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1 Einleitung und Fragestellung

1.1 Stammzelltherapie als Ergänzung zur Lebertransplantation

Fünf Jahrzehnte nach der ersten Organtransplantation stellt diese einerseits immer noch die Therapie der Wahl für bestimmte, ansonsten tödlich verlaufende Krankheiten dar, andererseits handelt es sich nach wie vor um einen risikoreichen operativen Eingriff, der mit einer lebenslangen, belastenden Immunsuppression verbunden ist. Trotz neu entwickelter Techniken wie Split-Lebertransplantation, unterstützender Transplantation im akuten Leberversagen und der Leber-Lebendspende stehen insgesamt zu wenig Spenderorgane zur Verfügung, was wachsende Wartelisten mit teilweise mehrjährigen Wartezeiten für die schwerkranken Patienten zur Folge hat. Während eines akuten Leberversagens steht oft entweder kein Organ zur schnellen Transplantation zur Verfügung, oder der Patient kann wegen des sich rapide verschlechternden Allgemeinzustands nicht mehr operiert werden. Einige Patienten versterben, während sie auf ein Organ warten. Aus diesen Gründen wird nach Alternativen und Ergänzungen zur Organtransplantation gesucht, wobei in letzter Zeit Stammzellen eine wichtige Rolle spielen.

Stammzellen können als Zelltherapie eingesetzt werden und haben das Potenzial, die Organfunktion zu übernehmen und beschädigte, gealterte oder von Geburt an funktionslose Gewebe zu reparieren. Die Stammzellapplikation ist idealerweise eine komplikationsarme Therapie, da sie intravenös verabreicht werden kann. Dem Patienten würde der belastende Eingriff einer mehrstündigen Organtransplantation erspart bleiben. Bestimmte Arten von Stammzellen sind schnell und einfach zu gewinnen und könnten deswegen eine Alternative zur Lebertransplantation darstellen. Denkbar ist auch eine unterstützende Therapie im subakuten Organversagen, wobei die Organfunktion durch eine Stammzelltherapie solange aufrechterhalten werden kann, bis ein geeignetes Organ zur Transplantation zur Verfügung steht. Dies wäre besonders

beim Leberversagen ein Fortschritt, da die verminderte Organfunktion mit den derzeit verfügbaren therapeutischen Maßnahmen nur unzureichend überbrückt werden kann.

Das große Potenzial von Stammzellen erfordert eine nähere Untersuchung ihrer Eigenschaften und ihrer Eignung für einen therapeutischen Einsatz. Dabei unterscheidet man grundsätzlich embryonale von adulten Stammzellen.

1.1.1 Embryonale Stammzellen

Embryonale Stammzellen sind pluripotent und haben per Definition die Fähigkeit in eine Vielzahl von Geweben zu differenzieren und diese möglicherweise zu regenerieren. Sie können in vitro kultiviert und expandiert werden, wodurch sie in fast unbegrenzter Zahl in Form stabiler Zelllinien zur Verfügung stehen. Die Nutzung embryonaler Stammzellen birgt allerdings ethische Probleme, denn zur Gewinnung der Stammzellen müssen unter Umständen Embryonen getötet oder „hergestellt“ werden.

Der Schutz ungeborenen Lebens steht dabei den Bedürfnissen und Hoffnungen schwer kranker Patienten gegenüber. Nach syngener Transplantation embryonaler Stammzellen wurden im Tierversuch Tumore beobachtet86, was nahe legt, dass das große Proliferationspotenzial und die geringe Differenzierung dieser Zellen mit einem hohen Entartungsrisiko verbunden ist. Die Gefahr der adjuvanten Tumorerzeugung spricht derzeit gegen die Durchführung einer embryonalen Stammzelltherapie.

1.1.2 Adulte Stammzellen

In der letzten Zeit wurde das Phänomen der Transdifferenzierung adulter Stammzellen beschrieben. Dabei ist herausgefunden worden, dass adulte Stammzellen nicht nur in das für sie typische Gewebe differenzieren, sondern sich unter bestimmten Umständen auch zu völlig anderen Zellarten entwickeln können. Diese Beobachtung legt nahe, dass auch adulte Stammzellen zur Regeneration einer Vielzahl geschädigter Gewebe fähig sind. Wahrscheinlich ist für den Vorgang der Transdifferenzierung ein gewisser Selektionsvorteil der Stammzellen notwendig. Hämatopoetische Stammzellen beispielsweise transdifferenzieren nicht ohne weiteres in großem Umfang in andere Zellarten. Es wird angenommen, dass organfremde Stammzellen erst dann in einem Gewebe anwachsen, wenn dessen organeigene Regenerationsmöglichkeiten erschöpft sind, weil es beispielsweise zu stark geschädigt ist. In diesem Fall haben organfremde

Stammzellen einen Selektionsvorteil und können Zellen des geschädigten Gewebes ersetzen. Teilweise wurde dabei sogar ein so genannter Keimblattsprung beobachtet, wobei Stammzellen von Geweben eines embryonalen Keimblattes in funktionsfähige Zellen eines anderen Keimblattes differenzieren. Dies steht im Widerspruch zum Paradigma der Zelldifferenzierung, nach dem eine Stammzelle immer nur in Zellen eines Organsystems differenzieren kann6,47,90. Die Eigenschaft der Stammzellen, auch in Zellen anderer Gewebe zu transdifferenzieren, wird Plastizität genannt.

Es werden verschiedene Arten adulter Stammzellen unterschieden, die jeweils auf unterschiedliche Weise gewonnen werden und spezifische Eigenschaften besitzen.

Mesenchymale Stammzellen (MSC) beispielsweise werden durch Kultur von plastikadhärenten Knochenmarkzellen gewonnen und ähneln Fibroblasten. Es sind keine hämatopoetischen Zellen, sie können in einer Zellkultur expandiert werden und besitzen ein enormes Proliferations- und Differenzierungspotenzial. Es ist gezeigt worden, dass mesenchymale Stammzellen unter anderem zu Knochen-, Knorpel- und Fettzellen differenzieren76,78. Außerdem konnte nachgewiesen werden, dass sie sowohl in vitro als auch in vivo funktionstüchtige Hepatozyten bilden können80. Besonders interessant sind hämatopoetischen Stammzellen (HSC), da sie ein ausgesprochen hohes Differenzierungspotenzial besitzen und einfach gewonnen werden können. Für hämatopoetischen Stammzellen ist die Differenzierung in Muskel-33 und Herzmuskelzellen40, sowie in Neuronen8,62,101 und Hepatozyten4,7,51,89 beschrieben worden. Sie können entweder direkt aus dem Blut aufgereinigt oder einfach aus dem Knochenmark gewonnen werden. Eine weitere attraktive Möglichkeit ist die medikamentöse Mobilisation aus dem Knochenmark ohne invasive Eingriffe, beispielsweise durch SCF („Stem Cell Factor“) und G-CSF52 (Granulozyten-Kolonie-stimulierender Faktor). Ein Nachteil ist allerdings, dass hämatopoetische Stammzellen in vitro nicht expandiert werden können. Eine weitere Stammzellart aus dem Knochenmark ist die so genannte „side population“, die dadurch gewonnnen wird, dass die Zellen der side population einen fluoreszierenden Farbstoff aus dem Zytoplasma transportieren können und so identifizierbar sind. Auch diese Zellen können zur Leberregeneration beitragen103. Zu den hepatischen Stammzellen zählen die so genannten „oval cells“, die in Hepatozyten und Gallengangszellen differenzieren können24,74. Die Hepatozyten selbst zählen nicht zu den Stammzellen, sie können sich zwar fast beliebig oft teilen und besitzen somit die Stammzelleigenschaft der

Selbsterneuerung. Es fehlt allerdings die Fähigkeit zur Differenzierung zu verschiedenen Zelltypen, so dass nicht alle Kriterien einer Stammzelle erfüllt sind.

Diese Beispiele zeigen, dass auch adulte Stammzellen das Potenzial zur Differenzierung in verschiedene Gewebe haben und möglicherweise Organschäden reparieren können.

Adulte Stammzellen können unkompliziert gewonnen werden und bergen kaum ethische Probleme beim Einsatz als Zelltherapie. Die Stammzelltherapie der Zukunft könnte sich aus mehreren Schritten zusammensetzen, die idealerweise alle medikamentös induziert werden. Nach einer Mobilisierungsphase der Stammzellen aus ihrem ursprünglichen Kompartiment (z.B. Mobilisierung hämatopoetischer Stammzellen aus dem Knochenmark durch G-CSF) müssen sie dazu gebracht werden, in das Zielgewebe einzuwandern (so genanntes „homing“). Nun sollen sie sich in den Zellverband des geschädigten Gewebes einfügen („re-entry“), gefolgt von einer Differenzierungsphase in das neue Gewebe. Schließlich ist noch eine Proliferationsphase nötig, aus der möglichst viele Zellen des zu regenerierenden Gewebes hervorgehen. Eine Therapie unter Nutzung der körpereigenen Stammzellen ohne Explantation und Replantation ist folglich besonders risikoarm, da sie nicht invasiv ist. Bei der Nutzung körpereigener Stammzellen als Therapiealternative zur Organtransplantation würde zusätzlich die lebenslange Immunsuppression wegfallen.

Bei der ergänzenden Therapie zur Überbrückung eines subakuten Leberversagens könnte die Mortalität auf den Wartelisten zur Organtransplantation gesenkt werden, eine Stammzelltherapie nach einer Lebertransplantation könnte postoperativ die Leberregeneration unterstützen.

1.1.3 Stufenmodell der Leberregeneration

Viele Autoren gehen von einer Leberregeneration in Stufen aus3,14,18,66,81. Wenn die Leber erkrankt, kann die Restleber einen Parenchymverlust von mehr als ⅔ der Gesamtmasse durch Proliferation der restlichen Hepatozyten, also durch Hyperplasie ausgleichen. Ist die Regenerationsfähigkeit der Hepatozyten erschöpft, reparieren andere Zellpopulationen den Schaden22,58,74. Das Stufenmodell der Leberregeneration besagt also, dass wenn ein Regenerationsmechanismus nicht funktioniert oder ausgelastet ist, ein komplexerer Mechanismus genutzt wird.

Gordon et al. beschrieben kürzlich kleine Zellen, die nach pharmakologischer Unterbindung der Hepatozytenmitose und partieller Hepatektomie die Leber

regenerierten36-38. Wegen ihrer Morphologie und ihres Verhaltens, ähnlich wie hepatische Vorläuferzellen, nannten die Autoren diese Zellpopulation „small hepatocyte like progenitor cells“ (SHPC). Bei dieser Zellpopulation handelt es sich wahrscheinlich um endogene Leberstammzellen.

Eine andere regenerierende Zellpopulation sind die „oval cells“, bipolare endogene Stammzellen der Leber, die zu Hepatozyten und Gallengangszellen differenzieren können. Sie sind nach ihrer ovalen Zellmorphologie benannt worden und finden sich primär in den terminalen Gallengängen, den so genannten Hering’schen Kanälen. In letzter Zeit ist beobachtet worden, dass die „oval cells“ auch aus dem Knochenmark stammen können und von dort in die Leber einwandern66,72, außerdem scheinen sie auch beim Menschen zu existieren92.

Lagasse et al. lieferten den wohl eindrucksvollsten Beweis, dass hämatopoetische Stammzellen Lebergewebe regenerieren können51. Bei Mäusen mit angeborner Tyrosinämie Typ I wurde die Leberfunktion nach Transplantation von hämatopoetischen Stammzellen (HSC) vollständig wieder hergestellt, die Tiere überlebten die ansonsten letale Krankheit. In den Lebern der Tiere fanden sich bis zu 50% funktionierende Spender-Hepatozyten, die aus den transplantierten hämatopoetischen Stammzellen hervorgegangen sind. Die gespendeten Stammzellen besaßen den genetischen Defekt nicht, hatten also einen Selektionsvorteil gegenüber den defekten Hepatozyten.

Für dieses Beispiel der Leberregeneration ist kürzlich gezeigt worden, dass die transplantierten hämatopoetischen Stammzellen nicht transdifferenzieren, sondern mit den defekten Leberzellen fusionieren95,98. Das Fusionsprodukt entwickelt sich im Phänotyp zu einem Hepatozyten und regeneriert die Leber, wobei die Eigenschaften der hämatopoetischen Stammzelle weitgehend verloren gehen. Im Prinzip kann dieser Vorgang als eine neue Form der Gentherapie angesehen werden, bei dem die hämatopoetischen Stammzelle das fehlende Gen beisteuert und der Hepatozyt den Phänotyp und die Funktion des Fusionsprodukts bestimmt.

Viele Fragen bezüglich adulter Stammzellen sind noch ungeklärt und müssen erforscht werden. Fraglich ist beispielsweise, ob die Stammzellen immer fusionieren oder tatsächlich auch transdifferenzieren können und falls letzteres zutrifft, ob sie direkt zu Gewebszellen differenzieren, oder erst einen Dedifferenzierungsschritt zu einer noch undifferenzierteren und potenteren Zelle durchlaufen. Ungelöst ist auch die Frage, ob Stammzellen ausschließlich durch ihr exprimiertes Genmuster definiert sind, oder ob sie

Nischenzellen benötigen, die sie durch Zytokine oder andere Botenstoffe am Leben erhalten. Da Nischen und die komplexen Interaktionen von Stammzellen noch ungenügend bekannt sind, bieten sich in vivo Versuche zur Erforschung des Potenzials von Stammzellen an. Soll eine Stammzelltherapie bei Organschädigung untersucht werden, sind Tierversuche unverzichtbar.

1.2 Entwicklung eines Rattenmodells zur Untersuchung der