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Staatliche Massnahmen zur Arbeitsmarktinklusion

3 Theoretische, rechtliche und empirische Grundlagen

3.3 Forschungsstand

3.3.3 Staatliche Massnahmen zur Arbeitsmarktinklusion

Es gibt eine Reihe von staatlich beorderten, aber dennoch unabhängigen wissenschaftlichen Evaluationen von Massnahmen, die auf einem gesetzlichen Auftrag fussen. Sie werden im nächsten Kapitel im Zusammenhang mit der Dokumentenanalyse (s. Kapitel 4) beigezogen. An dieser Stelle geht es um die Erkenntnis aus jenen wissenschaftlichen Auseinandersetzungen mit staatlichen Massnahmen zur Arbeitsmarktinklusion von Menschen mit Behinderungen, die nicht durch einen staatlichen Auftrag ausgelöst wurden.

In der Literatur lassen sich folgende vier Inklusionsmodelle für die Arbeitsmarktinklusion von Menschen mit Behinderungen finden: unterstützte Beschäftigung, Antidiskriminierung, Quo-tenmodelle und Rehabilitation durch Verpflichtungen. Hierbei handelt es sich um idealtypische Modelle, welche in verschiedenen Ländern in unterschiedlicher Mischform umgesetzt werden.

Neben diesen Modellen setzt sich die Literatur zudem mit weiteren Inklusionsmassnahmen aus-einander, so z. B. mit Beschäftigungsprogrammen (Pärli et al., 2009, S. 24-25).

Das Modell der unterstützten Beschäftigung zielt auf die Erhöhung der Teilhabe an der Arbeits-welt und der Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen ab und bietet ihnen zu

die-positive Ergebnisse und belegen eine verhältnismässig hohe Erfolgsquote (Pärli et al., 2009, S.

28). Sie zeigen aber auch, dass der Erfolg dieses Modells stark von der Bereitschaft der Arbeit-gebenden abhängt, an solchen Programmen teilzunehmen. Fehlt sie, kann das zum Scheitern dieses Inklusionsmodells führen (Deuchter & Liebert, 2013, S. 38).

Eine weitere Massnahme ist das Inklusionsmodell Antidiskriminierung. Im Rahmen dieses Konzepts soll sich die Chancengleichheit für Menschen mit Behinderungen in der Gesellschaft – und damit auch in der Arbeitswelt – dank der Stärkung ihrer individuellen Rechte einstellen (Pärli et al., 2009, S. 34-35). Allerdings belegen viele Studien, dass sogar weitreichende Anti-diskriminierungsgesetze zu keiner Verbesserung der Beschäftigungschancen von Menschen mit Behinderungen führen. Dies ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass sich eine Dis-kriminierung vor Gericht nur schwer beweisen lässt. Dennoch sind einklagbare Bürgerrechte eine wesentliche Grundlage für ein selbstbestimmtes Leben (Deuchert & Liebert, 2013, S. 32).

In vielen Ländern existieren zwingende Quoten zur Beschäftigung von Menschen mit Behinde-rungen. Sie gelten mehrheitlich für Betriebe mit einer Mindestgrösse von 20 bis 50 Angestell-ten. Für sie sieht das Gesetz eine Beschäftigungsquote von 2 % bis 7 % vor (OECD, 2005, S.

69; Pärli et al., 2009, S. 39-40). Dabei gibt es einen Unterschied zwischen Ländern wie der Schweiz, welche lediglich Quoten für den öffentlichen Sektor vorsehen, und jenen, welche auch private Arbeitgebende in die Pflicht nehmen (Deuchter & Liebert, 2013, S. 32). Die Quoten werden allerdings durch die Unternehmen in den meisten Ländern nur in geringem Masse ein-gehalten. Ob dies besser oder schlechter erfüllt wird, hängt zumeist von der Sanktionshöhe ab (Pärli et al., 2009, S. 41). Es gibt allerdings empirische Evidenz, die für eine moderate Wirk-samkeit von Quotenregelungen spricht. Erfüllen Unternehmen ihre Quotenpflicht nicht, werden sie sanktioniert und zu Ausgleichszahlungen verpflichtet. Weil diese zur Finanzierung von In-klusionsprojekten eingesetzt werden, tragen die Quoten indirekt ebenfalls zu einer besseren Arbeitsmarktinklusion von Menschen mit Behinderungen bei (Deuchter & Liebert, 2013, S.

34).

Das vierte Modell der Rehabilitation durch Verpflichtung baut darauf auf, dass Menschen mit Behinderungen nur dann staatliche Leistungen erhalten, wenn die beruflichen Rehabilitations-massnahmen erfolglos waren (OECD, 2003, S. 202-203; OECD, 2006, S. 55-56; Pärli et al., 2009, S. 44-45). Aussagekräftige wissenschaftliche Evaluationen zur Wirkung dieses Modells fehlen bis anhin (Pärli et al., 2009, S. 47).

Eine weitere verbreitete Massnahme stellt die finanzielle Förderung von Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderungen dar. Die empirische Forschung ist sich allerdings in Bezug auf deren Wirksamkeit nicht einig. Grundsätzlich bergen alle Subventionssysteme jeweils ihre

eigene Gefahr. Eine solche besteht auch hier. Lösen nämlich alle Beschäftigten mit Behinde-rungen und somit auch jene, die bereits eine Stelle haben, Subventionen aus, ist dies nicht nur mit hohen Kosten verbunden, es trägt auch nicht angemessen zur angestrebten höheren Be-schäftigungsquote bei. Andererseits können bei individuellen Entscheiden über die Vergabe von Fördergeldern negative Signalwirkungen für subventionierte Arbeitnehmende entstehen, dadurch dass diese als besonders schwierige Fälle wahrgenommen werden (Deuchter & Lie-bert, 2013, S. 38-40).

Allgemein hat es sich als besonders bedeutsam herausgestellt, dass Politikprogramme und die darin enthaltenen Massnahmen unter Einbezug von Erfahrungen und Standpunkten erarbeitet werden – d.h., unter Einbezug der Betroffenen (Lewis et al., 2013, S. 1100-1101).

Das aktuelle Verständnis des Begriffs der Behinderung, welcher individuelle und umgebungs-bezogene Faktoren verbindet, begründet, dass sich staatliche Massnahmen zur Schaffung eines inklusiven Arbeitsumfelds sowohl an dieses als auch an Individuen richten sollen. Die verschie-denen Faktoren, welche für eine gelingende Inklusion notwendig sind, können durch staatliche Massnahmen zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt ge-fördert werden. Jene können auf einer gesetzlichen Grundlage basieren und sich unterschiedli-cher Policy-Instrumente bedienen. Um letztere in der Schweiz zu verstehen, bedarf es eines tieferen Verständnisses von deren Ausgangslage sowie politischer Grundlage.

4 Dokumentenanalyse

In diesem Kapitel werden relevante Massnahmen zur späteren Beantwortung der Fragestellun-gen dieser Studie aus vorhandenen Schriftstücken des Bundes sowie aus nationalen und inter-nationalen Evaluationen herausgearbeitet und analysiert. Diese Dokumente haben gemeinsam, dass sie den Fokus auf die Situation von Menschen mit Behinderungen in der Arbeitswelt legen.

Sie dokumentieren die damit verbundene Entwicklung (Kapitel 4.1) und Rechtslage (Kapitel 4.2). Zudem spiegeln sie den Prozess hin zur aktuellen schweizerischen Behindertenpolitik und den entsprechenden politischen Weichenstellungen wider (Kapitel 4.3). Ihr Blick ist dabei ei-nerseits auf bestehende Massnahmen zur Förderung der Arbeitsmarktinklusion von Menschen mit Behinderungen gerichtet, andererseits auf absehbare und damit zukünftige gesetzgeberische Vorhaben sowie auf die Massnahmen, deren Umsetzung für die kommenden Jahre geplant ist (Kapitel 4.4). Abschliessend werden beispielhaft den unterschiedlichen Evaluationen zu ent-nehmenden Empfehlungen für ein inklusives Arbeitsumfeld aufgezeigt (Kapitel 4.5).