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Die Studie von Tang (2019) untersucht wie Anleger Steuervermeidungsverhalten wahr-nehmen. Dazu wurden insgesamt Beobachtungen in 46 L¨andern ¨uber den Zeitraum von 2001-2010 aufgenommen. Die Daten stammen aus der Datenbank Osiris von Bureau Van Dijk, die Informationen ¨uber b¨orsennotierte Unternehmen zur Verf¨ugung stellt. Unterneh-men mit unzureichenden Datenmaterial wurden aus der Studie entfernt. Ebenso eliminiert wurden Unternehmen mit negativem Ergebnis vor Steuern, negativem Cashflow oder Steu-ergutschriften, um die Auswirkungen potentieller Datenfehler im Vorhinein zu minimie-ren. Außerdem deuten diese negativen Werte laut Autor darauf hin, dass wahrscheinlich keine Aktivit¨aten zur Steuervermeidung get¨atigt wurden bzw. diese nicht repr¨asentieren k¨onnen.

Tang definiert Steuervermeidung als jede Maßnahme, die, auf legale oder illegale Wei-se, die Steuerlast im Verh¨altnis zum gesetzlichen Steuersatz senkt. Als Maßgr¨oße der gesch¨atzten Steuervermeidung wird die Differenz aus gesetzlichem Steuersatz und effek-tivem Steuersatz herangezogen. Es werden zwei Hypothesen mit Hilfe einer Regressions-analyse getestet. Kontrolliert wird in der RegressionsRegressions-analyse auf unternehmensspezifische Determinanten, Branchen-, Jahres und L¨andereffekte. Die erste Einsch¨atzung ist, dass Steuervermeidung positiv mit dem Firmenwert korreliert ist, solange die durch Steuer-vermeidung erzielten Gewinne die aufgewendeten Kosten daf¨ur ¨ubersteigen. Die zweite Hypothese geht von einer Milderung dieses Effekts durch Rechtsinstitutionen aus, die den Eigenhandel erleichtern. Die Tests werden auf L¨ander- und auf Unternehmensebene durchgef¨uhrt. Auf der Unternehmensebene wird, konsistent mit der traditionellen Sicht-weise, ein positiver Zusammenhang zwischen Steuervermeidung und Unternehmenswert nachgewiesen. Die Analyse ergibt, dass der Zusammenhang in L¨andern mit geringer staat-licher Kontrolle ¨uber Eigengesch¨afte und hohem Korruptionsgrad und in Unternehmen mit schwacher F¨uhrung vermindert ist. In Industriel¨andern sowie L¨andern des

”Common Law“ wird Steuervermeidung als gr¨oßere Wertsteigerung wahrgenommen. Kein Zusam-menhang kann mit der Wahrnehmung der Anleger auf Steuervermeidung hinsichtlich der Umstellung auf die International Financial Reporting Standards (IFRS) in einem Land

festgestellt werden.

Drake et al. (2019) besch¨aftigen sich in Ihrer Forschungsarbeit damit, wie Anleger Steu-ervermeidung und Steuerrisiko werten und wie die beiden Faktoren mit dem Firmenwert zusammenwirken. Die Stichprobe besteht nach diversen Korrekturen der urspr¨unglichen Auswahl aus rund 40.000 in den USA ans¨assigen Unternehmen, die weder dem Finanz-noch dem Versorgungsbereich angeh¨oren. Es wird der Zeitraum von 1992-2014 betrach-tet. Die Daten wurden aus der Datenbank Compustat gezogen. Ausgeschlossen wurden Unternehmen, f¨ur die unzureichende Daten zur Berechnung der ben¨otigten Variablen vor-handen waren, Unternehmen mit negativem Einkommen vor Steuern und effektiven Steu-ers¨atzen ¨uber 100%. Unternehmen mit Verlusten wurden deshalb eliminiert, weil diese andere Steueranreize haben wie profitable Unternehmen und von Anlegern anders bewer-tet werden. Die Steuervermeidung wird in Form der

”cash effective tax rate“ gemessen und das Steuerrisiko als deren Volatilit¨at. Getestet werden die Hypothesen, dass Steuer-vermeidung von Investoren positiv und Steuerrisiko negativ bewertet wird und dass die positive Bewertung der Steuervermeidung durch Steuerrisiken gemindert wird. Trotz der teils gegenteiligen Studien, die Steuervermeidung negativ mit dem Unternehmenswert in Verbindung bringen, wird in dem Maße ein positiver Wert f¨ur Investoren erwartet, in dem diese zuk¨unftige Zahlungsfl¨usse aus Steuervermeidungsaktivit¨aten erhoffen. Andere Stu-dien sind der Auffassung, dass die wahrgenommene Ungerechtigkeit, dass Unternehmen durch Steuervermeidung keinen angemessenen Beitrag an den Staat leisten, ¨uberwiegt und Steuervermeidung daher eine negative Assoziation bei Anlegern hervorruft. Ebenso wird auf Reputationskosten, sp¨atere Steuerr¨uckzahlungen bzw. Strafen verwiesen.31 Die Ergebnisse entsprechen jedoch den Erwartungen der Autoren und heben hervor, dass Unternehmen von Investoren besser bewertet werden, wenn die angewandten Steuerver-meidungstaktiken weniger risikoreich sind. Die gemessenen Werte halten auch den Ro-bustheitstests der Studie stand. Die Autoren weisen abschließend darauf hin, dass die Literatur zu Steuerrisiken noch im Entstehen ist und die Forscher noch nicht ¨uber eine allgemein akzeptierte Definitionen des Steuerrisikos ¨ubereingekommen sind.

31 Vgl. Dyreng / Hoopes / Wilde (2016) und Hanlon / Slemrod (2009).

3 Quantifizierbarkeit von Steuervermeidung

Die Definition und Messung der Steuervermeidung ist ein Hauptthema in der empirischen Steuerforschung.32 Hanlon/Heitzmann (2010) heben hervor, dass die Wahl der Messme-thode essentiell ist und daher gut ¨uberlegt werden muss, ob die angewandte Methode ad¨aquat f¨ur die Beantwortung der gestellten Forschungsfrage ist. Man muss sich vor Au-gen halten, dass die meisten Messarten nur die nicht-konforme Steuervermeidung ab-bilden, also jene Transaktionen bei der die unternehmensrechtliche Beurteilung von der steuerrechtlichen Beurteilung abweicht. Konforme Steuervermeidung, bei der das unter-nehmensrechtliche Ergebnis durch die Steuervermeidungsstrategie reduziert wird, bleibt unentdeckt.33

Forscher sollten unebdingt die Aussagekraft der ihnen zur Verf¨ugung stehenden Daten hinterfragen. Informationen ¨uber das zu versteuernde Einkommen bzw. ¨uber den Steuer-aufwand k¨onnen sowohl aus dem unternehmensrechtlichen Jahresabschluss, als auch aus der Steuererkl¨arung entnommen werden. Beides sind wichtige Gr¨oßen f¨ur die Messbarkeit der Steuervermeidung. Da Steuererkl¨arungen in den meisten F¨allen nicht zug¨anglich sind, werden die Daten vorrangig aus dem unternehmensrechtlichen Jahresabschl¨ussen entnom-men. Dies deutet bereits auf die Problematik hin.34Wie gelangt man zu einem geeigneten Sch¨atzwert des steuerpflichtigen Einkommens, der daraus resultierenden Steuerbelastung und der tats¨achlich gezahlten Steuern? Welche Rolle spielen Periodenabgrenzungen in die-sen Gr¨oßen? Ist man sich der Tatsache bewusst, dass Daten aus den unternehmensrecht-lichen Jahresabschl¨ussen zu Fehlern bzw. Verzerrungen f¨uhren k¨onnen, muss im n¨achsten Schritt ¨uberlegt werden, welche Probleme mit einem Zugriff auf steuerrechtliche Daten behoben werden k¨onnen und welche weiter bestehen.35 Mills/Plesko (2003) gehen hierzu auf die Schwierigkeiten ein, unternehmensrechtliche Daten mit steuerrechtlichen abzu-stimmen, die sich aufgrund der unterschiedlichen Regulierungen ergeben.

32 Vgl. Hanlon / Heitzman (2010), S.128.

33 Vgl. Hanlon / Heitzman (2010), S.137.

34 Siehe dazu auch Hanlon (2003).

35 Vgl. Hanlon / Heitzman (2010), S.139.

3.1 Effective tax rate - ETR

Der effektive Steuersatz wird berechnet, indem eine Sch¨atzgr¨oße der Steuerschuld durch das Ergebnis vor Steuern oder den Cash Flow dividiert wird. Die Gr¨oße dr¨uckt also aus wie hoch der durchschnittliche Steuersatz pro Euro des Einkommens bzw. Cash Flows ist. Durch die verwendeten Nenner erfasst diese Art von Messung, wie eingangs erw¨ahnt, nur die sogenannte

”non-conforming tax avoidance“36 Ganz allgemein gehalten, sieht die Formel37 zur Berechnung eines effektiven Steuersatzes wie folgt aus:

ETR = Steuern/Einkommen (Cash Flow)

Ein Problem bei der Anwendung des effektiven Steuersatzes zur Messung von Steuerver-meidung ist, dass es sich um eine Gr¨oße bezogen auf ein Gesch¨aftsjahr handelt. Der effek-tive Steuersatz kann von Jahr zu Jahr stark schwanken. Außerdem k¨onnen bei Verlusten keine aussagekr¨aftigen effektiven Steuers¨atze berechnet werden, was Schlussfolgerungen auf die Steuervermeidung in Verlustjahren verhindert.38 Im Z¨ahler und Nenner k¨onnen verschiedene Gr¨oßen von Steuerschuld und Einkommen verwendet werden. Je nach ver-wendeter Gr¨oße k¨onnen verschiedene effektive Steuers¨atze unterschieden werden. Wichtig ist zu verstehen, was mit den unterschiedlichen Gr¨oßen abgebildet werden kann.39

3.1.1 Der unternehmensrechtliche effektive Steuersatz

Der gesamte Steueraufwand, wie er bei der Berechnung des unternehmensrechtlichen ef-fektiven Steuersatzes verwendet wird, beinhaltet sowohl laufende als auch latente Steu-ern. Steuervermeidung basiert zu einem großen Teil auf der beschleunigten Absetzung von Abz¨ugen und Verschiebung von Einkommen, was zwar den laufenden Steueraufwand redu-ziert, jedoch die latenten Steuern erh¨oht. Somit wird dieser Aspekt der Steuervermeidung bei Verwendung des unternehmensrechtlichen effektiven Steuersatzes nicht abgebildet.40 Eine Vermeidungsstrategie auf Basis von Steuerverschiebung beeinflusst den unterneh-mensrechtlichen effektiven Steuersatz also nicht.41

36 Vgl. Hanlon / Heitzman (2010), S.139.

37 In Anlehnung an Hanlon/Heitzman (2010).

38 Vgl. Dyreng / Hanlon / Maydew (2008), S.65.

39 Vgl. Hanlon / Heitzman (2010), S.139.

40 Vgl. Dyreng / Hanlon / Maydew (2008), S.65.

41 Vgl. Hanlon / Heitzman (2010), S.139.

3.1.2 Der effektive Steuersatz auf Basis gezahlter Steuern

Im Gegensatz zum unternehmensrechtlichen effektiven Steuersatz, wird der effektive Steu-ersatz auf Basis der gezahlten Steuern nicht durch steuerverschiebende Entscheidungen, wie z.B. die Wahl der Abschreibungsdauer, beeinflusst. Es kann zu Periodenunstimmig-keiten zwischen Z¨ahler und Nenner kommen, wenn in einem Jahr Steuern gezahlt werden, die in einem anderen Jahr entstanden sind. Der Nenner beinhaltet nur das Ergebnis des laufenden Jahres.42 Ein Vorteil bei Verwendung der Steuerzahlungen ist, dass Effekte durch Steuerr¨uckstellungen vermieden werden.43

3.1.3 Der effektive Steuersatz auf lange Sicht

Durch eine Betrachtung ¨uber mehrere Jahre kann dem Problem der Volatilit¨at des effekti-ven Steuersatzes entgegengewirkt werden.44 Stellt man eine Betrachtung ¨uber eine l¨ ange-ren Zeitraum an, kann im Z¨ahler auch die j¨ahrliche Steuerzahlung verwendet werden, da durch die Zusammenfassung mehrerer Jahre den Periodenverschiebungen entgegengewirkt wird.45

Unabh¨angig von der Berechnungsart des effektiven Steuersatzes bildet dieser alle Trans-aktionen ab, die Einfluss auf die explizite Steuerschuld des Unternehmens haben. Es kann nicht zwischen realen steuerbeg¨unstigten Aktivit¨aten, Steuervermeidungsaktivit¨aten nur zur Einsparung von Steuern oder gezielten Steuervorteilen aus Lobbyingaktivit¨aten un-terschieden werden. Implizite Steuern k¨onnen nicht direkt erfasst werden.46

42 Vgl. Hanlon / Heitzman (2010), S.139.

43 Vgl. Hanlon / Heitzman (2010), S.141.

44 Vgl. Dyreng / Hanlon / Maydew (2008), S.66.

45 Vgl. Hanlon / Heitzman (2010), S.141.

46 Vgl. Hanlon / Heitzman (2010), S.141.