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Stand der Erkenntnisse

Im Dokument Ergo Kita (Seite 12-18)

Im Vorfeld des Projekts wurde eine intensive Literatur- und Produktrecherche zum Thema „Mögliche Präventionsmaß-nahmen zur Reduktion von Muskel-Skelett-Belastungen bei Erzieherinnen und Erziehern“ durchgeführt, die der Arbeitskreis

„ErgoKiTa“ initiierte. Zusätzlich zu physischen Belastungen wurden kursorisch auch Umgebungsbelastungsfaktoren sowie psychomentale Belastungsfaktoren analysiert [1]. Die Ergebnisse werden im Folgenden vorgestellt, ergänzt durch die Erkenntnisse aus aktuellen Studien während der Projektlaufzeit.

Zusammenfassend lässt sich für Untersuchungen in Deutsch-land zur Belastungssituation in Kitas Folgendes feststellen:

Die Notwendigkeit, die Arbeitsbedingungen auf der Grundlage einer Analyse der physischen und psychischen Belastungen für das Kita-Personals zu verbessern, ist erkannt [2; 3].

Körperliche Belastungen und daraus möglicherweise folgende Muskel-Skelett-Erkrankungen standen bisher selten im Fokus wissenschaftlicher Studien. In bisherigen Untersuchungen lag der Schwerpunkt auf psychomentalen Belastungen (z. B.

[4; 5]), dem Beanspruchungserleben, der Lärmbelastung und -beanspruchung in Kitas (z. B. [6]) sowie Möglichkeiten der Stressbewältigung.

Die körperliche Belastung wurde bislang zumeist über Befra-gung erfasst (z. B. [4; 7 bis 11]); vereinzelt kamen auch Beobach-tungen oder Beobachtungsinterviews zum Einsatz [12 bis 15].

Die Untersuchung von Jakob und Klewer im Jahr 2013 [15] setzt neben Befragungen und schichtbegleitenden Beobachtungen auch die Bewegungsanalyse ein. Mit wenigen Ausnahmen liegen in Deutschland bislang kaum objektive und genaue Tätigkeitsanalysen für pädagogisches Personal in der Vorschul-erziehung vor.

Aufgrund des Wandels der strukturellen Rahmenbedingungen, wie Zunahme der Betreuung unter Dreijähriger und der Einfüh-rung von Bildungsstandards, sind die vorliegenden Belastungs-daten nicht mehr aktuell. Hinsichtlich des Einflusses von Rah-menbedingen zeigt die STEGE-Studie von Viernickel und Voss [16], dass strukturelle Rahmenbedingungen in hohem Ausmaß im Zusammenhang mit der Arbeitsfähigkeit der pädagogischen Fach- und Leitungskräfte stehen. Dort heißt es: „Je schlechter die strukturellen Rahmenbedingungen sind, desto schlechter ist die Arbeitsfähigkeit der Fach- und Leitungskräfte.“

Untersuchungen in Sachsen von Thinschmidt et al. [17], in denen das Erzieherpersonal zu Belastungsfaktoren und gesundheit-lichen Beschwerden befragt wurde, zeigen im Vergleich der Jahre 2005, 2007 und 2009 u. a. einen Anstieg von Nacken-, Rücken- und Kreuzschmerzen. Jakob und Klewer konnten in einer Unter-suchung im Jahr 2013 ebenfalls einen Schwerpunkt der gesund-heitlichen Beschwerden im Bereich von Kopf, Nacken, Schultern und Rücken zeigen [15].

International finden sich Untersuchungen überwiegend in den USA und Japan. Diese enthalten neben Befragungen zum Gesundheitszustand und den körperlichen Beschwerden von Beschäftigten in Einrichtungen der öffentlichen Kinderbetreuung sowie der Auswertung der Daten der staatlichen Unfallversiche-rungsträger auch gezielte Arbeitsplatzanalysen durch Fremdauf-schreibung oder Videoaufzeichnungen.

In ersten Untersuchungen kommen Grant et al. [18]) sowie Gratz und Claffey [19] zu dem Ergebnis, dass das Arbeiten mit kleinen Kindern auch physische Belastungen verursacht und mit einem erhöhten Risiko für Erkrankungen im Rücken- und Schulter-bereich verbunden ist. Als Belastung werden häufiges Heben, Oberkörperverdrehung, Bücken, Hocken sowie das Tragen von Lasten genannt. Ono et al. [20] sowie King et al. [21] zeigen, dass speziell die Betreuung der Altersgruppe unter drei Jahren ein anderes Belastungsprofil hinsichtlich der eingenommenen Kör-perhaltungen sowie der Lastenhandhabung hat.

Aus den Ergebnissen der internationalen Studien lässt sich Folgendes zusammenfassen:

Zwar gibt es einige Beobachtungsstudien (allerdings mit geringen Stichprobenumfängen), die neben Körperhaltungen z. B. auch Herzfrequenz oder Muskelaktivität erfassen, z. B.

[20 bis 22], deren Ergebnisse aber aufgrund der Unterschiede in den Betreuungskonzepten nur bedingt auf deutsche Verhält-nisse übertragbar sind.

Neben wissenschaftlichen Studien zur Belastungssituation und zu Tätigkeitsbedingungen in Kitas wurden in der Literatur-recherche auch Quellen zu Handlungshilfen mit einer Darstel-lung von Interventionsmaßnahmen gesichtet und aufbereitet.

Zur Wirksamkeit von Interventionsmaßnahmen ist festzustellen:

Es werden Interventionen konkret empfohlen (z. B. ergonomi-sche Arbeitsplatzgestaltung, Lärmminderung und organisatori-sche Verbesserungen [15]) oder durchgeführt, aber nur wenige Studien evaluieren deren Wirksamkeit [4; 13; 23]. Die Über-prüfung erfolgte hinsichtlich einer Gestaltungsmaßnahme (Sitz-gruppe mittels Befragung und Beobachtung [13]), beim Gesund-heitszirkel im Sinne der Verhaltensprävention mittels Befragung und arbeitsmedizinischer Diagnostik [23]. Außerdem wurde eine Intervention in Form von Fortbildungsveranstaltungen, Supervi-sion und Elternarbeit mittels erneuter Befragung überprüft [4].

Weder zu verhältnispräventiven noch verhaltenspräventiven Maßnahmen konnten in Deutschland weitere Evaluierungen gefunden werden. Daten zu möglichen Interventionsmaßnah-men liegen in Deutschland weniger aus Studien als aus praxis-nahen Projekten (Good-Practice-Beispiele) vor, die zwar teil-weise wissenschaftlich begleitet wurden, jedoch eher im Sinne eines Coachings oder einer Anstoßveranstaltung (z. B. [24]), sodass sie hinsichtlich Inhalt und Güte schwer einzuordnen sind. Die von den Unfallkassen zur Verfügung gestellten Hand-lungshilfen (z. B. in Hessen oder Sachsen), die Erkenntnisse aus den vorliegenden Studien [13; 23] verbreiten, geben Hinweise zu Verhaltens- und Verhältnisprävention. Welchen Verbreitungsgrad und welche Wirksamkeit solche Medien erreichen, ist bisher nur in wenigen Fällen bekannt [25], und auch die Wirksamkeit z. B. von Handlungshilfen oder Seminaren ist noch nicht wissen-schaftlich überprüft. Auch in internationalen Studien finden sich zur überprüften Wirksamkeit von Interventionen wenig verwert-bare Ergebnisse.

Schließlich wurde im Rahmen einer Produktrecherche nach vorhandenen Gestaltungslösungen zur Optimierung der Belas-tungssituation in Kitas gesucht.

Empfehlungen zur Verhältnisprävention werden durch das auf dem Markt befindliche Mobiliar wie „Erzieher/innenstühle“ oder zargenfreie Tische geprägt. Innovative Gestaltungslösungen, die bei der Raumgestaltung nicht nur die Entwicklungsförderlich-keit, sondern auch die Ergonomie für Kinder und pädagogisches Personal berücksichtigen, sind kaum zu finden. Zur Wirksamkeit der recherchierten Produkte liegen neben den Untersuchungen von Buch und Frieling [13] sowie von Beckmann [26] keine wis-senschaftlichen Erkenntnisse vor.

Zusammenfassend ergeben sich folgende Defizite, die zur Ablei-tung der im Folgenden dargestellten Forschungsziele geführt haben:

In Deutschland liegen keine aktuellen Daten zu Muskel-Skelett-Belastungen bei Erzieherinnen und Erziehern vor. Ein weiteres Defizit liegt in der geringen Anzahl von Untersuchungen, die sich objektiver Methoden zur Belastungs- und Beanspru-chungsuntersuchung, wie physiologischer Messungen oder Tätigkeitsaufschreibungen durch externe Analytiker, bedienen.

Bei den bereits vorliegenden Untersuchungen zur körperlichen Belastung stellt sich die Frage nach der Validität der Ergebnisse.

Veränderungen der Verhältnisse in den Kitas im Laufe der letzten Jahre, z. B. ein deutlich erhöhter Anteil der unter Dreijährigen, sind in der Forschung noch nicht berücksichtigt. Aufgrund der geringen Anzahl wissenschaftlicher Studien über die Muskel-Skelett-Belastungen, die u. a. durch Zwangshaltungen, Heben

und Tragen verursacht sind, liegen nur wenige wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisse über angemessene Maßnahmen zur Erhaltung und Förderung der Gesundheit von Erzieherinnen und Erziehern vor. Für die auf dem Markt befindlichen Gestaltungs-ansätze und Möbel für Kitas fehlen bislang verlässliche Daten zur grundsätzlichen Verbreitung und zur Akzeptanz durch die Erziehenden. Viele Maßnahmen und Produkte wurden weder hinsichtlich ihrer präventiven Wirksamkeit unter den bisherigen Verhältnissen noch hinsichtlich ihrer Wirksamkeit bei zukünftig vermehrter Betreuung von Unterdreijährigen betrachtet. Weiter-hin sind keine wissenschaftlichen Untersuchungen zum Zusam-menhang zwischen Kita-Gestaltung und Qualität der Kinderbe-treuung sowie zum Zusammenhang zwischen Gesundheit der Erzieherinnen und Erziehern (Beschwerden, Erkrankungen) und Qualität der Kinderbetreuung bekannt. Dies ist auch deshalb besonders bedeutsam, weil Bildungsstandards in der Kinder-betreuung ebenso wie in der Schule immer wichtiger werden.

2 Forschungsziel

Das Vorhaben verfolgt im Einzelnen folgende Ziele:

• Klassifizierung von Kitas hinsichtlich ihrer strukturellen Rahmenbedingungen,

• vollständige Erfassung aller Belastungsfaktoren im Beruf Erzieher/Erzieherin in Abhängigkeit von der Struktur der Kita,

• Zuordnung zwischen Belastungen und Arbeitsbedingungen in Abhängigkeit vom pädagogischen Konzept,

• Durchführung einer Interventionsstudie sowie Evaluation der eingeleiteten Präventionsmaßnahmen,

• Übertragung der Studienergebnisse in die Praxis.

Zielgruppen des Projektes sind einerseits die Beschäftigten der Kitas selbst (Mitarbeiter, Mitarbeiterinnen, Führungskräfte), andererseits die Kita-Träger sowie die Präventionsdienste der Unfallkassen und der Berufsgenossenschaft für Gesundheits-dienst und Wohlfahrtspflege (BGW) als zuständige Versicherun-gen der Beschäftigten.

3 Methodik

Im Dokument Ergo Kita (Seite 12-18)