funde aus Certissia288 zu nennen. Auf die zahlreichen schriftlichen Quellen, die teilweise schon im Kapitel über den „Arianismus“ behandelt wurden, kann an dieser Stelle nicht mehr eingegangen werden. Bemerkenswert ist die Tatsache, dass bisher in Pannonien noch kein Baptisterium festgestellt werden konnte289.

Zusammenfassend kann konstatiert werden, dass die Quellenlage oft keine sicheren Rückschlüsse zulässt. Selbst bei der „Musterprovinz“ Noricum ripense, bei der mit der Vita Sancti Severini gewissermaßen ein Situationsbericht zum Ende der römischen Herrschaft vorliegt, können die archäologischen Belege in den seltensten Fällen das Bild der Severinsvita bestätigen. Das Problem könnte, wie bereits von Pülz angesprochen, darin liegen, dass weiterhin domus ecclesiae genutzt wurden, die für die Archäologie nicht nachweisbar und fassbar sind. Zudem belegen archäologische Kleinfunde, dass auch die Vita Sancti Severini kein vollständiges Bild der kirchlichen Strukturen gibt. Für Pannonien lassen sich vor allem für die beiden östlichen Provinzen durchaus beeindruckende Zeugnisse frühchristlicher Bautätigkeit belegen. Dennoch ist es auch hier schwer, Erkenntnisse über Verbreitung von Strukturen, Funktion von Gebäuden und verschiedene Netzwerke zu gewinnen. Dieses Bild kann eventuell durch die noch zu behandelnden Funktionen innerhalb der Gemeinde erhellt werden.

i. Exkurs: Die Kleinfunde als Belege christlicher Verbreitung?

Mit der „Konstantinischen Wende“ begann der Aufstieg des Christentums zur führenden Religion im Römischen Reich. Damit verbunden war nicht nur ein Wandel in der Religiosität, sondern es resultierten daraus auch Veränderungen im Alltag der Bevölkerung, da der

285 Tóth 2017, 663.

286 Jovanović 2017, 510.

287 Milin 2004, 266.

288 Migotti 2002; Migotti 2012; Migotti 2015a.

289 Tóth 2017, 663.

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christliche Glaube eine eigene Lebensweise erfordert. Diese veränderte Art und Weise zu leben – im Sinne einer veränderten geistlichen und sozialen Haltung – wird kaum bzw. gar nicht nachvollziehbar sein, da sie von den vorliegenden Quellen nicht erfasst werden kann. Im vorliegenden Abschnitt soll allerdings versucht werden, den Einfluss des Christentums und christlicher Symbole auf das Alltagsleben der Menschen darzustellen und somit auch Informationen über die Verbreitung und Entwicklung des Christentums zu erhalten. Dafür spielen archäologische Funde wie Kleidungs- und Schmuckstücke eine wichtige Rolle, da sie Gegenstände des täglichen Lebens waren und einen Einblick in das frühe Christentum bieten können. So kritisierte Bischof Asterius von Amaseia seine Gemeinde wegen der kostbaren Gewänder, auf denen verschiedene biblische Erzählungen ihren Niederschlag fanden290. Im Untersuchungsraum dieser Arbeit wird es aus klimatischen Gründen kaum möglich sein, auf Textilreste zurückzugreifen. Doch gibt es zahlreiche Kleinfunde, denen eine christliche Bedeutung nachgesagt wird. Kritisch muss an dieser Stelle nachgefragt werden: Ist aufgrund eines vermeintlich christlichen Symbols auch auf einen christlichen Gläubigen zurückzuschließen? Gibt es Indizien dafür, dass auch nicht christliche Gläubige christliche Symbole trugen? Trugen christliche Gläubige auch pagane Motive? War es nur Kunst, religiöse Note oder hatten diverse Zeichen auch andere Bedeutungen? Symbole und Schmuckstücke spielen noch heute eine bedeutende Rolle, weil sie das Innerste einer Person betreffen können. Man denke nur an die Kreuz-Kette eines gläubigen Menschen oder den vor allem seit dem 20. Jahrhundert vorherrschenden Trend von Tattoos, die direkt und dauerhaft am Körper angebracht werden und für den/die Träger/Trägerin in der Regel von überaus großer Bedeutung sind. Obwohl die entsprechenden Funde, v.a. in bestimmten Bereichen, vergleichsweise äußerst rar sind, können nicht alle vorgestellt werden. Es sollen dem Fundspektrum entsprechend verschiedene Gattungen und einzelne Objekte besprochen werden, und es soll die Aussagekraft der gewonnenen Erkenntnisse für die eingangs formulierten Fragen untersucht werden.

Gegenstände des alltäglichen Lebens waren Lampen, die Platz für verschiedene Dekorelemente boten. So lassen sich zahlreiche Lampen mit christlichen Motiven finden, besonders mit Abbildungen von Christogrammen, aber auch mit dem Agnus Dei291. Sie sind in der Regel neutral gehalten und lassen von den Motiven her weder Rückschlüsse über Eigentümer oder Eigentümerin noch über eine persönliche Bedeutung zu und gelten als

290 Ast. Am. Hom. 1; Glaser 2005, 43.

291 Thomas 1982, 271–273.

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Massenware. Anders sieht dies mit den Zwischengoldgläsern oder auch fondo d’oro aus292. Aus Pannonien sind Exemplare aus Intercisa, Lugio und Certissia bekannt293. Es handelt sich bei den Funden in der Regel um abgebrochene Böden von Gläsern, die zwischen zwei Glasschichten Goldfolien mit Abbildungen enthalten. In Lugio ist ein Brustbild eines Ehepaares mit der Inschrift semper gaudeatis in nomine Dei abgebildet 294. Die Inschrift am Objekt von Intercisa, auf dem neben einem Ehepaar auch ein Kind dargestellt ist, lautet:

Innocenti cum tuis in Deo viv295. Die Figuren aus Intercisa könnten aufgrund ihrer Darstellung aus dem Osten des Reiches stammen296. Zwei weitere Stücke wurden in Certissia gefunden, wobei eines mit einer vierköpfigen Familie und der Inschrift Vivatis felicis in Deo nach Migotti christlich sein könnte. Die Dargestellten werden aufgrund ihrer Kleidung der gehobenen Bevölkerungsschicht zugeordnet297. Obwohl es keine spezifische christliche Symbolik gibt, werden sie in der Regel aufgrund der Inschriften mit dem Christentum in Verbindung gebracht, auch wenn darüber Zweifel bestehen298. Thomas vermutet, dass die Gläser Geschenke für die Taufe bzw. Firmung waren und die abgebildeten Personen dem römischen Adel angehörten. Damit hätten die Objekte als Zeichen des Eintritts in einen neuen Lebensabschnitt einen hohen Stellenwert299.

Bereits weiter oben angesprochen wurden die zahlreichen Kästchenbeschläge300 (s. Abbildung 5), deren Zuweisung an christliche oder pagane Gläubige nicht immer eindeutig ist, da pagane Motive auch im christlichen Sinnhorizont genutzt werden konnten. Interessant ist hierbei eine Stelle aus dem Paidagogos von Clemens von Alexandrien, in dem er Neubekehrten neutrale pagane Motive für die Siegelringe empfahl und keine christlichen Symbole301. Zwar stammt die Stelle aus dem Beginn des 3. Jahrhunderts, doch wird hier ein guter Einblick in das frühchristliche Denken gewährt: Es ist erkennbar, dass auch neutrale pagane Motive akzeptiert waren302. Bei den Kästchenbeschlägen handelt es sich um eine pannonische Eigenheit, schließlich sind keine Beschläge aus Noricum ripense bekannt. Die aus der Mitte des 4. Jahrhunderts stammenden Kästchen werden in der Regel im sepulkralen Kontext

292 Allg. vgl. Pillinger 1984.

293 Fülep 1968; Migotti 2002.

294 Thomas 1982, 275 Übers. nach Thomas 1982, 275: „Ewig erfreut euch im Namen Gottes“.

295 Übers. nach Thomas 1982, 275: „Innocentius lebe mit den Deinigen im Herren“

296 Gáspár 2002, 42.

297 Migotti 2002, 37. 51. 53-55.

298 Gáspár 2002, 37f.; Gáspár 2007.

299 Thomas 1982, 275. 278.

300 Gáspár 1971; Nagy 2016a.

301 Clem. Al. Paid. 3, 11 (GCS 1, 1905, 270).

302 Pillinger 1993, 6.

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gefunden303. Den Zweck der Kästchen sieht Gáspár als Aufbewahrungsort der Eucharistie, die von den Gläubigen auch privat verwahrt werden durfte304. Thomas spricht von Reliquienkästchen305, Nagy sieht Kästchen für den persönlichen Gebrauch und warnt zugleich davor, aus christlichen Darstellungen auf christliche Gläubige als Eigentümer bzw.

Eigentümerinnen zu schließen306.

Viele Versuche, auf bisher bekannten Gürtelschnallen eindeutig christliche Motive nachzuweisen, sind bei genaueren Untersuchungen gescheitert307. Bei einer Schnalle aus Ernsthofen, auf der ein Christogramm sichtbar ist, besteht allerdings kein Zweifel308. Ein Halsreif mit Christogrammanhänger stammt beispielsweise aus Carnuntum309. Gegenstände, die in der Spätantike omnipräsent waren und auch modische Eigenheiten aufwiesen, waren Gewandfibeln. Für die typischen Zwiebelknopffibeln, die von Männern getragen wurden, finden sich Beispiele mit Christogrammen, Staurogrammen und Alpha & Omega. Trotz dieser christlichen Symbole muss der Träger nach Neményi nicht zwangsläufig ein Christ gewesen sein. Dieser Fibeltyp wurde im 4. und 5. Jahrhundert von höherrangigen, mit dem Staat verbundenen Individuen getragen, die möglicherweise nur ihre Loyalität mit dem christlichen Kaiser ausdrücken wollten310. Ein besonderes Zeugnis von dekorativen Fibeln ist die bereits erwähnte Scheibenfibel aus Kesthely-Fenékpuszta, möglicherweise mit der Darstellung eines Reiterheiligen, allerdings aus dem 6./7. Jh311. Am selben Ort findet sich eine weitere Fibel

Viele Versuche, auf bisher bekannten Gürtelschnallen eindeutig christliche Motive nachzuweisen, sind bei genaueren Untersuchungen gescheitert307. Bei einer Schnalle aus Ernsthofen, auf der ein Christogramm sichtbar ist, besteht allerdings kein Zweifel308. Ein Halsreif mit Christogrammanhänger stammt beispielsweise aus Carnuntum309. Gegenstände, die in der Spätantike omnipräsent waren und auch modische Eigenheiten aufwiesen, waren Gewandfibeln. Für die typischen Zwiebelknopffibeln, die von Männern getragen wurden, finden sich Beispiele mit Christogrammen, Staurogrammen und Alpha & Omega. Trotz dieser christlichen Symbole muss der Träger nach Neményi nicht zwangsläufig ein Christ gewesen sein. Dieser Fibeltyp wurde im 4. und 5. Jahrhundert von höherrangigen, mit dem Staat verbundenen Individuen getragen, die möglicherweise nur ihre Loyalität mit dem christlichen Kaiser ausdrücken wollten310. Ein besonderes Zeugnis von dekorativen Fibeln ist die bereits erwähnte Scheibenfibel aus Kesthely-Fenékpuszta, möglicherweise mit der Darstellung eines Reiterheiligen, allerdings aus dem 6./7. Jh311. Am selben Ort findet sich eine weitere Fibel

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