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3 Theoretische, rechtliche und empirische Grundlagen

3.2 Rechtliche Grundlagen

3.2.1 Internationale Übereinkommen

Dem Völkerrecht und damit den Menschenrechten kommen in Bezug auf die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in den primären Arbeitsmarkt eine hohe Bedeutung zu. Im Fol-genden wird der ‹Internationale Pakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte› (UNO-Pakt I) näher betrachtet, welcher grundsätzlich allen Menschen das Recht auf Arbeit (Art. 6 &

7 UNO-Pakt I) sowie den Schutz vor Diskriminierung (Art. 2 Abs. 2 UNO-Pakt I) zuspricht.

Auch die ‹Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten› (EMRK) enthält in Art. 14 ein Diskriminierungsverbot. Dieses beschränkt sich jedoch auf die durch die EMRK und über ihre Zusatzprotokolle garantierten Grundrechte und -freiheiten. Weil in der EMRK kein explizites Recht auf Arbeit verbrieft und diese Erklärung somit in Bezug auf die Frage nach der Inklusion im Arbeitsmarkt nicht relevant ist, wird diese Erklärung nachfolgend ausser Acht gelassen. Hingegen werden in diesem Kapitel die einschlägigen Bestimmungen zur In-klusion von Menschen mit Behinderungen in den primären Arbeitsmarkt der UN-BRK vorge-stellt.

3.2.1.1 Menschenrechte im Allgemeinen – UNO-Pakt I

Der UNO-Pakt I aus dem Jahr 1966, der in der Schweiz am 18. September 1992 in Kraft trat, hält in Art. 6 Abs. 1 das Recht auf Arbeit wie folgt fest: «Die Vertragsstaaten erkennen das Recht auf Arbeit an, welches das Recht jedes einzelnen auf die Möglichkeit, seinen Lebensun-terhalt durch frei gewählte oder angenommene Arbeit zu verdienen, umfasst, und unternehmen geeignete Schritte zum Schutz dieses Rechts.» Art. 6 Abs. 2 UNO-Pakt I umschreibt die damit verbundenen zwingenden Massnahmen. Die Vertragsstaaten sind verpflichtet, eine fachliche und berufliche Beratung sowie Ausbildungsprogramme anzubieten. Zudem müssen sie Grunds-ätze und Verfahren zur Erzielung einer wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung sowie einer produktiven Vollbeschäftigung festlegen. Art. 7 des UNO-Pakt I statuiert zudem das Recht aller Menschen auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen. Gemäss Bst. a bis d zeichnen sich diese insbesondere aus durch

¨ ein Arbeitsentgelt, welches angemessene Löhne und einen angemessenen Lebensunterhalt sichert, sowie gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit;

¨ sichere und gesunde Arbeitsbedingungen;

¨ gleiche Möglichkeiten entsprechend der Beschäftigungsdauer und Befähigung aufzusteigen sowie

¨ eine angemessene Arbeitszeitbegrenzung, Arbeitspausen, Freizeit, regelmässige bezahlte Ferien sowie eine Vergütung gesetzlicher Feiertage.

Gemäss Art. 2 Abs. 2 des UNO-Pakt I verpflichten sich die Vertragsstaaten dazu, die diskrimi-nierungsfreie Ausübung der im Pakt enthaltenen Rechte zu gewährleisten. Ein explizites Dis-kriminierungsverbot aufgrund von Behinderungen ist hier nicht festgehalten. Dennoch lässt sich Art. 2 Abs. 2 UNO-Pakt I zum Schutz von Menschen mit Behinderungen heranziehen (Kälin et al., 2008, S. 49).

3.2.1.2 Rechte von Menschen mit Behinderungen im Besonderen – UN-BRK

Für die Rechte von Menschen mit Behinderungen ist die UN-BRK von 2006 von grosser Be-deutung. In der Schweiz ist sie seit dem 15. Mai 2014 in Kraft. Sie wurde formuliert, weil der UNO-Pakt I sowie die weiteren völkerrechtlichen Übereinkommen zum Schutz der Menschen-rechte zwar für alle Menschen gelten, die Vertragsorgane bei der Umsetzung die besondere Menschenrechtssituation von Menschen mit Behinderungen jedoch nur ungenügend beachtet haben. Die UN-BRK betont, dass alle Menschenrechte und Grundfreiheiten allgemein gültig sind und auch Menschen mit Behinderungen diese Rechte und Freiheiten diskriminierungsfrei und vollumfänglich zu gewähren sind (Präambel Bst. c UN-BRK).

Was Diskriminierung aufgrund von Behinderung ist, umschreibt die UN-BRK in Art. 2 Satz 3 als Unterscheidung, Ausschliessung oder Beschränkung aufgrund von Behinderung, die eine Ausgrenzung aus der Gesellschaft zum Ziel oder zur Folge hat. Diese Diskriminierung gilt es zu überwinden.

So wird der Zweck der UN-BRK denn auch in Art. 1 folgendermassen definiert: «Zweck dieses Übereinkommens ist es, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu ge-währleisten und die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern.» Für diese Arbeit ist Art. 27 UN-BRK von besonderer Relevanz. In Abs. 1 Bst. a und b hält er folgende Erklärung der Vertragsstaaten fest:

(1) Die Vertragsstaaten anerkennen das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf Arbeit; dies beinhaltet das Recht auf die Möglichkeit, den Lebensunterhalt durch Ar-beit zu verdienen, die in einem offenen, integrativen und für Menschen mit Behinderun-gen zugänglichen Arbeitsmarkt und Arbeitsumfeld frei gewählt oder anBehinderun-genommen wird.

Die Vertragsstaaten sichern und fördern die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit, ein-schliesslich für Menschen, die während der Beschäftigung eine Behinderung erwerben, durch geeignete Schritte, einschliesslich des Erlasses von Rechtsvorschriften, um unter anderem:

a) Diskriminierung aufgrund von Behinderung in allen Angelegenheiten im Zusam-menhang mit einer Beschäftigung gleich welcher Art, einschliesslich der Auswahl-, Einstellungs- und Beschäftigungsbedingungen, der Weiterbeschäftigung, des beruf-lichen Aufstiegs sowie sicherer und gesunder Arbeitsbedingungen, zu verbieten;

b) das gleiche Recht von Menschen mit Behinderungen auf gerechte und günstige Ar-beitsbedingungen, einschliesslich Chancengleichheit und gleichen Entgelts für gleichwertige Arbeit, auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen, einschliesslich Schutz vor Belästigungen, und auf Abhilfe bei Missständen zu schützen;

Weiter sollen die Vertragsstaaten nach Art. 27 Abs. 1 Bst. c bis k UN-BRK gewährleisten, dass Menschen mit Behinderungen ihre Arbeitnehmer- und Gewerkschaftsrechte gleichberechtigt mit anderen ausüben können, Zugang zu fachlichen und beruflichen Beratungsprogrammen er-halten, ihnen Stellenvermittlung, Berufsaus- und Weiterbildungen zur Verfügung stehen sowie für sie angemessene Vorkehrungen am Arbeitsplatz getroffen werden. Die Vertragsstaaten

verpflichten sich zudem, Menschen mit Behinderungen im öffentlichen Sektor zu beschäftigen.

Ferner wollen sie unter anderem die Beschäftigungs- und beruflichen Aufstiegsmöglichkeiten für Menschen mit Behinderungen im privaten Sektor ebenso durch Strategien und Anreize be-günstigen wie deren Möglichkeiten für die selbständige Erwerbstätigkeit und das Unternehmer-tum. Zudem fördern sie Programme zur Inklusion von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt (Art. 27 Abs. 1 Bst. k UN-BRK). So stellen sie sicher, dass Menschen mit Behin-derungen Arbeitserfahrung sammeln können. Der Bundesrat (2012, S. 705-706) betonte in sei-ner Botschaft zur Genehmigung der UN-BRK, dass Art. 27 UN-BRK keinen eigenständigen Anspruch von Menschen mit Behinderungen auf eine Arbeitsstelle begründe, die Schweiz aber über einen nicht abschliessenden Katalog von möglichen Massnahmen verpflichte, die Inklu-sion von Menschen mit Behinderungen in den Arbeitsmarkt zu fördern. Der Bundesrat wies zudem darauf hin, dass dieser UN-BRK-Artikel Vorgaben aus anderen Menschenrechtsverträ-gen – unter anderem dem UNO-Pakt I – wiederhole und sie so für Menschen mit Behinderun-gen bekräftige.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die UN-BRK die Rechte von Menschen mit Be-hinderungen auch in Bezug auf die Arbeit konkretisiert und damit die entsprechenden Bestim-mungen älterer völkerrechtlicher Übereinkommen weiterentwickelt – gestützt auf das gewandelte Verständnis von Behinderung. Als Vertragsstaat ist die Schweiz verpflichtet, sich auch im Sinne des gewandelten Verständnisses aktiv für die Inklusion von Menschen in den ersten Arbeitsmarkt und deshalb für die Schaffung eines offenen, inklusiven und zugänglichen Arbeitsmarkts einzusetzen.