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Synthese von Muraymycin-Bausteinen über das freie Diamin 40

4 Resultate und Diskussion .1 Syntheseplanung

4.3 Stereoselektive Synthese der Muraymycin-Bausteine 11

4.3.2 Stereoselektive Synthese über das geschützte Amin 102

4.3.2.5 Synthese von Muraymycin-Bausteinen über das freie Diamin 40

Ausgehend von der erfolgreichen Debenzylierung zum Aminoalkohol 120 (Kap. 4.3.2.3.3) wurde eine modifizierte Synthese der Muraymycin-Bausteine 11 entworfen, die als Schlüsselverbindungen das bereits von Zabriskie et al. verwendete geschützte Diamin 40 enthält sowie die von Matsuda et al. verwendete Tces-Schutzgruppe (Trichlorethoxysulfonyl) für die Guanidin-Einheit verwendet.[57]

Damit ergab sich folgende Retrosynthese (Abb. 89): Der Muraymycin-Baustein 11a sollte nach Oxidation entsprechend der Synthese von Matsuda et al. aus dem Valin-Epicapreomycidinol-Harnstoff 53a zugänglich sein, welcher nach Acylierung des Tces-geschützten Epicapreomycidinols 51p mit dem Valinthiocarbamat 52 erhalten werden sollte.

Abb. 89 Retrosynthese des Tces-geschützten Muraymycin-Bausteins 11a

Durch saure Entschützung sollte 51p aus dem Ringschlussprodukt 51q hervorgehen, welches aus dem Tces-geschützten Guanidinylierungsreagenz 123a und dem freien Diamin 40a zu

synthetisieren sein sollte. 40a sollte durch hydrogenolytische Spaltung aus dem geschützten Diamin 40b zugänglich sein, welches durch Ozonolyse mit reduktiver Aminierung aus dem vollständig geschützten Amin 102c hervorgehen sollte.

Die Ozonolyse von 102c wurde unter Standardbedingungen mit Dimethylsulfid als Reduktionsmittel durchgeführt. Die anschließende reduktive Aminierung wurde in zwei Stufen, Iminbildung mit Benzylamin und Molsieb in Dichlormethan sowie Reduktion mit Natriumborhydrid in Methanol, in sehr guter Ausbeute von 97 % durchgeführt. Die Hydrogenolyse wurde zunächst mit Pd(OH)2/C bei Raumtemperatur und 1 bar durchgeführt, wobei allerdings nur das noch Benzyl-geschützte Diamin 40c isoliert werden konnte. Erneute Umsetzung von 40c unter den gleichen Bedingungen lieferte aber nur nicht näher zu identifizierende Nebenprodukte. Daher wurde am Rückfluss erhitzt und der Wasserstoff in die Reaktionslösung eingeleitet, wobei ein möglichst geringer Wasserstoffstrom zur Gewährleistung einer langen Kontaktzeit eingestellt wurde. Nach ca. 4-5 h war der erste Wasserstoffballon verbraucht und der Umsatz wurde mittels

1H-NMR-Spektroskopie kontrolliert. Geringe bis mittlere Mengen (maximal 2 g 40b) konnten auf diese Weise mit maximal zwei Wasserstoffballons vollständig umgesetzt werden. Das Rohprodukt wurde dabei jeweils direkt in der anschließenden Guanidinylierung eingesetzt. Ein größerer Ansatz mit 12 g 40b wurde durchgeführt, wobei nach insgesamt 16.5 h Erhitzen am Rückfluss lediglich die Bildung des unerwünschten Nebenproduktes 40c beobachtet wurde, welches aus der Reaktion des primären Amins mit dem Benzylradikal unter Ringschluss und einer Palladium-katalysierten Dehydrierung hervorging (Abb. 90).

Abb. 90 Bildung des unerwünschten Nebenproduktes 40c bei der Hydrogenolyse von 40b

Die erneute Umsetzung des Nebenproduktes führte zu keiner weiteren Reaktion. Daher sollten maximal 2 g des geschützten Diamins 40b umgesetzt werden, da mit 2.2 g bereits ein 85:15-Verhältnis des gewünschten Produktes 40a zum Nebenprodukt 40c festgestellt werden konnte.

Das für die Guanidinylierung benötigte Tces-geschützte Guanidinylierungsreagenz 123a wurde in zwei Stufen ausgehend von Chlorsulfonylisocyanat 124 und 2,2,2-Trichlorethanol dargestellt. Dabei wurde zunächst das entsprechende Sulfamat 125 gebildet, welches anschließend mit Natriumhydroxid und Kohlenstoffdisulfid sowie Dimethylsulfat zum Sulfamat 123a in moderater Ausbeute von 40 % über 2 Stufen umgesetzt wurde (Abb. 91).[146]

S N=C=O Abb. 91 Synthese des Tces-geschützten Guanidinylierungsreagenzes 123a

Die Guanidinylierung wurde mit 1.4 Äq. 123a, 2.8 Äq. Silbertriflat und 6.0 Äq. Triethylamin zunächst in Acetonitril durchgeführt, wobei eine moderate Ausbeute von 44 % an Ringschlussprodukt 51q erzielt werden konnte. Der Wechsel zu DMF als Lösungsmittel führte zu einer guten Ausbeute von 67 %. Temperaturerhöhung auf 60 °C lieferte eine geringe Verbesserung der Ausbeute auf 71 % (Abb. 93).

Die saure Entschützung von 51q lieferte sowohl mit 5 M Salzsäure (Tab. 16, Nr. 1) als auch mit Acetylchlorid (Nr. 2) nur Zersetzungsprodukte.

Nr. Entschützungsreagenz (Äq.) Zeit / h Lösungsmittel (Acylierung) 53a / %

1 5 M HCl (5 + 10) 3 + 19 -[a] -[a]

[a] nur Entschützung durchgeführt, die in der Bildung eines unbekannten Nebenproduktes resultierte.

[b] Lösungsmittel entfernt. [c] isolierte verunreinigte Menge/100 %-Ausbeute, [d] Neutralisation mit NaHCO3 und Filtration über Celite. [e] unbekanntes Nebenprodukt. [f] TFA-Zugabe bei 0 °C.

[g] 15 mg Edukt. [h] 228 mg Edukt.

Tab. 16 Saure Entschützung und Acylierung zur Synthese von 53a

Daher wurde Trifluoressigsäure für die Entschützung von 51q erprobt. Die Zugabe von 2 × 10 Äq.

TFA, eine Gesamtreaktionszeit von 4 h ohne wässrige Aufarbeitung und direkte Umsetzung in der Acylierungsreaktion (siehe Kap. 4.3.2.3.2) lieferte 53a in verunreinigter Form (Abb. 92, Tab. 16, Nr. 3). Durch eine Erhöhung der Reaktionszeit auf 10 h und direkte Verwendung von 20 Äq. TFA konnte 53a in geringerer Menge und verunreinigter Form erhalten werden (Nr. 4). Daher wurden mildere Reaktionsbedingungen (3 h Reaktionszeit und 2.8 Äq. TFA) erprobt sowie das Beenden der Reaktion durch Zugabe von Natriumhydrogencarbonat und Abtrennen der Salze mittels Filtration über Celite. Jedoch konnte dabei nur ein nicht näher zu identifizierendes Nebenprodukt gebildet werden (Nr. 5). Analoge Reaktionsführung mit 12 Äq. TFA und 24 h Reaktionszeit, aber Ethylacetat als Lösungsmittel für die Acylierung ermöglichte die Synthese von 53a in sehr guter Ausbeute von 88 % auf kleiner Skala (Nr. 6) bzw. 66 % auf größerer Skala (Nr. 7).

BocN O

HN NH TcesN

1) saure Entschützung Tab. 16

2) 52, NMM, AgOTf, Rt., 3 h

HN

t-BuO2C H

N O

OH HN

NH TcesN

51q 53a

HN O

O

SMe O

52

Abb. 92 Saure Entschützung von 51q und anschließende Acylierung zur Synthese von 53a

Die abschließende Oxidation konnte nach dem Protokoll von Matsuda et al. unter kombinierten TEMPO-Pinnick-Bedingungen in moderater Ausbeute (49 %) durchgeführt werden (Abb. 93).[57]

Durch die säulenchromatographische Trennung mit 1 % Essigsäure im Laufmittel konnte 11a, allerdings noch mit Essigsäure verunreinigt, in größeren Mengen erhalten werden.

Die Tces-Schutzgruppe wird mit Zink in Gegenwart von Natriumhydrogenphosphat gespalten und würde für eine Muraymycin-Totalsynthese einen zusätzlichen Entschützungsschritt bedeuten. Daher sollte die oben beschiebene etablierte Synthese des Muraymycin-Bausteins 11a auf die Pbf-Schutz-gruppe (2,2,4,6,7-Pentamethylbenzo-2,3-dihydrofuransulfonyl) übertragen werden. Dies ist eine aus der Peptidfestphasensynthese bekannte Arginin-Schutzgruppe,[147] die unter stark sauren Bedingun-gen (TFA/Wasser = 4:1) spaltbar ist. Daraus folgt eine mögliche Orthogonalität zur Acetonid- und Boc-Schutzgruppe, andererseits könnte die Schutzgruppe in einer globalen sauren Entschützung in Muraymycin-Totalsynthesen abgespalten werden, was einen Syntheseschritt einsparen würde.

BocN

Abb. 93 Synthese des Tces-geschützten Epicapreomycidin-haltigen Muraymycin-Bausteins 11a

Allerdings war zunächst die Synthese eines Pbf-geschützten Guanidinylierungsreagenzes 123b nötig, welches ausgehend von 2,3,5-Trimethylphenol 126 dargestellt wurde. Zunächst wurde 126 mit Isobutyraldehyd 127 und Schwefelsäure in Toluol am Wasserabscheider in guter Ausbeute von 71 % zum Dihydrobenzofuran 128 kondensiert (Abb. 94).[148] Anschließende Chlorsulfonierung lieferte ein Gemisch von Pbf-Cl 129 und 128 im Verhältnis von 6:1.[149] Direkte Umsetzung mit Ammoniak lieferte das entsprechende Sulfonamid 130,[150] welches immer noch mit 128 verunreinigt war. Die abschließende Dithioat-Bildung wurde zunächst mit Natriumhydroxid und Kohlenstoffdisulfid sowie Dimethylsulfat (analog zu den Bedingungen zur Synthese des Tces-geschützten Guanidinylierungsreagenz 123a) erprobt. Dabei konnte jedoch nur ein nicht näher zu identifizierendes Nebenprodukt isoliert werden. Daher wurde das Sulfonamid 130 zunächst mit Natriumhydrid deprotoniert, anschließend mit Kohlenstuffdisulfid umgesetzt und final mit Methyliodid in guter Ausbeute von 45 % über 3 Stufen zum Dithioat methyliert.[149]

126 127 128 129

aq. NH3

Abb. 94 Synthese des Pbf-geschützten Guanidinylierungsreagenzes 123b

Dieses Guanidinylierungsreagenz 123b wurde mit dem freien Diamin 40a, Triethylamin und Silbertriflat in Ethylacetat in guter Ausbeute von 71 % über 2 Stufen zum Pbf-geschützten Ringschlussprodukt 51r umgesetzt (Abb. 95). Alternative Verwendung von DMF als Lösungsmittel, 1.1 Äq. 123b (statt 1.3), 2.5 Äq. Silbertriflat (statt 2.8) und 4.0 Äq. Triethylamin (statt 6.0) konnte die erzielte Ausbeute auf größerer Skala bestätigen (65 % über zwei Stufen). Allerdings muss darauf geachtet werden, dass das freie Diamin 40a direkt umgesetzt wurde, da die Wiederholung der Guanidinylierung mit dem ca. 1 Woche alten Material, das bereits in der ersten Reaktion in Ethylacetat eingesetzt worden war, lediglich noch eine Ausbeute von 31 % lieferte. Noch spätere Reaktionswiederholungen führten nur noch zu Ausbeuten von maximal 15 %.

Die anschließende saure Entschützung wurde zunächst mit TFA in absolutem Dichlormethan durchgeführt, analog den optimierten Bedingungen zur Synthese des Tces-geschützten Epicapreomycidinols 51p. Dabei konnte jedoch nur das verunreinigte Acylierungsreagenz 52 isoliert werden. Daher wurden geringere Mengen TFA verwendet (2.5 Äq.) und die Zugabe bei 0 °C durchgeführt. Zum vollständigen Umsatz mussten vier Mal jeweils 2.5 Äq. über 25 h zugegeben werden, wobei nach der Acylierung mit 52 das gewünschte Produkt 53d verunreinigt vorlag, aufgrund eines nicht näher zu identifizierenden Nebenproduktes aus der Entschützung. Die saure Entschützung wurde durch Vergleichsexperimente mit 5, 10 und 20 Äq. und Verfolgung per DC detailliert studiert. Dabei konnte nach 24 h für alle Reaktionen nur ein unvollständiger Umsatz und die Bildung des bereits erwähnten Nebenproduktes beobachtet werden. Daher wurden 20 Äq. zu

den bereits vorhandenen 10 der zweiten Reaktion zugefügt. Nach 20 h Reaktionszeit war neben dem gewünschten Produkt 53d das Nebenprodukt mit m/z = 506 im Massenspektrum zu beobachten, wobei immer noch Edukt 51r vorhanden war. Durch die Zugabe von 80 Äq. TFA zu den 20 anfänglich vorhandenen resultierte nach 2 h eine Abspaltung der Pbf-Gruppe. Aus diesen Versuchen der TFA-Entschützung folgte, dass ein vollständiger Umsatz nur dann zu gewährleisten war, wenn die Pbf-Schutzgruppe bereits abgespalten wurde. Des Weiteren wurde ein nicht näher zu identifizierendes Nebenprodukt gebildet. Daher wurde die für andere Derivate bereits erfolgreich durchgeführte Entschützung mit 5 M Salzsäure erprobt.

BocN

Abb. 95 Synthese des Pbf-geschützten Epicapreomycidin-haltigen Muraymycin-Bausteins 11d

Während bei Raumtemperatur über Nacht kein Umsatz zu detektieren war und dieses Ergebnis auch durch erneute Reagenzzugabe nicht verbessert werden konnte, gelang eine vollständige Umsetzung nach 1 h Erhitzen unter Rückfluss bereits mit 10 Äq. Salzsäure. Die Reaktionslösung wurde zunächst mit Natriumhydrogencarbonat neutralisiert und über Celite filtriert, wobei eine Ausbeute von 60 % des Pbf-geschützten Valin-Epicapreomycidinol-Harnstoffs 53d erzielt werden konnte.

Durch Waschen mit gesättigter wässriger Natriumhydrogencarbonatlösung und Extrahieren mit

Ethylacetat konnte die Ausbeute auf 66 % gesteigert werden. Direktes Entfernen des Lösungsmittels und Verwendung von Triethylamin als Base in der Acylierung lieferte den Harnstoff 53d sogar in 74 %-iger Ausbeute über zwei Stufen (Abb. 95). Die Oxidation zum Muraymycin-Baustein 11d wurde zunächst mit Trichlorisocyanursäure erprobt,[151] allerdings konnten dabei nur Zersetzungsprodukte isoliert werden. Die Oxidation unter den etablierten TEMPO-Pinnick-Bedingungen lieferte das gewünschte Produkt 11d in guter Ausbeute von 78 % auf einer 1 mmol-Skala.

Diese Syntheseroute konnte auf Basis mit der Bachelorarbeit von Maximilian Bremerich auch auf Capreomycidin übertragen werden (Abb. 96).[117]

1) Cbz-Cl, NaHCO3

DCM, H2O, Rt., 12 h Abb. 96 Synthese des Pbf-geschützten Capreomycidin-haltigen Muraymycin-Bausteins 11e

Dazu wurde das aus der Cram-Chelat-kontrollierten Imino-Grignard-Allylierung erhaltene geschützte Amin 102b zunächst Cbz-geschützt, was in sehr guter Ausbeute von 95 % das vollständig geschützte Amin 102d lieferte. Ozonolyse mit reduktiver Aminierung führte zum geschützten Diamin 40d. Mittels der Sequenz aus hydrogenolytischer Entschützung unter Rückfluss

mit Pd/C als Katalysator und Zyklisierung mit dem Pbf-geschützten Guanidinylierungsreagenz 123b konnte das Pbf-geschützte Ringschlussprodukt 51s in guter Ausbeute (58 % über 2 Stufen) erhalten werden. Saure Entschützung mit Salzsäure unter Rückfluss und Acylierung mit dem Valinthiocarbamat 52 lieferte den Valin-Capreomycidinol-Harnstoff 53e (70 % über zwei Stufen).

Durch abschließende kombinierte TEMPO-Pinnick-Oxidation konnte der Capreomycidin-haltige Muraymycin-Baustein 11e in sehr guter Ausbeute von 93 % auf einer 1.5 mmol-Skala erhalten werden.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine Syntheseroute zur Darstellung von geschützten (Epi-)Capreomycidin-haltigen Muraymycin-Bausteinen 11a, 11d und 11e etabliert werden konnte, die ausgehend von den geschützten Aminen 102a bzw. 102b das von Zabriskie et al. bereits verwendete freie Diamin 40a in einer deutlich kürzeren Synthese als Schlüsselverbindung beinhaltete. Zyklisierung mit dem Tces- oder Pbf-geschützten Guanidinylierungsreagenz 123a bzw.

123b und saure Entschützung ermöglichten die Synthese der Valin-Epicapreomycidinol-Harnstoffe 53a, 53d und 53e als zweite Schlüsselverbindung, die in einer kombinierten TEMPO-Pinnick-Oxidation zu den Muraymycin-Bausteinen umgesetzt werden konnten.