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Massnahmen zur Förderung eines inklusiven Arbeitsumfelds

6 Diskussion

6.1 Massnahmen zur Förderung eines inklusiven Arbeitsumfelds

Mit der Ratifizierung der UN-BRK hat die Schweiz das gleiche Recht von Menschen mit Be-hinderungen auf Arbeit anerkannt und sich unter anderem dazu verpflichtet, die Voraussetzun-gen für einen offenen, inklusiven Arbeitsmarkt zu schaffen. Der Bund kommt dieser Verpflichtung über eine Vielzahl von Massnahmen nach (s. Kapitel 4.4), wobei nicht alle das inklusive Arbeitsumfeld adressieren, das zur Umsetzung von Art. 27 UN-BRK notwendig ist.

Damit dies gelingt, ist der Bund auf die Mitwirkung der Arbeitgebenden des ersten Arbeits-marktes angewiesen. Sie sind es, die Menschen mit Behinderungen barrierefreie Arbeitsplätze anbieten müssen. Auf sie sind daher die Gleichstellungsmassnahmen des Bundes ganz beson-ders auszurichten.

Im Folgenden werden bestehende staatliche Massnahmen vorgestellt, welche verschiedenen Herausforderungen und Schwierigkeiten Rechnung tragen, die laut den Interviewten Arbeitge-bende allenfalls bei der Schaffung von Arbeitsplätzen für Menschen mit Behinderungen zu meistern haben.

6.1.1 Motivation von Arbeitgebenden

Die Interviewpartnerinnen und -partner waren sich darin einig, dass der Wille der Arbeitgeben-den, Menschen mit Behinderungen zu beschäftigen, und ihr entsprechendes Commitment dazu die grundlegenden Faktoren für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in den ersten Arbeitsmarkt sind. Die Massnahmen des Bundes sind deshalb ganz besonders auf die Willens-bildung der Arbeitgebenden im ersten Arbeitsmarkt auszurichten, welche bislang keine Men-schen mit Behinderungen beschäftigten, und sie zur Schaffung von inklusiven Arbeitsplätzen zu motivieren.

Das EBGB sensibilisiert über seine Öffentlichkeitsarbeit zum Diskriminierungsschutz für Men-schen mit Behinderungen und informiert über den Rechtsweg zu dessen Durchsetzung. Dabei stehen nicht primär die Arbeitgebenden des ersten Arbeitsmarktes im Fokus. Sie lassen sich aber indirekt durch eine allgemeine Sensibilisierung der Gesellschaft für die verfassungsgege-benen Rechte von Menschen mit Behinderungen erreichen. Je grösser ihr Verständnis für die gemeinsame Aufgabe ist, Menschen mit Behinderungen im ersten Arbeitsmarkt gleichzustel-len, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich bei Führungskräften der entsprechende Wille und die entsprechende Bereitschaft dazu einstellt.

Das Programm ‹Gleichstellung und Arbeit› sieht Massnahmen und Aktivitäten vor, die über unterschiedliche Kommunikationsmittel auf den Willen und die Mitwirkungsbereitschaft von Arbeitgebenden abzielen. Während die erlangte Erkenntnis aus anderen Handlungsfeldern be-kannt gemacht werden soll, liegt der Fokus der sensibilisierenden Massnahmen im Rahmen des Handlungsfeldes 3 ‹Kommunikation›. Zentrale Aktivitäten für die Motivation von Arbeitge-benden sind:

¨ der Schwerpunkt in der Online-Kommunikation des EBGB (Aktivität 3.1.1.),

¨ die Publikation von Best Practice-Beispielen (Aktivität 3.2.1.),

¨ die Publikation in Artikeln in Fachzeitschriften (Aktivität 3.3.3.),

¨ die Bekanntmachung der Finanzhilfen des EBGB (Aktivität 3.3.4.) sowie

¨ der zugehörige Leitfaden für die Gesuchstellenden (Aktivität 3.2.2.).

Dass der Fokus auf persuasive Instrumente geeignet ist, wenn es um die Förderung der Moti-vation von Arbeitgebenden des ersten Arbeitsmarktes geht, ist insofern auch zutreffend, als ihnen keine gesetzliche Pflicht zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen obliegt.

Eine solche hat nur der Bund; Art. 13 BehiG weist ihn an, entsprechende Massnahmen zu er-greifen. Es gibt aber auch Arbeitgebende, welche nicht aufgrund eines gefassten Entschlusses keine Mitarbeitenden mit Behinderungen beschäftigen, sondern weil sie dies nie in Betracht

sondern erst Jahre danach, aufgrund eines externen Impulses mit der Frage der Anstellung von Menschen mit Behinderungen auseinandergesetzt hat. Zudem offenbart sie, dass Arbeitgebende über entsprechende Sensibilisierungsmassnahmen erreichbar sind. Das bestätigen auch die Rückmeldungen der meisten befragten Arbeitgebenden, was darauf hinweist, dass persuasive Massnahmen auch bei anderen Unternehmen ihre Wirkung haben können. Somit entsprechen die aktuell ergriffenen Kommunikationsmassnahmen den Präferenzen der befragten Arbeitge-benden.

Das EBGB spricht im Rahmen des Programms ‹Gleichstellung und Arbeit› direkt grosse Un-ternehmen und GAV-Branchen (Aktivität 3.3.1.) und indirekt KMU über Branchen- und Regi-onalverbände sowie über die Plattform von Compasso (Aktivität 3.3.2.) an. Diese Aktivitäten öffnen den direkteren Weg zu Arbeitgebenden, die sich bislang nicht mit der Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen befassten. Sie zielen darauf ab, die von Leicht-Miranda be-schriebenen Hürden des Zugangs zu Arbeitgebenden zu überwinden. Eine Ansprache von Ar-beitgebenden über die Verbände wird auch von einem befragten Geschäftsleitungsmitglied als geeignet zur Ausschöpfung des Arbeitsmarktpotenzials erachtet.

Wenn hingegen die Kommunikation des EBGB über die Website erfolgt, ist zu bedenken, dass diese vorwiegend von bereits sensibilisierten und damit interessierten Arbeitgebenden konsul-tiert wird. Das gilt auch für die Plattform von Compasso. Diese Arbeitgebenden sind gemäss Leicht-Miranda grundsätzlich empfänglicher für Expertenwissen und Massnahmen zur Förde-rung eines inklusiven Arbeitsumfelds. Es ist aber richtig, für das Erreichen und die Sensibili-sierung der Arbeitgebenden für ein inklusives Arbeitsumfeld auf unterschiedliche Kommunikationswege zu setzen, zumal auch Arbeitgebende verschieden auf die diversen Kommunikationsmittel ansprechen.

Aus den Interviews ging ebenfalls hervor, welche Inhalte sich eignen, um Arbeitgebende in Bezug auf die Beschäftigung von Menschen mit Behinderung erfolgreich anzusprechen. Eine wesentliche Rolle spielen in diesem Zusammenhang nebst den Gründen ebenso die Vorteile, die ein solches Engagement dem Betrieb bringt, z. B. jene, die in den Betrieb hineinwirken, wie die erhöhte Sozialkompetenz und Loyalität aller Mitarbeitenden, oder wirtschaftliche Vorteile, die gemischte Teams mit sich bringen können.

Einen Vorteil, den einige Arbeitgebende erleben, ist aber auch, dass sich die Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen im Betrieb positiv auf das Image ihres Unternehmens auswirkt.

Diese Wirkung lässt sich zusätzlich durch das Küren vorbildlicher Massnahmen der Arbeitge-benden zur Schaffung von barrierefreien Rahmenbedingungen (Aktivität 2.2.2) fördern und bietet Firmen eine zusätzliche Plattform zur Vergrösserung der Reichweite ihres Ansehens.

Eine Stärkung des positiven Images Arbeitgebender von Menschen mit Behinderungen kann zudem über die Weiterentwicklung des Labels ‹iPunkt+› und dessen geografische Ausdehnung im Rahmen des Schwerpunkts 5 der Massnahmen der ‹Nationalen Konferenz zur Arbeits-marktintegration von Menschen mit Behinderung› erlangt werden. Das EBGB ist an der Um-setzung beteiligt.

6.1.2 Voraussetzungen für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen Nebst einem Willen zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen nannten die befrag-ten Personen viele weitere Voraussetzungen, welche erfüllt sein müssen, damit die angestrebte Inklusion gelingt. Sie variieren je nach Arbeitgebenden und Mitarbeitenden. Über die im vo-rangehenden Kapitel beschriebenen Kommunikationsmassnahmen zur Sensibilisierung von Arbeitgebenden lassen sich die Faktoren vermitteln, die für ein inklusiven Arbeitsumfeld und/oder die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in ein Unternehmen von Vorteil oder notwendig sind. Dazu eignen sich ganz besonders anschaulich aufbereitete Best Practice-Bei-spiele in Bezug auf die Ausrichtung von Arbeitsplätzen an die Bedürfnisse von Arbeitnehmen-den mit Behinderungen, die allfällig notwendige Planung und Flexibilität oder jene Massnahmen, welche die Inklusion von Mitarbeitenden mit Behinderungen begünstigen.

Im Zuge der Massnahme 1.2 des Programms ‹Gleichstellung und Arbeit› werden bestehende Massnahmen zur Inklusion in der Bundesverwaltung und in bundesnahen Unternehmen ermit-telt und sichtbar gemacht. Sie zielt somit auf die Erweiterung des – einer befragten Führungs-kraft zufolge wichtigen – Wissens zur Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen bei öffentlichen und privaten Arbeitgebenden ab.

6.1.3 Herausforderungen für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen Finanzielle Aufwände bei der Anpassung von Arbeitsplätzen und Hilfsmitteln für Menschen mit Behinderungen stellen Arbeitgebende vor grosse Herausforderungen und das noch mehr, wenn sie sich zum ersten Mal mit der Inklusionsfrage befassen. Deshalb sind gerade sie zu informieren, dass und wie sie der Staat dabei entlasten kann, unter anderem darüber, dass die Kosten für die Hilfsmittel, die für die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit notwendig sind, ebenso mehrheitlich durch die IV übernommen werden wie jene für bauliche Massnahmen (Art.

21 IVG; Art. 14 IVV & Anhang 13.05 HVI). Ausserdem kann der Bund über die Finanzhilfen der IV und des EBGB befristete Projekte von Arbeitgebenden im ersten Arbeitsmarkt finanziell mittragen. Verstärkt wird die monetäre Unterstützung durch den Staat im Zuge der Aktivität 2.1.1 des Programms ‹Gleichstellung und Arbeit› über die Priorisierung der Finanzhilfen des EBGB zugunsten von arbeitsbezogenen Projekten. Über einen Projektguide, welcher als

Leit-(Aktivität 3.2.2.). Über die Plattform von Compasso soll das Wissen hierzu zusätzlich verbreitet werden (Aktivität 3.3.4).

Die finanziellen Konsequenzen, welche für ein befragtes Unternehmen durch vermehrte krank-heitsbedingte Ausfälle entstehen können, werden im Rahmen der Massnahmen des IVG mit einer Entschädigung für ansteigende Beitragsgelder für die Krankentaggeldversicherung (Art.

18c IVG) abgedeckt, dies aber nur, wenn eine Person aufgrund einer Arbeitsvermittlung durch die zuständige IV-Stelle angestellt wurde. Auch die durch mehrere Arbeitgebende erwähnte verminderte Leistungsfähigkeit von Angestellten wird teilweise durch die Massnahmen des IVG adressiert: Für Mitarbeitende, welche von der kantonalen IV-Stelle vermittelt wurden, sieht das Gesetz dazu Einarbeitungszuschüsse vor, die zu Beginn der Anstellung an Arbeitge-bende zur Kompensation anfänglicher finanzieller Einbussen geleistet werden können (Art. 18b IVG).

Die im Rahmen der im Bericht der Behindertenpolitik des Bundesrates von 2018 angekündigten Massnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Akteurinnen und Akteuren der Bundes- und Kantonsverwaltungen können sich ebenfalls positiv auf die Schaffung eines in-klusiven Arbeitsumfelds auswirken. Diese bieten ganz besonders auch die Chance, die Zusam-menarbeit mit den kantonalen IV-Stellen zu optimieren, die sich für einige Gesprächspartnerinnen und -partner aus unterschiedlichen Gründen als herausfordernd erweist.

Ihnen bereitet vor allem die wenig einheitliche Umsetzung und Handhabung der Massnahmen des IVG durch die kantonalen IV-Stellen Probleme. Über eine engere Vernetzung der staatli-chen Akteurinnen und Akteure liesse sich diese verbessern, sodass es für ein Unternehmehen weniger aufwändig wäre, barrierefreie Arbeitsstellen aufzubauen oder insbesondere für Mitar-beitende zu erhalten, die während der Anstellung von einer Behinderung betroffen werden.

Nicht nur die Koordination der IV-Stellen wird durch die Massnahmen der Schwerpunkte 1 bis 3 der ‹Nationalen Konferenz zur Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderung› an-gestrebt, sondern auch die Vernetzung einer Vielzahl unterschiedlicher Akteurinnen und Ak-teure im Inklusionsprozess. In diesem Rahmen werden auch gemeinsame Instrumente entwickelt. Dadurch wird nicht nur die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und (staatli-chen) Akteurinnen und Akteuren enger, sondern es lassen sich auf diesem Weg auch die Skep-sis und Vorbehalte von Arbeitgebenden gegenüber staatlichen Massnahmen abbauen.