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Synthese des einfach Boc-geschützten Z- α,β-Didehydroazids Z-70c

4 Resultate und Diskussion .1 Syntheseplanung

4.2 Biomimetische Synthese über eine Aza-Michael-Addition

4.2.4 Synthese von racemischem (Epi-)Capreomycidin rac-18,19 über geschützte Z- α,β-Didehydroazide 70

4.2.4.1 Synthese des einfach Boc-geschützten Z- α,β-Didehydroazids Z-70c

Als Alternative zur Substitution des geschützten Z-α,β-Didehydroalkohols 61 sollte das Azid bereits auf der Stufe der Wittig-Horner-Reaktion eingeführt werden. Dazu sollte 3-Azidopropionaldehyd 86 verwendet werden. Dieser konnte nach dem Protokoll von Marks et al. in einer Michael-Addition von Stickstoffwasserstoffsäure (gebildet aus Natriumazid und Essigsäure) an Acrolein dargestellt werden.[102] Das Rohprodukt war noch verunreinigt und aufgrund der beobachteten Instabilität wurde ein Überschuss von 86 direkt mit dem Boc-geschützten Glycinphosphonat rac-64a umgesetzt (Abb. 41).

BocHN CO2t-Bu

N3 BocHN CO2t-Bu

P(OEt)2 O rac-64a, THF Tab. 4 N3

O NaN3, AcOH O H2O, 0 °C, 2 h

rac-64a

BocHN CO2t-Bu +

86 Z-70c 66a

Abb. 41 Synthese des geschützten Didehydroazids Z-70c aus dem Azidopropionaldehyd 86

Die Wittig-Horner-Reaktion wurde dem Protokoll zur Synthese der bereits dargestellten geschützten Z-α,β-Didehydroaminosäuren 62a und 71b folgend durchgeführt, wobei zunächst etwa zwei Äquivalente verunreinigter Aldehyd 86 eingesetzt wurden, um die Wirkung verschiedener Basen zu erproben (Tab. 4). Der Wechsel von Kaliumhexamethyldisilizan zu Kalium-tert-butanolat ergab allerdings keine signifikante Verbesserung der Ausbeute (Nr. 1 und 2). Die Ausbeute konnte aber durch die Verwendung von mehr Azidopropionaldehyd 86 auf 67 % und sogar 77 % gesteigert werden, wobei allerdings eher die Qualität des Aldehyds entscheidender sein sollte als die Quantität (Nr. 3 und 5). Eine deutlichere Steigerung der Aldehyd-Äquivalente auf 10.5 hatte dann keinen weiteren positiven Effekt mehr, sodass 2.0 Äquivalente eine gute Richtgröße darstellten (Nr. 4).

Nr. Base Äquivalente 86 Z-70c / % E-70c / % 66a / %

1 KHMDS 2.0 56 - -

2 KOtBu 2.0 52 - -

3 KOtBu 3.0 67 - -

4 KOtBu 10.5 41 2[a] -

5 KOtBu 2.2 77 4[a] -

6 NaH 1.5 20[b] - 8[b]

[a] verunreinigt, [b] berechnet aus dem 1H-NMR-Spektrum.

Tab. 4 Wittig-Horner-Reaktion zur Darstellung des geschützten Azids 70c

Zum Abschluss wurden Natriumhydrid als Base und eine Reaktionsführung bei 0 °C erprobt.

Allerdings scheinen diese Reaktionsbedingungen zu harsch, sodass das gewünschte geschützte Didehydroazid 70c nur in sehr geringer Ausbeute von 20 % isoliert werden konnte, da dieses wahrscheinlich aufgrund der zu basischen Reaktionsbedingungen zum unerwünschten Dien 66a weiter reagierte.

Abb. 42 Röntgenstrukturanalyse des geschützten Z-α,β-Didehydroazids Z-70c

Wie bereits in Kap. 4.2.2.1 und 4.2.3 für die geschützten Z-α,β-Didehydroaminosäuren 62a und 71b erwähnt, wurden als Hauptprodukte jeweils die Z-Isomere isoliert. Dazu wurden die von Mazurkiewicz et al. ermittelten empirischen Kriterien zur Bestimmung der Konfiguration von N-Acyl-α,β-didehydroaminosäureestern angewendet,[100] indem die 1H-NMR-Spektren der Haupt- und Nebenprodukte Z-70c und E-70c in CDCl3 verglichen wurden. Die Auswertung ergab: δH-3 (Z)

< δH-3 (E) sowie δNH (Z) < δNH (E), was mit den Vorgaben von Mazurkiewicz übereinstimmte. Somit konnte die Z-Konfiguration des Hauptproduktes zweifelsfrei verifiziert werden. Außerdem konnte das Hauptprodukt Z-70c durch langsames Entfernen von Diethylether kristallisiert werden und eine Röntgenstrukturanalyse bestätigte die Z-Konfiguration ebenso (Abb. 42).

Da nur sehr geringe Mengen des geschützten E-α,β-Didehydroazids E-70c isoliert werden konnten, wurde eine Isomerisierungsreaktion untersucht. Dazu wurde Z-70c in THF gelöst, mit einer starken Base wie Kaliumhexamethyldisilizan oder Natriumhydrid versetzt und bei Raumtemperatur über Nacht gerührt. Allerdings konnte in beiden Fällen lediglich das unerwünschte Dien 66a isoliert werden. Wie bereits bei der Wittig-Horner-Reaktion Nr. 6 in Tab. 4 beobachtet, bestätigten auch diese Isomerisierungsversuche, dass zu starke basische Bedingungen die Bildung des Diens 66a als Eliminierungsprodukt begünstigten (Abb. 43).

BocHN CO2t-Bu

N3

KHMDS oder NaH

THF BocHN CO2t-Bu

Z-70c 66a

Abb. 43 Basischer Isomerisierungsversuch des geschützten Z-α,β-Didehydroazids Z-70c 4.2.4.2 Versuch der Synthese von zweifach Boc-geschütztem (Epi-)Capreomycidin 18,19

Das geschützte Z-α,β-Didehydroazid Z-70c wurde anschließend mit DMAP und Boc2O in sehr guter Ausbeute zu Z-70b umgesetzt. Staudinger-Reduktion mit Triphenylphosphin und Wasser nach dem Protokoll von Diederich et al. lieferte das verunreinigte zweifach Boc-geschützte Didehydroornithin Z-71e, wobei die Aufarbeitung modifiziert wurde.[103] Das Waschen des Rohproduktes mit 1 N Salzsäure führte zu Produktgemischen von einfach Boc- (Z-71c) und zweifach Boc-geschütztem Z-α,β-Didehydroornithin Z-71e. Durch die Verwendung von 10 % Essigsäure in Wasser konnte diese unerwünschte Schutzgruppenabspaltung vollständig verhindert werden. Geringe Mengen Triphenylphosphinoxid konnten nicht vollständig entfernt werden; da

diese die nachfolgende Guanidinylierung nicht beeinflussen sollten, wurde das zweifach Boc-geschützte Z-α,β-Didehydroornithin Z-71e als Rohprodukt ohne weitere Aufarbeitung direkt umgesetzt. So konnte das zweifach Boc- und zweifach Cbz-geschützte Z-α,β-Didehydroarginin Z-57d in guter Ausbeute von 50 % über zwei Stufen erhalten werden (Abb. 44).

Abb. 44 Versuch der Synthese von zweifach Boc-geschütztem racemischem (Epi-)Capreomycidin rac-18d,19d

Die Aza-Michael-Addition mit 1,8-Diazabicyclo[5.4.0]undec-7-en erbrachte allerdings weder bei Raumtemperatur noch nach Erhitzen eine Umsetzung zum gewünschten Produkt. Dieses Ergebnis führte zu der Vermutung, dass die Guanidineinheit weiter modifiziert werden müsste, um einen Ringschluss zu ermöglichen. In den bisher diskutierten Fällen wurde jeweils ein zweifach Cbz-geschütztes Z-α,β-Didehydroarginin Z-57 verwendet, welches jeweils noch zwei acide Protonen aufwies. Deshalb sollte der δ-Stickstoff für eine selektive Deprotonierung des terminalen Stickstoffprotons in einer basisch durchgeführten Aza-Michael-Reaktion geschützt werden. Als Schutzgruppe wurde die Benzyl-Gruppe verwendet, da diese orthogonal zu den Boc-Schutzgruppen und zum tert-Butylester sowie simultan zu den Cbz-Schutzgruppen am Guanidin spaltbar sein sollte. Die Einführung erfolgte über eine reduktive Aminierung der geschützten Z-α,β-Didehydroornithine Z-71c und Z-71e mit Benzaldehyd sowie Natriumborhydrid und lieferte die benzylierten Z-α,β-Didehydroornithine Z-71f bzw. Z-71g über zwei Stufen (Abb. 45).

Guanidinylierungen lieferten die vollständig geschützten Z-α,β-Didehydroarginine Z-57e und Z-57f in guten Ausbeuten von 55 % und 42 % über drei Stufen.

Abb. 45 Synthese der Benzyl-geschützten Z-α,β-Didehydroarginine Z-57e und Z-57f

Das einfach Boc-geschützte Z-α,β-Didehydroarginin Z-57f wurde hierbei über das geschützte Azid 70c dargestellt, allerdings war der Ringschlussvorläufer Z-57f noch leicht verunreinigt.

In weiterer Folge wurde intensiv die Aza-Michael-Reaktion des vollständig, d.h. zweifach Boc- sowie einfach Benzyl- und zweifach Cbz-geschützten Z-α,β-Didehydroarginins Z-57e studiert (Abb. 46), denn die Doppelbindung war verhältnismäßig stark aktiviert und es gab nur ein acides Proton am Guanidin.

Abb. 46 Versuch der Synthese des vollständig geschützten racemischen (Epi-)Capreomycidins rac-18e,19e

Zunächst wurde eine Aktivierung durch Lewis-Säuren erprobt (Tab. 5, Nr. 1,2). Allerdings konnte kein Umsatz beobachtet werden, weder mit Eisen(III)-chlorid noch mit dem entsprechenden Hydrat.

Im zweiten Fall wurde zudem 1,8-Diazabicyclo[5.4.0]undec-7-en im Überschuß zugesetzt, was die Bildung des gewünschten Produktes auch nicht begünstigte. Daraufhin wurde der Fokus auf eine basische Aktivierung gelegt und mit Kalium-tert-butanolat bei verschiedenen Temperaturen und

Reaktionszeiten unterschiedliche Zugabemethoden untersucht (Nr. 3-6). Auch hier konnte kein Umsatz beobachtet werden. Natriumhydrid als weitere stark basische Aktivierung veränderte die Ergebnislage ebenso wenig wie basisches Aluminiumoxid als mildere Variante (Nr. 7 und 8).

Lediglich mit Kaliumcarbonat in Dimethylsulfoxid konnte ein Umsatz beobachtet werden (Nr. 9), aber nur das unerwünschte Eliminierungsprodukt 66b konnte in 40 % Ausbeute isoliert werden. Da die basische Aktivierung somit nicht zielführend war, wurden weitere Lewis-Säuren untersucht.

Weder Zinntetrachlorid (Nr. 10), verschiedene Alkylaluminiumchloride (Nr. 11 und 12) noch Ytterbiumtriflat (Nr. 13) ermöglichten eine Umsetzung zum geschützten racemischen (Epi-)Capero-mycidin rac-18e,19. Deshalb wurde als letzter Versuch die bifunktionelle Aktivierung mittels des chiralen Takemoto-Katalysators 83 untersucht (Nr. 14). Allerdings konnte auch hier keine Umsetzung detektiert werden.

Nr. Reagenz (Äq.) Lösungsmittel Temperatur / °C Zeit Umsatz / %

1 FeCl3 (0.13) DCM Rt. 20 h 0

2 FeCl3⋅6H2O (0.13)

DBU (2.0) DCM Rt. 3 d

2 d 0

3 KOtBu (3.8)[a] THF -70 → Rt.

Rückfluss

18 h

3 d[b] 0

4 KOtBu (4.0)[c] THF -70 → Rt. 20 h 0

5 KOtBu (4.0)[c] DMF -70 → Rt. 20 h 0

6 KOtBu (1.2 + 0.6)[c] THF -70 → Rt. 1 d + 2 d 0

7 NaH (1.5)[c] THF 0 → Rt. 21 h 0

8 basisches Al2O3 (6.0) MeCN Rt. 20 h 0

9 K2CO3 (6.0) DMSO Rt. 2 d[d] 0

10 SnCl4 (0.1) DCM Rt. 21 h 0

11 Me2AlCl (0.1) DCM Rt. 1 d 0

12 EtAlCl2 (0.1) DCM Rt. 3 d 0

13 YbOTf3 (0.1) DCM Rt. 3 d 0

14 83 (0.1) Toluol Rt. → Rückfluss 3 d + 1 d 0 [a] Base vorgelegt, [b] Zersetzungsprodukte, [c] Base zugegeben, [d] 66b wurde isoliert.

Tab. 5 Versuch der Synthese von geschütztem racemischen (Epi-)Capreomycidin rac-18e,19e aus Z-57e

Diese Ergebnisse wurden auf drei verschiedene Ursachen zurückgeführt. Zum ersten ist die Doppelbindung trotz der zwei Boc-Schutzgruppen im Vergleich zu anderen Michael-Systemen (z. B. α,β-ungesättigte Ketone) aufgrund der Aminofunktionalität immer noch desaktiviert.

Zweitens spielen auch die sterischen Verhältnisse eine entscheidene Rolle. Die Doppelbindung ist mit dem tert-Butylester und der zweifach Boc-geschützten Aminofunktion sterisch stark abgeschirmt. Auch das Guanidin-Nucleophil mit der Benzyl- und den zwei Cbz-Schutzgruppen weist einen großen sterischen Anspruch auf. Drittens und am schwersten sollte aber die geringe Nucleophilie der Guanidineinheit vor allem aufgrund der zwei Carbamat-Schutzgruppen ins Gewicht fallen.