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4.1 Die Leber regeneriert sich nach subakutem Leberversagen

Zunächst ist untersucht worden, ob die Leber einen durch CCl4 bzw. partielle Hepatektomie verursachten Parenchymverlust innerhalb von zwei Wochen weitgehend

ausgleichen kann. Als Maß der Leberregeneration ist der Parameter Lebergewicht/KG⋅1000 gewählt worden (siehe Abschnitt 3.1). Das Lebergewicht ist im Verhältnis zum Körpergewicht sehr stabil, beim Menschen schrumpfen beispielsweise im Verhältnis zu große transplantierte Lebern und wachsen zu kleine transplantierte Lebern28,44,46,84,88,94

. Die Lebergewicht-Körpergewicht-Ratio hatte sich bei den geschädigten Tieren nach zwei Wochen wieder dem Wert der Normaltiere angenähert.

Deswegen ist davon auszugehen, dass der Leberschaden weitgehend ausgeglichen worden ist38,49,50,69. Dies liegt daran, dass die Lebermasse mit der Leberfunktion korreliert, wenn, wie in den vorliegenden Versuchen, kein Ödem und hauptsächlich Hepatozyten in den regenerierten Lebern beobachtet wird.

Um den Regenerationsmechanismus zu klären, sind auf HE-Färbungen verschiedener Leberlappen systematisch die Hepatozytenzellkerne ausgezählt worden (siehe Abschnitt 2.3.1.1). Da die Zellgröße bei gleicher betrachteter Fläche (entspricht dem Gesichtsfeld im Mikroskop) umgekehrt proportional zur Zellzahl ist, müssen die untersuchten Hepatozyten groß gewesen sein, wenn wenige Zellkerne gezählt wurden. In diesem Fall ist auf Regeneration durch Hypertrophie geschlossen worden. Sind viele Zellkerne gezählt worden, so waren die untersuchten Hepatozyten klein und es ist auf Regeneration durch Hyperplasie geschlossen worden. Die Zellzahlen sind stets mit einer unbehandelten Gruppe von Normaltieren verglichen worden32.

4.1.1 Auswirkungen einer Retrorsine-Behandlung auf die Leber

Akute Effekte der alleinigen Behandlung von Ratten mit Retrorsine (siehe Abschnitt 3.1.1) sind Dilatation und Stauung von Lebersinusoiden, eine leichte Entzündung und eine biliäre epitheliale Zellproliferation48. Bleibende Effekte sind eine geringe Ungleichmäßigkeit der Leberstruktur, eine leichte biliäre Zellproliferation sowie eine verstreute Megalozytose, die auch ohne zusätzliche Leberschädigung beobachtbar ist46,48,49.

Im Rahmen des normalen Zellumsatzes werden einige Zellen ständig durch Apoptose entfernt, die verbleibenden Zellen können sich aufgrund der Proliferationshemmung durch Retrorsine nicht teilen und die entstandene Lücke füllen. Wahrscheinlich hypertrophieren einige der verbleibenden Zellen, um den entstandenen Leberparenchymverlust auszugleichen, was die diffuse Megalozytose erklären könnte.

Die Zellen der mit Retrorsine behandelten Tiere sind im Mittel genau so groß wie bei

den Normaltieren, die von mehreren Autoren beschriebene diffuse Megalozytose42,46,48,49 der Hepatozyten scheint ein Phänomen einzelner Zellen zu sein, was zwar im Mikroskop auffällt, bei der quantitativen Auswertung aber nicht ins Gewicht fällt (siehe Abbildung 3-9 und Abbildung 3-16). Die vereinzelten Riesenzellen, die nach Retrorsine-Behandlung auftreten, gehen nach Applikation eines Proliferationsstimulus durch Apoptose zugrunde25,30,35,77,82

, sie haben deswegen wahrscheinlich keinen Einfluss auf die Leberregeneration.

4.1.2 Die Leber regeneriert sich nach subakutem Leberversagen durch CCl4

Das Verhältnis Lebergewicht zu Körpergewicht der durch CCl4 geschädigten Versuchstiere entspricht zwölf Tage nach Applikation weitgehend dem Normalwert (siehe Abschnitt 3.1.2). Es ist davon auszugehen, dass der Parenchymverlust tatsächlich ausgeglichen worden ist und sich die Lebern bezüglich ihres Gewichts regeneriert haben, gleichgültig, ob die Tiere mit Retrorsine vorbehandelt worden sind oder nicht.

Bei der Applikation von CCl4 ohne Vorbehandlung mit Retrorsine, finden sich signifikant mehr Zellen als in der Normalgruppe, woraufhin auf eine reaktive Hyperplasie der Leberzellen geschlossen worden ist14,53. Zwar scheint der Parenchymverlust ausgeglichen, die Reaktion auf die Leberschädigung aber noch nicht abgeschlossen. Zu dem betrachteten Zeitpunkt könnte sich der Regenerationsvorgang in einer Phase mit vielen kleinen Hepatozyten befunden haben, die später an der Zahl abnehmen und an Größe gewinnen, bis der Normalzustand wieder erreicht ist. In der CCl4 Gruppe ohne Retrorsine-Vorbehandlung findet keine Hypertrophie statt, sondern die Leber wird durch intensive Zellvermehrung der Hepatozyten, also durch Hyperplasie, regeneriert. Dies entspricht dem erwarteten physiologischen und einfachsten Regenerationsmechanismus14,64,69.

In der Gruppe mit Retrorsine-Vorbehandlung wurden wenige, also große Zellen gefunden, woraus auf Regeneration durch Hypertrophie geschlossen worden ist. Wenn der physiologische Regenerationsmechanismus der Leber (Hyperplasie der Hepatozyten) unterbunden wird (wie hier durch Retrorsine), so scheint der als nächstes greifende Regenerationsmechanismus die Hypertrophie der verbleibenden Hepatozyten zu sein69.

4.1.3 Die Leber regeneriert sich nach subakutem Leberversagen durch partielle Hepatektomie

Die Lebern der durch partielle Hepatektomie (PH) geschädigten Versuchstiere sind nach zwölf Tagen im Mittel so schwer wie die der Normalgruppe (siehe Abschnitt 3.1.3). Daraus leitet sich ab, dass die Lebern der PH-Gruppe bei Versuchende bezüglich der Parenchymmasse weitgehend regeneriert sind38,49,50,69. Die PH-Gruppe und die Retrorsine/PH-Gruppe erreichen nicht ganz das normale Leber-/Körpergewichtsverhältnis, was darauf hinweist, dass die Leberregeneration zwölf Tage nach der Operation noch nicht vollständig abgeschlossen ist. Der Unterschied bezüglich der Lebermasse zwischen der Retrorsine/PH-Gruppe und der Retrorsine-Vergleichsgruppe ist statistisch signifikant. Die Lebern der Retrorsine/PH-Gruppe sind aber denen der Normalgruppe statistisch gleichwertig, das heißt das Lebergewicht und somit die Leberregeneration befinden sich ungefähr auf dem Niveau der Normalgruppe, woraus geschlossen worden ist, dass sich auch die Versuchstiere der Retrorsine/PH-Gruppe hinreichend von dem Leberschaden erholt haben.

Die signifikant niedrigeren Hepatozytenzahlen bei der PH-Gruppe deuten darauf hin, dass die Tiere den Parenchymverlust zu einem Teil durch Hypertrophie ausgleichen69. Dies ist erstaunlich, da im Allgemeinen Hyperplasie als vorrangiger Regenerationsmechanismus bei partieller Hepatektomie angenommen wird64,69. Im Mittel unterscheidet sich die PH-Gruppe von der Normalgruppe um sieben Zellen pro Gesichtsfeld, was 11% entspricht. Es ist zu vermuten, dass bei der physiologischen Leberregeneration in bestimmten Fällen Hyperplasie und Hypertrophie zusammenspielen79.

In der Retrorsine/PH-Gruppe finden sich sehr wenige, große Zellen, was darauf hindeutet, dass die Leber durch Hypertrophie regeneriert wird, wobei die verbleibenden Zellen im Mittel um über 40% wachsen32. In einer Studie von Nagy et al.69 ist bei der Unterbindung der normalen Leberregeneration durch Dexamethason ebenfalls Hypertrophie als Regenerationsmechanismus festgestellt worden. Nagy hat allerdings Unterschiede in der Verteilung der Hepatozyten beobachtet, große Zellen finden sich vorwiegend periportal, während perizentral weitgehend normal große Zellen beobachtet worden sind. Im vorliegenden Versuch zeigen sich diese Unterschiede nicht, woraufhin im Weiteren die Gesichtsfelder zur Auswertung zufällig gewählt und nicht zwischen den verschiedenen Läppchenbereichen unterschieden worden ist. Insgesamt stellt die

partielle Hepatektomie einen stärkeren Regenerationsreiz dar als die Applikation von CCl4. Die Zellen sind stärker hypertrophiert und die Regeneration dauerte länger, bei Versuchsende war sie im Gegensatz zur CCl4–Applikation noch nicht ganz abgeschlossen. Die Durchführung der partiellen Hepatektomie ist aber mit einer deutlich höheren Letalität verbunden, so dass in den weiteren Versuchen die Applikation von CCl4 favorisiert worden ist.

Die Beobachtung, dass die Leber durch Hypertrophie und nicht durch Hyperplasie regeneriert wird unterstützt die Hypothese, dass die Leberregeneration in unterschiedlichen Stufen abläuft3,14,18,66. Der naive Regenerationsmechanismus (Hyperplasie) wird, wenn immer möglich, genutzt. Ist es der Leber nicht möglich, sich durch Zellhyperplasie zu regenerieren, weil sich die Hepatozyten nicht mehr Teilen können, so wird die nächste Stufe, also der nächst komplexere Regenerationsmechanismus aktiviert38,69,70,74. Wird die Mitosefähigkeit der Hepatozyten durch Retrorsine gehemmt, so wird die Leber durch Zellhypertrophie regeneriert.

Denkbar ist auch, dass die verschiedenen Stufen, also die verschiedenen Regenerationsmechanismen, gleichzeitig aktiviert werden, wenn die Leber durch einen einzigen Mechanismus nicht ausreichend regeneriert werden kann. In diesem Fall wäre bei einem genügend großen Leberschaden ein Nebeneinander verschiedener Regenerationsmechanismen (in unterschiedlichen Ausmaß) beobachtbar. Für einen weiteren Regenerationsmechanismus, bei dem so genannte „oval cells“ eine Rolle spielen, ist dieses, für biologische Systeme typische, Nebeneinander verschiedener Mechanismen ebenfalls beobachtet worden14,79.

4.2 Eine Knochenmarkzelltherapie erzielt keine