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Stereographische Projektion

Im Dokument Ebene euklidische Geometrie (Seite 157-163)

Bei dieser Projektion werden alle Punkte der Sphäre bis auf einen ausgewählten Punkt N auf die TangentialebeneT anS2in−N abgebildet, indem einem PunktP ∈S2 der eindeutige Schnittpunkt vonG(N, P)mitT zugeordnet wird.

Wir können o.B.d.A.N=

Schnitt mit der Ebene durchN, 0 und P:

Die Abbildung 151 hilft uns, eine explizite Abbildungsvorschrift für die stereographi-sche Projektion̺zu finden.

Dazu erkennen wir zunächst, dass das Dreieck (N,0, P) gleichschenklig ist, denn dE(N,0) = dE(P,0) = 1. Somit sind die im Querschnitt mit x gekennzeichneten Winkel tatsächlich gleich und es gilt

θ+ 2x=π⇔x= π−θ

Diesen Querschnitt müssen wir jetzt nur um den richtigen Winkelϕdrehen, aber der ist durchP bestimmt: Wenn wirP in Polarkoordinaten angeben, können wirϕundθ direkt ablesen.

Nun können wir noch die EbeneT mitR2 assoziieren, und wir erhalten

̺:S2− {N} →R2vermöge̺ ψ(θ, ϕ)

Eine wichtige Eigenschaft der stereographischen Projektion ist die Winkeltreue, d.h. die Größe des Schnittwinkels zweier Großkreise in S2 stimmt mit der Größe des Schnittwinkels von deren Bildern überein.

Bereits die Schwierigkeit, „Winkeltreue“ für diese Projektion genau zu erklären, legt nahe, dass ein formaler Beweis nicht ohne Methoden der Differentialgeometrie sowohl für Kurven inS2 als auch für ebene Kurven auskommt. Einen entsprechenden Beweis werden wir zu Satz 3.4.12 führen. Hier soll ein anschaulicher Beweis den Vorzug be-kommen, der allerdings eine Lücke beinhaltet: Wir müssen nämlich eine Hilfsabbildung

ˆ

̺definieren, bei der wir nicht wissen, wie sie sich zu̺selbst verhält.

Lemma 3.4.3 SeiP ∈S2− {N}. Zu jeder TangenteganS2, die durchP verläuft, definieren wir ̺(g)ˆ als den Schnitt von T mit der eindeutigen Ebene, die g und N beinhaltet.̺(g)ˆ ist eine Gerade.

Abbildung 152

Seien nungundhzwei Tangenten, dieS2 inP berühren. Dann ist (g, h) =(ˆ̺(g),̺(h)),ˆ

d.h.̺ˆist winkeltreu.

Beweis.Seiengundhzwei Geraden wie im Lemma gefordert, die jedoch nicht parallel zuT verlaufen. Der Schnittpunkt vongundT heißeA,hundT schneiden sich inB.

Betrachte zusätzlich die Tangenten, die vonP in RichtungN verläuft. Diese schneide T inF.

Dag,h undn sämtlich in der Ebene T liegen, die sich tangential zuS2 ausbreitet undP beinhaltet, liegenA,B undF auch alle auf der Geradent:=T∩T.

Schnitt mit der Ebene durchN, 0 und P:

In der linken Abbildung sind bereits zwei rechte Winkel eingezeichnet. Diese lassen sich wie folgt erklären:

(A, F, P) = π2 : Die Gerade t liegt nach Definition ganz inT. Alle Richtungsvektoren dieser Ebene stehen jedoch senkrecht auf P. Somit ist der Richtungsvektorvder Ge-radentschon einmal senkrecht zuP. Weiterhin sindP, v, e1offensichtlich linear unabhängig, undv⊥e1, davin dere2-e2-Ebene liegt. Damit istvsenkrecht zu span(P, e1), abern⊂span(P, e1)nach Definition vonn, alsov⊥n. Sonach ist n=G(F, P)Höhe im Dreieck(A, B, P).

(A, F, ̺(P)) = π2 : DaF ∈n ⊂span(P, e1) und̺(P)∈span(P, e1)nach Konstruktion, sehen wir wie ebenv⊥G(F, ̺(P)).

Nun wenden wir uns dem rechten Teil der Abbildung 153 zu. Wir wissen bereits, dass die mitxgekennzeichneten Winkel übereinstimmen.

Der gestreckte Winkel beiP setzt sich zusammen als π=x+π

2+y⇐⇒y= π 2−x, während die Innenwinkelsumme im Dreieck(N, S, ̺(P))liefert:

π=x+π

2+z⇐⇒z=π 2 −x.

Das Dreieck (F, P, ̺(P))hat also identische Basiswinkel y=z und ist somit gleich-schenklig:

dE(F, P) =dE(F, ̺(P)).

Nun zurück zur Gesamtsituation: In den Dreiecken (A, B, P) und (A, B, ̺(P)) ist eine Seite identisch, nämlich AB. Des Weiteren sind die jeweiligen Höhen auf AB gleich lang. Das genügt, um zu wissen, dass diese beiden Dreiecke kongruent sind.

(Wer das nicht sofort einsieht, der betrachte zunächst die Teildreiecke (A, F, P) und (A, F, ̺(P)).) Damit stimmen auch die Winkelgrößen (A, P, B) = (g, h) und

(A, ̺(P), B) =(ˆ̺(g),̺(h))ˆ überein.

Bemerkung 3.4.4 Der Beweis des Lemmas selbst beinhaltet in dieser Form noch drei Ungenauigkeiten:

Zunächst kann P = S sein. Dann ist die Gerade t nicht eindeutig, sondern es gilt stattdessenA=B=F =S. In diesem Fall ist aber auch̺(g) =ˆ gund̺(h) =ˆ h, und es bleibt nichts zu zeigen.

Als nächstes könntegkT sein, dann gäbe es den PunktAnicht. In diesem Fall lässt sich leicht zeigen, dass auch̺(g)ˆ ktist, und alles weitere kann man dann z.B. durch Konstruktion einer Hilfsgeraden, die nicht parallel zutist, beweisen.

Schließlich ist nicht in jedem Fall (g, h) = (A, P, B), nämlich genau dann nicht, wenn der Winkel (A, P, B) stumpf ist. Da dasselbe dann jedoch auch für (A, ̺(P), B) gilt, lassen sich alle diesbezüglichen Bedenken schnell aus dem Weg räumen.

Lemma 3.4.5 Sei γ : [a, b] → R2 eine differenzierbare Abbildung und es gebe ein M ∈R2 derart, dass

˙

γ(t)⊥ γ(t)−M

∀t∈[a, b].

Dann beschreibt γ einen Kreisbogen um den MittelpunktM.

Beweis. Wir wollen zeigen, dass kγ(t)−Mkkonstant ist. Dazu ist äquivalent, dass kγ(t)−Mk2 konstant ist, und dies ist genau dann der Fall, wenn die Ableitung ver-schwindet. Wir berechnen also

d

dtkγ(t)−Mk2 = d

dthγ(t)−M, γ(t)−Mi

= 2hγ(t), γ(t)˙ −Mi

= 0nach Voraussetzung.

Da weiter eine differenzierbare Abbildung immer stetig ist, beschreibt γ auch nicht

mehrere separate Kreisbögen.

Satz 3.4.6 Die stereographische Projektion ist kreistreu (wenn man Geraden als Krei-se mit unendlichem Radius betrachtet). Im Einzelnen gilt:

1. IstK⊂S2 ein Kreis mitN∈K, so ist̺(K)⊂R2 eine Gerade;

2. IstK⊂S2 ein Kreis mitN6∈K, so ist̺(K)⊂R2 ein Kreis.

Beweis.

1. SeiK⊂S2ein Kreis, derN enthält. SeiEdie Ebene, in derKliegt. Insbeson-dere ist damitN∈E.

Wenn wir die Punkte des Kreises nun in die Ebene abbilden wollen, so müssen wir gemäß der Konstruktionsvorschrift eine Gerade durch N und solch einen Punkt legen und deren Schnitt mitT bestimmen. Diese Gerade und damit auch der Bildpunkt liegen nun aber naturgemäß inE, und so erhalten wir

̺(K) =E∩T.

Abbildung 154

T

E

b ̺(K)

S

bN

K

Abb. 154

(Dass es sich bei̺(K)nicht nur um eine Strecke handelt, ist daran zu erkennen, dass N ∈K liegt,N selbst jedoch auf den unendlich fernen Punkt abgebildet wird. Dieser ist somit ein Bestandteil des Bildobjekts.)

2. Sei nunN 6∈K, sei γ eine Funktion, dieK beschreibt. Wir betrachten nun in jedem Punkt vonKdiejenige Tangente anS2, die außerdem senkrecht auf der Tangente an K in diesem Punkt steht. Um die Menge solcher Tangenten zu beschreiben, müssen wir leider noch einmal eine Fallunterscheidung machen:

(a) Kist kein Großkreis.

Dann ist die oben beschriebene Menge der Berührkegel von K, und die Tangenten schneiden sich alle in der Spitze P des Berührkegels. Damit schneiden sich aber auch die Bilder all dieser Tangenten unter der Abbil-dung̺ˆin Q:= ˆ̺(P).

Abbildung 155

T

b

S Nb

K

̺(K)

bP

bQ

Abb. 155

In der Abbildung erkennt man, dass alle Geraden durchQBild einer Man-tellinie des Berührkegels vonKsind. Außerdem bildet̺ˆdie Tangenten an Kauf Tangenten an̺(K)ab, da̺(g)ˆ ∩̺(K)für alle Geradengebensoviele Punkte enthalten muss wieg∩K.

Da nun̺ˆnach Lemma 3.4.3 winkeltreu ist undK alle Mantellinien des Berührkegels senkrecht schneidet, nuss auch̺(K) alle Geraden durch Q senkrecht schneiden und ist somit gemäß dem Lemma 3.4.5 ein Kreis mit dem MittelpunktQ.

(b) Kist ein Großkreis.

In diesem Fall gibt es keinen Berührkegel; stattdessen formen die oben be-schriebenen Tangenten einen Zylinder. Die Bilder dieser Tangenten unter ˆ

̺erhält man als Schnitt vonTmit der Ebene, die die jeweilige Gerade und N enthält. Da die Tangenten nun alle parallel sind, enthalten die Ebenen sämtlich die Gerade, die zum Zylinder parallel verläuft undN enthält. Der Schnittpunkt dieser Geraden mitT liegt somit auf allen Bildgeraden der Mantellinien des Zylinders. Weiter argumentiert man dann wie in

Beweis-teil (a).

Abbildung 156

T

bN

K

̺(K)

bQ

Abb. 156

Definition 3.4.7 Der Schnittwinkel zweier Kreise inR2ist der Winkel zwischen den Tangentenvektoren.

Abbildung 157

Abb. 157

Der Schnittwinkel eines Kreises mit einer Geraden inR2ist der Winkel zwischen dem Tangentenvektor des Kreises und dem Richtungsvektor der Geraden.

Abbildung 158

Abb. 158

Satz 3.4.8 Die stereographische Projektion̺ist winkeltreu, d.h. für je zwei Großkrei-seK1, K2∈S2 gilt:

(K1, K2) =(̺(K1), ̺(K2)).

Ein formal korrekter Beweis soll hier, wie oben erwähnt, nicht geführt werden; aber wir wissen nun immerhin, was Winkeltreue für die stereographische Projektion tatsächlich bedeutet.

Zum Schluss dieses Abschnitts folgen noch ein paar typische Karten von Gebieten der Erdoberfläche in stereographischer Projektion:

Zunächst eine Karte der Nordhalbkugel (hier warN der geographische Südpol):

Abbildung 159

Quelle: www.wikipedia.de

Abbildung 159Abb. 159

Auf dieser Karte erkennt man, dass alle Breitenkreise auch auf Kreise abgebildet wur-den. Die Meridiane wurden bei der Abbildung zu Geraden, denn sie verlaufen durch den Südpol.

Für gewöhnlich wird die stereographische Projektion jedoch nur für die Polargebiete gebraucht, denn in der Nähe des PunktesS, der auf der Projektionsebene liegt, ist die Verzerrung noch gering.

In seltenen Fällen bekommt man auch einmal eine Karte zu Gesicht, bei derN keiner der Pole ist: In diesem Beispiel liegtN auf dem Äquator und dem 180. Längengrad.

Abbildung 160

Quelle: www.wikipedia.de

Abbildung 160Abb. 160

Im Dokument Ebene euklidische Geometrie (Seite 157-163)