• Keine Ergebnisse gefunden

4 Diskussion

4.1 Studiendesign

Aufgrund des retrospektiven Studiendesigns entstehen mehrere, im Folgenden angegebene Limitationen.

Es sind zum einem keine Informationen über den Gesundheitszustand vor der Wieder-belebung bekannt. Die Lebensqualität ist häufig von Faktoren vor dem Herzkreislauf-stillstand abhängig [105], denn einige Patient/innen besaßen sicherlich bereits vor dem Herzstillstand verminderte Lebensqualitäten aufgrund bedeutender Fehlfunktionen, die durch die Grunderkrankung bzw. die Komorbiditäten verursacht worden waren.

In der Studie von Bergner et al. liegen auch keine SIP Scores der Patient/innen vor Herz-stillstand vor und es wurden nicht die detaillierten Krankheitsgeschichten vor der Wieder-belebung, die sogenannte „preevent history“, untersucht. Man erkundigte sich jedoch nach einer Medikamenteneinnahme und vorherigen Krankenhausaufenthalten. 32% der Patient/innen gaben dabei an, Medikamente vor dem Herzstillstand genommen zu haben und 44% gaben einen vorherigen Krankenhausaufenthalt aufgrund einer Herzattacke an [67].

In der Studie von de Vos et al. zeigte eine multivariate Regressionsanalyse, dass die Lebensqualität und die kognitive Funktion von zwei Faktoren vor der Wiederbelebung bestimmt wird: dem Grund der Krankenhauseinlieferung und dem Lebensalter [105].

Wir konnten in unserem kleinen Kollektiv keine signifikanten Unterschiede in der Lebens-qualität und kognitiven Funktionen zeigen. Die Aufnahmediagnose war der wichtigste Faktor, der die Unterschiede in der Lebensqualität nach Wiederbelebung erklärt. Diese Tatsache zeigt, dass die jeweils unterschiedliche Grunderkrankung, die zu einem Herzstill-stand führt, neben Unterschieden in der Wiederbelebung selbst und der Genesung zur Lebensqualität beiträgt [105]. Noch mehr Informationen zu dem Gesundheitszustand vor dem Herzkreislaufstillstand wären nötig gewesen, um die Lebensqualität in Abhängigkeit von der Wiederbelebung exakter wiedergeben zu können.

Limitierend ist auch die retrospektive Erhebung der klinischen Werte. Die nachträglich erhobenen Werte wie beispielsweise der CPC bei Entlassung von der Intensivstation des Universitätsklinikum Regensburg waren stark abhängig von der Qualität der ärztlichen Dokumentation und der subjektiven Einschätzung. Aus den Arztbriefen der Intensivstation

93 des Universitätsklinikum Regensburg wurde der initiale Rhythmus des Herzstillstands bei allen Patient/innen entnommen. Anhand der Entlassungsbriefe war bis auf wenige Ausnahmen ersichtlich, wohin die Patient/innen verlegt worden waren.

Es bereitete teilweise Schwierigkeiten, den weiteren Krankheitsverlauf nach Entlassung von der Intensivstation von denjenigen Patient/innen nachzuverfolgen, die hausextern weiter-behandelt wurden. Einige Krankenhäuser bzw. Kliniken reagierten nicht auf die Bitte, dem Universitätsklinikum Regensburg die Arztbriefe für die Patient/innen, die in ihrem Haus weiterbehandelt worden waren, zukommen zu lassen. Des Weiteren bestanden bei den haus-externen Arztbriefen große Unterschiede in Bezug auf die Genauigkeit der Angaben zum derzeitigen Gesundheitszustand des Patienten bzw. der Patientin. Die Rehabilitationshäuser waren in dieser Hinsicht sehr gewissenhaft und es fiel aufgrund detaillierter Angaben zum neurologischen Zustand im Verlauf des Aufenthaltes relativ leicht, einen validen Glasgow-Pittsburgh Cerebral Performance Score vor und nach der Rehabilitationsbehandlung für den Patienten bzw. der Patientin zu erheben. Im Gegensatz zu solch ausführlichen Doku-mentationen stehen die eher spärlichen Angaben zum Gesundheitsstatus in den Arztbriefen von sekundären Krankenhäusern. Die Erhebung des CPC bereitete in diesen Fällen Schwierigkeiten, teilweise konnte mangels Informationen kein CPC rekonstruiert werden.

Des Weiteren ergaben sich Probleme dadurch, dass keine prospektive Randomisierung der Patient/innen erfolgte. Da die Patient/innen der normothermen Gruppe nicht zum gleichen Zeitpunkt wie Patient/innen der hypothermen Gruppe intensivmedizinisch behandelt worden waren, kann nicht ausgeschlossen werden, dass nicht nur die neu eingeführte milde hypo-therme Behandlung, sondern auch die insgesamt verbesserte intensivmedizinische Betreuung das Outcome der Patient/innen der hypothermen Gruppe positiv beeinflussen haben könnte. In dem Zeitraum, in dem die Patient/innen für die Studie eingeschlossen worden sind, blieben jedoch sowohl der Behandlungsstandard als auch die verantwortlichen Ärzte gleich, so dass davon ausgegangen werden kann, dass eine dadurch auftretende Verzerrung der gewonnenen Daten eher unwahrscheinlich erscheint.

Aufgrund ethischer Einwände war eine Randomisierung unmöglich, denn es ist unvor-stellbar, einen Patienten bzw. eine Patientin mit Herzstillstand nicht nach den aktuell gültigen Leitlinien hypotherm zu behandeln, nur um den Einfluss der medizinischen Ver-besserungen über die Zeit hinweg untersuchen zu können. Als Vergleichsgruppe kann

deswegen nur eine historische Gruppe von Patient/innen nach Herzkreislaufstillstand dienen, die von 2002 bis 2006 auf der Station 93 des Universitätsklinikum Regensburg intensiv-medizinisch betreut worden waren.

Durch Vergleich mit einer historischen Kontrollgruppe ergibt sich eine weitere, im Folgen-den beschriebene Limitation: Das Problem der Selektion.

Vor Studiendurchführung verstorbene Patient/innen hatten meist eine schlechtere Lebens-qualität als zum Zeitpunkt lebende Patient/innen. Es könnte also zu einer Selektionierung kommen: Die nun gemessenen Lebensqualitäten könnten verbessert verzerrt gemessen werden als die Lebensqualitäten, die bei Krankenhausentlassung bestanden (siehe dazu auch Kapitel 4.4.3.4).

Die vorherige Selektion durch Letalität könnte das Ergebnis verzerrt haben. Angenommen, nur die sehr gesunden Patient/innen hätten überlebt oder hätten an der Studie teilgenommen, wäre die im Median gemessene Lebensqualität besser gewesen und mögliche Determinanten einer schlechten Lebensqualität wären unentdeckt geblieben. Jedoch gibt es in unserer Studie keinen Anlass zur Annahme, die Lebensqualität überbewertet zu haben. Die wenigen Patient/innen, die entweder die Teilnahme verweigerten oder nicht erreicht werden konnten, besaßen laut den angeforderten Arztbriefen keinen schlechteren Gesundheitszustand zum Zeitpunkt der Krankenhausentlassung als andere Personen, von denen die Lebensqualität gemessen wurde.

Komatöse Patient/innen wurden vom SIP ausgeschlossen. Falls die Anzahl dieser sehr kranken Personen, die am SIP nicht teilnehmen können, sehr groß ist, wird das Ergebnis unreliabel und unvalide. Dies war hier nicht der Fall.

4.1.1 Wahl des Sickness Impact Profile zur Messung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität

Obwohl das Utstein Symposium neben dem EuroQual-5G (EQ-5D) und dem 15 D auch den RAND SF-36 empfiehlt [50], entschied man sich gegen diesen und zu Gunsten des Sickness Impact Profile.

In einer Studie wurde das SIP mit einer modifizierten Kurzform des SF-36 (Modified Short-Form [MSF]-36) (20 Fragen) bei kritisch kranken Patient/innen verglichen, die mehr als 6 Tage auf einer chirurgischen Intensivstation verbracht hatten. Der Beweis einer höheren Sensitivität des SIP gegenüber dem MSF-36 wurde erbracht, als ein Jahr nach Entlassung von der Intensivstation eine Verbesserung im Outcome der Patient/innen mittels SIP (verbesserter Overall Score und physischer Score), jedoch nicht mittels MSF-36 festgesellt werden konnte [55].

Die meisten Instrumente zur Erhebung der Lebensqualität beschäftigen sich nur mit der Einschätzung der physikalischen Dimension und geben keine Informationen über den geistigen Zustand und der psychosozialen Komponente des Befragten bzw. der Befragten.

Da Patient/innen nach Herzkreislaufstillstand vorwiegend an neuronalen Schäden leiden, wurde das SIP gegenüber diesen Messinstrumenten bevorzugt, denn der geistige Zustand wird hier auch in der psychosozialen Dimension gemessen.

4.2 Diskussion des Vergleichs der normothermen und hypothermen