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5 Frühkindliche Reflexe und Reaktionen

5.7 Der Symmetrisch Tonische Nackenreflex

Abbildung 8: Symmetrisch Tonischer Nackenreflex in Beugung und Streckung (Goddard Blythe, 2005, S. 67)

Dieser Reflex ist streng genommen kein primitiver Reflex, da er bei der Geburt noch nicht vorhanden ist. Der Symmetrisch Tonische Nackenreflex (STNR) entsteht erst etwa sechs bis neun Monate nach der Geburt. Er hat auch nur eine sehr kurze Lebensdauer. Der STNR wird ebenfalls durch Kopfbewegungen ausgelöst: „Bei Beugung des Kopfes werden die Arme im Ellbogengelenk gebeugt und die Beine total gestreckt, bei Streckung des Kopfes werden die Arme total gestreckt und die Beine gebeugt“ (Flehmig, 2001, S. 21).

Dieser Reflex hat die Funktion, dem Kind bei der Bewältigung der Schwerkraft zu helfen. Außerdem ist er an der Hemmung des Tonischen Labyrinthreflexes beteiligt und unterstützt das Training der Augenmotorik.

Schon nach sehr kurzer Zeit des Auftretens, zwischen dem neunten und elften Lebensmonat, wird der STNR wieder gehemmt, was eine wichtige Bedeutung für die folgende motorische Entwicklung des Kindes hat. Das Hin- und Herwippen im Vierfüßlerstand, das bei vielen Kindern vor dem Krabbeln zu beobachten ist, hilft mit bei der Integration des STNR.

„Wenn der symmetrisch-tonische Nackenreflex ganz integriert ist, kann das Kind im Vierfüßlerstand stehen bleiben und den Kopf in alle Richtungen bewegen, also auch nach vorne und hinten beugen, ohne daß die Stellung der Körperglieder beeinflußt wird. Nun ist das Kind in der Lage, mit dem Krabbeln zu beginnen und krabbelnd auf dem Boden zu spielen“ (Holle, 2000, S. 17).

Geringe Reste des STNR bleiben noch bis ins Erwachsenenalter bestehen, ohne dass diese jedoch negative Folgen hätte.

5.8 WEITERE PRIMITIVE REFLEXE

Im Säuglingsalter zeigen sich noch einige andere Reflexe, deren Bedeutung für die weitere Entwicklung aber teilweise nicht von so starker Bedeutung ist. Sie sollten in der Folge nur genannt und kurz beschrieben werden.

Der Babinski-Reflex

„Der Babinski-Reflex bildet sich etwa in der ersten Lebenswoche heraus und ist sozusagen das Gegenstück zur Plantar-Reaktion. Ein entlang der Außenseite der Fußsohle ausgeübter Druck führt zum Anheben des großen Zehs und zum Auffächern der anderen Zehen“ (Goddard Blythe, 2005, S. 83). Er sollte vorhanden sein, wenn das Kind zu robben beginnt, damit es sich mit dem großen Zeh vom Boden abdrücken kann. Wahrscheinlich ist er auch an der Integration des Plantar-Reflexes beteiligt (vgl. Goddard Blythe, 2005, S. 84).

Stehbereitschaft

In der Zeit zwischen der Geburt bis zum vierten bis sechsten Lebensmonat zeigt sich der Stehreflex. Wird das Baby aufrecht gehalten und berühren die Fußsohlen die Unterlage, werden die Beine durchgestreckt. Das Kind kann aber sein Gewicht noch nicht selbst tragen (vgl. Holle, 2000).

Schreitreaktion

Der primäre Schreitreflex tritt kurze Zeit beim Neugeborenen auf. Zinke-Wolter (2005, S. 70) beschreibt ihn folgendermaßen: „Hält man das Kind am Rumpf in senkrechter Lage und läßt einen Fuß auf die Unterlage tippen, streckt sich das Bein und das andere beugt sich.“ Das sieht aus, als ob das Kind schon gehen möchte, was bei den Eltern Erstaunen und Begeisterung hervorrufen kann.

Glabellareflex

Drückt man einem Säugling auf die Mitte der Stirn, so schließt er die Augen (vgl.

Flehmig, 2001).

Landau-Reaktion

Wie auch der Symmetrisch Tonische Nackenreflex gehört die Landau-Reaktion im eigentlichen Sinn nicht zu den frühkindlichen Reflexen, da sie bei der Geburt noch nicht ausgebildet ist, sondern sich erst im Alter von drei bis zehn Wochen entwickelt.

Stellreaktionen. Die Hemmung erfolgt ungefähr im dritten Lebensjahr. So werden die Landau-Reaktion und der STNR als Brückenreflexe, als wichtige Übergänge zwischen den primitiven Reflexen und den Halte- und Stellreaktionen, bezeichnet.

Die Landau-Reaktion wird von Flehmig (2001, S. 28) folgendermaßen erklärt:

„Hält man den Säugling horizontal unter dem Rumpf fest, und zwar schwebend, dann wird automatisch der Kopf gehoben und die Beine folgen der Streckung.

(…) Bei plötzlicher Beugung des Kopfes entsteht eine totale Beugung des gesamten Körpers. Dieser Reflex muss für ein paar Monate im ersten Lebensjahr aufgetreten sein, da das Kind hiermit seine Stellung im Raum erfährt (Körperschema).“

6 LEBENSLANGE HALTE- UND STELLREAKTIONEN

Halte- und Stellreaktionen lösen nach und nach die frühkindlichen Reflexe ab und bilden die Grundlage für die Entwicklung der aufrechten Körperhaltung und der Fortbewegung. Wenn durch das Auftreten dieser Halte- und Stellreaktionen die primitiven Reflexe nach und nach gehemmt werden, weist das auf einen Fortschritt in der Gehirnentwicklung hin. Höhere Gehirnstrukturen kontrollieren nun den Hirnstamm und das zentrale Nervensystem weist eine größere Reife auf. Die Halte- und Stellreflexe treten zwischen dem dritten und zwölften Lebensmonat des Kindes auf und bleiben dann ein Leben lang erhalten. Sie werden nicht, wie die frühkindlichen Reflexe, wieder gehemmt (vgl. Beigel, 2004).

Goddard (2004) unterscheidet zwei Gruppen: Die Stellreflexe auf vier Füßen und die Gleichgewichtsreaktionen auf zwei Füßen. Alle dienen der Unterstützung der Haltung, Stabilität und Bewegung.

Folgende Reflexe zählen zu den Stellreaktionen:

• Labyrinth-Kopfstellreflex: Durch Anpassung des Muskeltonus im Hals- und Schulterbereich wird der Kopf aufrecht gehalten.

• Augen-Kopfstellreflex: Dieser Reflex sorgt dafür, dass der Kopf durch Fixierung der Augen auf ein visuelles Ziel stabil gehalten wird, auch wenn sich die Körperposition verändert.

• Amphibienreflex: Wird in Bauchlage das Becken auf einer Seite angehoben, werden Arme, Knie und Hüften derselben Seite ab dem vierten bis sechsten Monat mitbewegt. Dieser Reflex wirkt bei der Hemmung des ATNR mit und trägt zu einer besseren Grobkoordination der Muskeln bei.

• Segmentärer Rollreflex: Wird der Kopf gedreht, folgt der Körper ab dem sechsten Lebensmonat in einer Rollbewegung nach. Ebenso kann er durch das Legen eines Beines über das andere ausgelöst werden.

Zu den Gleichgewichtsreaktionen gehören Schutz- und Kippreaktionen wie die reife Schreckreaktion und die Abstützreaktion, auch Parachutereaktion genannt (vgl.

Beigel, 2004; Goddard, 2004).

Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie in: „Frühkindliche motorische Entwicklungsdefizite und Rechtschreibschwäche“ von Maria Ablinger.

ISBN: 978-3-638-78505-1

http://www.grin.com/de/e-book/77796/

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

LRS ... Lese-Rechtschreibschwäche

ATNR... Asymmetrisch Tonischer Nackenreflex TLR... Tonischer Labyrinthreflex

STNR... Symmetrisch Tonischer Nackenreflex KISS ... Kopfgelenks-Induzierte-Symmetriestörung SI ... Sensorische Integration

INPP ... Institut für neurophysiologische Psychologie NRP ... Neurofunktionelle Reorganisation nach Padovan

LITERATURVERZEICHNIS (INKLUSIVE WEITERFÜHRENDER LITERATUR)

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