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III. Ergebnisse

2. Identifizierung und Charakterisierung der Esterase EstCE

2.7. Biochemische Charakterisierung der Esterase EstCE

2.7.8. Stereospezifische Umsetzung biotechnologisch relevanter Substrate 59

Bedeutung für die biotechnologische Industrie haben Lipasen und Esterasen durch ihre z.T. hohe Stereospezifität erlangt. An einigen chiralen Substraten (Essigsäureester) mit biotechnologischem Modellcharakter konnte dies auch für EstCE gezeigt werden. Wie unter [II.9.6.1] beschrieben, wurde die Umsetzung für 24 h bei Raumtemperatur, Extraktion der Alkohole und anschließende gaschromatographische Analyse in der Arbeitsgruppe von Prof. Jäger (Dr. C. Leggewie, Institut für Molekulare Enzymtechnologie, FZ Jülich) durchgeführt. Da nicht für alle Racemate enantiomerenreine Alkohole zum Vergleich zur Verfügung standen, konnte nicht allen die entsprechende Stereospezifität zugeordnet werden. Deswegen sind hier nur 1. und 2. Enantiomer in Tabelle 12 angegeben. Teilweise konnten die Enantiomere auch nicht getrennt werden, weswegen nur der Gesamtumsatz angegeben wurde. Nicht umgesetzt unter den getesteten Bedingungen wurden die Essigsäureester von Tetrahydronaphthylamin und Phenylethylamin. Die Strukturformeln sämtlicher verwendeten Substrate finden sich im Anhang (Abb. 66).

Tab. 12: Stereospezifische Umsetzung chiraler oder enantionmerenreiner Substrate Die freigesetzten Alkohole wurde nach 24 bzw. 12 Stunden Reaktion extrahiert und gaschromatographisch untersucht. Nicht für alle Modellsubstrate standen enantiomerenreine Alkohole als Referenz zur Verfügung, weswegen nur das 1. und 2. Enatiomer ohne nähere Angaben zur Stereospezifität gegeben sind. (E=Enatiomer, ee=enantiomeric eccess)

1Substratumsatz nach 12 h, 2hier konnte nur der Gesamtumsatz gemessen werden, 3kein Essigsäureester

Umsatz [%] für das

Essigsäureester von… 1.E 2.E ee [%]

(+/-)-1-Octin-3-ol 64 60 3

cis-1,2-Cyclohexandiol1 100 100 0

trans-1,2-Cyclohexandiol 100 45 38

rac-Isopropylidenglycerin1 100 100 0

R-(+)-3-Chlor-1-Phenyl-1-Propanol2 100 -

Trimethylsilylbutinol2 100 -

Menthol (1.E (+), 2.E (-)) 100 0 >99

cis-3,5-Diacetoxy-1-Cyclopenten3 12 59 66

Eine hohe Stereospezifität zeigte EstCE bei der Umsetzung von Menthylacetat, wo ausschließlich das (+)-Enantiomer mit einem Enantiomerenüberschuß (ee) von >99%

umgesetzt wurde (zur Berechnung siehe II.9.6.3). Unspezifisch wurden die Essigsäureester von cis-1,2-Cyclohexandiol, rac-Isopropylidenglycerin sowie (+/-)-1-Octin-3-ol umgesetzt. Stereospezifität wurde zudem bei den Substraten cis-3,5-Diacetoxy-1-Cyclopenten (66% ee, 2. Enantiomer) sowie dem Essigsäureester von trans-1,2-Cyclohexandiol (38% ee, 1. Enantiomer (S,S)) nachgewiesen, allerdings mit geringeren Enantiomerenüberschüssen als bei Menthylacetat. Auffallend waren auch die hohen Umsatzraten von oft 100%, die z.T. in 12 h Reaktionszeit erreicht wurden.

Des Weiteren wurden Ester verschiedener Alkohole und Säuren getestet. Die erste Gruppe stellte eine Mischung aus 17 verschiedenen primäre, sekundären und tertiären Alkoholen sowie Alkoholen mit linearen aliphatischen, ringaliphatischen und aromatischen Systemen dar. Darunter befinden sich 10 chirale Substrate mit Chiralität sowohl am α- als auch β-Kohlenstoff. Die Umsetzungen erfolgten über 24 h bei 45°C [II.9.6], danach wurden die Proben mit Dichlormethan extrahiert und mittels GC untersucht (Tab. 13).

Tab. 13: Umsetzung von Estern verschiedener Alkohole durch EstCE

Die Umsätze sind relativ zum höchsten beobachteten Umsatz angegeben. n.b., nicht bestimmt Nr. Substrat rel. Aktivität [%] E-Wert Präferenz

1 1-Oktylacetat 20

2 (R,S)-2-Oktylacetat 5 3,8 n.b.

3 (R,S)-3-Oktylacetat 10 12 n.b.

4 (R,S)-1-Phenylethylacetat 30 35-40 (S)

5 (R,S)-1-(2-Naphtyl)-ethylacetat 25 20 n.b.

6 (R,S)-1-Cyclohexylethylacetat 1 19 n.b.

7 Phenylacetat 100

8 Cyclohexylacetat 1

9 (R,S)- β-Citronollylacetat 5 n.b. n.b.

10 α-Terpinyl-Acetat 0 n.b n.b.

11 α-Terpinyl-Caprylat 0 n.b n.b.

12 2,3-Glycerindibutylether-Acetat 50 1,3 n.b.

13 (R,S)-IPG-Acetat 2,5 2,2 n.b.

14 Methyl-Caprylat 0

15 Ethyl-Caprylat 0

16 Isopropyl-Caprylat 0

17 Tert-Butyl-Caprylat 0

EstCE setzte bevorzugt Ester mit aromatischen Resten im Alkoholteil um (Substrate 4 und 7), was aus direkten Vergleichen der Substrate 4 und 6 bzw. 7 und 8 ersichtlich ist, wo die aromatischen Reste durch aliphatische Ringe ersetzt sind (Strukturen im Anhang, Abb. 64). Grundsätzlich werden Ester primärer und sekundärer Alkohole umgesetzt, wohingegen Ester tertiärer Alkohole (Substrate 10, 11, und 17) und Kohlenstoffketten länger als C8 (Substrat 11, 14-17) nicht umgesetzt werden.

Eine moderat hohe Enantioselektivität wurde nur bei sekundären Estern (Substrate 3-6) mit der höchsten Selektivität bei 1-Phenylacetat gefunden, wo bevorzugt das (S)-Enantiomer umgesetzt wurde. Primäre Ester hingegen wurden fast racemisch umgesetzt (E-Werte unter 4).

Es wurden 10 pNP-Ester sowie ein pNP-Amid mit verschiedenen Säureresten getestet (Anhang, Abb. 65). Hierbei handelt es sich um Substanzen, die der Klasse der nicht-steroiden, entzündungshemmenden Schmerzmittel angehören, wozu z.B. Ibuprofen und Naproxen gehören. Diese entfalten ihre medizinische Wirkung nur in optisch hochreiner Form (Hutt und Caldwell, 1984). Weitere Substrate sind Vorstufen dieser Substanzen sowie Gruppen, die ein chirales C-Atom in β-Position aufweisen (sonst α) oder sehr sperrige Reste besitzen.

EstCE war in der Lage, pNP-Cyclohexanoat (16,8 U/mg), pNP-Benzoat (12,1 U/mg), sowie mit deutlich niedriegerer Aktivität pNP-3-Phenylbutanoat (1,0 U/mg, E-Wert n.b.) und pNP-2-(3-Benzoylphenyl)-propanoat (0,8 U/mg, E-Wert n.b.) umzusetzen.

Sämtliche anderen Substrate wurden von EstCE nicht umgesetzt.

2.7.9. „Enzymatischer Fingerabdruck“ von EstCE

In Zusammenarbeit mit der Arbeitsgruppe von Prof. J.-L. Reymond (Universität Bern, Department Chemie und Biochemie) wurde für die Esterase EstCE ein sogenannter

„enzymatischer Fingerabdruck“ erstellt (Abb. 24). Hierbei wurde ein Substratgemisch aus 10 verschiedenen, in der Arbeitsgruppe synthetisierten Modellsubstraten primärer und sekundärer Oktansäureester (Abb. 25) gleichzeitig umgesetzt und in einem Schritt mittels HPLC analysiert (Goddard und Reymond, 2004). Der höchste gemessene Umsatz wurde dann in einen Farbcode übertragen und alle anderen Umsätze relativ dazu angegeben. Die höchste Aktivität wurde bei Substrat Nr. 7 (4-(4-Octylcarboxy-(3-hydroxy-3-methyl-butyloxy))-coumarin) gemessen, der Umsatz lag bei 60%. Gar nicht umgesetzt wurden die beiden sekundären Ester (Substrat 9 und 10), die aufgrund ihres sperrigen Restes auch von anderen Enzymen nur selten umgesetzt werden (Reymond, persönliche Mitteilung).

Abb. 24: „Enzymatischer Fingerabdruck“ der Esterase EstCE

Die Anordnung der Kästchen entspricht den Substraten in Abbildung 25. Die stärkste Umsetzung (Substrat 7) wurde rot gefärbt, alle anderen relativ dazu in den gezeigten Farbschattierungen der unten angegeben Farbskala. Der Umsatz des am stärksten umgesetzten Substrates ist in den unteren beiden Kästchen wiedergegeben und lag bei 60%.

Abb. 25: Strukturformeln der für die Substratmischung verwendeten Substrate

Die Anordnung entspricht den Feldern in Abb. 24. Die erste Reihe zeigt primäre Ester, die zweite Reihe sterisch gehinderte Neopentylester und die dritte Reihe sterisch sehr stark gehinderte, sekundäre Ester. Die verwendeten Seitenketten sind unten rechts abgebildet.

Anhand des in Abbildung 24 gezeigten Farbschemas, das für viele kommerziell erhältliche Lipasen erstellt wurde, konnte eine Ähnlichkeitsmatrix berechnet und daraus ein Dendrogramm erstellt werden (Abb. 26). Dieses gibt Auskunft über die Ähnlichkeit der getesteten Enzyme anhand ihrer Substratumsetzungen.

Die Ähnlichkeiten vom Substratspektrum waren hierbei am größten zu einer weiteren Metagenomesterase EstA3, die wie EstCE hohe Ähnlichkeit zu β-Laktamasen aufweist (Schmeißer, 2004). Diese beiden Enzyme bilden dann einen Cluster zu einer Gruppe von 5 Enzymen, die allein vier eukaryontische Lipasen aus der Gattung Candida beinhaltet.

Abb. 26: Dendrogramm der Ähnlichkeit verschiedener Lipasen und Esterasen, erstellt anhand ihrer enzymatischen Fingerabdrücke

Das Dendrogramm wurde mit Hilfe der SPSS-Software (www.spss.com) erstellt. Die Kürzel stehen für Lipasen (L) bzw. Esterasen (E) aus folgenden Organismen: PCL: Pseudomonas cepacia (F-62309), PPL: Schwein, Pankreas (Chirazyme L-7), MJL: Mucor javanicus (F-62304), RML: Rhizomucor miehei (F-62291), PRL: Penicillium roqueforti (F-62308), HPL: Schwein (hog), Pankreas (F-62300), WGL: Weizenkeim (F-62306), MML: Mucor miehei (F-62298), L9:

Mucor miehei (Chirazyme L-9), ANL1: Aspergillus niger (F-62294), E2: Schweineleber, Esterase Fraktion 2 (Chirazyme E-2), HRLE: Schweineleber, E1: Schweineleber, Esterase Fraktion 1 (Chirazyme E-1), L8: Thermomyces lanuginosa (Chirazyme L-8), RNL: Rhizopus niveus (F-62310), CLE: Candida lipolytica (F-46056), CaL: Candida antarctica (F-62299), CCL: Candida cylindracea (F-62316), L6: Pseudomonas sp. (Chirazyme L-6), L3: Candida rugosa (Chirazyme L-3), EstA3: Metagenomesterase (Schmeißer, 2004), PSL: Pseudomonas sp. (F-62335), L5:

Candida antarctica, Lipase Fraktion A (Chirazyme L-5), L3p: Candida rugosa, gereinigt, L2:

Candida antarctica, Lipase Fraktion B (Chirazyme L-2), CVL: Chromobacterium viscosum (F-62333). Chirazyme-Enzyme wurden von Roche bezogen, F-markierte Enzyme von Fluka.